Zeitschrift EE

01 | 2024 Grüne Treibstoffe

Grünes Gas: Die Revolution der Gas-Branche durch Biomethan

Andronika Kirov

Wir befinden uns in einer weltweiten Klimakrise, in der gezielte Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Erderwärmung auf ein Minimum zu begrenzen. Vor dem Hintergrund hoher Kosten, klimatischer Veränderungen, neuer Gesetze und Erdgasabhängigkeit ist die Dekarbonisierung aktuell eines der wichtigsten Themen in der Energienutzung.

140 Nm³/h BIOGEST-Biomethan-Einspeiseanlage in Metha des Bosquets (FR). Foto: BIOGEST

Investitionen in die Zukunft: 18 Milliarden Euro für Biomethan-Produktion

Im Jahr 2022 importierte die Europäische Union Gas im Rekordwert von 316 Milliarden Euro, wobei mehr als 90 Prozent der EU-Mitgliedstaaten stark von externen Energielieferanten abhängig waren. Diese hohe Abhängigkeit unterstreicht die entscheidende Bedeutung erneuerbarer Gase, die bereits einen Beitrag von 21 Milliarden Kubikmetern leisten. Die Investitionsprognose der European Biogas Association (EBA) verdeutlicht, dass in den kommenden Jahren mindestens 18 Milliarden Euro für die Biomethanproduktion bereitgestellt werden. Bis 2050 könnte der Sektor bis zu 167 Milliarden Kubikmeter erneuerbares Gas liefern, welches ca. zwei Drittel des zukünftigen Gasbedarfs in Europa decken würde1.

Im Jahr 2023 haben die beiden gesetzgebenden Organe das EU-Ziel für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen für 2030 auf 42,5 Prozent angehoben, wobei angestrebt wird, einen Anteil von 45 Prozent zu erreichen. Projekte im Bereich erneuerbarer Energien, darunter Biogas und Biomethan, profitieren von verkürzten Genehmigungsverfahren. Insbesondere sollen erneuerbare Kraftstoffe im Verkehrssektor dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen (THG) um 14,5 Prozent zu senken. Diese Ziele dienen nicht nur als Richtlinien, sondern auch als Wegweiser für eine nachhaltigere, widerstandsfähigere und sicherere Energiezukunft. Eineinhalb Jahre nach der Verabschiedung des REPowerEU-Plans, als Reaktion auf Energieunsicherheit und extreme Preisvolatilität, bleibt die Branche weiterhin entschlossen, das Ziel von 35 Milliarden Kubikmetern Biomethan bis 2030 zu erreichen1.

140 Nm³/h BIOGEST-Biomethan-Einspeiseanlage in Congrier (FR). Foto: M.-LEBIHAN-BSVL

Biomethan versus Erdgas: idente Eigenschaften

Biogas, das durch die anaerobe Vergärung von organischem Material entsteht, ist ein Brennstoff mit hohem Heizwert, der leicht in Strom und Wärme umgewandelt werden kann. Es sorgt für regelmä- ßige Einnahmen, da die Produktion rund um die Uhr erfolgen kann. Gleichzeitig unterstützt es die Dekarbonisierung durch die Verwertung organischer Rest- und Abfallstoffe, da das End- bzw. Gärprodukt als Dünger genutzt werden kann und auf diese Weise eine geschlossene Abfall- bzw. Kreislaufwirtschaft entsteht. Biomethan ist eine Methanquelle, die aus gereinigtem Biogas gewonnen wird, das die gleichen Eigenschaften wie Erdgas aufweist.

Wie herkömmliches Erdgas kann Biomethan als Fahrzeugkraftstoff verwendet werden, um die Dekarbonisierung des Verkehrssektors zu unterstützen, nachdem es in komprimiertes Erdgas (CNG2) oder verflüssigtes Erdgas (LNG3) umgewandelt wurde. Der Kraftstoffverbrauch von CNG-betriebenen Fahrzeugen ist vergleichbar mit dem von herkömmlichen Benzinfahrzeugen und kann in leichten bis schweren Nutzfahrzeugen verwendet werden. LNG ist nicht so weit verbreitet wie CNG, da es sowohl in der Herstellung als auch in der Lagerung teuer ist, obwohl seine höhere Dichte LNG zu einem besseren Kraftstoff für schwere Nutzfahrzeuge macht, die lange Strecken zurücklegen. Um Investitionen in die Betankungsinfrastruktur optimal zu nutzen, eignen sich CNG und LNG am besten für Flottenfahrzeuge, die zum Auftanken zu einer Basis zurückkehren.

Im Vergleich zu fossilen Brennstoffen können Biogas und Biomethan bis zu 240 Prozent der THG-Emissionen schädlicher Treibhausgase wie Methan einsparen, die sonst durch die unkontrollierte Vergärung von organischen Abfällen und landwirtschaftlichen Reststoffen freigesetzt würden4. Abfall und landwirtschaftliche Abwässer sind heute die beiden größten Quellen für Methanemissionen. Die Verwendung von Biogas und Biomethan begrenzt auch die Abhängigkeit von mineralischen Düngemitteln, da die Gärreste als Düngemittel und nicht als Abfall betrachtet werden können. Es sollte mehr getan werden, um grüne Kraftstoffe aus Biomethan sowie die Verwendung von Biogas als Ergänzung zu erneuerbarem Strom zu fördern und dadurch eingesparte Emissionen anzuerkennen.

Biomethan Prozessgrafik. Quelle: BIOGEST

Biomethangewinnung in Europa

Die Produktionskosten von Biomethan weisen bedeutende Skalenvorteile auf, wodurch sich attraktive Gasvermarktungsmöglichkeiten ergeben haben. Die Branche hat sich in den letzten fünf Jahren deutlich diversifiziert und nicht nur Landwirte, sondern auch internationale Investoren und Projektentwickler (z. B. aus Italien und Frankreich) sind an der Biomethangewinnung interessiert, denn langfristige Abnahmeverträge mit Industriepartnern oder Händlern bieten Stabilität und Planungssicherheit. Alternativ ermöglicht ein Pauschaltarif, der Methan und Zertifikate einschließt, eine langfristige Wertschöpfung. Für kurzfristige Vermarktungsoptionen kann der Day-ahead-Gaspreis5 in Kombination mit Zertifikaten genutzt werden. Die Integration von CO2 in den Vermarktungsansatz bietet eine zusätzliche Einnahmequelle, da das entstandene Nebenprodukt (CO2) der Biomethanproduktion in vielen Branchen wie der Lebensmittel- und Getränkeindustrie profitabel eingesetzt werden kann. Bei der Auslotung der Nachfrage ist eine regionale Abwägung entscheidend, um die besten Vermarktungschancen zu identifizieren. Diese vielfältigen Gasvermarktungsoptionen unterstreichen die Flexibilität und Rentabilität der Biomethanproduktion im dynamischen Energiemarkt. Auf der größten Handelsplattform für Biomethan (ERGaR CoO)6 hat sich die übertragene Biomethanmenge in etwas mehr als einem Jahr verzehnfacht und wird im ersten Quartal 2023 397 GWh betragen. Bei den Biomethanherstellern ist ein deutlicher Trend zu beobachten, sich für Rohstoffe zu entscheiden, die die besten THG-Einsparungen ermöglichen, d. h. landwirtschaftliche Reststoffe, organische Siedlungsabfälle, Klärschlamm und Industrieabfälle1.

Wieso Repowering?

Die steigende Bedeutung von Biomethan als Energieträger führt dazu, dass bestehende Biogasanlagen auf die Produktion von grünem Methan (Erdgasqualität) umgestellt werden, um den neuen Marktanforderungen gerecht zu werden und grünen Treibstoff zu produzieren. Die Entscheidung für Repowering, die Umstellung und Erweiterung bestehender Biogasanlagen, beruht auf einer Vielzahl von Gründen, die sowohl ökonomische als auch technologische Aspekte berücksichtigen. Durch die Integration moderner Technologien kann die Effizienz gesteigert werden. Dies bedeutet nicht nur eine optimierte Energieausbeute, sondern auch eine Reduzierung der Betriebskosten. Die Verfügbarkeit von Rohstoffen für die Biogasproduktion kann sich im Laufe der Zeit ändern. Die Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Rohstoffe ist entscheidend für eine nachhaltige und langfristige Biogasproduktion. Durch den Austausch und die Modernisierung veralteter Anlagenkomponenten, kann die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der Anlage gewährleistet werden und trägt zur Verbesserung der Betriebssicherheit bei. Der Einsatz moderner Technologien und die Aktualisierung von Sicherheitssystemen minimiert das Risiko von Betriebsstörungen und fördert eine zuverlässige und kontinuierliche Energieproduktion.

Herausforderungen für Repowering

Die Umstellung und Erweiterung von Biogasanlagen stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Ein sich wandelnder politischer und rechtlicher Rahmen erfordert kontinuierliche Anpassungen, um Unsicherheiten bezüglich Fördermechanismen und Umweltauflagen zu bewältigen. Die Verfügbarkeit geeigneter Substrate ist zentral, da Schwankungen die kontinuierliche Produktion beeinträchtigen können. Technische Anpassungen müssen nahtlos in den Betrieb integriert werden, während komplexe Genehmigungsverfahren Verzögerungen verursachen können. Aufgrund der zunehmenden Nutzung von organischen Rest- und Abfallstoffen ist die Vorbehandlung sowie eine optimal ausgelegte Rührwerks- und Fermenter-Technologie entscheidend, insbesondere bei höheren Trockenmassegehalten und Faseranteilen, um den Mikroorganismen der Biogasanlage den Abfallstoff effizient zur Verfügung zu stellen. Der aktuelle Stand der Technik im Bereich der mechanischen Vorbehandlungsmethoden sieht Zerkleinerungsaggregate, wie zum Beispiel Hammermühlen oder Prall-Zerkleinerer, für die Vergrößerung der Biomasseoberfläche und deren vereinfachte Durchmischung vor. In Europa haben im Jahr 2022 über 50 Prozent der Biomethananlagen eine Membran-Separationstechnologie im Betrieb genutzt, um ihr Biogas zu veredeln. In den letzten vier Jahren hat sich insbesondere die Membrantechnologie der neu gebauten Anlagen aufgrund von einfacher Handhabung und vergleichsweise günstigen Betriebskosten durchgesetzt. Bei sehr großen Anlagen bzw. Biogasvolumenströmen können auch andere Technologien wie z. B. die Druckwasserwäsche, die Aminwäsche oder die Druckwechsel-Adsorption wirtschaftlich sein7. Hohe Anfangsinvestitionen und die Notwendigkeit von gut durchdachter Infrastruktur, inklusiven Anschlüssen und Abfalltransport, stellen weitere finanzielle und organisatorische Herausforderungen dar. Gleichzeitig erfordert die effiziente Bewältigung von Gärresten angemessene Lagerkapazitäten und Düngemanagement-Strategien. Eine erfolgreiche Transformation erfordert daher eine enge Zusammenarbeit zwischen Betreibern, Behörden und Technologieanbietern sowie eine flexible Anpassung an sich ändernde Bedingungen.

Weitere Informationen

  1. EBA Statistical Report 2023 https://www.europeanbiogas.eu/eba-statistical-report-2023/
  2. Compressed Natural Gas
  3. Liquified Natural Gas
  4. https://www.europeanbiogas.eu/wp-content/uploads/2020/04/20200419-Background-paper_final.pdf
    https://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC104759/ld1a27215enn.pdf
  5. Unter dem Begriff Day-ahead-Handel versteht man den Handel von Strom für den folgenden Tag, der an der EPEX Spot in Paris (Spotmarkt der European Power Exchange), an der EXAA in Wien oder im OTC (Over-the-Counter-Handel) über außerbörslich ausgehandelte Verträge stattfindet. https://www.next-kraftwerke.de/wissen/day-ahead-handel
  6. https://www.ergar.org/
  7. EBA Statistical Report 2023, S. 29

Autorin

Andronika Kirov, MSc, ist als Senior Marketing & Communication Managerin bei BIOGEST tätig. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, https://www.linkedin.com/in/andronika-kirov-1521a8162/

Kommentar

"Biogas hat sich vom grünen Gas zum Allrounder entwickelt. Nicht nur erneuerbare Energie, in Form von Strom und Wärme, kann produziert werden, sondern auch Treibstoff. Wir sehen das Biomethan als eine klimaneutrale Alternative zum Erdgas, da es zeitlich als auch räumlich flexibel gespeichert werden kann. Mit unseren Biogas- und Biomethananlagen lösen wir nicht nur Abfallprobleme unserer Kunden, sondern leisten auch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz"

Martin Schlerka, CEO BIOGEST. Foto: Gerlinde Gorla

Top of page