Zeitschrift EE

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Vergleichsstudie Infrarotversus konventionelle Heizung

Der Trend zur Infrarotheizung in Wohngebäuden hat sich in letzter Zeit deutlich verstärkt. Hersteller preisen viele Eigenschaften der Heizsysteme, wie zum Beispiel geringe Anschlussleistung, exakt geregelte Betriebszeiten, Einzelraumregelung, markant reduzierte Investitionsund Betriebskosten, keine Wartungsoder Nebenkosten, sowie erhöhte Behaglichkeit an. Zur Objektivierung bzw. Bestätigung dieser Aussagen existieren jedoch kaum unabhängige und wissenschaftlich fundierte Studien. Aus diesem Grunde wurde AEE INTEC von der Fachabteilung A15 "Energie und Wohnbau" der steiermärkischen Landesregierung mit der Durchführung eines entsprechenden Monitoring-Projekts betraut.

Dreidimensionale Analyse der thermischen Behaglichkeit im Raum (PMV-Index). Quelle: AEE INTEC

Wohnanlage Kaindorf an der Sulm

Unterstützt wurde das Projekt von der ENW Gemeinnützige Wohnungsges.m.b.H. aus Graz. Der Wohnbauträger stellte zwei baugleiche, identisch orientierte Gebäude einer neuerrichteten Siedlung in Kaindorf an der Sulm für dieses einzigartige Monitoring-Projekt zur Verfügung. Die kompakten Gebäude mit jeweils sechs Wohneinheiten wurden im Niedrigenergiestandard mit einem HWB von 28 kWh/m2a errichtet. Eines der beiden untersuchten Gebäude wird mit Hilfe von Infrarot-Paneelen beheizt (Stromdirektheizung), das andere verfügt über ein Radiatorheizsystem, welches durch Fernwärme gespeist wird. Im elektrisch beheizten Objekt wurde zusätzlich für jede Wohnung jeweils eine eigene 2 kWp-Photovoltaikanlage installiert.

Die Planung, Ausschreibung und Ausführung der beiden Heizsysteme wurde nach den üblichen Verfahren durch kompetente Unternehmen der jeweiligen Branchen durchgeführt. AEE INTEC war bei Planung und Ausführung nicht involviert, stattete jedoch beide Gebäude mit sehr umfassender Messtechnik aus. Auf Basis dieser Sensoren konnten alle für die Untersuchung relevanten Parameter zeitlich hochaufgelöst erfasst werden. Dies waren insbesondere: Energieverbrauch für Heizung, Warmwasser und Haushaltstrom (inkl. Verlusten), PV-Produktion, -Eigenverbrauch und –Einspeisung, Raumtemperaturen, Raumluftfeuchten, CO2 -Konzentrationen, Fensteröffnungszeiten, sowie das lokale Außenklima in Form von Lufttemperatur, Globalstrahlung und Luftfeuchte. Zusätzlich wurden zeitlich begrenzt lokale Behaglichkeitsmessungen und Befragungen der NutzerInnen durchgeführt. Auf Basis der gemessenen Daten konnte im September 2018 eine umfangreiche Auswertung durchgeführt werden. Diese umfasst sowohl energetische, wirtschaftliche, umweltrelevante, als auch behaglichkeitsrelevante Analysen. Einige wichtige Erkenntnisse der Untersuchung sollen hier kurz zusammengefasst werden. Für weitere und detaillierte Ergebnisse wird auf den umfangreichen Endbericht verwiesen (siehe Link unten).

Kosten und Wirtschaftlichkeit

Beim Vergleich der Herstellungskosten lag das Infrarot-Abgabesystem nur leicht unter dem Radiatorsys tem (-4 %). Maßgebliche Kostenfaktoren stellten der Fernwärme-Anschluss bzw. die Photovoltaik-Anlage dar. Vergleicht man die gesamten Investitionskosten für die Heizungsund Elektroinstallationen inkl. PVAnlage, so waren diese im elektrisch beheizten Gebäude um 12 % höher (299 € zu 267 €/m2WNF).

Für die Nettobetriebskosten der Heizungsanlagen konnte im Jahr 2017 ein Wert von 291,8 € für die durchschnittliche mit Fernwärme beheizte Wohnung (73,0 m2) ermittelt werden, beim elektrisch beheizten Objekt ergaben sich 266,6 € (-8,6 %) bei gleicher Wohnungsgröße.

Bei der Übertragung dieser Ergebnisse auf andere Objekte gilt es zu berücksichtigen, dass die Kostenstruktur für den Betrieb sehr unterschiedlich ist. Der Anteil der betriebsgebundenen Kosten ist bei der Stromdirektheizung deutlich höher, dementsprechend sind die Heizkosten stark vom jeweiligen spezifischen Heizwärmebedarf abhängig.

Vergleich der monatlichen Treibhausgas-Emissionen zweier Wohnungen (73 m2 WNF) Quelle: AEE INTEC

Energie, Primärenergie und Treibhausgasemissionen

Beim Vergleich des Energieverbrauchs der Heizung ergab sich ein um ca. 20 % geringerer Energieverbrauch bei der Stromdirektheizung. Bei einer detaillierten Betrachtung zeigte sich, dass diese Differenz vorwiegend auf die Verteilverluste in bzw. zu den Fernwärme-Objekten zurückzuführen ist. Die in den Wohnungen abgegebenen, nutzbaren Energiemengen waren also weitgehend vergleichbar.

Zur Analyse der Umweltauswirkungen wurde eine stündliche Bewertung der aktuellen Elektrizitätszusammensetzung in Österreich durchgeführt. Bei dieser zeigte sich, dass insbesondere im Winter auch in Österreich ein hoher Anteil an nicht-erneuerbaren Energiequellen zur Bereitstellung der Elektrizität benötigt wird. Aus diesem Grund lag der Primärenergiebedarf aus nicht erneuerbaren und nuklearen Energiequellen beim elektrisch beheizten Objekt um den Faktor 8 höher. Folglich waren auch die Treibhausgasemissionen, welche bei der Beheizung verursacht wurden, markant höher. Während bei der Bereitstellung einer Kilowattstunde nutzbarer Heizenergie mit Fernwärme 53 g CO2 -Äquivalente emittiert wurden, waren dies in der elektrisch beheizten Wohnung 310 g (+487 %).

Behaglichkeit

Sowohl bei den Befragungen der BewohnerInnen, als auch bei den Begehungen wurden signifikante Beeinträchtigungen der Behaglichkeitssituation in den mit Infrarotpaneelen beheizten großen Räumen mit lediglich einem zentral angeordneten IR-Paneel festgestellt. Beinahe alle BewohnerInnen bemängelten die ungleichmäßige Verteilung der Wärme im Raum. Insbesondere im Wohn-/Essbereich scheint die Beheizung mit nur einem Infrarot-Deckenpaneel ungünstig zu sein. Es konnte durch Modellierung und dreidimensionale Auswertung gezeigt werden, dass zentral im Raum eine physiologisch ungünstige, hohe vertikale Strahlungsasymmetrie vorliegt, während weiter entfernte und abgeschattete Bereiche des Raums als zu kühl empfunden werden.

Die gleichmäßige Verteilung der Strahlungswärme im Raum stellt insbesondere bei Paneelen mit geringen Flächen und hohen Oberflächentemperaturen auf Grund der physikalisch wirksamen Prinzipien eine maßgebliche Herausforderung dar. Insbesondere bei Deckenmontage gilt es zusätzliche physiologische Sensitivitäten zu berücksichtigen.

Monatlicher spezifischer Heizstromverbrauch und Eigendeckung durch PV-Anlage Quelle: AEE INTEC

Photovoltaik-Eigendeckung

Bei der Analyse der Photovoltaik-Eigendeckung des Heizstroms zeigt sich das natürlich bedingte Missverhältnis zwischen Bedarf und Angebot. Naturgemäß ist der Heizbedarf bei modernen Gebäuden immer dann am höchsten, wenn jahreszeitlich, tageszeitlich oder witterungsbedingt nur ein geringer solarer Eintrag verfügbar ist. Zu diesen Zeiten steht folglich in der Regel auch nur wenig PhotovoltaikStrom zur Verfügung. Dementsprechend liegt der Eigendeckungsgrad des Heizstroms in den heizintensivsten Monaten November bis Februar im Mittel nur bei 13,3 %. In den Monaten der Übergangsjahreszeit ergeben sich höhere Eigendeckungen bis 30 % und darüber. Insgesamt wurde für das untersuchte Jahr 2017 ein Eigendeckungsgrad des Heizstroms von 20 % ermittelt.

Monatliche Primärenergiefaktoren und Treibhausgas-Emissionen für den österreichischen Verbraucherstrommix (2017). Quelle: AEE INTEC

Analysiert man den gesamten Eigennutzungsgrad der Photovoltaikanlage (Heizung, Warmwasser, Haushaltsstrom) im Jahr 2017, so ergeben sich umgekehrt in den Wintermonaten Werte von 53 % bis 78 %, während im Juni auf Grund des Überangebots nur 16 % im Haushalt genutzt werden können. Auf das gesamte Jahr bezogen lag der Eigennutzungsgrad bei 32 %. Auf Basis der Untersuchung wurden zur Erhöhung der Eigennutzung Zeitschaltuhrregelungen für die Warmwasserbereitung nachgerüstet. Erste Analysen des Folgejahres zeigen bereits eine Erhöhung der Eigennutzung.

Zusammensetzung des österreichischen Strommix im Jahr 2017 (168h-Mittelung) Quelle: AEE INTEC

Fazit

In diesem einzigartigen Monitoring-Projekt konnten wertvolle Erkenntnisse zum Thema Infrarot-Heizung im Neubau gewonnen werden. Diese sind einerseits allgemeiner Natur, kommen aber andererseits spezifisch den EigentümerInnen und BewohnerInnen der untersuchten Objekte zugute. Es wurden auf Basis der Untersuchung bereits Verbesserungsund Adaptierungsarbeiten in den Wohnungen durchgeführt, deren Wirkung in einem Anschlussprojekt von AEE INTEC gemonitort und analysiert wird.

Autoren

Dipl.-Ing. Daniel Rüdisser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Bauen und Sanieren“
bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Dr. Karl Höfler ist Leiter des Bereichs „Bauen und Sanieren“ bei AEE INTEC.

Dipl.-Ing. Reinhard Pertschy ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs "Messtechnik" bei AEE INTEC.

Ing. Waldemar Wagner ist Leiter des Bereichs "Messtechnik" bei AEE INTEC.

Weiterführende Informationen:
Abschlussbericht InfraMess http://www.aee-data.at/downloads/inframess.pdf

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