Zeitschrift EE

01 | 2024 Grüne Treibstoffe

Grünen Wasserstoff mit der Sonne produzieren

Sarah Meitz, Dogukan Apaydin

In Österreich werden über 60 Prozent des Energiebedarfs aus fossilen Energiequellen wie Kohle, Erdöl und Erdgas bereitgestellt. Die industrielle Nutzung dieser fossilen Energieträger für die Erzeugung von Strom, Wärme und Chemikalien trägt maßgeblich zur Abhängigkeit von fossilen Quellen bei und verantwortet etwa 34 Prozent der Treibhausgasemissionen. Trotz der zunehmenden Sensibilisierung für die Endlichkeit fossiler Ressourcen und der damit verbundenen Umweltauswirkungen wird weiterhin ein steigender Energieverbrauch prognostiziert. Diese Entwicklung geht einher mit einem verstärkten Bedarf an Wasserstoff, vor allem für industrielle Anwendungen. Angesichts dieser Herausforderungen wird die Erschließung alternativer Energiequellen dringend erforderlich.

Foto: AdobeStock/Silvano Rebai

Nachhaltige Kraftstoffe aus Solarenergie

Der steigende Bedarf an Kraftstoffen, insbesondere an Wasserstoff in der Industrie, erfordert nachhaltige Lösungen. Aktuell wird Wasserstoff größtenteils als "grauer Wasserstoff" aus fossilen Energieträgern produziert. Zukünftig soll vermehrt auf "grünen Wasserstoff" gesetzt werden, wobei aktuelle Ansätze wie die Elektrolyse auf erneuerbaren Strom angewiesen sind. Dieser ist jedoch nicht beliebig erweiterbar. Daher sind nachhaltige Alternativen zur Wasserstoffbereitstellung notwendig.

In diesem Zusammenhang haben photokatalytische (PC) und photoelektrochemische (PEC) Prozesse, die die Umwandlung von Lichtenergie in chemische Energie ermöglichen, in den letzten Jahren erhebliche Aufmerksamkeit gewonnen. Die Prozesse werden in sogenannten "Solarreaktoren" eingesetzt, um durch die Nutzung von Photokatalysatoren einstrahlende Photonen aus dem Sonnenlicht zu absorbieren, und chemische Reaktionen auszulösen. Eine beispielhafte Reaktion ist die Umwandlung von Wasser (H2O) zu Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2).

Reaktion zur Umwandlung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Quelle: AEE INTEC

Die Effizienz dieser Prozesse kann deutlich durch die Gegenwart von wässrigen Opfersubstanzen gesteigert werden. Opfersubstanzen wirken als Elektronendonatoren und sind beispielsweise in Abwasser als gelöste Schadstoffe zu finden. Durch die Oxidation dieser Schadstoffe findet neben der Wasserstoff-Produktion eine Schadstoffelimination und Reinigung des Abwassers statt. Interessante Abwasserströme sind dort zu finden, wo herkömmliche Abwasseraufbereitungstechnologien an ihre Grenzen stoßen. Dies sind vor allem schwer abbaubare, komplexe Gemische aus organischen und anorganischen Verbindungen aus industriellen Quellen wie der pharmazeutischen Industrie, Textilindustrie etc. Des Weiteren kann die Technologie auch als vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen zum Einsatz kommen. Durch die beschriebenen Möglichkeiten bieten sich photokalytische und photoelektrochemische Prozesse nicht nur zur Bereitstellung von "grünem Wasserstoff" an, sondern auch zur Abwasserreinigung. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Reduktion von CO2 zu Methan oder anderen Kohlenstoffverbindungen.

Forschungsbedarf bei Materialien zur Nutzung von realem Sonnenlicht

Photokalytische und photoelektrochemische Prozesse haben das Potenzial, eine breite Palette solarer Kraftstoffe zu produzieren, stecken jedoch noch in den Kinderschuhen. Dabei sind Entwicklungen an den eingesetzten Katalysatoren wichtig, um Photokatalyse auch unter realem Sonnenlicht zu realisieren.

Titandioxid (TiO2) wird seit der Entdeckung des photoelektrochemischen Effekts im Jahr 1972 durch Honda und Fujishima für die solare Wasserspaltung verwendet. TiO2 ist wie viele andere Halbleiter ein photoaktives Material, das bei Sonneneinstrahlung die Energie des Lichts absorbiert. Dieses absorbierte Licht regt die Elektronen im TiO2 an, wodurch Elektron-Loch-Paare entstehen. Durch die Nutzung dieser Energie erleichtert TiO2 die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, ein wichtiger Schritt bei der Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff.

Allerdings absorbiert TiO2 Licht im UV-Bereich des Spektrums, der 3 bis 4 Prozent der Sonnenenergie ausmacht, die die Erde erreicht. Dies schränkt die Verwendung von TiO2 in praktischen Anwendungen ein. Das nationale Projekt „Solarreaktor“ hat sich daher zum Ziel gesetzt, eine Alternative zu TiO2 zu verwenden und zu testen. Ausgewählt wurde Bismutvanadat (BiVO4) aufgrund folgender Vorteile:

  • Bessere Absorptionsfähigkeit: Aufgrund seiner schmalen Bandlücke (Abstand zwischen seinen Energieniveaus) absorbiert es mehr einfallendes Sonnenlicht und kann so mehr Energie aus der Sonne gewinnen.
  • Absorption von sichtbarem Licht: BiVO4 absorbiert sichtbares Licht effizienter als Titandioxid. Dies ist wichtig für solarbetriebene Anwendungen, da sichtbares Licht einen bedeutenden Teil des Sonnenspektrums ausmacht.
  • Hohe Photoströme: Aufgrund seiner günstigen Bandlücke und Absorptionseigenschaften weist Bismutvanadat häufig hohe Photoströme auf.
  • Stabilität bei neutralem pH-Wert: BiVO4 hat sich unter neutralen pH-Bedingungen als sehr stabil erwiesen, was für praktische Anwendungen von Vorteil ist.

Das Projekt macht sich die Oxidationskraft von Bismutvanadat zunutze und verwendet es als Photoelektrode für die solare Wasseraufbereitung. An der BiVO4-Elektrode werden Schadstoffe im Abwasser (die leichter zu oxidieren sind als Wasser selbst) aus der Papierindustrie wie Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) zu CO2 und Wasser oxidiert, während an der Gegenelektrode (Stahl) Wasser in Wasserstoff umgewandelt wird. BiVO4 realisiert dies, indem es reaktive Sauerstoffspezies erzeugt, die die Schadstoffe im Wasser zerstören.

Das folgende Diagramm zeigt die Leistung von BiVO4 bei der Zerstörung von EDTA in drei verschiedenen Konzentrationen. Auf der linken Seite ist die CO2-Menge über drei verschiedene Durchläufe zu sehen, die mit der Menge der aus dem Wasser entfernten Schadstoffe korreliert. Je höher der CO2-Wert, desto effizienter die Schadstoffentfernung. Auf der rechten Seite zeigt das Diagramm die Menge an Wasserstoff, die in drei Durchläufen produziert wurde.

Ergebnisse aus dem Abbau von Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA), das zur Farbentwicklung in der Papierindustrie Verwendung findet – links: Verlauf der CO2-Konzentration; rechts: Verlauf der H2-Konzentration. Quelle: TU Wien

Solarreaktorforschung in der Praxis

Photokalytische und photoelektrochemische Prozesse werden im Moment hauptsächlich im Labormaßstab durchgeführt, in dem kleine Reaktorgläser mit künstlichem Licht und präzise definierten Betriebsparametern verwendet werden. Doch der Übergang von der Laborforschung zur praktischen Umsetzung und Marktreife erfordert einen methodischen Ansatz, der verschiedene Disziplinen effektiv miteinander verbindet. Hierbei spielen mehrere Schlüsselaspekte eine entscheidende Rolle:

  • Materialentwicklung: Verwendung von Materialien für die Reaktoren, die den realen Umweltbedingungen und der UV-Belastung auch in der Langzeitanwendung standhalten können.
  • Reaktordesign: Anwendung neuer Ansätze zur Prozessintensivierung mit dem klaren Ziel, die Effizienz der Prozesse erheblich zu steigern.
  • Katalysatorentwicklung: Einsatz nachhaltiger Materialien, die auch unter realer Sonneneinstrahlung im sichtbaren Wellenlängenbereich effizient genutzt werden können.
  • Simulationstools: Eine genaue Verfolgung der Einstrahlung sowie die Untersuchung der Auswirkungen der Strahlungskonzentration auf Reaktionen sind wesentliche Bestandteile zur Effizienzsteigerung von Photoreaktionen.

Das Projekt Solarreaktor setzt an den oben genannten Aspekten an, um den nächsten Schritt in Richtung nachhaltiger Solarenergienutzung zu gehen. Daher werden im Projekt nicht nur neue Katalysatoren wie BiVO4 erforscht, sondern auch neue Reaktorkonzepte entwickeln. Diese integrieren erstmalig die neuen Katalysatoren und werden unter realen Einstrahlbedingungen getestet. Das Reaktorkonzept sieht vor allem die Optimierung der Strömungsverhältnisse durch Anwendung eines Prozessintensivierungsansatzes im Reaktor vor. Es werden Oszillationsbewegungen beaufschlagt, welche die Bildung von Turbulenzen fördern und somit die Reaktionskinetik verbessern sowie zu einem optimalen Eindringen der Solarstrahlung führen sollen. Das Ziel: Eine deutliche Steigerung der H2-Ausbeute.

Ein erster Versuchsaufbau steht bereits auf dem Dach des Labors bei AEE INTEC in Gleisdorf zur Verfügung. Die Validierung des Reaktorkonzeptes unter realer Einstrahlung wurde mit Farbstoffversuchen (Methylenblau) durchgeführt. Aktuell werden Versuche zum Schadstoffabbau sowie der H2-Gewinnung durchgeführt.

Erster Aufbau des Solarreaktors zur Durchführung von Versuchen unter realen Einstrahlbedingungen. Foto: AEE INTEC

Durch die bisher verfolgten Ansätze hat sich gezeigt, wie wichtig ein holistischer Ansatz unter enger Abstimmung unterschiedlicher Disziplinen ist, um gesamtheitlich Prozesseffizienzen zu steigern. Diese integrierte Herangehensweise verspricht nicht nur eine Steigerung der Effizienz von Photoreaktionen, sondern auch einen bedeutenden Fortschritt auf dem Weg zu nachhaltiger und effektiver Solarenergienutzung und Produktion von solaren Kraftstoffen.

Autor*innen

Dipl.-Ing.in Sarah Meitz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gruppe „Wasser- und Prozesstechnologien“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Dogukan Apaydin ist Universtiätsassistent am Institut für Materialchemie der Technischen Universität Wien und habilitiert sich im Forschungsbereich Molekulare Materialchemie

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