Zeitschrift EE

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Wertsteigerung von agroindustriellen Reststoffen zu hochwertigen Erden und Düngemitteln

Gerald Dunst, Elena Guillen, Markus Ortner

Foto: Sonnenerde GmbH

Humus besteht aus Kohlenhydraten (50-60%), Lignin (10-40%) und Stickstoffverbindungen (5-10%), ist als Nährstoff- und Wasserspeicher für die entsprechende Versorgung von Bodenorganismen und Pflanzen verantwortlich und trägt wesentlich zur Bodenfruchtbarkeit bei. Humus ist unter anderem auch ein exzellenter Kohlenstoffspeicher, da ein Großteil des Kohlenstoffs nur sehr langsam abgebaut wird. Nachhaltige und nährstoffreiche Erden sollen auf alle Fälle immer ohne Torfbeimengungen hergestellt werden, da durch den Torfabbau und der anschließenden Verrottung von Torf riesige Kohlenstoffmengen freigesetzt werden. Durch die Herstellung torffreier Erden werden Moore geschont und der darin enthaltene Kohlenstoff bleibt langfristig gebunden.

Kompost- und Erdenwerk der Firma Sonnenerde GmbH. Foto: Sonnenerde GmbH

Herstellung von Pflanzenkohle - Terra Preta

Durch die Entdeckung von Terra Preta - einer extrem fruchtbaren Erde im Amazonasgebiet, wurde ein neues Kapitel in der Erdenherstellung eingeschlagen. Das Geheimnis dieser Erden ist stabilisierter Kohlenstoff (Holzkohle) – die Rezeptur dazu wurde vor tausenden Jahren von den Ureinwohnern Brasiliens entdeckt. Im deutschsprachigen Raum wurde der Begriff „Pflanzenkohle“ für pyrolysierte pflanzliche Biomassen eingeführt, welche im Boden, also nichtenergetisch, angewendet werden.

Nach einer dreijährigen Genehmigungsphase konnte im Jahr 2011 mit dem Bau einer Anlage begonnen werden und im Jahr 2012 ging die erste Pflanzenkohleproduktionsanlage Österreichs bei Sonnenerde GmbH in Betrieb. Diese wurde noch im selben Jahr mit dem österreichischen Klimaschutzpreis ausgezeichnet.

Zeitgleich mit dem Bewilligungsverfahren wurde damit begonnen, Terra Preta – hochfruchtbare Schwarzerde mit dauerhafter Fruchtbarkeit zu entwickeln.

Verleihung des Klimaschutzpreises 2012 durch den österreichischen Umweltminister Nikolaus Berlakovich an Sonnenerde GmbH. Foto: Sonnenerde GmbH

Pyrolysetechnik zur Verwertung von Abfallströmen

Die Firma Sonnenerde betreibt die einzige abfallrechtlich bewilligte Pyrolyseanlage in Österreich und hat in den letzten acht Jahren sehr umfangreiches Wissen für den praktischen Betrieb gesammelt. Diese Kenntnisse werden zunehmend für Projekte im In- und Ausland nachgefragt. So wurden bereits Versuche mit verschiedenen Rohstoffen abgewickelt, wie zum Beispiel die Verkohlung von Windeln, von borsäurebehandeltem Zellstoff, Tetra Pak oder die Verkohlung von Restabfall. Alle diese Versuche wurden erfolgreich abgeschlossen, das heißt, dass sich die Technologie durchwegs bewährt – entweder zur Herstellung eines speziellen Produktes oder auch zur Vorbehandlung eines Abfallstroms für weitere Behandlungsschritte. Das Ziel ist immer die Produktentwicklung und dabei vor allem eine möglichst hohe Stabilisierung von Kohlenstoff.

Pyrolyseanlage der Firma Sonnenerde GmbH. Foto: Sonnenerde GmbH

Schema der Pyrolyseanlage der Firma Sonnenerde GmbH. Foto: AEE INTEC

Nutricoal – Herstellung eines biobasierten Düngemittels aus Schlachtabfällen

Im aktuell laufenden Projekt „Nutricoal“ (gefördert durch die FFG, Produktion der Zukunft) wird auf Basis von ungenützten Schlachtnebenprodukten und nährstoffreichen Fermentationsrückständen ein biobasiertes Düngemittel produziert.

Großfurtner GmbH, einer der größten Schlacht- und Zerlegebetriebe in Österreich, ist weltweit das erste Unternehmen, das in der Lage ist, seine gesamten Abfälle der Kategorie 3 durch ein einzigartiges Fermentationsverfahren am Standort energetisch und stofflich zu verwerten. Neben Biogas für die Energieerzeugung fällt auch ein Fermentationsrückstand an. Aufgrund der relativ niedrigen Nährstoffdichte des Rückstands (hoher Wassergehalt) ist eine wirtschaftliche Anwendung – wie generell bei Abfallbiogasanlagen – so gut wie unmöglich. Im Unternehmen fallen zusätzlich beträchtliche Mengen an Nebenprodukten (Kategorie 1 und 2) sowie Einstreu an, die bislang nur in der Tierkörperverwertung, d. h. thermisch entsorgt werden konnten.

Im Projekt Nutricoal sollen die beiden zuvor genannten Probleme, teure Gärrestverwertung und entsorgungspflichtige niederwertige Nebenprodukte, insofern gelöst werden, dass aus den Schlachtnebenprodukten durch Pyrolyse Biokohle als Nährstoffträger gewonnen wird. Durch Variation der Prozessparameter und durch eine gezielte Modifizierung der Kohleoberfläche durch chemische Verfahren wird das Grundprodukt hinichtlich Menge und Qualität der zu bindenden Nährstoffe sowie der maximal erzielbaren Wasserhaltekapazität optimiert.

Die zu bindenden Nährstoffe werden aus anaerob verarbeitetem Schlachtabfall (Gärrest) mittels eines innovativen Niedrigtemperaturverfahrens (Membrandestillation) gewonnen, respektive konzentriert.

Das erhaltene Produkt wird umfangreich charakterisiert, wobei der Fokus auf toxischen Substanzen (EBC-Richtlinie) sowie Quantität und Qualität der adsorbierten Nährstoffe und derren Bioverfügbarkeit im Boden gelegt wird.

Der Nutricoal-Prozess: Herstellung eines biobasierten Düngemittels auf Basis von Schlachtnebenprodukten

Sinnvolle Schließung von Stoffkreisläufen

Nutricoal ermöglicht einen innovativen und nachhaltigen Lückenschluss hinsichtlich der energetischen und stofflichen Verwertung aller in einem Schlachtprozess anfallenden niederwertigen Abfallströme zu einem hochwertigen und biobasierten hochwertigen Endprodukt. Hauptziel des Projektes sind die Entwicklung und Adaptierung der einzelnen Prozessschritte und die Optimierung der gesamten Prozesskette. Dieses Vorhaben stellt in Bezug auf Abfallverwertung und Produktentwicklung nicht nur für die fleischverarbeitende Industrie, wo europaweit an die zwanzig Millionen Tonnen Abfälle jährlich anfallen, sondern auch für die Landwirtschaft und die Biogasbranche ein Leuchtturmprojekt dar.

 

Mitwirkende Partner im Nutricoal-Projekt: Großfurtner GmbH, NGE GmbH, Sonnenerde GmbH, AEE INTEC, Institut für Verfahrens- und Energietechnik (IVET) der Universität für Bodenkultur, BEST - Bioenergy and Sustainable Technologies GmbH

Autoren

Gerald Dunst ist Inhaber und Geschäftsführer der Firma Sonnenerde und ist außerdem ehrenamtlich für das Humusaufbauprojekt der Ökoregion Kaindorf mit angeschlossenem Zertifikatehandel verantwortlich. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Elena Guillen, PhD ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bereichs „Industrielle Prozesse und Energiesysteme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Markus Ortner ist Projektleiter des Nutricoal Projekts, BEST - Bioenergy and Sustainable Technologies GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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