Zeitschrift EE

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2012-01

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1:Ein klassisches Schulgebäude - Haus 12 der Landesberufsschule St.Peter Graz (Quelle: AEE INTEC)

In den ländlichen Bezirken werden Schulen geschlossen, in größeren Städten werden neue benötigt -Schulen in ganz Europa sind im Umbruch. Nicht nur ihr pädagogisches Inneres, auch ihr Äußeres bedarf tiefgreifender Änderungen. Die Schulgebäude der 60er bis 80er Jahre des letzten Jahrhunderts stehen dringend zur Sanierung an. Das Eracobuild-Projekt „Schoolventcool“ versucht eine länderübergreifende Annäherung an zukünftige Strategien und Lösungen für Schulsanierungen.

SchoolVentCool - Schulsanierung einmal anders

Von Armin Knotzer *

Ziel des Projektes

Auf Basis einer Gebäudetypologie werden verschiedene Strategien für thermisch-energetisch hochwertige Schulsanierungen entwickelt. Vorfertigung und modulare Bauweise spielen dabei eine wichtige Rolle. Neue Lösungen für Lüftung und passive Kühlung zum Schutz vor Überhitzung speziell in den Klassenzimmern werden untersucht, in die Konzepte integriert und getestet.
Dazu analysiert das Projektteam die thermische Dynamik (passive Energiegewinne vs. Kühlung), das Lichtangebot (Tageslicht und künstliche Beleuchtung), Blendlicht und Raumluftqualität sowie das Empfinden der SchülerInnen in diesen Bereichen.

Sanierungsstrategien (school)

Über eine quantitative Typologie von Schulgebäuden, die die Schweizer Projektpartner aus 29 dokumentierten Schulgebäuden in 4 verschiedenen Ländern entwickelten, wurden 4 Schulgebäude als Fallstudien ausgewählt. Kooperationspartner in Österreich ist die Landesimmobilien-Gesellschaft Steiermark (LIG), die dafür landwirtschaftliche Fachschulen und Berufsschulen zur Verfügung stellte.
Eine genaue Bestandsanalyse und Datenerhebung der Gebäude sowie Festlegung der Anforderungen für die Sanierung wurden durchgeführt. In mehreren internationalen Workshops wurden für diese Schulgebäude Sanierungsstrategien erarbeitet. Diese werden laufend durch Entwicklungen in der Vorfertigung und Lösungen für Lüftung und passive Kühlung ergänzt und in einem Source Book zusammengefasst (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Schema zur Erarbeitung neuer Sanierungsstrategien von Schulgebäuden (Quelle: AEE INTEC)

Folgender übergeordneter Ablauf in der Planung von Schulsanierungen ist wesentlich:

  1. Übergeordnete Strategie für das Portfolio aller Schulen z.B. einer Stadt oder eines Bundeslandes
  2. Masterplan für einen Standort (z.B. Schulzentrum) mit verschiedenen Schultypen und deren Funktionen im Verband
  3. Sanierungsstrategie des Schulgebäudes selbst (abhängig von jeweiliger zukünftiger Funktion, Nutzung und thermisch-energetischen Anforderungen)

Herausforderung Lüftung (vent)

Schulgebäude sind lange Zeit in der Öffentlichkeit kaum aufgefallen. Bis die ersten Studien vor ca. 10 Jahren zeigten, dass Schulen und konkret Klassenzimmer sehr schlechte Luftqualität aufweisen. Mit der beginnenden Sanierungsaktivität der Nachkriegsschulgebäude in den 1990ern verstärkte sich diese Problematik, da neuere Fenster auch den Luftaustausch über vorher undichte Fenster und Türen unterbanden. Es konnte seither in vielen Studien in ganz Europa (SEARCH, HESE,...) nachgewiesen werden, dass die schlechte Luftqualität zu Konzentrationsschwächen der SchülerInnen führt, damit der Lernerfolg sinkt und in manchen Fällen sogar chronische Gesundheitsschäden entstehen.
Aus bisheriger Erfahrung in Schulen bedeutet Lüften meist unkontrolliertes Öffnen von Fenstern – soweit möglich. Denn zumeist sind sie schon aus (vermeintlichen) Sicherheitsgründen fix verschlossen. Im Laufe des Projektes wurden auch längst nicht mehr funktionierende und direkt in die Fassade integrierte Ventilatoren angetroffen (Abbildung 3).

Abbildung 3: In Oberlichten integrierte, nicht mehr funktionstüchtige Ventilatoren zeugen vom Ausstattungsstandard vieler Schulen (Quelle: AEE INTEC)

Im Projektverlauf hat sich gezeigt, dass verschiedene einfache Lüftungsvarianten zu brauchbarer Luftqualität in Klassenzimmern führen: z.B. die natürliche Fensterlüftung durch Rückmeldung an die SchülerInnen mittels CO2-Ampel oder „diffuse ceilingventilation“, wo die Zuluft in der abgehängten Decke verteilt wird und über perforierte Deckenplatten eindiffundiert u.v.m. Der Frage nach der unterschiedlichen Energiebilanz und Akzeptanz der Systeme muss noch nachgegangen werden.

Herausforderung natürliche Kühlung (cool)

Der thermische Komfort im Winter ist in den untersuchten Schulen schlecht, auch während der warmen Jahreszeit. Diesem Thema haben sich bisher sehr wenige Projekte angenommen. Eines davon hat beispielsweise in Ansätzen gezeigt, dass die Überwärmung in Klassenzimmern ebenfalls mit Konzentrationsschwäche bei SchülerInnen einhergeht [1].
Derzeit besteht der Sonnenschutz meist aus händisch bedienbaren Außenjalousien, der Blendschutz aus innen montierten (Kunst-)Stoff-Vorhängen (selbst potenzielle Quelle von Luftschadstoffen). Bei direkter Sonneneinstrahlung oder Beamer-Präsentationen wird der Sonnenschutz, gleichzeitig aber auch die künstliche Beleuchtung aktiviert. Der Sonnenschutz bleibt dann „unkontrolliert“ oft über Tage auch ohne direkte Sonneneinstrahlung aktiv (zumindest über Teile der Fenster – siehe Abbildung 4), der Strombedarf steigt.

Abbildung 4: Im Winter verschattetes Klassenzimmer in einer Unterrichtspause (Quelle: AEE INTEC)

Messungen in 6 verschiedenen Klassenzimmern von 2 verschiedenen Berufsschulen (Ganztagsnutzung) seit dem Frühjahr 2010 zeigen, dass es Behaglichkeitsmängel gibt. In einzelnen Wochen wurden Grenztemperaturen erreicht (wie Abbildung 5 zeigt) oder überschritten.

Abbildung 5: Eine Woche im Herbst mit relativ hohen Temperaturen und -schwankungen in einem nach Westen ausgerichteten Klassenzimmer (Quelle: Landesimmobiliengesellschaft (LIG) Steiermark, AEE INTEC)

Um einen Eindruck zu bekommen, wie die NutzerInnen diese Bedingungen abseits theoretischer Behaglichkeits-Normen bewerten, wurden und werden parallel dazu SchülerInnen nach deren Empfinden verschiedener Behaglichkeitsparameter in den untersuchten Klassenzimmern befragt.Im Juni 2011 gaben dabei mehr als 60% der SchülerInnen an, dass zu hohe Temperaturen das größte Problem bei der Behaglichkeit in ihrem Klassenzimmer waren, trotz Temperaturen von meist unter 26°C.
Berechnungen legen den Schluss nahe, dass der Kühlbedarf und die Übertemperaturhäufigkeit in durchschnittlich belegten und gut mit EDV ausgestatteten Klassenzimmern nach einer hochwertigen thermisch-energetischen Sanierung ohne besondere Maßnahmen weit über 10% der gängigen Grenzwerte liegen dürfte. Dies wird im Projektverlauf durch weitere Berechnungen analysiert werden.
Ursachen für die Überwärmungsproblematik an Schulen sind nach bisherigem Untersuchungsstand:

  1. Unterschätzte interne Wärmegewinne aufgrund verstärktem EDV-gestützten Unterricht mit zusätzlicher künstlicher Beleuchtung
  2. Falsche Nutzung oder Nichtvorhandensein von außen liegendem Sonnenschutz

Resümee

Durch den geringen Heizwärmebedarf von hochwertig sanierten Gebäuden werden sich die Anstrengungen in Richtung Kühlbedarf verschieben. Dem Stromverbrauch muss zukünftig größte Aufmerksamkeit zukommen, auch wegen des Beitrags strombetriebener Geräte zur Überwärmung im Klassenzimmer.Ob und wie Sanierungsstrategien mit vorgefertigten Modulen darauf reagieren können, wird sich zeigen.

Literatur

  • [1] Schwarzl I.: Überhitzung im Klassenraum und Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit, Ergebnisse von Messungen in verschiedenen Schulen. Vortrag im Rahmen der Konferenz „ökosan‘11“ am 29.09.2011 in Graz

Dieses Projekt wird im Rahmen von Haus der Zukunft Plus gefördert.
Haus der Zukunft Plus ist ein Forschungs- und Technologieprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Es wird im Auftrag des BMVIT von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft gemeinsam mit der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik ÖGUT abgewickelt.

ProjektpartnerInnen von "SchoolVentCool" 
  • Thomas Heim, Hochschule Luzern Technik & Architektur
  • Kompetenzzentrum Typologie & Planung in der Architektur (CCTP)
  • René Kobler, Ralf Dott, Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik, Institut Energie am Bau (FHNW)
  • Christian Anker Hviid, DTU Technical University of Denmark, Civil Engineering - Building Physics and Services (DTU – BPS)
  • PawelWargocki, DTU Technical University of Denmark, Civil Engineering - International Centre for Indoor Environment and Energy (DTU – ICIEE)
  • Irena Kondratenko, Jeroen Poppe, Passiefhuis-Platformvzw(PHP)
  • Karl Cools, Stad Antwerpen

*) DI Armin Knotzer ist Mitarbeiter des Bereichs Nachhaltige Gebäude von AEE INTEC Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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