Zeitschrift EE

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Raumenergieplanung für die Wärmewende

Alexander Rehbogen, Hermann Edtmayer, Ingo Leusbrock

Ausgangslage

Der Wärmesektor zeichnet gemeinsam mit dem Verkehr für rund 39 % der gesamten Treibhausgasemissionen in Österreich verantwortlich. Eine Erreichung der politisch beschlossenen Klimaschutzziele ist ohne massive Reduktion in diesen Sektoren nicht darstellbar. Entsprechend sehen die Energiestrategien der Länder eine CO2-neutrale Versorgung in der Raumwärme teilweise bereits vor 2050 vor (vgl. z. B. Klimaschutzplan Steiermark, Masterplan Klima + Energie 2020 des Landes Salzburg1). Der Ausschluss fossiler Heizsysteme hat konsequenterweise inzwischen die politische Debatte als realistische Option erreicht. Zu erkennen ist das unter anderem am Verbot für Ölheizungen für Neubau und Sanierungen oder an gezielten Förderungen für Erneuerbare. Ein massiver Umbau der Wärmeversorgungsinfrastruktur steht in den nächsten Jahren bevor – und er hat bereits begonnen.

Für die öffentliche Hand stellen sich damit verbunden nun gleichzeitig zwei Herausforderungen: Die politischen Ziele im Bereich des Klimaschutzes durch entsprechende Maßnahmen zu erreichen und den Umbau der Wärmeversorgungsinfrastruktur zu beschleunigen und so zu gestalten, dass eine zukunftsfähige Wärmeversorgungsinfrastruktur entsteht.

Mit dem Projekt „spatial energy planning for heat transition“ gehen die Bundesländer Wien, Steiermark und Salzburg diese Herausforderungen aktiv an. Dieses Projekt ist Teil der Vorzeigeregion Energie „Green Energy Lab“ des Klima- und Energiefonds.

Wärmeversorgung – Infrastruktur im Umbruch

Der Umbau des Wärmemarktes und der -versorgung ist im Gange und bewirkt eine schrittweise Ablösung der fossilen Systeme. Informationsmangel bei PlanerInnen, (politischen) EntscheidungsträgerInnen und InvestorInnen (z.B. Identifikation von Wärmequellen, Klarheit über bestehende technologische Optionen, etc.) und die allgemeine Komplexität der Fragestellung führen jedoch dazu, dass nachhaltige und lokal sinnvolle Technologien nicht in die Planung einbezogen werden. Hohe Transaktionskosten durch Planung, technologisches Risiko und notwendige Vorleistungen erschweren die Umsetzung von unter langfristiger und ganzheitlicher Betrachtung optimalen Lösungen. Schlussendlich blockieren bestehende Infrastrukturen in der individuellen wirtschaftlichen Logik die Durchsetzung neuer Systeme. Insbesondere die netzgebundene Wärmeversorgung – in kleinem und in großem Maßstab - welche für die Integration erneuerbarer Energieträger eine zentrale Rolle einnimmt, bleibt so unter ihren Möglichkeiten.

Die Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen ist eine zentrale Aufgabe der öffentlichen Hand. Der Umbau des Energiemarkts erfordert Information und Koordination, um die Potenziale aller erneuerbaren Energieformen auszuschöpfen und die verfügbaren Ressourcen und Infrastrukturen bestmöglich einzusetzen. Marktunvollkommenheiten müssen gelöst, Investitionssicherheit gewährleistet und neue Geschäftsmodelle (insbesondere für die netzgebundene Wärmeversorgung) ermöglicht werden, damit die großen Chancen des gegenwärtigen Umbaus der Wärmeversorgungsinfrastruktur nachhaltig genutzt werden können. Jede heute getätigte Investition determiniert die Infrastruktur für mehrere Dekaden, sodass Lock-In Szenarien vermieden werden müssen.

Räumliche Energieplanung: Die Innovation liegt im Prozess

Mit verschiedenen hoheitlichen Steuerungsinstrumenten (allen voran Bauvorschriften und Förderungen) hat die öffentliche Hand in den letzten Jahren maßgeblich zur Entwicklung der Erneuerbaren im Wärmebereich beigetragen. Was bisher in den Instrumenten fehlte, war die räumliche Dimension. Erst über sie können die bestehenden erneuerbaren Potenziale sowie die bestehende Infrastruktur ausreichend berücksichtigt werden. Mit den Instrumenten der räumlichen Energieplanung steht nun ein neuer Bereich an der Schwelle zur Implementierung, der das Potenzial hat, zum Game-Changer im Wärmesektor zu werden. Die Anwendung von räumlicher Energieplanung in den hoheitlichen Steuerungsinstrumenten kann einen wesentlichen Beitrag zur notwendigen Unterstützung, Koordination und Kosteneffizienz (von Investitionen und Finanzierung) in der Wärmewende leisten.

Durch die Verknüpfung von energierelevanten und räumlichen Informationen steht eine einheitliche, gemeinsame Datenbasis zur Verfügung die für übergeordnete, strategische Planung, für konkrete Arealund Projektplanungen sowie für Monitoringzwecke (kommunale Energie- und CO2-Bilanzen) verwendet werden kann. Damit wird zukünftig die Arbeit von Landesverwaltungen (Raumplanung, Energie, Wohnbauförderung), Gemeinden und Bauträgern/Planern unterstützt. Bürger profitieren vom verbesserten Informationsangebot.

Vorzeigeregion Energie

Nachdem in den letzten Jahren wichtige Grundlagen in Österreich aufbereitet wurden, haben sich über die Vorzeigeregion Energie nun im „Green Energy Lab“ die drei in Österreich wohl führenden Bundesländer in diesem Bereich (Wien, Steiermark und Salzburg) zusammengeschlossen, um die Konzepte der räumlichen Energieplanung in die praktische Umsetzung zu bringen. In einem mehrjährigen Projekt sollen unter der Leitung des Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen - SIR und gemeinsam mit den Landeshauptstädten, Vorreiter-Gemeinden aller Größenordnungen sowie maßgeblichen österreichischen Forschungseinrichtungen (TU Wien, TU Graz, AEE INTEC, e7, RSA iSpace) alle notwendigen Grundlagen für die Einführung von räumlicher Energieplanung erarbeitet werden.

Wärme-App als Grundlage

Die Anwendung von Geoinformations-Lösungen ist ein essentielles Element der räumlichen Energieplanung. Basierend auf einem Wärme-Atlas, welcher erneuerbare Potenziale, Energieversorgungsinfrastrukturen und die Wärmenachfrage auf Basis hochaufgelöster Daten räumlich diskret ausweist, wird eine Wärme-App entstehen, welche anwendungsspezifische Analysen und eine langfristige Energie- und Infrastrukturplanung über nutzerspezifische OnlineOberflächen ermöglicht. Behörden, PlanerInnen und InvestorInnen werden damit gezielt bei optimierten Entscheidungen zur Wärmeversorgung von Gebäuden und Arealen unterstützt.

Detailliertes Kartenmaterial ist essentiell für die räumliche Energieplanung; hier ein Beispiel für den Heizwärmebedarf in Gleisdorf. Quelle: AEE INTEC

Handlungsfelder der räumlichen Energieplanung

In drei Handlungsfeldern werden konkrete neue Regulierungs- und Verwaltungsprozesse entwickelt, um die Qualität der Infrastrukturinvestitionen zu verbessern und energiebezogene Informationen effizient in bestehende Prozesse einzubinden: Strategie & Monitoring Örtliche Entwicklungsplanung derStädte und Gemeinde Projekt- und Arealentwicklung

Handlungsfelder der räumlichen Energieplanung Quelle: SIR

BürgerInnen sollen kompakte Informationen zu Potenzialen und technologischen Möglichkeiten an konkreten Standorten erhalten, um für sich die optimale Wärmeversorgungslösung identifizieren zu können. Gemeinden und Städten werden automatisierte Analysen und Auswertungen für ihre Entwicklungsplanung bereitgestellt. Diese können beispielsweise zur Stärkung bestehender und Entwicklung neuer Wärmeverbünde, zur Freihaltung von Flächen für die Energieerzeugung oder für die Maßnahmenplanung in der Sanierung verwendet werden. Die wichtigste Rolle spielt jedoch die Ebene der konkreten Projektentwicklung, wo nicht nur PlanerInnen auf fundierte Informationen Zugriff erhalten, sondern der Bereich Energie auch im behördlichen Bewilligungsverfahren und Förderungssystemen berücksichtigt werden kann. Diese Fragestellungen sollen mit Hilfe der Wärme-App beantwortet werden können.

Nächste Schritte

Aktuell werden im Projektkonsortium die konkreten Anwendungsbereiche im Detail definiert. Bis 2020 soll die Wärme-App zur Verfügung stehen und in ersten Pilotprojekten zur Anwendung kommen, um danach in den teilnehmenden Bundesländern, Städten und Gemeinden ausgerollt zu werden. Räumliche Energieplanung soll in unterschiedlichen Regulierungs- und Verwaltungsprozessen schrittweise implementiert werden, um langfristige Investitionen in die Wärmeversorgungsinfrastruktur nachhaltig zu unterstützen. Dies soll zum Beispiel für die Stadtgemeinde Gleisdorf oder die Energieregion Weiz-Gleisdorf die Festlegung konkreter nächster Schritte zu einer vollständigen räumlichen Energieplanung ermöglichen. So werden unter anderem Umsetzungsfahrpläne oder Energiestrategien diskutiert und implementiert, um einen aktiven Beitrag zu einem planvollen Umbau des Wärmeversorgungssystems zu leisten.

Eckdaten zum Projekt:

gefördert durch den Klima- und Energiefonds
Laufzeit: 06/2018-05/2021
Budget: ca. € 2,7 Mio.
Projektleitung: Alexander Rehbogen, SIR - Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen

Statement

"Die Kleinstadt Gleisdorf hat eine bereits historische Affinität zum Einsatz und zur Förderung von erneuerbaren Energieträgern. Das erste kommunale Energiekonzept wurde bereits in den 90er Jahren erstellt und mündete in zahlreiche konkrete Umsetzungen, wie z. B. in den Bau des städtischen Fernwärmenetzes oder die Erstellung eines ersten Energiekatasters. Diese Elemente bildeten die Basis für die Einführung der Energieraumplanung im Jahr 2015. Durch die Zusammenarbeit mit AEE INTEC erfolgte die Annäherung an dieses Thema von Beginn an fundiert mittels Verwendung von GIS, Datenbank, technischen Simulationen und breitem Expertenwissen. Es freut mich, dass diese Arbeiten im Projekt „Spatial Energy Planning“ fortgesetzt und auf bundesländerübergreifende Ebene gehoben werden. Denn räumliche Energieplanung endet niemals an Gemeindegrenzen!"

Christoph Stark, Bürgermeister der Stadt Gleisdorf

Autoren

Mag. Alexander Rehbogen, MBA ist Leiter des Projektes „Spatial Energy Planning“ beim SIR - Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Dr. Hermann Edtmayer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gruppe „Netzgebundene Energieversorgung und Systemanalysen bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Dr. Ingo Leusbrock ist Leiter der Gruppe „Netzgebundene Energieversorgung und Systemanalysen“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen:

Literatur

  1. Klimaschutzplan Steiermark http://www.technik.steiermark.at/cms/dokumente/11514048_67473811/a74a6e78/KSP-Steiermark-201101-low.pdf Masterplan Klima + Energie 2020 https://www.salzburg.gv.at/umweltnaturwasser_/Seiten/salzburg2050-masterplan2020.aspx
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