Zeitschrift EE

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Renewable Gasfield und UpHy - zwei Projekte der Vorzeigeregion WIVA P&G

Horst Steinmüller, Alexander Trattner, Klaus Neumann, Michael-Dieter Ulbrich

Österreich hat sich im Rahmen der Klimastrategie #mission2030 zum Ziel gesetzt, den nationalen Gesamtstromverbrauch zu 100 % aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Im Zuge der Energiewende nimmt der Anteil erneuerbarer Energien deutlich zu, wobei Windkraft und Photovoltaik am stärksten ausgebaut werden. Ein Schlüssel zur Systemintegration dieser fluktuierenden erneuerbaren Energien liegt in Langzeitspeichern basierend auf Wasserstoff und synthetisch erzeugtem Erdgas. Die Produktion erneuerbaren synthetischen Erdgases kann aus grünem Wasserstoff und Rohbiogas CO2-neutral erfolgen. Dieses Credo der Vorzeigeregion WIVA P&G (Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Austria Power & Gas) stellt auch die Basis für zwei im ersten Call genehmigte Projekte dar. Beide Projekte beschäftigen sich mit der Herstellung von grünem Wasserstoff mittels PEM-Elektrolyse.

Abbildung. Quelle HyCentA Research GmbH

Synthetisches Erdgas

Das im ersten Call genehmigte Projekt „Renewable Gasfield“ demonstriert vorbildlich die Sektorkopplung, indem der Strom einer Photovoltaikanlage zu Wasserstoff umgewandelt wird, der über Trailer für industrielle Anwendungen abgegeben wird, als Treibstoff bei einer öffentlichen 350 bar-Wasserstofftankstelle zur Verfügung steht, direkt ins Gasnetz eingespeist und für die Methanisierung von Biogas und nachheriger Einspeisung ins Gasnetz genutzt wird. Mit diesem Projekt sollen besonders die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten von Wasserstoff und deren Eingliederung ins Energiesystem demonstriert werden. Dabei steht die Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten im Fokus der Entwicklung der vielseitig einsetzbaren Anlageninfrastruktur. So existiert am gewählten Projektstandort südlich von Graz eine 1 MWel Biogasanlage, die derzeit nur mit halber Auslastung betrieben wird und sich daher ideal für die Kopplung mit einer lastflexiblen Methanisierungsanlage eignet. Die eingesetzte Methanisierungstechnologie, wie sie in Kombination mit fluktuierenden erneuerbaren Energien notwendig ist, wurde in einem früheren Projekt (RSA Optfuel) entwickelt und im Pilotmaßstab umgesetzt. Im Zuge von „Renewable Gasfield“ erfolgt die Demonstration dieser Technologie im großen Maßstab mit direkter Kopplung zu einer bestehenden Biogasanlage. Bei der Vorbehandlung des Biogases werden lediglich katalysatorschädliche Substanzen durch Adsorption abgeschieden. Das Biogas kann danach direkt der Methanisierung zugeführt werden, wodurch eine sonst übliche aufwändige CO2-Abscheidung vor der Einspeisung ins Erdgasnetz entfällt. Die Modularität des Infrastrukturkonzepts ist eine weitere Schlüsselinnovation, die eine unabhängige Erweiterung und Anpassung aller Anlagenteile an zukünftige Anforderungen ermöglicht. Durch Einspeisung des synthetisch erzeugten Erdgases in das bestehende Netz sowie die Bereitstellung des Wasserstoffs über Trailerabfüllung und die öffentliche 350 bar-Wasserstofftankstelle werden die Sektoren Haushalt, Industrie und Mobilität mit grünen Energieträgern versorgt. Das innovative und an die lokalen Gegebenheiten anpassbare Anlagenkonzept inklusive Demonstration der lastflexiblen Methanisierung liefert neue, wirtschaftliche Geschäftsmodelle, positive ökologische Auswirkungen und hohe Attraktivität für unterschiedliche Anlagenbetreiber.

Wasserstoff für Mobilität und Industrie

Das Projekt „UpHy I“ (Upscaling of green hydrogen for mobility and industry) stellt einen wesentlichen Baustein für den Ausbau der Wasserstoffmobilität in Österreich dar.

In Österreich versursacht der Mobilitätssektor rund 30 % der gesamten Treibhausgasemissionen. Die Elektromobilität mittels Brennstoffzellenantrieb, basierend auf grünem Wasserstoff, bietet dahingehend großes Potential, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Dies trifft insbesondere auf den Anwendungsbereich der Langstrecken- und Allzweckfahrzeuge, wie etwa PKW, Busse und LKW, zu. Trotz alledem gestaltet sich die Einführung der Wasserstoff-Mobilität schwierig und die Entwicklung geschieht langsam. Die limitierte Anzahl an brennstoffzellenbetriebenen Elektrofahrzeugen, fehlende Kapazitäten für die wirtschaftliche Produktion von grünem Wasserstoff, eine daraus resultierende überschaubare Anzahl an Tankstellen sowie die anspruchsvollen Anforderungen der Gesetzgebung für Wasserstoff-Tankstellen sind Gründe dafür. Offiziell errichtete oder erneuerte Wasserstoff-Tankstellen müssen ab dem 18. November 2017 den technischen Anforderungen der ISO 14687-2 und EN 17124 genügen. Aktuell können jedoch die erforderlichen Nachweisgrenzen zur Ermittlung der Wasserstoff-Qualität noch nicht von unabhängigen Prüfstellen ermittelt werden. Darüber hinaus sind messtechnische Lösungen für die Eichung der abgegebenen WasserstoffMasse nach den derzeitigen Standards nicht ausreichend, um große Mengen abzugeben, und müssen vor einem weiteren Ausbau geklärt werden. Die heute betriebenen Wasserstofftankstellen sollen dann mit den entsprechenden Systemen nachgerüstet werden. „UpHy I“ befasst sich mit der Entwicklung von grüner Wasserstoffproduktion und -verteilung sowie mit der dafür benötigten Eichmesstechnik der Wasserstoffmasse und -qualität. „UpHy I“ soll durch die Entwicklung von offiziellen Eichmethoden der Gasqualität und Abgabemenge einen stetigen Ausbau des Wasserstoff-Tankstellennetzes ermöglichen. Das Ziel von „UpHy I“ ist demnach die Entwicklung von modernen Analysemethoden zur Ermittlung der geforderten Qualitätsparameter direkt an der Zapfsäule.

Zusätzlich werden Szenarien möglicher Ausbaukonzepte grüner Wasserstoff-Produktion sowie zugehöriger Wasserstoff-Logistik untersucht und entwickelt. Dies bildet auch die Basis für das Folgeprojekt „UpHy II“, in dem aufbauend auf die Entwicklungen von „UpHy I“ eine grüne Wasserstoff-Produktion, eine modulare Wasserstoff-Wertschöpfungskette, bestehend aus einer 350 bar-Trailer-Füllstation und einer 350 bar-Betankungsinfrastruktur für Busse und LKW, nach neuesten Standards errichtet werden. Mit den erzielten Resultaten von „UpHy I“ sollen neue Geschäftsmodelle in Bezug auf die Verwendung von grünem Wasserstoff in der Mobilität sowie der Industrie entwickelt werden.

Die modulare Wasserstoff-Wertschöpfungskette dient auch als Technologiebasis zur Durchführung des geplanten Folgeprojekts „UpHy II“, mit dem Ziel, die bisher größte, rein auf Wasserstoff basierende Fahrzeugflotte Österreichs zu versorgen. Abschließend werden Optimierungspotentiale über die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette anhand begleitender Analysen identifiziert.

Beide Projekte sollen nicht nur die Wasserstoffproduktionstechnologie optimieren, sondern auch die Vielseitigkeit der Wasserstoffanwendung unterstreichen. Dies ist insbesondere für eine Vorzeigeregion, die die Umstellungsmöglichkeit auf erneuerbare Gase zu einem Hauptziel erklärt hat, von großer Bedeutung.

Autoren

Dipl.-Ing. Dr. Horst Steinmüller ist Geschäftsführer des Energieinstituts an der Johannes Kepler Universität in Linz und beschäftigt sich seit nahezu 30 Jahren mit Technologieentwicklungen zur Umstellung auf ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem. Er ist Obmann des Vereins WIVA P&G. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Dr. techn. Alexander Trattner ist Chief Executive Officer der HyCentA Research GmbH in Graz.

Prokurist Dipl.-Ing. Klaus Neumann, Stabstelle Produktentwicklung Koordination der Energie Steiermark Technik GmbH.

Dipl.-Ing. Dr. techn. Michael-Dieter Ulbrich ist Projektleiter von UpHy I in der Technischen Entwicklung, OMV Refining & Marketing GmbH, Wien.

Weiterführende Informationen: https://www.wiva.at/v2/

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