Zeitschrift EE

01 | 2024 Grüne Treibstoffe

Optimierung von industriellen Energieverbrauchsprofilen

Jana Reiter, Jasmin Pfleger

Im Rahmen des Projektes DSM_OPT soll ein digitales System zur Unterstützung der Energiebedarfssteuerung für zwei verschiedene Industriestandorte entwickelt werden. Während AEE INTEC mit der österreichischen Bäckerei Sorger zusammenarbeitet, beschäftigen sich der Lehrstuhl für Energieverbundtechnik an der Montanuniversität Leoben, die Softwarefirma ENEXSA und das Stahl- und Walzwerk Marienhütte mit einer Lösung im Bereich der Stahlproduktion. Unter Energiebedarfssteuerung oder Demand Side Management (DSM) versteht man Strategien und/oder Maßnahmen, die die Lastprofile (Energieverbräuche) der Nachfrageseite aktiv steuern bzw. optimieren. Dadurch können z. B. die Energieeffizienz gesteigert oder Lastspitzen reduziert, aber auch der Verbrauch an die Produktionsprofile von erneuerbaren Energiequellen angepasst werden.

Energiebedarfserfassung

In einer Bäckerei beeinflussen viele Faktoren den Herstellungsprozess von Brot und Gebäck: Saisonale Veränderungen wie die Umgebungstemperatur sowie kleinere zeitliche Schwankungen durch Feiertage wirken sich auf die Menge und Vielfalt der Produkte aus, ebenso wie auf den Energie- und Ressourcenverbrauch. Die Planung der Produktion ist komplex und muss im Fall der Bäckerei Sorger sowohl langfristig für Großaufträge von Firmenkunden als auch kurzfristig für den Verkauf in den Bäckereifilialen ausgelegt werden.

Um einen Überblick über die größten Verbraucher zu bekommen, wurde für einen Produktionsstandort der Bäckerei Sorger der relative Energieverbrauch der verschiedenen Maschinen erfasst. Dabei geht klar hervor, dass der Hauptanteil auf die Öfen entfällt, mit einem wesentlich kleineren Anteil für die Kühlung und wenigen Prozent für beispielsweise Teigbereitungsmaschinen. Wegen des großen Anteils der Öfen liegt das Hauptaugenmerk des Projektes daher auf einer digitalen Backzeitoptimierung, um eine Reduktion des Energieverbrauches der Öfen sowie eine flexible Lastverteilung zu erreichen.

Relativer Energiebedarf der berücksichtigten Maschinen für einen Produktionsstandort. Quelle: AEE INTEC

Flexibilitätspotenziale nutzen

Um Demand Side Management-Maßnahmen überhaupt umsetzen zu können, müssen im Betrieb Flexibilitätspotenziale vorhanden sein. Die Flexibilität von Verbrauchern bezieht sich grundlegend auf ihre Fähigkeit, ihren Energieverbrauch durch interne Maßnahmen in Reaktion auf Markt- oder Systemsignale anzupassen1. Für die Bäckerei Sorger wurde eine Flexibilitätsanalyse durchgeführt, um vorhandene Potenziale aufzudecken.

Bei der Analyse wurden Flexibilitätspotenziale auf unterschiedlichen Ebenen untersucht, deren Einteilung sich auf Sethi und Sethi2 stützt: Als erstes wird die Komponentenebene untersucht. Das bedeutet, dass einzelne Maschinen, wie Teigbereitungsmaschinen oder Öfen unter die Lupe genommen wurden. Dabei wird beispielsweise darauf geachtet, wie flexibel Maschinen im Produktionsprozess eingesetzt werden können, das heißt welche unterschiedlichen Aufgaben sie übernehmen können. Hier ist Flexibilität vor allem beim Einsatz von Gärunterbrechern als alternative Tiefkühler vorhanden. Weiters spielt die Möglichkeit, die Reihenfolge der Herstellungsschritte zu verändern oder zu substituieren, eine wichtige Rolle für die Operationsflexibilität. Diese ist aufgrund der durch die Rezepte vorgegebenen Parameter jedoch sehr eingeschränkt.

Als nächstes wird die Flexibilität auf Systemebene analysiert. Hier spielt vor allem die Fähigkeit des Systems, im Fall der Bäckerei gleichbedeutend mit unterschiedlichen Standorten, ohne größeren Aufwand verschiedene Produkte herzustellen, dem Sortiment neue Produkte hinzuzufügen oder auch alternative Herstellungsrouten zu nutzen, eine wichtige Rolle. Bei der Bäckerei Sorger zeigt sich hier am Standort 1 wenig Flexibilitätspotenzial, aber am Standort 2 können aufgrund der ständigen Notwendigkeit der Einbindung neuer Produkte (vor allem saisonale Artikel) und der bereits durchgeführten Optimierungen beim Wechsel zwischen unterschiedlichen Produkten sehr wohl Flexibilitäten genutzt werden.

Zum Schluss wird noch die Gesamtsystemebene betrachtet: Dies beschreibt die Möglichkeit, die Produktion für eine gewisse Zeit unbeaufsichtigt laufen lassen zu können, sowie die Größe und Diversität der Produktpalette ohne zusätzlichen Aufwand in der Produktion anzupassen. Hier kann wiederum zwischen Standort 1 und 2 unterschieden werden: Im saisonalen Wechsel der Spezialprodukte können bei Standort 2 Produkte aus der Standardpalette für wenige Monate aus dem Sortiment genommen werden, um Platz für Krapfen, Allerheiligenstriezel und Ähnliches zu schaffen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass bei der Bäckerei Sorger die größten Potenziale auf System- und Gesamtsystemebene zu finden sind. Eine weitere Flexibilität, die nicht über die Analyse der Potenziale, sondern über den Energieverbrauch aufgezeigt werden konnte, stellen die Ruhezeiten der Öfen dar: Nicht alle Öfen sind gleichmäßig und ständig befüllt, sondern erleben zwischen den Backvorgängen oft längere Leerlaufzeiten, die der Effizienz abträglich sind. Da eine Verbesserung hier einen leichteren Einstieg des Betriebes in die DSM-Thematik darstellt als beispielsweise eine Umstellung der Gesamtprozesse, wird im Rahmen des Projektes ein zweistufiger Optimierungsansatz entwickelt:

  • Stufe 1: Verteilung der Backaufträge auf die Öfen und Bestimmung der optimalen Backreihenfolge für jeden Ofen.
  • Stufe 2: Bestimmung der optimalen Betriebszeit für jeden Ofen unter Berücksichtigung einer Hintergrundlast (verbleibender Energiebedarf).

Um diese Optimierungsroutine an die speziellen Produkte und Öfen in der Bäckerei anzupassen werden personalisierte Modelle erstellt, die den Backprozess beschreiben. Diese Modelle lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: produktspezifische Backmodelle und ein Modell zur Beschreibung des Aufheiz- und Vorheizprozesses. Die produktspezifischen Modelle wurden mit Hilfe einer statistischen Analyse aus Messdaten entwickelt. Die sich daraus ergebende Funktion ist als Lookup-Tabelle3 aufgebaut, um die Berechnungsgeschwindigkeit in der Optimierungsroutine zu erhöhen. Die wichtigsten Faktoren, die berücksichtigt wurden, sind saisonale Effekte (Umgebungstemperatur), Produkttyp, Backdauer, Backtemperatur und Energieverbrauch. Das Modell, das die Aufheizprozesse beschreibt, wird derzeit aktiv mit Hilfe von Machine-Learning-Methoden entwickelt. Die wichtigsten Parameter sind dabei: Temperaturen, insbesondere Start- und Zieltemperaturen, Umgebungstemperatur, Dauer, Aufheizrate und Energieverbrauch. Das fertige Konzept wird in einer Validierungsphase im Betrieb getestet, gemeinsam mit den Anwender*innen verbessert und soll dazu beitragen, den Betrieb auch nach Projektschluss bei der Optimierung der Energieverbräuche zu unterstützen.

Weitere Informationen

  1. Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung. Prospektive Flexibilitätsoptionen in der produzierenden Industrie: Bericht zum Projekt "WindNODE - Das Schaufenster für intelligente Energie aus dem Nordosten Deutschlands" 2020:97.
  2. Sethi AK, Sethi SP. Flexibility in manufacturing: A survey. The International Journal of Flexible Manufacturing Systems 1990(2):289–328
  3. Lookup-Tabellen werden in der Informatik und in der Digitaltechnik verwendet, um Informationen statisch zu definieren und diese zur Laufzeit des Programms – zur Vermeidung aufwändiger Berechnungen oder hohen Speicherverbrauchs – zu benutzen (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Lookup-Tabelle#cite_note-1)

Dr.in Jana Reiter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin des Bereichs „Industrielle Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing.in Jasmin Pfleger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bereichs „Industrielle Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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