Zeitschrift EE

01 | 2024 Grüne Treibstoffe

Methanpyrolyse als Teil einer nachhaltigen Energietransformation

Robert Obenaus-Emler 

Schlüsselelement Wasserstoff

Wasserstoff, der CO2-frei bzw. mit geringem CO2- Fußabdruck hergestellt wird, nimmt in Zukunftsszenarien eines ausschließlich auf erneuerbaren Quellen beruhenden Energiesystems eine zentrale Rolle ein. Wasserstoff ermöglicht die Kopplung der Sektoren Strom, Gas und Wärme, und damit die groß- volumige Speicherung von erneuerbarer elektrischer Energie. Darüber hinaus kann Wasserstoff einen wesentlichen Beitrag für eine klimaneutrale Mobilität sowie Industrieproduktion liefern. Derzeit wird Wasserstoff unter Freisetzung von CO2 überwiegend durch Dampfreformierung aus fossilen Energieträ- gern hergestellt und vor allem in der chemischen und der petrochemischen Industrie eingesetzt. Pro Kilogramm Wasserstoff werden dabei etwa 10 bis 12 kg CO2 entlang der gesamten Wertschöpfungskette freigesetzt.

Vom Erdgas zu Wasserstoff und festem Kohlenstoff – die Methanpyrolyse. Quelle: eigene Darstellung

Geht man von einem signifikant erhöhten Bedarf an Wasserstoff mit geringem CO2-Fußabdruck in den nächsten Jahrzehnten aus, so wird deutlich, dass man für den Übergang bis zum Vollausbau der erneuerbaren Stromerzeugung, die alle Sektoren komplett versorgen kann, dringend auf alternative Technologien zur Wasserelektrolyse für die Erzeugung von Wasserstoff angewiesen ist. Die Methanpyrolyse hat gegenüber den anderen, alternativen Erzeugungswegen für erneuerbaren Wasserstoff den geringsten Energieaufwand (weniger als ein Viertel der Wasserelektrolyse) bei einer sehr hohe Wasserstoffausbeute. Damit ist Wasserstoff aus der Pyrolyse im Hinblick auf die durch den Energieaufwand verursachten Umweltbelastung allen anderen Prozessrouten deutlich überlegen. Im Sinne einer vollständigen Ressourcennutzung spielt dabei die nachhaltige Nutzung des bei der Methanpyrolyse entstehenden elementaren Kohlenstoffs eine entscheidende Rolle.

Derzeitige Produktion und Verwendung von Wasserstoff

Wasserstoff ist gegenwärtig vor allem in chemischen und petrochemischen Prozessen ein wichtiger Reaktionspartner. Im Jahr 2022 lag der Wasserstoffverbrauch in der Europäischen Union bei rund 280 TWh (etwa 8,4 Mio. Jahrestonnen). Der größte Anteil wird bei der Raffination von Rohöl bzw. der Weiterverarbeitung von Raffineriezwischenprodukten verwendet. In chemischen Prozessen wird Wasserstoff vor allem im Haber-Bosch-Prozess zur Produktion von Ammoniak als Grundstoff für Düngemittel benötigt. Zusätzlich wird Wasserstoff für die Synthese von Methanol eingesetzt, das wiederum als Plattformchemikalie für eine Vielzahl von Folgeprodukten dient. Andere Anwendungsbereiche wie Metallurgie, Glasherstellung, Halbleitertechnik oder Mobilität sind hinsichtlich des Wasserstoffbedarfs derzeit noch von untergeordneter Bedeutung.

Gesamter jährlicher Wasserstoffverbrauch in der Europäischen Union nach Anwendungsgebiet in TWh für das Jahr 2022. Quelle: eigene Darstellung, adaptierte Daten des Green Hydrogen Observatory

Zukunftsszenarien für das Schlüsselelement Wasserstoff

Die wesentlichen potenziellen Anwendungsgebiete von Wasserstoff werden zukünftig Mobilität und Transport, Sektorkopplung mit dem Erdgasnetz, Wärmebereitstellung für die Industrie sowie verstärkt auch die Verwendung als Reaktionspartner in chemischen, petro-chemischen und metallurgischen Prozessen sein.

Zukünftige Anwendungsgebiete von Wasserstoff. Quelle: eigene Darstellung

Um diese zukünftigen Anwendungen im großen Stil verwirklichen zu können, müssen aber noch grundlegende technologische Fragestellungen zur Produktion, der Speicherung und dem Transport von Wasserstoff geklärt werden. Schätzungen gehen derzeit davon aus, dass der sektorübergreifende Bedarf an Wasserstoff in der EU im Jahr 2050 etwa 2.250 TWh betragen wird. Durch die sektorübergreifende Verwendung von grünem Wasserstoff können die CO2-Emissionen der EU um etwa ein Fünftel (Basis: 2022) verringert werden. Anwendungsspezifische Nebeneffekte können zu einer weiteren Verringerung der CO2-Emissionen beitragen, so dass mit Hilfe von Wasserstoff in der EU etwa die Hälfte der notwendigen Reduktion an CO2-Emissionen zur Erreichung des 2-Grad-Zieles möglich ist.

Produktionsrouten für Wasserstoff

Wasserstoff kann in einer ganzen Reihe von Sektoren ein wesentlicher Treiber für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen sein. Grundvoraussetzung dafür ist jedoch, dass der Wasserstoff ohne bzw. nur mit einem geringen CO2-Fußabdruck hergestellt wird. Grundsätzlich kann Wasserstoff aus Wasser, Biomasse oder fossilen Kohlenwasserstoffen entlang verschiedener Verfahrensrouten hergestellt werden. Wasserstoff aus einer Wasserelektrolyse, die mit erneuerbarem Strom betrieben wird, wird als „grüner“ Wasserstoff bezeichnet, wobei sich unterschiedliche Verfahren unterscheiden lassen. In Bezug auf die Verfügbarkeit von erneuerbarer elektrischer Energie ist hier insbesondere der hohe Energiebedarf, etwa 50 kWh pro kg Wasserstoff, als Nachteil zu nennen. Durch Vergasung oder Fermentation von Biomasse lässt sich ebenfalls Wasserstoff mit reduziertem CO2-Fußabdruck gewinnen. Der Anteil an Wasserstoff im Ausgangsprodukt sowie die Verfügbarkeit von Biomasse für die Wasserstoffproduktion sind hier als limitierende Faktoren zu nennen.

Derzeit lassen sich große Mengen an Wasserstoff nur mittels Dampfreformierung fossiler Kohlenwasserstoffe herstellen. Eine Reduktion der Treibhausgasemissionen kann durch eine nachfolgende Abtrennung und Speicherung des entstehenden CO2 erreicht werden. Der Vorteil liegt hier eindeutig in der potenziell schnellen Skalierbarkeit, da sowohl die notwendigen fossilen Einsatzstoffe als auch die notwendigen Technologien vorhanden sind. Die Schwierigkeit besteht jedoch in der nachfolgenden Speicherung des CO2, wofür insbesondere in Mitteleuropa derzeit noch keine echten Optionen bestehen.

Methanpyrolyse – effiziente Brückentechnologie

Ein derzeit stark in den Fokus gerücktes Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff mit reduziertem CO2-Fußabdruck ist die Methanpyrolyse. Dabei wird Methan bzw. Erdgas bei Temperaturen zwischen 800 °C und 1200 °C in Wasserstoff und festen Kohlenstoff gespalten. Die Methanspaltung kann rein thermisch oder auch katalytisch erfolgen. Im Labormaßstab sind Verfahren in Wanderbettreaktoren, in Wirbelschichten, in flüssigen Metallbädern oder Salzschmelzen sowie in verschiedenartigen Plasmareaktoren untersucht worden. Ein wesentlicher Vorteil dieses Prozesses besteht darin, dass mit der gleichen Energiemenge etwa vier bis fünf Mal so viel Wasserstoff über die Methanpyrolyse im Vergleich zur Wasserelektrolyse hergestellt werden kann. Wird dieser Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen aufgebracht, dann liegt der CO2-Fußabdruck der Methanpyrolyse bei etwa 2 bis 3 kg CO2 pro kg Wasserstoff. Darüber hinaus lässt sich der feste Kohlenstoff potenziell auch in verschiedene Nutzungsoptionen überführen, wodurch eine zusätzlich Wertschöpfung generiert werden kann.

Ein Nachteil der Methanpyrolyse ist der bisher geringe technische Reifegrad. Bei vielen Verfahren ist sowohl die Skalierbarkeit in größere Maßstäbe als auch die Langzeitstabilität der Prozesse noch nicht gegeben. An der Montanuniversität Leoben beschäftigt sich ein interdisziplinäres Team derzeit intensiv mit der Entwicklung eines Methanpyrolyseverfahrens im Pilotmaßstab und der Nutzung des zweiten wesentlichen Produktes, des festen Kohlenstoffs. Derzeit befindet sich an der Montanuniversität ein Forschungstechnikum für den Gesamtprozess der Methanpyrolyse inklusive Heißgasfiltration, Gasaufbereitung und Brennkammer in Bau. Bei der Pyrolyse selbst werden dabei unterschiedliche Aggregate zur Flüssigmetallbadpyrolyse sowie ein Plasmareaktor installiert, wobei die maximale Produktionskapazität etwa 2 kg Wasserstoff pro Stunde beträgt. Die Eröffnung dieser Forschungseinrichtung ist für den Herbst 2024 geplant. Mit Hilfe dieser Forschungsanlage soll in den nächsten Jahren die Datengrundlage geliefert werden, um eine weitere Skalierung in den Demonstrationsmaßstab vornehmen zu können.

Neben der Methanpyrolyse ist die Aufbereitung und Veredelung von Kohlenstoff ein weiteres zentrales Forschungsthema im Forschungstechnikum.

Dabei stehen unter anderem großvolumige Anwendungen in der Landwirtschaft und im Bausektor im Fokus, da hier großes Potenzial besteht, zusätzliche anwendungsspezifische Emissionsreduktionen erzielen zu können. Im Fall der landwirtschaftlichen Anwendung von Kohlenstoff als Bodenhilfsstoff kann darüber hinaus das Pflanzenwachstum sowie die Resilienz gegenüber Trockenstress von Kulturpflanzen nachweislich erhöht werden.

In diesem zukunftsorientierten Forschungsgebiet besteht eine Kooperation mit der RAG Austria AG, der Universität für Bodenkultur Wien, der AGES und dem Austrian Institute of Technology (AIT). Im Herbst 2023 hat die RAG Austria AG am Standort Krift eine Demonstrationsanlage zur Hochtemperaturplasmalyse mit einer Produktionskapazität von etwa 50 kg Wasserstoff pro Stunde installiert. Verschiedene Optionen zur Verwendung des dabei anfallenden Kohlenstoffes werden derzeit intensiv untersucht.

Autor

Dipl.-Ing. Robert Obenaus-Emler ist Head of Innovation and R&D Portfolio Management am Resources Innovation Center der Montanuniversität Leoben und koordiniert die Forschungsaktivitäten in der Strategic Core Research Area SCoRe A+ Hydrogen and Carbon. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.unileoben.ac.at

Kommentar

"Die OMV hat das Ziel, ein führender Hersteller von nachhaltigen Mobilitätskraftstoffen, insbesondere Flugkraftstoffen, und chemischen Rohstoffen in Europa zu werden. Investiert wurden 200 Mio. EUR in die Mitverarbeitung von Pflanzenölen und 30 Mio. EUR in eine Pilotanlage, die Rohglycerin in Propanol, einen fortschrittlichen Biokraftstoff umwandelt. Die OMV arbeitet auch an der Entwicklung neuer Verfahren für die Herstellung von nachhaltigen Flugkraftstoff aus synthetischem E-Methanol, basierend auf CO2 und grünem Wasserstoff."

Wolfgang Vollnhofer, Fuels & Feedstock Innovation, OMV Downstream GmbH. Foto: OMV Aktiengesellschaft

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