Zeitschrift EE

Gehe zu 2020-01: Bioraffinerie

Oszillierende Reaktoren in der Bioraffinerie

Judith Buchmaier, Bettina Muster-Slawitsch

Das Potential biogener Ressourcen und die Verarbeitung deren wertvoller Bestandteile wie Cellulose, Hemicellulose und Lignin ist enorm. Lignocellulosehältige Abfälle dienen als Ausgangsstoff für eine Vielzahl von Produkten mit hoher Wertschöpfung in der biobasierten Industrie, der Lebensmittel- und Pharmaindustrie sowie im Zellstoff- und Papiersektor. Um land- und forstwirtschaftliche Reststoffe oder Lebensmittelabfälle als kostengünstige und nachhaltige Rohstoffe für die Herstellung hochwertiger Chemikalien und Materialien einzusetzen, bedarf es neuer Bioraffineriekonzepte, die mittels emergierender 1 Technologien eine effiziente Prozesskette realisieren. Der Einsatz von oszillierenden Reaktoren für die enzymatische Hydrolyse könnte so eine Schlüsseltechnologie mit dem Ziel höherer Produktausbeute bei gleichzeitig geringerem Enzymeinsatz und niedrigem Energiebedarf sein.

Zellulose und Lignocellulose als wertvolle Rohstoffe für die Industrie. Foto: AEE INTEC

1 Bedeutung von emergieren in Duden online: auftauchen, emporkommen, sich hervortun

Kosten als Herausforderung beim Ersatz von fossil basierten Herstellungsverfahren

Um mit fossil basierten Herstellungsrouten konkurrieren zu können, gilt es einige Herausforderungen in der Bioraffinerie zu meistern. In industriellen enzymatischen Umwandlungsprozessen ist zum Beispiel die enzymatische Verzuckerung (=Hydrolyse) von Cellulose und Hemicellulose und die nachfolgende Extraktion der Zucker oft sehr ineffizient. Unabhängig von den enormen Anstrengungen der letzten Jahrzehnte bleiben die tatsächlichen Kosten dieses Prozessschrittes aufgrund zweier stark miteinander zusammenhängender Faktoren hoch: Einerseits stellt die große Menge an Enzymen, die für eine bestimmte Umwandlung pro Zeiteinheit benötigt wird einen großen Kostenfaktor dar, und andererseits bedingt die langsame Reaktionskinetik eine lange Verweilzeit für die Umwandlung. Durch einen geringeren Enzymbedarf und eine kürzere Hydrolysezeit könnten erhebliche Kosteneinsparungen erzielt werden.

Oszillierende Reaktoren bieten Vorteile

In der Regel wird die enzymatische Hydrolyse im Batch-Betrieb in Rührkesselreaktoren (Stirred Tank Reactor - STR) durchgeführt. Trotz seiner konzeptionellen Einfachheit und des weitverbreiteten Einsatzes in der industriellen Verarbeitung hat der STR jedoch eine Reihe grundlegender Nachteile aus reaktionstechnischer Sicht. Rührkesselreaktoren leiden insbesondere bei „thick slurries“ unter unzureichender Durchmischung und einem unstrukturierten Massenfluss, was zu Problemen in der Prozessüberwachung und -steuerung führen kann. Ein weiteres wesentliches Hindernis in der Bioverfahrenstechnik ist die Durchführung von Reaktionen bei hohen Feststoffbelastungen, wodurch in vielen Verfahren große Wassermengen zur Verdünnung der Ausgangsstoffe eingesetzt werden, und in weiterer Folge Energie für Aufkonzentrationsschritte nötig ist.

Um für hohe Feststoffbeladungen einen strukturierten Reaktionsablauf für den langsamen Hydrolyse-Prozess realisieren zu können, wurde bei AEE INTEC ein oszillierender Bioreaktor (Oscillatory Flow Bioreactor - OFB) auf Basis von oszillierenden Strömungsreaktoren entwickelt.

Anlagenschema eines oszillierenden Flow Bioreactors (OFB): Das System besteht aus vier modularen Reaktoreinheiten welche über den Feed-Tank befüllt werden können. Der Oszillator versetzt das Medium in Schwingung, die Einbauten erzeugen die Turbulenz. Das System kann über den zweiten Tank als Batch oder rezirkulierend betrieben werden. Foto: AEE INTEC

Oszillierende Strömungsreaktoren wurden für verschiedene Prozesse wie Separationen, Flockungen und Polymerisationen untersucht [1,2] , wobei eine signifikante Verbesserung des Wärme- und Stoffaustausches bereits in mehreren Studien Anfang der 90er Jahre gezeigt wurde. Ein allgemeines Kernmerkmal von oszillierenden Systemen mit Einbauten ist ihre Fähigkeit, Partikelgeschwindigkeit und Verweilzeit zu entkoppeln, was die Durchführung kontinuierlicher Prozesse mit langen Verweilzeiten ermöglicht. Schwingungen induzieren kurzlebige Wirbel und erhöhen so die Turbulenz der Prozessmedienströmung innerhalb der Zwischenräume von Einbauten im Reaktor, sogenannten Baffles, während die Nettoströmungsgeschwindigkeit im laminaren Bereich bleibt. Dadurch bieten diese Reaktoren Vorteile wie hervorragende Mischeigenschaften bei gleichzeitiger Pfropfenströmung (Plug flow).

Demonstration einer Pfropfenströmung im mit Cellulose beladenen oszillierenden Flow Bioreactor (OFB): Am rechten Ende des Reaktors wurde violette Tinte hinzugefügt, welche die Pfropfenströmung darstellt. Foto: AEE INTEC

Weiterentwicklung des oszillierenden Reaktors für biobasierte Anwendungen

In dem FFG-Bridge-Projekt Oscyme wurde das oben erwähnte Reaktorkonzept für biobasierte Anwendungen bei hohen Feststoffbelastungen bei AEE INTEC weiterentwickelt. Ziel war die Entwicklung eines Oscillatory Flow Bioreactor, der für die kontinuierliche enzymatische Hydrolyse von Lignocellulose-Rohstoffen bei hohen Feststoffbelastungen eingesetzt werden kann und dabei für eine optimale Durchmischung der Massenpartikel sowie optimierten Wärmetransfer sorgt.

Der Reaktor wurde zunächst im Batch und in Folge im rezirkulierenden Modus (imitierte kontinuierliche Fahrweise - siehe Grafik) bei 12-15 % Feststoffanteil von alpha-Cellulose getestet.

Links Darstellung eines Batch-Betriebs im oszillierenden Flow Bioreactor (OFB) und rechts der kontinuierliche bzw. rezirkulierende Modus

Während im Batch-Betrieb die Umwandlungseffizienz um 5-7 % im Vergleich zum Rührkessel gesteigert werden konnte[3], zeigte die imitierte kontinuierliche Verfahrensweise im rezirkulierenden Modus einen weiteren Anstieg des Hydrolyse-Umsatzes von 12-20 % nach 24 Stunden (siehe Abbildung). Um dieselbe Zuckerausbeute wie im BatchBetrieb zu erlangen, konnte die Verweilzeit im rezirkulierenden Betrieb um 40 % gesenkt werden. Diese Ergebnisse unterstreichen das Potenzial des OFB-Systems als Prozess -Intensivierungstechnologie. Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf verschiedene Prozesse und Industriesparten, in denen hohe Feststoffbelastungen sowie gute Durchmischung für einen optimalen Stoff- und Wärmetransfer bei geringem Energieinput und kontinuierlicher Betriebsweise gewünscht sind.

Cellulose-Hydrolyse bei 11 % und 12 % Feststoffgehalt in einem als Batch betriebenen oszillierenden Flow Bioreactor (OFB) im Vergleich zu deutlich höherer Umsetzung im rezirkulierenden Modus. Grafik: AEE INTEC

Weiterführende Informationen

  1. Harvey, A. P., Ikwebe, J., Intensification of bioethanol production by simultaneous saccharification and fermentation (SSF) in an oscillatory baffled reactor (OBR), Conf; EPIC SYMP. SER. NO. 157 (2011) 60.
  2. Mackley, M. R., Smith, K. B., Wise, N. P., The mixing and separation of particle suspensions using oscillatory flow in baffled tubes, Chem. Eng. Res. Des. 71 (1993) 649.
  3. Buchmaier, J., C. Brunner, U. Griesbacher, A.N. Phan, A.P. Harvey, R.K. Gudiminchi, B. Nidetzky, and B. Muster, Oscillatory Flow Bioreactor (OFB) applied in enzymatic hydrolysis at high solid loadings. Chemical and Biochemical Engineering Quarterly 2019. 33(4): p. 459-470

Autoren

Dipl.-Ing. Judith Buchmaier und Dr. Bettina Muster-Slawitsch sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen des Bereichs „Industrielle Prozesse und Energiesysteme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Top of page