Zeitschrift EE

02 | 2023 Energiewende für Städte und Gemeinden

Energieeinsparung durch Erhöhung der Intelligenz von Bestandsgebäuden

Thomas Schwengler, Manuel J. Fonseca, João Cravinho, Nuno Mateus, Gerald Schweiger

Mit dem Ziel, ein emissionsarmes und flexibles Energiesystem zu schaffen, will die EU bis 2030 die Energieeffizienz um 32,5 Prozent steigern und den Anteil erneuerbarer Energie auf 32 Prozent erhöhen. Gegenwärtig ist der Gebäudebestand der EU nach wie vor energieintensiv und überwiegend ineffizient. Auf ihn entfallen 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und 36 Prozent der CO2-Emissionen. In diesem Zusammenhang müssen sich die Gebäude in der EU von ihrem derzeitigen statischen und ineffizienten Profil zu intelligenten, dynamischen Akteuren entwickeln, die eine optimale Kopplung mit dem Stromnetz anstreben. Ein großer Teil dieses Wandels muss durch Gebäuderenovierungen erfolgen, die derzeit hohe Investitionskosten erfordern. Die Erhöhung der Intelligenz bestehender Gebäude birgt ein großes Potenzial; ohne hohe Investitionskosten haben intelligente Gebäude das Potenzial, die Anforderungen des Energiesystems und die Bedürfnisse der Bewohner*innen zu erfüllen, indem sie die Energieeffizienz, die Energiespeicherung, und die Nachfrageflexibilität erhöhen, ohne den Komfort zu beeinträchtigen.

Foto: iStock/ArtistGNDphotography

Nutzer*innen-zentrierte Energiedienstleistungen

In der Literatur wird die Bedeutung der Nutzer*innen in Energiesystemen hervorgehoben und die drei wesentlichen Ziele der Energiepolitik (Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umwelt) um eine vierte Dimension erweitert: die soziale Akzeptanz/ Toleranz. Die aktive Beteiligung der Nutzer*innen an künftigen intelligenten Energiesystemen ist durch vielfältige Faktoren motiviert: (i) Nutzer*innen sollen ihren Energieverbrauch aktiv reduzieren und die Energieeffizenz steigern. (ii) Sie sollen durch Anreize ihren Verbrauch flexibilisieren. (iii) Der Prozess der Nutzer*innenbeteiligung erzeugt Daten, die für verschiedene Akteur*innen wertvoll sein können; ein Beispiel wäre die Vorhersage des Energiebedarfs für den optimalen Betrieb von Quartieren oder ganzen Städten. Die Literatur zeigt, dass der Impact neuer Technologien viel stärker von technischen Bedingungen und sozialen Variablen wie individuellen Präferenzen, sozialen Beziehungen oder täglichen Routinen in einem Haushalt abhängen, als man ursprünglich angenommen hat. Es ist zentral, dass Leute neue Technologien in ihre täglichen Routinen einbinden.

Das Smart2B-Projekt

Genau dieses Potenzial der aktiven Einbeziehung der Nutzer*innen ist ein zentraler Pfeiler des H2020-Projekts Smart2B. Das Projekt entwickelt und demonstriert Lösungen, die unabhängig vom Gebäudetyp intelligente Lösungen für bestehende - oftmals ältere - Geräte bereitstellen können, die dann wiederum in intelligente Systemlösungen integriert werden können.

Dies umfasst:

  • die Integration von Bestandsgeräten in ein übergeordnetes intelligentes System,
  • die Entwicklung einer intelligenten Internet of Things Datenplattform - Smart2B-Plattform - für die nahtlose Integration von Geräten und Daten, sowie
  • die Entwicklung nutzerorientierter Smart2B-Dienste zur Verbesserung der Intelligenz bestehender Gebäude, einschließlich Energieeffizienz, Innenraumkomfort, Smart Performance Assessment & Advisor und Energieflexibilitätsdienste.

In diesem Artikel stellen wir die Technologien vor, die eine aktive Beteiligung der Nutzer*innen ermöglichen. Das Smart2B-System wird es verschiedenen Nutzer*innen, aber auch Gebäudeeigentümer*innen und Gebäudebetreibern ermöglichen, mit ihren Gebäuden und deren Diensten zu interagieren. Diese App-basierte Anwendung wird in der Lage sein, die Präferenzen der Nutzer*innen zu berücksichtigen, den gemessenen Energieverbrauch der Geräte anzuzeigen und die Innenraumbedingungen zu überwachen, wodurch eine nutzerzentrierte Version der Regelungs- und Informationsdienste geschaffen wird.

Visualisierung von Verbrauch, Energieproduktion, Komfortbedingungen sowie Status der verfügbaren Geräte von Gebäuden

Aktive Einbindung der Nutzer*innen

Die Technologien, die eine aktive Beteiligung der Nutzer*innen ermöglichen, bestehen aus folgenden Komponenten: interaktive Applikationen, die verschiedene Endgeräte unterstützen (z. B. Tablets, Smartphones, Desktop-Computer), interaktive Feedback-Komponente, Visualisierung, Smart Readiness Advising1, und Gamification. Die Entwicklungen folgten einem nutzerzentrierten Designansatz, bei dem jedes Modul iterativ mit ausgewählten Personen getestet und entsprechend angepasst wurde. Die Anwendung basiert auf Meteor2 / React3, verwendet Tailwind CSS für das Styling der Komponenten und ist in Javascript und Typescript geschrieben.

Interaktive Applikation

Die interaktive Applikation Smart2B enthält Funktionen, die es den Nutzer*innen ermöglichen, ihre Energieleistung im Zeitverlauf (z. B. diesen Monat, letzten Monat, dieses Jahr, letztes Jahr) für die verschiedenen Gebäude zu überwachen, die sie besitzen, verwalten oder in denen sie leben.

Insbesondere bietet die Anwendung eine komprimierte und einfache Visualisierung der Gebäude der Nutzer*in in Bezug auf Verbrauch, Produktion, Komfort und Smart Readiness, um einen Gesamt- überblick über den Zustand der Gebäude zu geben und die Identifizierung von anomalen Situationen zu ermöglichen.

Dashboard zur Analyse von Verbrauch und Energieproduktion von Gebäuden

Die Applikation bietet auch eine Reihe von Dashboards, die es der Nutzer*in ermöglichen, den Verbrauch, die Produktion und den Komfort der Gebäude oder der vorhandenen Geräte im Detail zu analysieren. Die Nutzer*innen können auch den Verbrauch, die Produktion und den Komfort zwischen ihren verschiedenen Gebäuden sowie mit einem virtuellen Gebäude vergleichen, das ein typisches, ihrem Haus ähnliches Gebäude darstellt.

Dashboard für den Vergleich verschiedener Gebäude

Auf diese Weise erhalten die Nutzer*innen ein besseres Gefühl für ihre erzeugte und verbrauchte Energie, was ihnen helfen soll, energieeffizienter zu werden.

Interaktives Feedback-Widget und Gamification

Die Feedback-Komponente umfasst ein FeedbackWidget, ein Widget für allgemeine Einstellungen und die Möglichkeit, verschiedene Temperaturprofile hinzuzufügen.

Feedback-Widget in Bezug auf den Komfort in Gebäuden

Darüber hinaus enthält die Smart2B-Applikation ein Gamification-Modul, um das Engagement der Nutzer*innen zu erhöhen und sie zum Energiesparen zu motivieren. Die Nutzer*innen begeben sich auf eine Smart2B-Reise und erfüllen spielerische Aufforderungen, Missionen und Herausforderungen, um monatliche Energiesparziele zu erreichen und diese Aktionen in Spielpunkte umzuwandeln. Das Modul bietet energiebezogene Missionen, interaktive Herausforderungen, Bestenlisten, einen intelligenten Berater und andere spielerische Elemente. Die Applikation zielt darauf ab, langfristige Veränderungen im Verhalten zu fördern und die Nutzer*innen gleichzeitig über die Umweltauswirkungen und die Nachhaltigkeit des Energiesektors aufzuklären.

Weiterführende Informationen

  1. Unter Smart Readiness Advising versteht man Beratungsdienste zur Nutzung der Smart Readiness (Gebäudeflexibilitäten) von Gebäuden
  2. Meteor ist eine Stack-Anwendungsplattform, mit der sich schnell und einfach leistungsstarke Webanwendungen erstellen lassen
  3. React ist eine JavaScript-Bibliothek für Gebäude-reactive User-Interfaces

Autor*innen

Thomas Schwengler, Technische Universität Graz, Institut für Software Technology

Prof. Manuel J. Fonseca, University of Lisbon

João Cravinho und Nuno Mateus, EDP – Energias de Portugal

Priv. Doz. Gerald Schweiger, Technische Universität Graz, Institut für Software Technology, Head of Intelligent Buildings and Energy Systems Group. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

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