Zeitschrift EE

03 | 2023 Integrationsvielfalt Wärmepumpe

Blue Planet Puntigamer – Auf dem Weg zur fossilen CO2-Reduktion in der Bier-Produktion

Die Brauerei Puntigam füllt jährlich 143 Millionen Mehrweg-Flaschen Bier ab und gehört damit zu den größten Brauereien in Österreich. Das thermische Energiesystem ist nach wie vor auf einen Gaskessel mit Dampfsystem aufgebaut. Gleichzeitig hat die Brauerei einen großen Kühlbedarf für die Gär- und Lagerprozesse. Das Kältemittel kondensiert bei >30 °C und bietet eine signifikante Quelle für die Wärmepumpennutzung. Schon bisher wird ein Teil davon, über eine von KELAG betriebene Wärmepumpenanlage, für die Raumwärme- und Warmwasserversorgung des benachbarten Wohnprojekts „Brauquartier“ verwendet.

Die neue Flaschenwaschmaschine wurde bereits mit Warmwasseranschluss versehen, um die Wärmepumpe optimal betreiben zu können. Foto: Brauunion Österreich AG

Es stehen jedoch noch zusätzlich rund 8 000 MWh pro Jahr an Niedertemperaturabwärme zur Verfügung. Mit der Errichtung einer Wärmepumpe soll der Kühlwasserkreislauf, der die Wärme von NH3-Verdichter, NH3-Unterkühlung, CO2-Verdichterkühlung, Brauwasserkühlung und Tunnelpasteurkühlung aufnimmt, als Wärmequelle genutzt werden.

Die Konzeptionierung und Vorplanung erfolgte im Projekt Blue Planet Puntigam durch AEE INTEC, bei dem umfangreiche Datenauswertungen, Energiebilanzierungen und Maßnahmenvorschläge für ein Gesamtprojekt erstellt wurden. Neben der Errichtung der Wärmepumpe für die Flaschenhalle wurden auch weitere Schritte zur Dekarbonisierung bzw. Optimierung untersucht:

  • Verbesserte Wärmerückgewinnung der Würzekühlung und Hochtemperatur-Wärmepumpe für das Würzekochen
  • Umstellung der Energieversorgung des Maischprozesses auf eine Heißwasserversorgung
  • Weitere Verwertung des anfallenden Trebers durch Proteinrückgewinnung
  • Projektierung von großflächigen PV-Anlagen auf den Dächern der Brauerei

Prozesseinbindung und Optimierung

Die Dampfleitung vom Gaskessel in die Mehrweg-Flaschenabfüllung wurde durch eine neue Wärmepumpen-Energiezentrale neben der Mehrweg-Abfüllung gänzlich ersetzt. Dazu wurde das derzeitige Etikettenlager übersiedelt und der Raum zu einem Maschinenraum umgebaut. Mit einer rund 280 Meter langen Verbindungsleitung (DN125) wurde die Niedrigtemperatur-Abwärme Richtung Mehrweg-Flaschenhalle geleitet. Mittels Wärmepumpe (Kältemittel Ammoniak - NH3) wird die Abwärme von einem niedrigen auf ein hohes, nutzbares Temperaturniveau gehoben.

Die über die Wärmepumpen bereitgestellte Energie wird zur Beheizung der Flaschenwaschmaschine (Laugenbad auf 80 °C halten, 2,6 GWh/a) und des Kurzzeiterhitzers zur Bierpasteurisierung (Bier auf 74 °C halten, 1 GWh/a) genutzt. Zusätzlich wird im Winter die Energie aus der NH3-Unterkühlung der Wärmepumpe für die Hallenlüftung verwendet und im Winter das Heizungssystem der Mehrweghalle über den Rücklauf der Pasteurisierung versorgt.

Die beiden genannten Abfüllprozesse (Flaschenwaschmaschine und Kurzzeiterhitzer) sind jeweils 4 400 Volllaststunden in Betrieb. Beide Prozesse haben als Backup einen Dampf-Wärmetauscher. Die Energiezentrale ist aber so ausgelegt, dass dieser nicht zum Einsatz kommen soll und somit die gänzliche Substitution von gaserzeugtem Dampf ermöglicht und auch Stand-by-Verluste eliminiert.

Messdaten aus dem Leitsystem in 100-Sekunden-Schritten wurden analysiert und zur Ergänzung zusätzliche Messungen bei der vorhandenen Abwärmequelle durchgeführt. Mit nationalen und internationalen Anbietern von Industriewärmepumpen wurden mögliche Konfigurationen durchdiskutiert. Zudem wurden mit den Anlagenherstellern mehrere Gesprächsrunden durchgeführt. Eine neue Flaschenwaschmaschine wurde errichtet (Titelbild) und bereits mit Warmwasser-Anschlüssen konzipiert und nach mehreren Gesprächsrunden und Analysen auf eine niedrigere Versorgungstemperatur von 88 °C ausgelegt.

Nach Inbetriebnahme der Flaschenwaschmaschine soll diese auf eine Laugenbadtemperatur von 75 °C optimiert werden, um den COP der Wärmepumpe weiter zu verbessern. Eine neue Kurzzeiterhitzung hat eine interne Wärmerückgewinnung, die 93 Prozent des Aufheizbedarfs abdeckt. Die verbleibenden 3 bis 4 Kelvin (70,7 °C auf 74 °C) müssen durch externe Wärmezufuhr abgedeckt werden.

Umsetzung der Wärmepumpe

Die Wärmepumpe wurde im Frühjahr 2023 umgesetzt und wird Ende Q3/2023 in Betrieb genommen. Tabelle 1 zeigt die wichtigsten Parameter. Durch die Nutzung des Unterkühlers wird die Effizienz weiter gesteigert und zusätzliche Niedrigtemperatur-Abnehmer, wie die Lüftung, mitversorgt werden. In diesem Betriebsmodus steigt der COP entsprechend (Tabelle 2).

Die 800 kWth Wärmepumpe im alten Etikettier-Gebäude versorgt jetzt die danebenliegende Flaschenhalle mit Heißwasser. Foto: Brau Union Österreich AG

Tabelle 1: Wichtigste Parameter der Wärmepumpe

Tabelle 2: Betriebszustände Wärmepumpe nach Datenblatt des Lieferanten KOTA

Mit dem Projekt Blue Planet Puntigamer und der erfolgreichen Umsetzung der Wärmepumpe konnte die Brauunion Österreich AG einen weiteren Schritt Richtung Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit setzen.

Stellungnahme

"Das Nachhaltigkeitsengagement ist fest in den Unternehmenszielen der Brau Union verankert. Wir wollen die beste Bierkultur für die Zukunft schaffen und diese nach sozialen und ökologischen Herausforderungen gestalten – und damit bis 2030 in der gesamten Produktion CO2-neutral sein, bis 2040 sogar in der gesamten Wertschöpfungskette. Möglichkeiten, die Umwelteinwirkungen erfolgreich zu verringern, reichen von der Verwendung nachhaltiger Zutaten über erneuerbare Energiequellen bis hin zur proaktiven Suche nach mehr Anreizen für nachhaltige Bemühungen."

Gabriela Maria Straka, Management Board der Brau Union Österreich AG

Foto: Brau Union Österreich AG

Autor*innen

Michael Steiger, Project Manager Energy, Brau Union Österreich AG

Johannes Eregger, Braumeister Puntigam, Sales & Operations Planning, Brau Union Österreich AG

Dipl.-Ing. Wolfgang Gruber-Glatzl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Industrielle Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing.in Jasmin Pfleger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bereichs „Industrielle Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Christoph Brunner ist Geschäftsführer von AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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