Zeitschrift EE

01 | 2024 Grüne Treibstoffe

Solar Fuels - Recycling von Kohlenstoff durch CO2-Umwandlung

Michele Aresta, Angela Dibenedetto

Foto: Shutterstock/ohenze

Auf der kürzlich abgeschlossenen COP281 stimmten 197 Ländern und die Europäische Union einstimmig für die Notwendigkeit eines "Übergangs weg von fossilem Kohlenstoff" – also weg von Kohle, Erdöl und Erdgas. In den letzten zwei Jahrhunderten hat die menschliche Gesellschaft ihr Wachstum auf das Modell der "linearen Wirtschaft" gestützt. Dabei wurde angenommen, dass die natürlichen, auf Kohlenstoff basierenden Ressourcen, unendlich seien und ihre Nutzung sicher sei. Tatsächlich dominiert fossiler Kohlenstoff heute nicht nur die Energieerzeugung (über 82 Prozent), sondern auch Sektoren wie die chemische Industrie und die Stahlindustrie. Trotz des Aufrufs zur Verringerung des Einsatzes von fossilem Kohlenstoff vor etwa zwei Jahrzehnten und des zunehmenden Einsatzes alternativer Energiequellen (Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme, Biomasse) seit Beginn dieses Jahrhunderts, hat der Einsatz von Kohle den neuen Höchstwert von 8,93 GtC im Jahr 2022 erreicht. Dies deutet auf ein kontinuierliches Wachstum der Energienachfrage hin. Zusammen mit der Nutzung von Erdöl und Erdgas hat der CO2-Ausstoß im selben Jahr einen Rekordwert von 36,8 Gt erreicht2. Dieser Trend ist nicht so sehr im Hinblick auf die künftige Verfügbarkeit fossiler Ressourcen besorgniserregend (siehe Abbildung)3, sondern vor allem wegen der Auswirkungen der anhaltenden CO2-Emissionen auf das Klima.

Weltweit verbleibende fossile Reserven in Jahren bei aktuellem Verbrauch3

Kohlenstoffkreislaufwirtschaft

Kohlenstoffbasierte Produkte sind aus unserer modernen Welt nicht wegzudenken. Doch die Verwendung von fossilem Kohlenstoff muss stark eingeschränkt werden. Für die Synthese von Arzneimitteln, Polymeren, Lösungsmitteln, Lebensmitteln, Kleidung, Spezialmaterialien usw. müssen in Zukunft alternative Kohlenstoffquellen verwendet werden. Dafür eignen sich zum Beispiel Recyclingverfahren für Kunststoffe oder erneuerbarer Kohlenstoff aus Biomasse und CO24. Dadurch werden auch die CO2-Emissionen in die Atmosphäre stark reduziert5. Einige spezifische Verkehrssektoren, wie z. B. der Luft- und Seeverkehr werden auch weiterhin Kohlenstoff-basierte Kraftstoffe benötigen, was die Wiederverwertung von Kohlenstoff weiter vorantreiben wird. Die Kreislaufwirtschaft für Kohlenstoff wird somit eine strategische Technologie zur Verringerung des Abbaus von fossilem Kohlenstoff sein, die einen Schritt in Richtung Netto-Null-Emissionen darstellt. Dazu ist es aber dringend erforderlich, technologische Fortschritte beim Recycling von Kohlenstoff zu erzielen, um CO2 durch direkte Kohlenstoffabscheidung und -nutzung für die Herstellung neuer Produkte zu nutzen.

CO2 als alternative Kohlenstoffquelle

Kunststoffe stellen einen zu begrenzten Markt als alternative Kohlenstoffquelle dar. Von ca. 520 Mio. Tonnen Gesamtproduktion pro Jahr werden nur etwa 9 Mio. Tonnen recycelt, während 360 Mio. Tonnen entsorgt werden. Das Recycling deckt also nur einen Teil des Bedarfs an neuen polymeren Werkstoffen ab. Daneben ist die Verwendung von Biomasse ebenfalls nur eingeschränkt möglich. Im Vergleich dazu stellt CO2 aus der Atmosphäre eine einfache und gut verfügbare Kohlenstoffquelle dar. Neben den punktuellen Quellen (wie z. B. Kraftwerke, Mobilität), die kontinuierlich fossiles CO2 emittieren, wird es auch durch Bioprozesse wie Fermentation und anaerobe Vergärung gebildet und ist in der Atmosphäre in einer Menge von 3000 Gt vorhanden. Diese Kohlenstoffquellen sind erneuerbar und können zur Herstellung von Kohlenstoff-basierten Produkten genutzt werden.

Die Entwicklung eines vom Menschen geschaffenen Kohlenstoffkreislaufs kann somit den natürlichen Kreislauf ergänzen. Gleichzeitig bieten industrielle katalytische Prozesse den Vorteil gegenüber natürlichen Prozessen, Zielprodukte schneller, intensiver und mit einer höheren Selektivität zu erzeugen. Im natürlichen Kohlenstoffkreislauf werden über 200 Gt Kohlenstoff pro Jahr zwischen den verschiedenen Kompartimenten zirkuliert: Atmosphäre, Biosphäre und anorganische Materialien6. Dieser Kreislauf kann jedoch das anthropogene CO2 (ca. 37 Gt/Jahr, das entspricht ca. 10 GtC) nicht puffern. Letzteres kann bequem aus kontinuierlichen, konzentrierten (5-90 Prozent CO2) Quellen wie Kraftwerken, Industrieprozessen, Fermentations- und Biogasanlagen zu variablen Kosten (80-120 US$/t, je nach Quelle) gewonnen werden. Die Atmosphäre birgt mit über 3000 Gt CO2 somit großes Potential als CO2-Quelle6.

Um das in der Atmosphäre vorhandene CO2 direkt nutzbar zu machen, ist eine Abscheidung aus der Luft zwar möglich (Direct Air Capture). Allerdings sind die Kosten für die Abscheidung aufgrund der geringen CO2-Konzentrationen (400 ppm), sowie der für die Abscheidung notwendigen anti-entropischen Arbeit viermal so hoch wie unter Verwendung von konzentrierten CO2-Quellen.

E-Treibstoffe

Grundsätzlich bietet CO2 großes Potential in der Produktion von Treibstoffen. Ein Blick auf vorhandene Prozesse zeigt, dass beispielsweise die thermokatalytische Hydrierung von CO2 bereits kurzfristig zur Herstellung von Kraftstoffen wie Methan7 und Methanol8 verwendet werden kann, wodurch auch die weitere Nutzung der bestehenden Infrastrukturen (Erdgasleitungen) möglich wäre. Pilot- und Demonstrationsanlagen sind in Betrieb, die CO2 in einer Größenordnung von 100-5000 t/Jahr umwandeln. Die Umwandlung von CO2 in nachhaltige E-Treibstoffe erfordert jedoch den Einsatz ganzjährig verfügbarer erneuerbarer Energiequellen wie Solar, Wind, Hydro, Geo-Power – SWHG – sowie grünen Wasserstoff. Dieser Ansatz erfordert somit gleichzeitig den Ausbau der Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff. Obwohl die Umwandlung von CO2 in E-Treibstoffe im Vergleich zur direkten Nutzung von Wasserstoff zu einem Effizienzverlust von 20-25 Prozent führt, bietet sie mehrere Vorteile, die den Effizienzverlust letztendlich ausgleichen. Dazu gehören niedrigere Investitions- und Betriebskosten, ein reduzierter Bedarf an speziellen Materialien für Lagerung, Transport und Nutzung von Wasserstoff, eine erhöhte Sicherheit und die Nutzung bestehender Infrastrukturen. Sowohl Kohlenstoff-Abscheidung und Nutzung (CCU - carbon capture and usage) als auch grüner Wasserstoff werden dazu beitragen, die Netto-Null-Emissionen in kürzerer Zeit zu erreichen. Die Verwendung von blauem Wasserstoff findet als kurz- bis mittelfristige Option für die Wasserstoff-Produktion in großem Maßstab unter Verwendung von bereits etablierten Technologien große Beachtung9. Die Kohlenstoff-Abscheidung und Speicherung (CCS – carbon capture and storage) scheint insbesondere in Bezug auf die Skalierungsfähigkeit besser geeignet zu sein als die Wasserelektrolyse. Diese Erwartung muss sich in der Praxis und durch die Speicherung von Dutzenden von Mt CO2/Jahr bestätigen.

Direkte Nutzung von Sonnenenergie zur Reduktion von CO2 zu Solartreibstoffen

Eine weitere Möglichkeit zur Herstellung von alternativen Treibstoffen bietet die direkte Nutzung von Sonnenenergie für den Antrieb von Reaktionen, bei denen CO2 und Wasser in energiereiche Produkte umgewandelt werden. Die Sonne ist eine unerschöpfliche Quelle, die etwa 100 000 bis 120 000 Terawatt (TW) an Energie auf die Erdoberfläche einstrahlt, 20 000-mal mehr als der gesamte Weltenergiebedarf10. Sie steht jedoch abgeschwächt und unstetig zur Verfügung.

Um Sonnenenergie direkt nutzen zu können, stehen für die Umwandlung von Kohlendioxid in Kraftstoffe zwei verschiedene Verfahren zur Verfügung. Diese sind: A. die Nutzung konzentrierter Sonnenenergie zur Spaltung von Kohlendioxid und Wasser bei hohen Temperaturen (>1000 °C) zur Erzeugung von Synthesegas (ein Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff)11, das im Fischer-Tropsch-Verfahren zur Herstellung von Kohlenwasserstoffen verwendet wird; B. die direkte gemeinsame Verarbeitung von Wasser und Kohlendioxid zu energiereichen Produkten unter Sonneneinstrahlung12.

Die erste Option erfordert eine weitere Verbesserung sowohl der Technologie zur Konzentration der Sonnenenergie als auch der Leistung der Katalysatoren für die Wasser- und Kohlendioxid-Spaltung und kann mittelfristig (in 10 Jahren) angewandt werden. Die zweite Option wird höchstwahrscheinlich eher langfristig (in 15 Jahren) genutzt werden können, da neue, wirksame und stabile Photokatalysatoren oder Photo-Elektro-Katalysatoren erforscht und neue fortschrittliche Photo-Elektro-Reaktoren entwickelt werden müssen12, 13. Der Einsatz der letztgenannten Technologie bietet jedoch den Vorteil, dass kein Wasserstoff für die Kohlendioxid-Reduktion benötigt wird, was einen großen Schritt in Richtung eines vom Menschen geschaffenen Kohlenstoff-Kreislaufs darstellen würde. Der aktuelle Entwicklungsstand der photochemischen bzw. photoelektrochemischenUmwandlung von Kohlendioxid und Wasser in C1-Moleküle wie Methanol oder Methan befindet sich bei einem TRL von 3-4. Die weitaus anspruchsvollere Produktion von C2+-Molekülen steht bei TRL<3. Um das große Potential dieser Technologie zur direkten Nutzung der Sonneneinstrahlung ausschöpfen zu können, sind Investitionen in Forschung und Innovation notwendig. So ist es möglich, die Entwicklung von Technologien voranzutreiben, die zur Einführung einer kohlenstoffbasierten Kreislaufwirtschaft beitragen können, ohne zusätzlich den ohnehin steigenden Bedarf an Wasserstoff weiter zu überschreiten.

CuO-ZnO-Nanokomposit nach photokatalytischen Tests. Quelle: Roberto Comparelli

Neues Reaktorkonzept

Das Vorantreiben der Entwicklung der direkten Nutzung von Sonnenenergie zur Reduktion von CO2 zu Solartreibstoffen (C2+-Molekülen) steht im Fokus des von der EU geförderten Projekts DESIRED, an dem sieben Partner aus sechs EU-Ländern beteiligt sind. Das Projekt zielt auf die Entwicklung eines neuen Reaktorkonzepts ab, das von AEE INTEC in Zusammenarbeit mit den Partnern entwickelt, gebaut und getestet wird. Der DESIRED-Reaktor ist universell nutzbar und kann unter photochemischen oder photoelektrochemischen Bedingungen, in der Gasphase oder in einer kondensierten Phase arbeiten: eine echte Neuheit. In DESIRED werden neue Photokatalysatoren synthetisiert, die auf den Einsatz von seltenen und teuren Metallen verzichten, und unter sichtbarem Licht einsetzbar sind. Der neue Reaktor wird mit einem Sonnenkollektor gekoppelt, um somit die Sonnenenergie direkt nutzen zu können. (Anm.: siehe auch den Artikel "Grünen Wasserstoff mit der Sonne produzieren" in dieser Ausgabe.)

Weitere Informationen

  1. COP28, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Accessed on December 27, 2023.
  2. https://www.iea.org. Accessed on December 27, 2023.
  3. https://ourworldindata.org/grapher/years-of-fossil-fuel-reserves-left. Accessed November 3, 2023
  4. https://www.thewoldscouts.com. Accessed November 3, 2023
  5. Aresta, M., Angelini, A., Dibenedetto, A. (2013) The new paradigm in CO2 conversion, JCOU, 3-4, 65-73.
  6. EESC([COM(2023)]161 final-2023/0081(COD); www.eesc.europa.eu.
  7. COR2023-02189-00-01-AC-TRA(EN)1/28COM82023); www.cor.europa.eu.
  8. https://wedocs.unep.com. Accessed on December 27, 2023
  9. Scipioni, A., Manzardo, A., & Ren, J. (Eds.). (2023). Hydrogen Economy: Processes, Supply Chain, Life Cycle Analysis and Energy Transition for Sustainability. Elsevier
  10. https://inis.iaea.com. Accessed on December 28, 2023
  11. https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2023/747085/EPRS_BRI(2023)747085_EN.pdf; b) https://www.shell.com/business-customers/catalysts-technologies/licensed-technologies/refinery-technology/shell-blue-hydrogen-process.html#:~:text=How%20does%20blue%20hydrogen%20work,between%20natural%20gas%20and%20 steam. Accessed on January 5, 2024.
  12. https://www.iea.org/energy-system/low-emission-fuels/hydrogen. Accessed on January 5, 2024.
  13. https://www.co2meter.com/blogs/news/oxygen-purity-grade-charts. Accessed on January 5, 2024.
  14. https://desired-project.eu

Autor*innen

Prof. Michele Aresta ist CEO von IC2R (Innovative Catalyses for Carbon Recycling), Bari

Prof. Angela Dibenedetto arbeitet für CIRCC (Interuniversity Consortium on Chemical Reactivity and Catalysis), Bari

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