Zeitschrift EE

03 | 2023 Integrationsvielfalt Wärmepumpe

Wiener Wärmewende – Großwärmepumpenanlage ebswien Kläranlage

Damit Wien in Zukunft klimaneutral und unabhängig von fossiler Energie wird, braucht es nachhaltige Energiequellen. Von allen analysierten Sektoren erfordert der Wärmebereich (Niedertemperaturwärme, das heißt Raumwärme und Warmwasser) die größten Investitionen innerhalb Wiens zur Erreichung der Dekarbonisierungsziele. Insbesondere die in Wien verbreiteten wohnungsindividuellen Gasthermen sind ab 2040 nicht mehr vorgesehen. Die Dekarbonisierung wird daher nur durch einen umfangreichen Systemwechsel bei Heizen und Warmwasser erreicht. Fernwärme spielt dabei eine wesentliche Rolle, während Grüngas in der Individualwärme weitestgehend nicht zum Einsatz kommen soll.

Eine der Großwärmepumpen am Standort der ebswien Kläranlage in Wien-Simmering. Foto: Wien Energie

Fernwärmeproduktion in Wien

2040 sollen 56 Prozent des Wärmebedarfs in Wien über die Fernwärme abgedeckt werden. Während Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) heute rund 52 Prozent der Fernwärmeproduktion ausmachen, soll ihr Anteil 2040 nur mehr bei rund 13 Prozent liegen. Ab den 2030er Jahren werden diese zunehmend mit Grünem Gas betrieben und erreichen so bis 2040 Netto-Null-Emissionen. Auch der Anteil an Heizkraftwerken wird massiv zurückgehen, während der Anteil an Wärmeproduktion aus Müllverbrennungsanlagen gleichbleiben wird. Um die Wärme aus den KWK- Anlagen und Heizkraftwerken ersetzen zu können, spielt neben Geothermie die Großwärmepumpen- technologie eine wichtige Rolle. Zusammen kann Wien Energie mit diesen beiden Technologien mehr als die Hälfte der Fernwärme produzieren.

Mittels Großwärmepumpen kann die Abwärme aus diversen Quellen, wie beispielsweise aus Gewerbe, Industrie, Abwasserkanälen, und Kläranlagen nutzbar gemacht werden. Dabei wird den erneuerbaren Quellen mittels Stromeinsatz Wärme auf einem niedrigen Temperaturniveau entzogen und dann auf ein für das Fernwärmenetz entsprechendes Temperaturniveau angehoben.

Da Wien als Millionenstadt nur eine Kläranlage, die der ebswien in Wien-Simmering, besitzt, wird das gesamte Abwasser der Stadt sowie der Nachbargemeinden inklusive der Industriestandorte Wiens in der ebswien Kläranlage aufbereitet. Aufgrund des Mischkanalsystems in Wien gelangen große Teile des fallenden Regenwassers ebenfalls in die Anlage, wodurch gesamt rund 200 Milliarden Liter pro Jahr gereinigt werden – mehr als 21,6 Mio. l/h, was 144 000 vollen Badewannen entspricht. Die Wassertemperatur im Kläranlagenablauf pendelt über das Jahr zwischen 12 °C und 25 °C.

Großwärmepumpenanlage an der Kläranlage Wien

Um die ganzjährig zur Verfügung stehende Restwärme aus dem gereinigten Abwasser nutzbar zu machen, errichtet Wien Energie derzeit eine der leistungsstärksten Großwärmepumpen Europas neben der ebswien Kläranlage. Anfang 2023 wurden die drei Wärmepumpen für die erste Ausbaustufe angeliefert, die zukünftig dem gereinigten Wasser zirka 6 °C entziehen werden. Diese entzogene Abwärme wird über die Verdampfer (=Wärmetauscher) der Wärmepumpenanlage geführt und abgekühlt. Die notwendige Temperaturanhebung zur Erzeugung von Heißwasser wird durch die Verdichtungsleistung eines Kompressors erreicht. Die Wärmeabgabe an das Fernwärmewasser im Wiener Fernwärmenetz erfolgt über den Verflüssiger (=Wärmetauscher).

Schema der Großwärmepumpenanlage am Standort der ebswien Kläranlage

Bereits ab Jahresende wird durch die Großwärmepumpenanlage klimaneutrale Fernwärme für bis zu 56.000 Wiener Haushalte erzeugt werden. Im Vollausbau ab 2027 kann Wien Energie mit der Anlage bis zu 112.000 Wiener Haushalte mit klimafreundlicher Fernwärme versorgen, wodurch sich im Teilbetrieb eine Einsparung von 150 000 Tonnen CO2 und im Endausbau eine CO2-Einsparung von bis zu 300 000 Tonnen CO2 pro Jahr ergibt. Um einen klimafreundlichen Strombezug für die Wärmepumpenanlage zu ermöglichen, wird der Strom direkt vom naheliegenden Wasserkraftwerk Freudenau bezogen werden, wodurch der Betrieb der Anlage vollständig erneuerbar sein wird. Der Anteil an erneuerbarer Fernwärme im Erzeugungsportfolio von Wien Energie wird dadurch Ende des Jahres um zirka 7 Prozent steigen. Mit Abschluss der zweiten Ausbaustufe wird der erneuerbare Anteil um weitere 7 Prozent ansteigen. Wien Energie investiert rund 70 Millionen Euro in das Klimaschutz-Großprojekt. Das Projekt wird aus den Mitteln der Umweltförderung des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert und um EU-Förderungen (IWB/EFRE) wurde angesucht.

Im Endausbau besteht die Wärmepumpen-Anlage aus sechs Wärmepumpen, welche jeweils eine thermische Leistung von zirka 18 Megawatt besitzen werden. Die drei Wärmepumpen, die heute schon in Simmering stehen, haben einen langen Weg aus Frankreich hinter sich. Jede der rund 12 Meter langen, 9 Meter breiten und 7 Meter hohen Wärmepumpen bringt ein Betriebsgewicht von rund 205 Tonnen auf die Waage. Im Jänner 2023 wurden die Wärmepumpen innerhalb von 14 Tagen eingebracht, dabei wurden die einzelnen Behälter mit einem Gewicht bis zu 47 Tonnen übereinander gebaut und präzise an ihrem endgültigen Standort positioniert. Aktuell werden die Pumpen- und Rohrleitungen der quellen- und senkenseitigen Versorgung, die elektrischen Anlagen sowie die leittechnische Einbindung am Anlagenstandort eingerichtet. Des Weiteren wurde eine PV-Anlage am Dach des eigens für die Großwärmepumpenanlage errichteten Gebäudes installiert. Bis zum Jahresende soll die Errichtung der ersten Ausbaustufe abgeschlossen sein und die Großwärmepumpenanlage in Betrieb gehen. In den nächsten Jahren werden die weiteren Wärmepumpen in die Anlage eingebracht, wodurch die thermische Gesamtleistung von 55 Megawatt auf 110 Megawatt ansteigen wird. Dadurch wird ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Dekarbonisierung der Wiener Fernwärme gesetzt.

Stellungnahme

"Die Wärmewende ist entscheidend für den Erfolg des Klimaschutzes! Um die Fernwärme in Wien auf erneuerbare Quellen umzustellen, setzen wir neben Geothermie vor allem auf den Einsatz von Wärmepumpen. Mit Wärmepumpen können wir unterschiedlichste vorhandene Abwärmequellen nutzen, um damit nachhaltig Wärme für die Wiener*innen zu produzieren. So machen wir Wien bis 2040 klimaneutral."

Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung

Foto: Wien Energie / Martina Draper

Autor

Dipl.-Ing. Dr. Rusbeh Rezania ist Leiter des Ausbaus erneuerbarer Fernwärmeerzeugung bei Wien Energie. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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