Zeitschrift EE

01 | 2024 Grüne Treibstoffe

Wasserstoff - Der Schlüssel zur Energiewende

Judith Mairhofer, Margherita Matzer

Um dem Klimawandel entgegenzuwirken und die dafür notwendigen Ziele zu erreichen, bedarf es einer Weiterentwicklung des europäischen und österreichischen Wirtschaftssystems unter anderem durch eine verstärkte Integration von erneuerbarem Wasserstoff.

Im Projekt H2Pioneer wird hochreiner Wasserstoff direkt am Standort von Infineon in Villach produziert. Foto: Infineon

Aktuell gibt es in Österreich mehr als 30 abgeschlossene und laufende Projekte, um innovative Gesamtlösungen zur Reduktion von Emissionen durch den Einsatz von grünem Wasserstoff unter realen Bedingungen zu testen. WIVA P&G - „Wasserstoff Initiative Vorzeigeregion Power & Gas“ - ist ein Verein zur Förderung und Forschung an Wasserstoff und erneuerbaren Gasen und setzt Forschungsprojekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette um. Die erfolgreiche Umsetzung dieser Projekte zeigt, dass Wasserstoff eine Schlüsseltechnologie in der Transformation unseres Energie- und Wirtschaftssystems ist.

Welche Rolle spielt Wasserstoff in der Energiewende?

Eine besondere Eigenschaft von Wasserstoff ist, dass er als Energiespeicher eingesetzt werden kann. Stromüberschüsse aus erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind können durch Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff umgewandelt und so langfristig und in großen Mengen gespeichert werden. Bei der Elektrolyse wird Wasser (H2O) durch den Einsatz erneuerbaren Stroms in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) gespalten. Dieser Wasserstoff kann dann rückverstromt und im Winter, wenn weniger erneuerbarer Strom zur Verfügung steht, verwendet werden. Wasserstoff ist auch ein wichtiges Element in der Sektorkopplung: Energie aus erneuerbaren Quellen kann effizienter genutzt werden, wenn diese zwischen den Sektoren Elektrizität, Wärme, Verkehr und Industrie ausgetauscht wird. Zum Beispiel kann grüner Wasserstoff aus Überschussstrom direkt in Industrieprozessen eingesetzt werden und hier grauen Wasserstoff, der heute aus Erdgas produziert wird, ersetzen. Auch können in Zukunft Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen mit grünem Wasserstoff klimaneutral betrieben werden.

Berücksichtigt man Leistbarkeit und Versorgungssicherheit, stellt sich schnell heraus, dass die Energiewende ohne gasförmige Energieträger wie Wasserstoff nicht möglich ist.

Wasserstoffproduktion und -speicherung stehen am Anfang der Wertschöpfungskette und legen den Grundstein für eine nachhaltig funktionierende Wasserstoffwirtschaft.

Ein Vorzeigeprojekt aus Oberösterreich, bei dem Wasserstoff produziert und gespeichert wird, ist das Projekt Underground Sun Storage 2030 (USS 2030) unter der Leitung der RAG Austria AG.

Im Projekt USS 2030 wird die sichere, saisonale und großvolumige Speicherung von erneuerbarer Energie in Form von Wasserstoff in ausgeförderten Erdgaslagerstätten entwickelt. Eine 2-MW-Elektrolyseanlage erzeugt aus erneuerbarem Strom klimaneutralen Wasserstoff.

Wasserstoff wird unterirdisch in einer ausgeförderten Erdgaslagerstätte gespeichert. Foto: RAG Austria AG

Dieser wird mit Hilfe von Verdichtern in eine ausgeförderte Erdgaslagerstätte, einem sogenannten Porenspeicher, in der Gemeinde Gampern (OÖ) gepumpt. Wird der Wasserstoff aus dem Speicher geholt, ist eine Aufreinigung und Trocknung nötig.

Nutzungsmöglichkeiten für den gespeicherten Wasserstoff können sein:

  • Wasserstoffbeimischung ins Erdgasnetz
  • Direktverwendung in der energieintensiven Industrie, wie zum Beispiel der Stahlindustrie
  • Aufbereitung und Verwertung des Wasserstoffs mit hoher Reinheit zum Beispiel in der Halbleiterindustrie

Grüne Industrie

Ein Anwendungsbeispiel für Wasserstoffeinsatz in der Industrie ist das Projekt H2Pioneer.

Wasserstoff wird in der Halbleiterfertigung von Infineon Villach als Trägergas verwendet. Nach dem Fertigungsprozess wird Wasserstoff unverbraucht und verdünnt an die Atmosphäre abgegeben. Hohe Reinheitsanforderungen an den eingesetzten Wasserstoff, gepaart mit hohem Verbrauch, stellen große Herausforderungen für Qualitätssicherung, Versorgungssysteme und Logistik dar. Bisher erfolgt die Versorgung mit Flüssigwasserstoff, der aus fossilen Rohstoffen hergestellt wird, mittels LKWs aus Deutschland.

Im Projekt H2Pioneer wird eine Demonstrationsanlage zur Erzeugung von hochreinem Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen mittels PEM-Elektrolyse vor Ort bei Infineon umgesetzt. Mittels nachhaltig erzeugten Stroms kann die Anlage bis zu 800 kg grünen Wasserstoff pro Tag herstellen. Neben der Sicherstellung höchster Reinheitsanforderungen soll die Versorgungssicherheit erhöht werden. Ein Anlagenkonzept für die Verwertung des bis dato an die Atmosphäre abgegebenen Wasserstoffs wird erarbeitet. Dabei werden sowohl die Rezyklierung in den Wasserstoffversorgungspfad als auch die energetische Nutzung des Wasserstoffs betrachtet. Dadurch wird ein wesentlicher Beitrag zur Effizienzsteigerung der Wasserstoffproduktion und -verwertung sowie zur Etablierung der „Green Industry“ und Sektorkopplung im Rahmen der Projektziele von WIVA P&G geleistet.

Grüne Mobilität

Auch in der Defossilierung des Mobilitätssektors, der weltweit für mehr als 20 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist, wird Wasserstoff seinen Beitrag leisten.

Im Individualverkehr, inklusive PKWs und Kleintransporter, kann die Elektrifizierung mit den immer effizienteren und stärkeren Batterien den Bedarf gut abdecken und die entsprechende Leistung erbringen. Für Busse, Schwertransporter und Binnenschiffe, so wie bei schwer zu elektrifizierenden Zugstrecken ist Wasserstoff der effizienteste Treibstoff. Hier hat Wasserstoff vor allem den Vorteil, dass höhere Reichweiten erreicht werden können und die Betankungszeit entsprechend kurz ist. Auf der Österreichischen Projektlandkarte findet man hierzu vor allem Projekte für die Umstellung und Betankung von Bussen im öffentlichen Verkehr (z. B. ZEMoS in Salzburg und H2REAL in Wien), Projekte zur Umstellung von Zugstrecken auf Wasserstoffantrieb (HyTrain in Tirol), sowie ein Projekt, bei dem ein klassischer 40-Tonner-LKW auf einen Brennstoffzellenantrieb umgebaut wird (FC4HD). Hierbei muss auch der Ausbau der Infrastruktur (Tankstellen) für die Betankung mitgedacht werden.

Für noch größere Verkehrsmittel, wie z. B. Flugzeuge oder Seeschiffe, stößt Wasserstoff bald an seine Grenzen. Wasserstoff ist ein sehr diffuses Element und hat eine geringe Energiedichte. Um eine hohe Energiedichte zu erreichen, muss hoher Druck aufgebaut werden, was wiederum mehr Energie und spezielle Druckcontainer benötigt. Daher wird bei Seeschiffen und Flugzeugen auf E-Fuels gesetzt. E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die mit Hilfe von Strom aus Wasser und CO2 gewonnen und im üblichen Verbrennermotor eingesetzt werden können. Bei der Verbrennung von E-Fuels wird, wie auch bei fossilen Treibstoffen, CO2 freigesetzt. Durch die Bindung des CO2 bei der Gewinnung von E-Fuel entsteht hier aber ein klimaneutraler CO2-Kreislauf.

Wasserstoff wird aus erneuerbarer Energie gewonnen und unterirdisch gespeichert. Wasserstoff kann in den Bereichen Energieversorgung, Industrie und Mobilität eingesetzt werden. Quelle: RAG Austria AG

Hydrogen Valleys in Österreich

Um die große und vielseitige Landschaft der Wasserstoffprojekte in Österreich besser zu vernetzen, wird nun daran gearbeitet, all diese Aktivitäten in „Hydrogen Valleys“ zu vereinen. Ein Hydrogen Valley ist ein geografisches Gebiet, in dem klimaneutraler Wasserstoff produziert und lokal von Haushalten, Nahverkehr und Industrieanlagen genutzt wird. In den Hydrogen Valleys ist es wichtig, dass die gesamte Wertschöpfungskette des klimaneutralen Wasserstoffes in verschiedenen Sektoren miteinbezogen wird. Ziel ist es, Stakeholder und nationale Regierungen dazu zu motivieren, mehr Geld in die Hand zu nehmen, um die einzelnen Projekte zu bündeln und eine langfristige nachhaltige Energiewende zu ermöglichen.

Aktuell werden weltweit 90 Hydrogen Valleys gezählt, wobei WIVA P&G in Österreich als eines davon aufscheint. 2023 hat WIVA P&G aufgrund der vielen herausragend umgesetzten innovativen Projekte und Miteinbeziehung der beteiligten Stakeholder in Österreich, den Preis „European Hydrogen Valley of the year“ gewonnen. Nun soll die Idee der Hydrogen Valleys vertieft werden. Dabei sollen die österreichischen Projekte, teilweise gemeinsam mit Projekten aus den Nachbarländern, zusammengefasst und mehrere Hydrogen Valleys installiert und europäische Förderungen beantragt werden.

Wasserstoffprojekte in den Bereichen Energie, Industrie und Mobilität werden in ganz Österreich umgesetzt

Autorinnen

Dipl.-Ing.in Judith Mairhofer und Dipl.-Ing.in Margherita Matzer sind Verbundkoordinatorinnen im Verein WIVA P&G. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Kommentar

"Die zukünftige Wasserstoffwirtschaft wird auch für die Erzeugung von möglichst klimaneutralen flüssigen Treibstoffen von großer Bedeutung sein. Besonders die Luftfahrt-Branche braucht diese innovativen Lösungen dringend. Der F&E-Bedarf ist hier zwar noch hoch, aber Österreich ist bereits gut aufgestellt – sowohl bei den Forscherinnen und Forschern als auch bei den Betrieben."

Andreas Indinger, Head of Center Research & Innovation, Österreichische Energieagentur. Foto: Österreichische Energieagentur

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