Zeitschrift EE

 nt 04 | 2021 Gebäudesimulation

Thermische Leistung von Gebäudebegrünungen

Seit dem Ausbruch der Ölkrise in den 1970er Jahren hat die nationale Energiesicherheit große Aufmerksamkeit erhalten. Der Energieverbrauch von Gebäuden macht in China ein Fünftel bis ein Viertel des Gesamtenergieverbrauchs aus. Im Jahr 1986 wurde in China zum ersten Mal ein Standard für die energiesparende Gestaltung beheizter Wohngebäude herausgegeben (Energy conservation design standard for new heating residential buildings). In den frühen 1990er Jahren wurde das Konzept des grünen Bauens in China verbreitet und entsprechende Forschungsarbeiten wurden durchgeführt. Im Jahr 2006 wurde erstmals ein Bewertungsstandard für „grünes Bauen“ (Assessment standard for green building) veröffentlicht.

Vertikale Begrünungen für Gebäude

Vertikale Begrünung hat eine lange Geschichte als Schmuck von Bauwerken und Landschaften, wie z. B. die berühmten Hängenden Gärten von Babylon oder die Villa Medici in der Toskana[1]. Mit der Verbreitung von Betonkonstruktionen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schlug Le Corbusier vor, dass Dachgärten eines der fünf wichtigsten Merkmale moderner Architektur sein sollten. In China wird vertikale Begrünung als Dekoration von Gebäuden und Landschaften eingesetzt, doch handelt es sich dabei oft um ein spontanes Bottom-up-Verhalten der NutzerInnen aufgrund von fehlenden quantitativen Beschreibungen und Bewertungen. Im Zuge des Klimawandels und zunehmender Urbanisierung spielen vertikale Begrünungen nicht nur als Gebäudeschmuck eine Rolle, sondern sind auch wichtig in Hinblick auf den Energieverbrauch von Gebäuden und der Verbesserung der Gebäudeumgebung und bilden damit eine bedeutende grüne Infrastruktur. Qualitative Beschreibungen von vertikalen Begrünungen können den Anforderungen an Design und Technik nicht mehr gerecht werden und existierende Forschungsarbeiten zur vertikalen Begrünung sind noch rar.

Das Gebäudeenergie- und Umweltlabor (BEEL) der South China University of Technology (SCUT) befindet sich in Südchina, einem typischen heißen und feuchten Gebiet, das sich für das Wachstum von vertikalen Begrünungen gut eignet. In den letzten Jahren hat die Gruppe eine Reihe von Studien zu vertikalen Begrünungen durchgeführt, die im Wesentlichen drei Teile umfassen: Mechanismusforschung, Feldversuche sowie Simulation und Anwendungsforschung.

Mechanismusforschung

Feng[2] führte eine Reihe von Experimenten mit der Dachbegrünung Sedum lineare (siehe Abbildung) durch und erstellte ein Energiebilanzmodell. Ein 24-Stunden-Experiment im sonnigen Sommer zeigte, dass der Wärmegewinn der Pflanzen hauptsächlich aus Sonnenstrahlung (97,6 Prozent) und konvektiver Wärme (2,3 Prozent) besteht. Die Wärmeabgabe wird hauptsächlich durch die Transpiration (51,5 Prozent), Wärmeabgabe im langwelligen Bereich (40,1 Prozent) und photosynthetische Wärmespeicherung (8,4 Prozent) bestimmt. Ihre photosynthetische Effizienz ist deutlich höher als die von Pflanzen des C3- und C4-Zyklus (C3-Zyklus: Grundtypus der Photosynthese bei Pflanzen in mittleren und hohen Breiten. Bei hohen Temperaturen schließen sie ihre Spaltöffnungen zur Verhinderung von Wasserverlusten. Dadurch wird ihre Photosyntheseleistung verringert. C4-Zyklus: Die Pflanzen besitzen einen Mechanismus zur Reduzierung der Photorespiration bei hohen Temperaturen, wodurch Wasserverluste minimiert werden), was auf einen speziellen Pflanzenstoffwechsel (CAM) (CAM-Pflanzen wie Sedum lineare trennen die Aufnahme von CO2 und den Photosyntheseprozess zeitlich. Sie nehmen in der Nacht CO2 auf, das gespeichert wird und dem Photosyntheseprozess tagsüber zur Verfügung steht. CAM-Pflanzen kommen besonders in heißen, trockenen Gebieten vor) zurückzuführen ist.

Abbildung: Experimente mit der Dachbegrünung Sedum lineare. Foto: South China University of Technology

Forschung im Feldexperiment

Liang[3] ermittelte den Blattflächenindex (Leaf Area Index, beschreibt die Beziehung Blattfläche/Bodenfläche) der Fassadenbegrünung und untersuchte die photosynthetische Wärmespeicherkapazität von Pyrostegia venusta (siehe Abbildung). Diese beträgt etwa 1,7 Prozent des Gesamtwärmegewinns und liegt damit weit unter der von Sedum lineare, die 8,4 Prozent beträgt.

Die Versuche von Zhang[4] mit Pyrostegia venusta zeigten, dass die latente Transpirationswärme (Über verschließbare Poren an der Blattunterseite, die sogenannten Spaltöffnungen (Stomata), geben Pflanzen kontrolliert Wasserdampf an die Atmosphäre ab und regulieren so ihren Wasserhaushalt. Durch diese sogenannte Transpiration kühlt sich die Pflanze ab. https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/wie-pflanzen-schwitzen-mechanismus-zum-wassersparen-ent-848) der grünen Fassade etwa 50 Prozent der Gesamtwärmeabgabe ausmacht. Durch die grüne Fassade wurde eine Senkung der operativen Innentemperatur um bis zu 3,6 °C und der Feuchtkugeltemperatur (Die Feuchtkugeltemperatur ist wie relative oder absolute Luftfeuchte ein Feuchtemaß der Luft. Sie ist definiert als die niedrigste Temperatur, die durch Verdunsten von Wasser erreicht werden kann) um bis zu 2,7 °C gemessen.

Abbildung: Feldmessung von Pyrostegia venusta, Messung des Blattflächenindexes und der photosynthetischen Wärmekapazität. Foto: South China University of Technology

Yan untersuchte den Regulationsmechanismus der stomatären Leitfähigkeit (für CO2 oder Wasserdampf; beschreibt den Öffnungsgrad der Spaltöffnungen (Stoma) in der Blattoberfläche, die für die Abgabe von Wasserdampf verantwortlich sind) von vier vertikalen Begrünungen. Danach korreliert die stomatäre Leitfähigkeit linear und positiv mit der Photosyntheserate und der Transpirationsrate. Die Photosyntheserate wird dabei durch die zwei Parameter Lufttemperatur und Sonneneinstrahlung, die Transpirationsrate durch die Parameter Bodenfeuchtigkeitsgehalt und Dampfdruckdefizit (VPD) (In der Regel wird davon ausgegangen, dass der Dampf in der Stomata-Höhle gesättigt ist. Der Dampfdruckunterschied zwischen der Stomata-Höhle und der Luft wird üblicherweise als Dampfdruckdefizit (VPD) bezeichnet) charakterisiert.

Simulation und Anwendungsforschung

Dem Modell der stomatären Leitfähigkeit in den Simulationsprogrammen ENVI-met und Energyplus fehlt das Steuerungselement der Wasserdampfdruckdifferenz zwischen Blatt und Luft, was zu Simulationsfehlern der stomatären Leitfähigkeit führt, wenn Sonneneinstrahlung und Luftfeuchtigkeit nicht konsistent sind. Gleichzeitig führt der Einfluss von jahreszeitlichen Schwankungen auf die stomatäre Leitfähigkeit aufgrund des Fehlens von Regelungsmöglichkeiten der Lufttemperatur zu Fehlern, vor allem für immergrüne Pflanzen im Winter.

Ma[5] führte am Beispiel von Sedum lineare ein Experiment zur Auswirkung einer Gründach-Matrixschicht auf den Energieverbrauch von Gebäuden durch und ermittelte die thermische Leistung der Matrixschicht mit unterschiedlichem Wassergehalt. Im Sommer liegt die durchschnittliche thermische Leitfähigkeit des Gründaches an einem sonnigen Tag bei 0,4 W/mK und 0,43 W/mK an einem Regentag. In der Übergangssaison beträgt die durchschnittliche thermische Leitfähigkeit des Gründaches an einem Sonnentag 0,15 W/mK und 0,20 W/mK an einem Regentag. Ein Vergleich der Ergebnisse mit den Simulationsergebnissen von EnergyPlus ergab einen RMSE (Root Main Square Error; RMSE der Temperaturstundenwerte der Dachaußenfläche: 1,6 Prozent, RMSE der Temperaturstundenwerte der Dachinnenfläche: 0,5 Prozent) zwischen 0,5 und 1,6 Prozent. Auf der Grundlage des FASST(Fast All-Season Soil Strength [7])-Pflanzenmodells führte Deng[6] das Lambert-Beer'sche Gesetz zur Berechnung des Strahlungstransfers von Baumkronen und das P-M-Modell zur Berechnung der latenten Transpirationswärme ein. Er entwickelte ein Modul zur Berechnung des Wärmetransfers der Pflanzen in der Energieverbrauchssimulationssoftware DeST und überprüfte die Genauigkeit des Pflanzenmodells anhand vorhandener Daten und der Messdaten von Nephrolepis exaltata für eine lebende Wand (siehe Abbildung).

Abbildung: Vergleich der simulierten und gemessenen Temperaturen an der Außenwand. Quelle: [6]

Nutzung der Ergebnisse

Die Forschungsarbeiten der Gruppe der letzten Jahre zeigen, dass die von der vertikalen Begrünung aufgenommene Wärme im Wesentlichen aus der Sonneneinstrahlung stammt. Bei Pflanzen mit saurem Sedum-Stoffwechsel wie Sedum lineare ist der Anteil der photosynthetischen Wärmefixierung mit bis zu 8,4 % relativ hoch, während dieser Anteil von Pflanzen mit C3-Zyklus relativ gering ist und vernachlässigt werden kann. Das auf der Grundlage von DeST entwickelte Modul für Dachbegrünung und Fassadenbegrünung weist eine gute Simulationsgenauigkeit auf und bietet eine zuverlässige Bewertungsgrundlage für die Simulation der Auswirkungen der vertikalen Begrünung auf den Energieverbrauch von Gebäuden.

Zukünftige Themen mit hohem Forschungswert für begrünte Fassade sind der kurz- und langwellige Strahlungstransfer, der Konvektionswärmetransfer und Windfeldanalysen. Die Untersuchung der Auswirkungen von Kohlenstoffbindung und Sauerstofffreisetzung in der Umgebung von begrünten Fassaden sind ebenfalls interessante Forschungsthemen. Diese Studien sind nicht nur für den Energieverbrauch von Gebäuden, die Gebäudeumwelt und die Bewertung des Lebenszyklus von Gebäuden von großer Bedeutung, sondern auch für die Gestaltung des lokalen Mikroklimas und die Eindämmung von städtischen Wärmeinseln.

Referenzen

[1] Jim, C.Y. (2017). Green roof evolution through exemplars: germinal prototypes to modern variants. Sustainable Cities and Society, 69-82.

[2] Feng, C. (2011). Study on the Energy Balance of Sedum lineare green roofs. South China University of Technology, Available from Cnki.

[3] Liang, L. S. (2019). Research on Cooling and Energy Saving Effect on Climbing Vertical Greening in Guangzhou Area, South China University of Technology, Available from Cnki.

[4] Zhang, L., Deng, Z. C., Liang, L. S., Zhang, Y., Meng, Q. L., Wang, J. S., & Santamouris, M. (2019). Thermal behavior of a vertical green façade and its impact on the indoor and outdoor thermal environment. Energy and Buildings, 204.

[5] Ma, L. Y. (2018). Experiment and Simulation of Sedum Lineare Green Roof in Guangzhou Area, South China University of Technology, Available from Cnki.

[6] Deng, Z. C. (2020). Development of the heat transfer module for green envelope based on DeST, South China University of Technology, Available from Cnki.

[7] Frankenstein, S.; Koenig, G. FASST Vegetation Models; US Army Corps of Engineers: Washington, DC, USA, 2004.

Autor*innen

Dr. Lihua Zhao, Labor für Gebäudeenergie und Umwelt, State Key Laboratory of Subtropical Building Science, School of Architecture, South China University of Technology. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Junru Yan, Labor für Gebäudeenergie und Umwelt, State Key Laboratory of Subtropical Building Science, School of Architecture, South China University of Technology. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Lei Zhang, Labor für Gebäudeenergie und Umwelt, State Key Laboratory of Subtropical Building Science, School of Architecture, South China University of Technology. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Qinglin Meng, Labor für Gebäudeenergie und Umwelt, State Key Laboratory of Subtropical Building Science, School of Architecture, South China University of Technology. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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