Zeitschrift EE

03 | 2023 Integrationsvielfalt Wärmepumpe

Demonstration von kaskadischen Wärmepumpensystemen zur energetischen Sanierung von Geschoßwohnbauten

Derzeit sind Gebäude für rund 40 Prozent des Energiebedarfs und rund 36 Prozent der CO2-Emissionen in der EU verantwortlich1. Die Dekarbonisierung des Gebäudebestands spielt daher eine Schlüsselrolle, um die allgemeinen Klimaschutzziele zu erreichen.

Demonstrationsgebäude in Liezen. Foto: GWS

Das EU-Projekt HAPPENING

Ziel des EU-Projekts HAPPENING ist die Entwicklung und Demonstration von Sanierungskonzepten für bestehende Mehrfamilienhäuser. Herzstück der vorgeschlagenen technologischen Lösung ist eine Wärmepumpen-Kaskade, bestehend aus zentralen und dezentralen Wärmepumpen auf Wohnungsebene, in Kombination mit lokal erzeugter erneuerbarer Energie. Um eine breite Umsetzung der Technologie zu erreichen, sollen die Konzepte möglichst einfach und wenig störend für Bewohner umsetzbar sein, und sich leicht an eine große Anzahl unterschiedlicher Gebäudesituationen anpassen lassen. Zudem soll im Sinne einer ressourcenschonenden Lösung die bereits vorhandene Heizungs- und Gebäudetechnik, wie Rohrleitungen oder Radiatoren, wiederverwendet werden. Darüber hinaus werden für die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Installation, eines effektiven Betriebes und einer Kostenreduktion innerhalb des Sanierungsprojekte die Planungs-, Umsetzungs- und Betriebsprozesse optimiert. Die Herausforderung der Wettbewerbsfähigkeit wird durch die Entwicklung neuer Finanzierungs- und Geschäftsmodelle adressiert. Anhand von drei Demonstrationsstandorten in Spanien, Italien und Österreich wird das Projekt ein äußerst vielseitiges, skalierbares und replizierbares Lösungspaket für die energetische Sanierung von Gebäuden quer durch Europa demonstrieren und damit eine hohe Multiplizierbarkeit der Technologie für unterschiedliche klimatische Bedingungen aufweisen. Schlussendlich soll mit den vorgeschlagenen Sanierungslösungen ein erneuerbarer Anteil von 70 bis 75 Prozent des Gesamtenergieverbrauches (für Heizen, Warmwasserbereitung und Haushaltsstrom) der sanierten Gebäude erzielt werden.

Demonstrationsstandort in Österreich

Das österreichische Demonstrationsgebäude in Liezen, im Besitz der „Gemeinnützigen Alpenländischen Gesellschaft für Wohnungsbau und Siedlungswesen m.b.H.“ (GWS) aus Graz, Projektpartner im EU-Projekt, wurde in den frühen 1940er-Jahren errichtet. Dabei handelt es sich um fünf unterkellerte, aneinandergrenzende Einzelhäuser mit je vier Wohneinheiten. Um eine möglichst hohe Multiplizierbarkeit zu erreichen, entschied man sich bei der Wahl des österreichischen Demonstrationsgebäudes bewusst für eine sogenannte „Südtiroler-Siedlung“, da diese Siedlungen in fast gleicher Bauweise österreichweit in sehr großer Zahl errichtet wurden und in vielen Fällen noch mit Einzel öfen und fossilen Brennstoffen beheizt werden. Die thermische Gebäudehülle (Fassaden, Kellerdecken, oberste Geschossdecken und Fenster) des zweigeschoßigen Wohngebäudes in Ziegelbauweise wurde in den letzten Jahren einer umfassenden Sanierung unterzogen. Raumwärme und Warmwasser wurden bisher jedoch individuell für jede Wohnung durch Öl-, Kohle-, Holz- und Elektroeinzelöfen, Gasthermen sowie Elektro-Warmwasserboiler bereitgestellt.

Im Rahmen des EU-Projekts Happening konnten 18 Wohnungen mit dem neuen Heizsystem, bestehend aus zentralen Luft-Wasser-Wärmepumpen, vier Pufferspeichern, einem Niedertemperatur-Verteilsystem und für jede Wohnung dezentrale Wasser-Wasser-Wärmepumpeneinheiten inklusive eingebautem Warmwasserspeicher, ausgestattet werden. Neben zahlreichen Professionisten aus der Region war vor allem das Installationsunternehmen „Pucher Installationstechnik GmbH“ aus Graz ein zentraler Partner bei der Umsetzung der Heizungstechnik in Liezen.

Die Außengeräte der zentralen Luft-Wasser-Wärmepumpen wurden auf den Freiflächen der Liegenschaft errichtet. Die zentralen Luft-Wasser-Wärmepumpen bringen gemäß des kaskadischen Wärmepumpensystems das Heizungswasser in den Pufferspeichern und dem Niedertemperaturkreis zuerst auf ein moderates Temperaturniveau von rund 25 °C. Somit erfolgt die Energieverteilung über den Niedertemperaturkreis in den Kellern der Gebäude zu den dezentralen Wasser-Wasser-Wärmepumpen der einzelnen Wohnungen bei möglichst geringen Wärmeverlusten. Der anschließende finale Temperaturhub auf Raumheizung- und Warmwassertemperaturniveau findet direkt in den dezentralen Wasser-Wasser-Wärmepumpen statt. Schlussendlich erfolgt die Wärmeverteilung in den Wohnungen durch herkömmliche Radiatoren, wobei in den Wohnungen, die bisher mit Gasheizungen betrieben wurden, die Radiatoren wiederverwendet wurden.

Neben der Nutzung der Umgebungswärme durch die zentralen Wärmepumpen wird lokal auch Sonnenenergie durch Photovoltaik-Paneele auf dem Dach des Objektes für den Betrieb der Wärmepumpen gewonnen. Mit der Implementierung der neuen, modernen Heiztechnik wird neben dem Hauptziel einer Reduktion der CO2-Emissionen und Erhöhung des erneuerbaren Anteils vor allem auch für die Wohnungen, die bisher mit Einzelöfen beheizt wurden, ein signifikanter Komfortgewinn für die Mieter erzielt.

Umfassendes Monitoring aller Demonstrationsanlagen und laufende Veröffentlichung der Ergebnisse

Teil des Projekts ist zudem die Installation von umfangreichem Messequipment und einer neuen Anlagenregelung, welche eine umfassende Überwachung und einen optimierten Anlagenbetrieb bedarfsgeführt ermöglicht. Beispielsweise wird dadurch eine optimierte und abgestimmte Betriebsweise von PV-Anlage und Wärmepumpen in Kombination mit den vorhandenen Speicherkapazitäten der zentralen Pufferspeicher sowie der dezentralen Warmwasser- speicher erzielt. Das steigert nicht nur den Eigenverbrauch der PV-Anlage, sondern auch die Effizienz des gesamten Wärmeversorgungssystems.

Die österreichische Demonstrationsanlage wird nun, ebenso wie die Demoanlagen in Italien und Spanien, in einer einjährigen Monitoring-Phase weiter optimiert sowie die Performance des Gesamtsystems umfangreich analysiert. Die Anlage steht dabei prototypisch für einen großen Teil des österreichischen Gebäudebestands, der zwar bereits zu einem gewissen Grad thermisch saniert wurde, aber noch keine Sanierung bzw. Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energie erfahren hat (Im Gegensatz zum Projekt PhaseOut, das thermisch wenig oder nicht sanierte Gebäude adressiert). Im Zuge des Monitorings soll neben der Effizienz des Gesamtsystems auch der Aufwand für Wartung, Betriebsführung und Störungsbehebung evaluiert werden, um umfassende technische, ökonomische und ökologische Bewertungen der Sanierungskonzepte durchführen zu können. Die Ergebnisse, Berichte, Präsentationen und Artikel aller EU-weiten Demonstrationsstandorte sind auf der Projektwebsite verfügbar. Am Ende des Projekts werden flexible, skalierbare Lösungen zur Sanierung der Gebäude-Energieversorgung für unterschiedliche Klimazonen vorliegen. Diese können nahtlos an bereits erfolgte Maßnahmen wie eine thermische Sanierung anschließen und sind für eine Vielzahl an Gebäudetypologien anwendbar.

PV-Anlage und die eingezäunten Außeneinheiten der Wärmepumpen im Hintergrund. Foto: GWS

Inneneinheiten der vier zentralen Wärmepumpen in der Technikzentrale im Keller. Foto: GWS

Dieses Projekt erhält Fördermittel aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union unter der Fördervereinbarung Nr. 957007.

Literatur

  1. European Commission – Department: Energy, “In focus: Energy efficiency in buildings,” Feb. 17, 2020. Accessed: Jul. 31, 2023. [Online]. Available: https://commission.europa.eu/news/focus-energy-efficiency-buildings-2020-02-17_en

Autor*innen

Dipl.-Ing. Michael Reisenbichler-Sommerhofer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs "Thermische Energiespeicher" bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Gerhard Weiß ist im Energie- und Facilitymanagement der Gemeinnützigen Alpenländischen Gesellschaft für Wohnungsbau und Siedlungswesen m.b.H. (GWS) tätig. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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