Zeitschrift EE

 nt 04 | 2021 Gebäudesimulation

Eine grüne Oase am Pogusch

Der Pogusch ist ein Alpenpass in der Obersteiermark, der die Gemeinden Turnau und St. Lorenzen im Mürztal verbindet. Am Pass befindet sich das Wirtshaus „Steirereck“. Vorrangiges Ziel des Projekts "Energy²POG" war die Neuausrichtung des Standortes "Steirereck am Pogusch" als nachhaltiges und ressourcenschonendes Leuchtturmprojekt. Die dem Projekt zugrundeliegende Idee ist der Einsatz von Solarenergie, regionaler Biomasse und passiven Komponenten, um einen Plusenergiegebäudeverband zu schaffen. Das entwickelte Energiekonzept berücksichtigt bereits bestehende Strukturen wie auch neu errichtete Systeme und fasst diese in einer neuartigen Gesamtsystemlösung zusammen.

Fotos: Ein Glashaus am Pogusch in der Steiermark auf über 1000 Metern Seehöhe zur Versorgung des Restaurantbetriebs und Unterkunftsmöglichkeit. Foto: Restaurant Steirereck GmbH

Innovatives Gebäudekonzept

Diverse Bestandsgebäude (Steinhaus, Holzhaus, Salettl und Heizhaus), wurden teilweise abgebrochen oder hochwertig saniert und durch energetisch optimierte Zubauten erweitert.

Ziel des baulichen Konzepts waren ressourcenschonende, energieeffiziente Bauweise, hoher Dämmstandard und optimale Zonierung der beheizten Bereiche, sowie die achtsame Revitalisierung und optimale Nutzung der Bestandsgebäude.

Die neuen Gebäude wurden im Niedrigenergiestandard unter teilweiser Nutzung von Passivhauskomponenten ausgeführt.

Abbildung: Schnitt durch das Glashaus kalt. Quelle: PPAG architects ztgmbh, Wien

Innovatives Energiekonzept

Das Energiekonzept fasst bestehende Strukturen mit neuen Systemen zu einem hybriden Energieverbund zusammen. Dazu zählen auch die konsequente Umsetzung von kontrollierten Be- und Entlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, sowie eine Wärmeabgabe auf Basis von Niedertemperatursystemen (Fußbodenund Wandheizung sowie Bauteilaktivierung der Boden- und Deckenflächen). Eine Besonderheit sind thermisch hochwertig ausgeführte Gewächshäuser zur Eigenversorgung des Restaurantbetriebs.

Darstellung Energiekonzept. Quelle: AEE INTEC, TBH GmbH

Aufgrund der vor Ort verfügbaren erneuerbaren Energiequellen Sonnenenergie und Biomasse und dem spezifischen Lastprofil für Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe mit hohem, saisonal relativ konstantem Stromverbrauch kommt Biomasse eine wichtige Bedeutung in der Energieversorgung zu. Eine Biomasse-KWK-Anlage mit 100 kW thermischer und 50 kW elektrischer Leistung wurde als Ergänzung der bereits umgesetzten Hackgutkesselanlage mit 2 x 150 kW thermisch geplant. Eine umfangreiche Abwärmenutzung aus Gewerbekälteanlagen und Holzöfen vervollständigen den Energieverbund.

Bereitstellung und Nutzung von Energie-Flexibilitäten

Aufgrund schwankender Lastprofile und zur Erreichung eines hohen Eigenversorgungsgrades mit vor Ort generierter, erneuerbarer, teilweise fluktuierender Energie war die Bereitstellung und Aktivierung von Energie-Flexibilitäten unerlässlich. Um hier in Verbindung mit den Erzeugungsanlagen entsprechende Flexibilisierungspotenziale zu nutzen, wurden nachfolgende Elemente umgesetzt:

  • Ein Heizungspufferspeicher mit ca. 40 m³,
  • ein Trinkwasserspeicher mit ca. 70 m³,
  • Brauchwasserzisternen mit ca. 40 m³ zur Regenwassernutzung in Form von Brauchund Gießwasser,
  • thermische Aktivierung von Beton- und Fundamentbauteilen, insbesondere in den Gewächshäusern,
  • stationäre Batteriespeicher,
  • ein Last- und Energiemanagement für die Stromverbrauchsanlagen,
  • mobile Batteriespeicher aus Elektrofahrzeugen,
  • ein smartes Regelungskonzept für die allgemeine Speicherfähigkeit der Gebäude,
  • Wärmerückgewinnung aus den Gewerbekälteanlagen (Kühlhäuser + Gastrokühlpulte) sowie
  • Wärmerückgewinnung aus der Abwärme der Holzöfen.

Optimierung durch Monitoring und Simulation

Das Projekt wird durch ein umfangreiches Monitoring in Hinsicht auf den Energieverbrauch und die Behaglichkeit der Räume begleitet. Somit ist einerseits eine Qualitätskontrolle der geplanten Komponenten möglich und anderseits erfolgt durch die online verfügbaren Monitoringergebnisse eine Optimierung des Betriebes und der Regelungstechnik. In begleitenden Simulationsberechnungen werden die Auswirkungen von möglichen Optimierungen dargestellt. Im Vordergrund der simulativen Untersuchungen stand die Kernfrage, ob die Speichermassen genug Potenzial für die Überbrückung einiger Tage bieten, um Spitzenlasten der Wärmeerzeugung zu senken. Außerdem wurden Parameterstudien für die Identifizierung sensibler Größen durchgeführt. Für die Simulationsuntersuchungen wurde das Hauptgebäude nahezu wirklichkeitsgetreu modelliert. Neben der Geometrie mit Wandaufbauten, Fenstern und weiteren Bauteilen wurden auch alle Lastprofile in die Simulation implementiert. Dazu wurden unter anderen Personenbelegungen und -aktivitäten, Lüftungsschemen, Warmwasserverbrauch und -schemen, Betriebszeiten der Anlagenkomponenten, Heizung und Raumtemperatursollwerte, Verschattungsstrategien, Bauteilaktivierung oder Fußbodenheizung in das Modell integriert.

Abbildungen: IFC-Modell (Industry Foundation Classes ist ein Standard für den BIM (Building Information Modeling)-Datenaustausch) des Hauptgebäudes, (Stand Nov. 2020 und Modell in der Simulationssoftware). Quelle: PPAG architects ztgmbh, Wien und AEE INTEC

Um die Frage von möglichen Lastverschiebungen zu beantworten, wurden Simulationsuntersuchungen der Speichermassen eines der Gewächshäuser durchgeführt. Als Kennzahl diente die nach vollbeladenem Zustand der Speichermassen und Auskühlung in der kältesten Woche maximal erreichbare Überbrückungszeit. Die implementierte Bauteilaktivierung wurde mit einer Vorkonditionierungszeit von 48 h, einer Beladung auf 25 °C und einer dynamischen Auskühlung analysiert. Die Bewertung der Auskühlkurve zeigt, dass die Überbrückungszeit mittels aktivierter thermischer Speichermassen (Bauteilaktivierung) einige Tage beträgt. Die Auskühlrate liegt mit den gegebenen Randbedingungen bei ca. 3.6 °C/Tag. Mit einer Auskühlung bis 14 °C, wie sie für das Gewächshaus zulässig ist, konnten die Spitzenlasten, die zwischen Donnerstag und Sonntag aufgrund des erhöhten Gastbetriebes auftreten, gesenkt werden. Die Heizenergie für die Räume des Hotelbetriebs konnte auf andere Tage verschoben werden. Wird das zweite Gewächshaus, in dem noch geringere Temperaturen zugelassen werden können, ebenfalls berücksichtigt, sind Verschiebungen bis zu vier Tagen möglich. Weitere energetische Untersuchungen wurden in Bezug auf Verschattungsund Lüftungsstrategien, Zulassung von höheren Raumtemperaturen im Winter durch Sonnenenergienutzung und Reduktion der Vorlauftemperatur angestellt. Hierbei zeigte sich aufgrund der hohen benötigten Luftvolumenströme für den gesamten Bereich ein sehr großes Energieeinsparpotenzial durch Verbesserung des Wärmerückgewinnungsgrads der Lüftungsanlage.

Innovationsgehalt und Einzigartigkeit

Das Projekt hatte das Ziel, die Entwicklung und Umsetzung eines Plus-Energie-Standards in exponierter Lage und unter der Voraussetzung einer stromnetzdienlichen Betriebsweise zu zeigen. Die einzelnen eingesetzten Technologien sind nicht neu, sondern wurden bereits in vorangegangenen Projekten der letzten Jahre erfolgreich eingesetzt. Der besondere Innovationsgrad liegt aber in der intelligenten Verbindung dieser vielversprechenden Technologien zu einem smarten Gesamtenergiesystem, das aus Sicht des Projektteams bisher in keiner vergleichbaren Art und Weise umgesetzt wurde. Das Projekt Energy²POG geht über derzeitige innovative, österreichische Demonstrationsprojekte im Bereich des nachhaltigen Bauens hinaus, da im Projekt erstmals der Versuch unternommen wurde, Energie- und Ressourcenschonung für einen Restaurant- und Beherbergungsbetrieb gesamtheitlich zu betrachten.

Danksagung

Das Leuchtturmprojekt "Energy²POG" wurde vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Rahmen des Programms Stadt der Zukunft gefördert.

Stellungnahme

"Unseren Wunsch, am Pogusch eine funktionierende Kreislaufwirtschaft nicht nur für den landwirtschaftlich-gastronomischen Bereich, sondern auch für den Energiesektor zu schaffen, konnten wir mit Hilfe unserer Partner erfolgreich umsetzen."

Birgit und Heinz Reitbauer, Geschäftsführung Steirereck-Stadtpark GmbH. Foto: Philipp Horak / Steirereck-Stadtpark GmbH

Autor*innen

Dipl.-Ing. Dr. Karl Höfler ist Geschäftsführer bei Rosenfelder & Höfler consulting engineers GmbH & Co KG, Graz. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Dr. Tobias Weiß leitet den Bereich „Gebäude“ bei AEE INTEC.

Dipl.-Ing. Franz Hengel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Gebäude“ bei AEE INTEC.

Ing. Waldemar Wagner leitet den Bereich „Technisches Labor und Daten“ bei AEE INTEC.

Heinz Reitbauer ist Geschäftsführer der Restaurant Steirereck GmbH.

Robert Pichler ist Geschäftsführer der TBH GmbH

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