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Entwicklung von Start-ups im Bereich Energiemanagement

Vincenzo Pallotta, Massimiliano Capezzali, Stefano Ventura, John Paraskevas

Gute Geschäftsmodelle sind heutzutage Schlüssel für Innovationen und können wirkungsvollen Technologien zum Durchbruch verhelfen. Technologische Vorteile allein reichen meist nicht aus, um Neuerungen in Industrien und Märkten mit vielfältigen Interessensvertretern wie z. B. im Energie-Management auszulösen, seien sie noch so nachhaltig oder revolutionär, da der Markt sehr wettbewerbsorientiert und rein technologiebasierte Abgrenzung sehr schwer erreichbar ist. Im Energiesektor verschwindet außerdem mit dem Auftauchen der „Smart Grids“ die übliche Zweiteilung zwischen Produzenten und Konsumenten, sodass neue Herangehensweisen erforderlich sind.

Foto: iStock

Ein Geschäftsmodell kann definiert werden als Architektur zur Schaffung neuer Werte in spezifischen Kundensegmenten. Im Fall von Energie-Management werden Werte durch die Integration von innovativen Prozessen und Technologien geschaffen, die jedoch Regulierungen und/oder physischen Beschränkungen gehorchen. Um das Risiko des Versagens aufgrund hoher Unsicherheit in der Beurteilung der genauen Anforderungen durch die Interessensvertreter zu reduzieren, müssen Geschäftsmodelle vor der Implementierung erst validiert werden.

Design von Geschäftsmodellen: Die STarmac-Herangehensweise

STarmac1 ist ein universitärer Prä-Inkubator [4], der unternehmerische Projekte innerhalb der akademischen Community durch Schaffung einer Umgebung, die Innovation und Unternehmertum von Beginn an stimuliert, fördert. Dazu wird sowohl ein physikalischer Ort, an dem Studenten und wissenschaftliches Personal arbeiten und zusammentreffen können, als auch ein Set an Serviceleistungen auf dem Weg zur Schaffung und Entwicklung neuer Unternehmen, zur Verfügung gestellt. Sobald ein Gründer, eine Gründerin STarmac beitritt, wird eine anfängliche Bewertung des Entwicklungsstandes des Projektes durchgeführt. Die meisten Projekte werden von StudentInnen der Ingenieurswissenschaften oder ForscherInnen eingebracht. Um eine Idee reif für den Markteintritt zu machen, wurde ein dreistufiger Prozess entwickelt.

Abbildung: „STarmac-Prozess“ der Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurswissenschaften des Kantons Waadt: Geschäftskonzept - Geschäftsvalidierung – finanzielle Förderung.

Die erste Phase ist die Beurteilung des Geschäftskonzepts („Business Concept“). Mit einem Mix aus Training und Coaching beschäftigen sich die Gründer mit der Analyse des Marktes („Customer Discovery“). Es wird erwartet, dass am Ende dieser Phase die Marktmöglichkeiten klar identifiziert sind.

Abbildung: Customer-Development-Methodologie zur Entwicklung des Geschäftsmodells (angelehnt an Steve Blank [1])

Die zweite Phase ist die Bewertungsphase („Business Validation“), in der während einer Zeitphase von etwa vier Monaten die Gründerteams aus der Komfortzone geholt werden. Basierend auf dem Ansatz von Steve Blanks zur Kunden-Validation [1] und Eric Ries „Lean Startup Method“ [2] müssen Gründer ihr „Minimum Viable Product“2 direkt auf dem Markt testen.

Die dritte Phase betrifft die finanzielle Förderung des Projekts („InnoGrant“): Ausgewählte Gründer, deren Projekt nach den vorangehenden zwei Phasen einen zufriedenstellenden Reifegrad erreicht hat, erhalten eine finanzielle Unterstützung, um den Markt weiter zu validieren und das Produkt für die spezifischen Bedürfnisse des Marktes maßzuschneidern. Eine Mischung aus Produktentwicklung und Marketing, in deren Zuge technischer Support von den universitären Forschungslabors und Unterstützung der Geschäftsentwicklung von Wirtschafts-Coaches und sachkundigen Experten stammt, sorgt für die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells.

1 STarmac ist ein Prä-Inkubator der Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurswissenschaften des Schweizer Kantons Waadt für Gründung und Entwicklung von Spin-offs, der diese durch Training, Coaching und Fördergelder unterstützt. Der Name setzt sich aus Start-up und tarmac (engl. für Rollbahn) zusammen.

2 Ein „Minimal viable Product“, wörtlich ein „minimal überlebensfähiges Produkt“ muss von Start-up-Unternehmen entwickelt werden, um die Marktchancen einer Produktidee abschätzen zu können.

Förderung von Innovation im Energiemanagement

An der Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurswissenschaften des Kantons Waadt werden hauptsächlich zwei Förderungsschemen für die Förderung von Forschung und Entwicklung im Energiemanagement angewendet:

Innovationsförderung

Ein- oder zweijährige Stipendien werden an Forscher vergeben, die ein Geschäftsmodell rund um Technologien, die an der Hochschule entwickelt werden, starten wollen. Zusammen mit dem Stipendium werden Ressourcen für Material und Infrastruktur innerhalb der Forschungslabors zur Verfügung gestellt. Außerdem wird den Unternehmern ein Vorkaufsrecht geboten, sodass die Unternehmer am Ende der Förderung das geschaffene intellektuelle Eigentum leicht erwerben können.

Ko-Finanzierungs-Schemen

Förderungsstellen wie die Schweizer Kommission für Innovation und Technologie (CTI/KTI) und andere öffentliche oder private Stiftungen bieten Forschungsförderung für Forschung in Forschungseinrichtungen und akademischen Institutionen, und ermöglichen dadurch weiteres Investment auf Seiten der Firma. Es kommt vor, dass Universitäts-Spin-offs durch diese Förderungsschiene weiterhin unterstützt werden, was eine Win-win-Situation sowohl für die Firma als auch die Forschungsinstitution darstellt. Intellektuelles Eigentum bleibt dabei im vollen Besitz der Firma.

Ein Spin-off im Bereich Energiemanagement

Eine fruchtbare Kooperation zwischen der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurswissenschaften und der Unterstützung von STarmac für Wirtschaftsentwicklung kann am Beispiel eines erfolgreichen Start-ups im Bereich Energiemanagement gezeigt werden. Das Unternehmen DEPsys ist ein Spin-off des IESE (Institut für Energie und elektrische Systeme), wobei die Forscher die in mehreren Jahren Forschungsarbeit entwickelten Technologien erfolgreich in den Markt transferiert haben. DEPsys ist ein Energietechnologieunternehmen, das Lösungen für aktives Netzwerkmanagement (Active Network Management) für Verteilnetzbetreiber anbietet. Eine wirkungsvolle Kombination von Hardware- und Software-Anwendungen unterstützt Verteilnetzbetreiber in der Sichtbarmachung der Prozesse in ihren Nieder-/Mittelspannungsnetzen und liefert dadurch wichtige Informationen für Entscheidungen. Die Anwendungen und Lösungen reichen von Netzwerkplanung und –design, Überwachung der Netzqualität und Identifizierung von potenziellen Schwachstellen bis zu proaktiver Instandhaltung. Gleichzeitig kann die Technologie von DEPsys in Echtzeit eine Vielzahl von netzbeeinflussenden Elementen steuern, wie z. B. Solarpaneele, Batterien, Ladestationen für Elektorfahrzeuge, Lasten etc. und so die Stabilisierung des Netzes unterstützen.

Folgende Screenshots bieten Einblick in die von DEPsys angebotenen Hardware- und Softwarelösungen.

Abbildung: Hardware und Softwareanwendungen der Netzoptimierungsplattform GridEye (1).

Abbildung: Hardware und Softwareanwendungen der Netzoptimierungsplattform GridEye (2).

Abbildung: Hardware und Softwareanwendungen der Netzoptimierungsplattform GridEye (3).

Abbildung: Hardware und Softwareanwendungen der Netzoptimierungsplattform GridEye (4).

DEPsys erhielt Forschungsgelder aus dem InnoGrant-Förderungprogramm und danach durch ein Projekt der Schweizer Kommission für Technologie und Innovation (Entwicklung von „GridEye v.3“). Zusätzlich wurde die Entwicklung von Algorithmen für Monitoring und Steuerung eines Niederspannungsnetzes in zwei Projekten mit Mitteln des Schweizer Bundesamts für Energie gefördert [3].

Kompetenzzentrum für Energie

Zu Beginn des Jahres 2017 wurde an der Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurswissenschaften des Kantons Waadt ein Kompetenzzentrum für Energie geschaffen. Dieses Zentrum bildet eine transversale Einheit mit dem Ziel, die F & E-Aktivitäten im Energiebereich mit einem breiten Portfolio anerkannter Expertise in vielfältigen Feldern von Strom bis thermische Technologien zu koordinieren. Die Anwendungen umfassen dabei erneuerbare Energiequellen genauso wie verbesserte Energieumwandlungstechnologien (z. B. Polygeneration).
Die Hochschule ist im Energiebereich ergänzend zu anderen Schweizer Universitäten tätig ist und unterhält hervorragende Kontakte zu lokalen, nationalen und internationalen wirtschaftlichen Stakeholdern (KMUs genauso wie große Unternehmen und Start-ups). Das neugeschaffene Kompetenzzentrum zielt darauf ab, die Zusammenarbeit zu fördern, indem es aktive Unterstützung im Aufbau von Kontakten, Projektanbahnung und Verwertung von Ergebnissen anbietet.

Resümee

Erfolgsfaktoren für wirkungsvolle und nachhaltige Unternehmungen im Bereich Energiemanagement erfordern ein vollständiges und tiefgehendes Wissen um die Bedürfnisse und Anliegen der beteiligten Stakeholder. Lösungen sollten auf der Systemebene erfolgen und behandeln nicht nur technische, sondern auch umweltspezifische, regulatorische und marktspezifische Herausforderungen. Effektive und effiziente Geschäftsmodelle sind notwendig, um in einer komplexen Welt mit unterschiedlichen Stakeholdern mit oft widersprechenden Zielen Erfolg zu haben.

Literatur

  1. S. Blank and B. Dorf. The startup owner’s manual. The Step-by-step guide for building a great company. K&S Ranch (2014).
  2. E. Ries, The Lean Startup: How Today's Entrepreneurs Use Continuous Innovation to Create Radically Successful Business. Crown Business. New York, 2011.
  3. J. Jaton, G. Besson, M. De Vivo,  K. Christakou, C. Mugnier, M. Carpita, ans M. Paolone, Method for determining mutual voltage sensitivity coefficients between a plurality of measuring nodes of an electric power network, Patent: 16166721 .7-1568, April 2016.
  4. V. Pallotta, D. Campisi, S. Ventura, N. Nyffeler, and  F. Degoumois, STarmac: an environment for the stimulation and the development of entrepreneurial projects in academic institutions. International Conference for Entrepreneurship, Innovation and Regional Development (ICEIRD 2017), Thessaloniki, GR. 2017.

Autorenbeschreibung

Prof. Dr. Vincenzo Pallotta, Prof. Dr. Massimiliano Capezzali und Prof. Stefano Ventura sind Professoren an der School of Engineering and Management Vaud der Fachhochschule Westschweiz. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

John Paraskevas ist Business Development Director von DEPsys SA, Schweiz. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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