Zeitschrift EE

 nt 04 | 2021 Gebäudesimulation

Optimierte Umsetzung von Tageslichtlenkung durch Simulationsplanung

Adidas World

Das „adidas Halftime“ ist das neue zentrale Mitarbeitergebäude der Firma adidas am Hauptstandort in Herzogenaurach (DE). Das multifunktional ausgerichtete Gebäude mit Betriebsrestaurant, Multifunktionsräumen und individueller Raumgestaltung forderte das Architektenteam sowie DesignerInnen und PlanerInnen. Bartenbach GmbH konnte hier die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Architekten COBE aus Kopenhagen und CL MAP aus München fortsetzen.

Adidas Arena in Herzogenaurach (DE). Foto: David Matthiessen

Zwei wichtige Prinzipien der Planung waren Multifunktionalität und optimale Tageslichtlenkung. Mittels eines Daches, welches ein Maximum an Tageslicht in den Raum lenkt, wird ein transparenter Pavillon geschaffen. Dadurch können die Räume die geforderte Multifunktionalität hinsichtlich ihrer Nutzung gut erfüllen. Die dynamische Bewegung des Tageslichtes wird durch die Betonrippen und deren Glaseindeckung mit lichtlenkendem Material realisiert. Sonne, Licht und Schatten werden so für die MitarbeiterInnen und BesucherInnen erlebbar. Die Betonrippen des Gebäudes sind außerdem Träger der Technik (Sprinkler, Kühltechnik, Akustik) und dienen auch als Lichtfilter für blendfreies Tageslicht. In den Betonrippen sind tageslichtergänzend lineare Kunstlichtsysteme integriert, welche unmerklich das abnehmende Tageslicht ersetzen. Zusätzlich erzeugen Pendelleuchten und Akzentlichter in den kleineren Räumen für einen brillanten Lichtanteil. Durch vertikale Gliederungen mit grünen Wänden sowie grüne Innenhöfe werden große Nutzflächen unterbrochen und eine angenehme Atmosphäre für die NutzerInnen geschaffen. Durch farbige und Materialisierungsgestaltung an den Wänden der kleineren Räume wird gemeinsam mit der Wandgestaltung eine normale Raumhöhe geschaffen und damit die Raumproportionen der kleinen Räume auf die Grundrissflächen angepasst. So entsteht – gefühlt – eine geringe Höhe der Räume und der Mensch fühlt sich wohler im Raum.

Die besonders hohe Farbwiedergabe CRI>92 (Colour Rendering Index ... Farbwiedergabewert) mit erhöhtem Rotanteil und im Glas integrierte Kapillardiffusoren bewirken blendfreies Licht und optimieren die Arbeitsmöglichkeiten vom Großraum bis hin zu den Konferenz- und Besprechungsräumlichkeiten. Der Restaurantbereich soll z. B. auch Bildschirmtauglichkeit aufweisen und für informelle Meetings und Treffen ganztags zur Verfügung stehen.

Durch eine Zonensteuerung in sehr kleinen Bereichen im Großraum der Multifunktionszone wird die Monotonie ab der Dämmerung und in den Wintermonaten in der frühen Nacht verhindert. Es wird durch die Zonierung im Licht auch in der Nacht eine wohnliche Raumgröße simuliert. Die ausschließliche Ausrichtung des Lichts nach unten erzeugt einen sehr geringen Anteil an Lichtverschmutzung.

Adidas Arena

Altes über Bord werfen und sich Neues trauen! Unter dieser Prämisse wurde im neuen adidas Headquarter in Herzogenaurach der Wunsch nach Tageslicht an den Arbeitsplätzen und einem multifunktionalen Eingangsbereich von Bartenbach Lighting Design umgesetzt. Tageslichtanforderungen und bauphysikalische Vorgaben sind teilweise schwierig zu vereinbaren. Immer voluminösere Tragwerke verringern den Sonnenlichteinfall bzw. immer größere Fensterbereiche benötigen aufwändige Verschattung, um Überhitzung im Gebäude vorzubeugen. Der zusätzliche Wunsch von adidas, den Aufwand und die Kosten der Wartung der Sonnenschutzsysteme so gering wie möglich zu halten, kam als besondere Herausforderung hinzu. Das Team, bestehend aus Behnisch Architekten, Transsolar und Bartenbach entwickelte nach parametrisch definierten Zielen ein feststehendes Fassadensonnenschutzsystem, das mit der eigentlichen Glasfassade interagiert.

Durch die teilperforierten und je nach Himmelsrichtung verschobenen Rauten sind alle Fassadenausrichtungen für die Mitarbeiter gleichwertig in Durchsicht, Verschattung und Belichtung. Damit ist für adidas eine maximale Flexibilität in der Raumbelegungsplanung gegeben.

Anforderungen an die Simulationstechnik

Die komplexe Fassadenstruktur stellte auch hohe Anforderungen an die Simulationstechnik im Zuge der Tageslichtplanung. Zur Bewertung der Tagesbelichtung im Innenraum musste das Geometriemodell des großvolumigen Gebäudes so adaptiert werden, dass alle (tages-)lichttechnisch relevanten Bestandteile enthalten sind, die Geometrie aber bestmöglich vereinfacht ist. Das Fassadensystem selbst wurde über ein detailliertes Modell abgebildet, um sowohl die Winkelabhängigkeit durch die geometrische Struktur als auch durch die Perforation exakt zu erfassen. Die Abbildung zeigt den Tageslichtquotienten (TQ)-Verlauf im gesamten ersten Obergeschoß mit der für den Nachweis der in der Projektplanung gültigen Norm DIN 5034 relevanten Grenzlinie von 0.9 %.

Abbildung: Tageslichtverlauf im ersten Obergeschoß der Adidas Arena. Quelle: Bartenbach

Durch die spezielle Fassadenkonstruktion, die durch ihre Geometrie winkelabhängig adaptiv auf die jeweiligen Sonnenstände reagiert, variiert auch der solare Eintrag je nach Tages- und Jahreszeit. Um diesen Effekt in der weiterführenden bauphysikalischen Betrachtung und in der Planung der HLK-Systeme abzubilden, wurde sowohl die winkelabhängige Transmission der Fassadenstruktur als auch der resultierende winkelabhängige g-Wert des Gesamtsystems (Fassadenstruktur und Verglasung) simulationstechnisch ermittelt. Ein Vergleich der Werte für die gerichtete Einstrahlung aus 45° von oben (τ = 0.49 / g = 0.11) und 45° von unten (τ = 0.76 / g = 0.18) zeigt die Effektivität dieser Fassadenstruktur und die Relevanz der winkelabhängigen Betrachtung.

Abbildung: Winkelabhängige Transmission der Fassadenstruktur (oben) und winkelabhängiger g-Wert des Gesamtsystems Fassadenstruktur inkl. Verglasung (unten). Quelle: Bartenbach

Mit annähernd gleicher Konsequenz wird das Kunstlicht bearbeitet. Durch ein einheitliches Beleuchtungssystem werden alle großen Flächen der Erschließungen, Korridore und Büros bis hin zur Eingangsarena gestaltet. Die Integration des Kunstlichtes dient nicht nur der Erfüllung von Normwerten, sondern macht durch individuelle Gestaltung und gestalterische Aspekte auch die Marke und Identität von adidas deutlich. Zudem trägt das Kunstlicht zur klaren Wegeführung und Orientierung bei.

Um die Lichtschwelle von außen nach innen zu verringern, werden im Eingangsbereich ausschließlich „tunable-white-Leuchten“ mit der gleichen Leuchtenlösung wie im Innenraum eingesetzt. Damit entsteht ein harmonischer Übergang vom Tageslicht außen zur tagesbelichteten Halle innen, sowie eine gemütliche Atmosphäre nachts für verschiedene Veranstaltungen. Auch der Eingangsbereich wird damit multifunktional nutzbar gemacht und kann situationsbezogen mit jeder Lichtstimmung bespielt werden.

In der Eingangsarena wurde die Breite des Eingangs mit einem deutlichen Materialwechsel gegliedert und damit optisch verkleinert. Dadurch erfolgt eine klare Trennung von Besucherzonen und Mitarbeiterzonen ohne physische Trennung und bewirkt das Brand Prinzip, das Gebäude wie durch einen FußballarenaTunnel zu betreten. Mit Grau und Schwarz wurden bewusst neutrale Farben gewählt. Der schwarze Bereich nimmt den Charakter voll auf und erlaubt die Präsentation der Produkte und Brand Messages durch subtile Integration ins Gebäude.

Autor*innen

David Geisler-Moroder, Research Manager im Bereich Forschung & Entwicklung bei Bartenbach. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Theresa Erdmann, Marketing Assistant & Graphic Design im Bereich Sales Support & Marketing bei Bartenbach. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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