Zeitschrift EE

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2011-03

Nachhaltige Gebäude

In der Nachkriegszeit wurden in Europa in kurzer Zeit viele Wohnbauten erstellt, die den heutigen Ansprüchen bezüglich Komfort und Zweckmäßigkeit nicht mehr genügen. Diese Bauten stehen nun in großer Zahl zur Erneuerung und Modernisierung an. Gleichzeitig ist offensichtlich, dass diese Erneuerungen ein enormes Energiesparpotenzial ermöglichen und damit wichtig für eine nachhaltige Entwicklung sind. Mit innovativen und nachhaltigen Konzepten zeigt ein Projekt der Internationalen Energieagentur, wie diese Gebäude mittels vorgefertigter Fassadenmodule zu einem gesamtheitlich modernisierten Gebäudekonzept transformiert werden können.

Neue Technologien für die Wohnbau-Erneuerung

Von Mark Zimmermann *

Die Bedeutung der bestehenden Gebäudesubstanz für eine nachhaltige Entwicklung ist unbestritten. Bis ins Jahr 2050 werden über 90% des Gebäudeenergiebedarfs durch Bauten verursacht, die vor dem Jahr 2000 erstellt wurden. Gleichzeitig weisen diese Altbauten gegenüber modernen Neubauten häufig ein großes Defizit bezüglich Komfort und Zweckmäßigkeit auf. Die langfristige Vermietbarkeit ist unsicher, die "Ver-slum-ung" der Altbauquartiere eine Frage der Zeit.
Die herkömmliche Gebäuderenovation entspricht häufig eher einer Instandstellung als einer Modernisierung. Es werden nur dringende Maßnahmen realisiert. Man setzt auf Bewährtes und versucht möglichst die Rendite der Liegenschaft nicht zu schmälern. Dabei fehlt meist der Blick in die Zukunft, wie das bei Neubauten üblich ist. Damit wird die Liegenschaft eigentlich nur in Stand gesetzt und nicht für die kommenden 30-50 Jahre fit gemacht.
Mit der Vorfertigung von Bauelementen – wie sie beim Neubau schon erfolgreich eingesetzt werden – ließe sich eine umfassende Erneuerung und Aufwertung der Gebäudehülle erreichen.

Modernisierung mit vorgefertigten Renovationsmodulen

Das Konzept ist einfach: Über das bestehende Gebäude wird eine weitgehend vorfabrizierte neue Fassade und ein neues Dach gelegt. Dabei wird die meist massiv gebaute Außenhülle als tragende Unterkonstruktion für eine neue, hoch dämmende Fassadenbekleidung verwendet. Das Gebäude wird von außen mit einer neuen, wärmebrückenfreien und bauphysikalisch korrekt ausgeführten Außenhaut versehen. Die Dämmebene wird gleich auch dazu verwendet, um ein Lüftungssystem zu integrieren. Damit erspart man sich aufwändige Umbauarbeiten im Innern. In die Module bereits integriert sind auch die vorgesehenen Solarsysteme. Diese neue, modular aufgebaute Hülle lässt nicht nur viel Spielraum zur architektonischen Gestaltung, sie bietet auch die Möglichkeit für Wert steigernde An- und Aufbauten. Die vorgefertigte Bauweise bietet Gewähr, dass das Gebäude den höchsten Ansprüchen an Energieeffizienz und Komfort genügen wird. Entsprechend sind Rationalisierung, Optimierung, Qualitätssicherung und Kostensicherheit entscheidende Merkmale des Konzepts.
Grundsätzlich können die Wohnungen während der Bauarbeiten durchgehend bewohnt bleiben. In der Praxis wird jedoch meist mit der Modernisierung der Außenhülle auch gleich eine Innenrenovation vollzogen. Die Verwendung von Renovationsmodulen erlaubt es, relativ einfach Räume zu erweitern oder Fenstergrößen anzupassen. Will man dieses Potenzial nutzen, so wird die bewohnte Baustelle weniger gut möglich sein.

Renovationsprozess

Bestehende Dächer werden soweit sinnvoll entfernt und durch neue, optimierte Dachmodule ersetzt. Sie ermöglichen eine bessere Raumnutzung, wie auch die Integration neuer Gebäudetechnik (Solarnutzung, Komfortlüftung etc.). Oft wird diese Möglichkeit auch genutzt, um eine neue, attraktive Dachwohnung einzurichten. Sowohl Flach- wie auch Steildachaufbauten sind möglich.
Gleichzeitig wird die Fassade zur Aufnahme der Fassadenmodule vorbereitet. Bei Bedarf werden alte Balkone entfernt und Fensteröffnungen an die neuen Bedürfnisse angepasst. Es steht der Bauherrschaft frei, wie weit sie die bestehende Bausubstanz verändern und renovieren will. Oft werden beispielsweise bestehende Balkone verwendet, um den Wohnraum oder die Küchen zu vergrößern. Da ohnehin eine neue Hülle über das Gebäude gelegt wird, kann dies sehr einfach realisiert werden.
Auf die bestehende Fassade werden die vorgefertigten Fassadenelemente montiert. Die Fenster und der Sonnenschutz sind meist bereits integriert, ebenso die Leitungsrohre für die Komfortlüftung. Auch neue elektrische Leitungen können eingezogen werden.
Sofern nicht bereits erfolgt, können nach der Montage die alten Fenster entfernt und die Lüftungsein- und -auslässe gebohrt werden. Anschließend müssen von innen nur die Fensterleibungen verputzt und die Lüftungsein- und -auslässe montiert werden. Falls keine weiteren Innenrenovationen vorgesehen sind, sind damit die Arbeiten im Wohnungsinnern bereits abgeschlossen.
Je nach Bedarf werden aber gleichzeitig auch Wohnraumerweiterungen, Dachaufstockungen oder Liftanbauten realisiert. Bei Dachaufstockungen können Fassadenelemente leicht mit Dachelementen kombiniert werden. Meist wird die Dachaufstockung wie bei Neubauten in Leichbauweise erstellt und mit einem neuen Flachdach versehen. Auskragende Balkone werden entweder abgesägt und durch neue, thermisch getrennte Balkone ersetzt, oder die neue Gebäudehülle wird um die bestehenden Balkone geführt und der neu gewonnene Raum zur Vergrößerung der Wohnräume genutzt. Diese Lösungen wurden beispielsweise am renovierten Mehrfamilienhaus in Zürich (Abbildung 1) umgesetzt.
Je nach gewählter Fassadenlösung werden die Module schon fabrikseitig komplett fertig gestellt oder es werden die Abschlussarbeiten vor Ort ausgeführt. Beispielsweise kann die Fassadenbekleidung nach den Wünschen der Bauherrschaft individuell gestaltet und auf der Baustelle angebracht werden. Sowohl hinterlüftete Fassaden wie verputzte Fassaden sind möglich.

Abbildung 1: Beispiel einer Mehrfamilienhausrenovation mit neuer Gebäudehülle aus vorgefertigten Renovationsmodulen in Zürich (Architekt Beat Kämpfen, Kämpfen für Architektur, Zürich)

Gebäudetypologie

Um möglichst repräsentative Renovationslösungen und standardisierbare Fassaden- und Dachmodule mit breitem Anwendungsspektrum entwickeln zu können, wurden die bestehenden Mehrfamilienhäuser in der Schweiz und in Frankreich analysiert. Die Typologie erlaubt es, Gebäude mit vergleichbaren Konstruktionsmerkmalen zu beschreiben und daraus Erneuerungsstrategien abzuleiten und standardisierte Renovationsmodule zu entwickeln. Sie basiert auf statistischen Grundlagen, welche die Häufigkeit der Gebäudetypen beschreiben (Abbildung 2).

Abbildung 2: Die häufigsten Gebäudetypen dienten als Grundlage für die Entwicklung von
Erneuerungsszenarien mit vorfabrizierten Hüllmodulen
Quelle: Kompetenzzentrum Typologie & Planung in der Architektur, HSLU

Renovationsmodule

Im Rahmen des IEA-Projekts haben Vertreter aus Forschung und Bauwirtschaft aus Frankreich, den Niederlanden, der Tschechischen Republik, Österreich, Portugal, Schweden und der Schweiz eine Reihe von sorgfältig aufeinander abgestimmten Sanierungsmodulen für Fassade, Dach und die Gebäudetechnik entwickelt.
Die Fassaden- und Dachmodule in Leichtbauweise werden von führenden Holzbauunternehmungen auf Maß erstellt und je nach Situation zusammen mit lokalen Renovationspartnern montiert. Die Renovationsmodule gewährleisten eine bauphysikalisch, energetisch und brandschutztechnisch einwandfreie Grundkonstruktion, welche eine praktisch beliebige Fassadenbekleidung aufnehmen kann. Dadurch kann sich der Architekt auf die Fassadengestaltung konzentrieren und braucht sich nicht um technische Details zu kümmern.
Die vorgefertigten Fassaden- und Dachelemente können in unterschiedlicher Ausführung zur Anwendung gelangen:

Großformatige Renovationsmodule
Vorfabrikation wird oft mit vollständiger Vorfabrikation in Verbindung gebracht. In solchen Fällen bestimmen Randbedingungen an der Fassade als auch die Logistik die Elementgrößen.
In Österreich wurde ein großformatiges, fabrikseitig vollständig vorfabriziertes Fassadenmodul entwickelt und an Demonstrationsprojekten bereits angewendet. Die Herstellung und Montage von solch großflächigen Fassadenmodulen ist anspruchsvoll, jedoch sehr effizient. Die Detaillösungen wiederholen sich, trotzdem muss jedes Element maßgenau hergestellt werden.

Kleinformatige Renovationsmodule
Ein anderer Ansatz ergibt sich aus der Analyse des benötigten Detaillierungsgrads. Die baulichen Probleme verdichten sich im Bereich der Fenster. Leibungen, Anschlüsse, Befestigungen, Lüftungsleitungen, Durchdringungen, Storen und dergleichen befinden sich alle um das Fenster herum.
Das in der Schweiz entwickelte Fassadenmodul (Abbildung 3) konzentriert sich deshalb auf den Fensterbereich, da hier eine hohe Detaildichte besteht. Es müssen nicht nur die neuen Fenster und der Sonnenschutz richtig integriert werden, auch die Lüftungskanäle der neuen Komfortlüftung und zusätzliche elektrische Installationen werden am besten hier untergebracht (Abbildung 4).
Die Fassadenbereiche zwischen den Fenstern sind meist sehr einfach zu dämmen. Sie erfordern keine aufwändige Planung und können von lokalen Unternehmern mit Mineralfaserplatten, Schaumstoffen oder Zelluloseflocken konventionell ausgeführt werden. Schließlich wird die Fassade gemäß den Wünschen der Bauherrschaft verkleidet, sei es verputzt oder hinterlüftet.
Diese Aufgabenteilung ermöglicht einerseits eine hohe Standardisierung und andererseits eine sehr hohe Flexibilität. Sie ermöglicht auch eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen den durch den Holzbauer vorgefertigten Modulen und den Abschlussarbeiten durch lokale Handwerker.
Die Dachmodule übernehmen das Konzept der Fassadenmodule, indem sie direkt an die Schichten der Fassadenmodule anschließen. Auf diese Weise ist der Übergang von der Fassade zum Dach für sämtliche Installationen gewährleistet.

Abbildung 3: Montagevorgang für kleinflächige Fassadenmodule: Setzen (1 bis 4), Dämmen der Zwischenbereiche (5), Anbringen der Fassadenbekleidung (6)

Abbildung 4: Demonstrationsmodell des Fassadenmoduls mit Teleskopverbindungen der Lüftungsleitungen Quelle: FHNW, Muttenz

Realisierte Beispielsanierungen

Beim ersten Demonstrationsprojekt handelt es sich um ein typisch schweizerisches Mehrfamilienhaus, das gerade nach dem 2. Weltkrieg erstellt wurde. Der Schwerpunkt der Vorfabrikation liegt in der Aufstockung des Attikageschosses und den vorgehängten Balkonen. Währenddem der Anbau konventionell in Massivbauweise ausgeführt wurde, wurde das Attikageschoss in Leichtbauweise vorgefertigt. Ausschlaggebend dafür waren das reduzierte Gewicht des Dachaufbaus sowie die Möglichkeit neue Wände unabhängig vom darunter liegenden Grundriss anzuordnen. Für die neue Attikawohnung wurde das Satteldach entfernt und es wurden die bestehende Balkenlage mit Verbindungsschrauben und Leichtbeton verstärkt. Das vorgefertigte Attikageschoß wurde schließlich vor Ort mit einer Aluminium-Fassade verkleidet.
Dank der zusätzlich erstellten drei Wohnungen konnte die Mietzinserhöhung trotz Investitionen von rund 2,5 Mio. CHF unter 30% gehalten werden. Gleichzeitig konnte der Energieverbrauch (Welcher? Heizung/inkl. Warmwasser, auch Strom dabei? Nutz-, End- oder Primärenergie?) trotz Erhöhung der beheizten Bruttogeschoßfläche von 442 m² auf 803 m² um 75% (eigentlich 85%!?) gesenkt werden (von 226.2 auf 32.2 kWh/m²•a).
Das zweite schweizerische Demonstrationsprojekt (Abbildung 1) mit Baujahr 1954 wurde praktisch vollständig mit vorgefertigten Fassaden und Dachelementen erneuert. Ziel war die Realisierung des Passivhaus-Standards. Auch hier bestand die Möglichkeit, die Grundrisse zu optimieren und leicht zu vergrößern. Dazu wurden die bestehenden Balkone als Wohnraumerweiterung genutzt und durch größere, vorgesetzte Balkone ersetzt. Vor allem aber machte der Ausbau des Dachgeschoßes eine Gesamtrenovation attraktiv. Anstelle des Steildachs konnte eine großzügige Attikawohnung mit Dachterrasse erstellt werden. 12,5 m² Sonnenkollektoren unterstützen die Wassererwärmung und eine dachintegrierte 115-m²-Photovoltaikanlage (15 kWp) liefert Strom.
Für die Fassadenbekleidung wurden großformatige, ca. 3 x 10m große Fassadenmodule verwendet. Die Lüftungsrohre und Elektroleitungen wurden direkt in die Fassadenmodule integriert. In ähnlicher Bauweise wurde das Attikageschoss ausgeführt. Vor Ort wurden die Elemente mit Zelluloseflocken gedämmt und anschließend verputzt.

Bei Baukosten von insgesamt 1,8 Mio. CHF wurde hier eine Mietzinserhöhung von 39% verursacht. Dabei wurde die Bruttogeschossfläche von 477 m² auf 655 m² erhöht und gleichzeitig der Energieverbrauch (welcher?) von 228 kWh/m²•a auf 38 kWh/m²•a gesenkt. Dies entspricht trotz dem Flächenzuwachs um 37% einer Energieeinsparung von 77% (eher 82% - oder?!).

Siedlungserneuerung in Graz, Österreich
Wegweisend ist auch die Erneuerung einer Siedlung am Stadtrand von Graz aus drei Epochen (Abbildung 5). Insgesamt wurden 212 Wohnungen energetisch erneuert. Im Gegensatz zu den schweizerischen Beispielen wurden keine neuen Wohnungen erstellt. Trotzdem wurde mit der Verglasung der Balkone und dem Anbau der Lifte Mehrwert geschaffen.
Für die Erneuerung der Gebäudehülle wurden großformatige vollständig vorfabrizierte Fassadenmodule verwendet. Diese wurden auf einen vorgängig installierten Lattenrost montiert. Die Fertigung und Montage der großen Module (ca. 12 x 3 m) war durch die einfache Gebäudeform möglich und sehr effizient. Trotzdem zeigte sich, dass die Montage von übergroßen Elementen auch sehr anspruchsvoll bezüglich Toleranzen, Logistik und Montage ist.
Nebst einer konventionellen Dämmung verfügen die verglasten Module über Kartonwaben als Solarabsorber. Die Lüftung wurde als Einzelraumlüftung ausgeführt, wobei Außenluft und Fortluft über hinterlüftete Paneele geführt werden. Besonders ist auch die Heizungsunterstützung in Form von Kapillarrohren, die an der Außenseite der bestehenden Fassade montiert wurden. Dadurch entfällt die Installation im Inneren. Die dicke Außendämmung verhindert Verluste nach außen. Die Wärmeerzeugung erfolgt über eine Grundwasserwärmepumpe und wird durch eine thermische Solaranlage (3 m² pro Wohnung) unterstützt.
Die Verbrauchsresultate liegen noch nicht vor. Es wird jedoch eine Einsparung von über 90% erwartet (Energiekennwert Heizwärme von 184 auf 12 kWh/m²•a für Einzel-Häuser bzw. 142 auf 14 kWh/m²•a für die lange Gebäudereihe).

Abbildung 5: Renovierte Mehrfamilienhäuser in Graz, Dieselweg (Architekturbüro Hohensinn ZH GmbH, AEE Intec und Gap-Solution)

Referenzen

  • Die vollständigen Dokumentationen (in Englisch) werden Ende Juli 2011 auf der Internetseite des IEA Projekts publiziert: www.empa-ren.ch/A50.htm

*) Dipl. Arch. ETH Mark Zimmermann, ist Abteilungsleiter bei Empa Bautechnologien (CH),
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