Zeitschrift EE

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2009-04

Wassermanagement

Abbildung 1: Pflanzenkläranlage und gereinigtes Grauwasser

In Marokko gibt es landesweit etwa 5000 öffentliche Dampfbäder oder Hammams. Sie werden von örtlichen Besitzern privat betrieben und von der lokalen Bevölkerung aller Schichten zur Reinigung, Entspannung und als Ort der Begegnung genutzt. Das Hammam hat in Marokko noch eine wichtige soziale Rolle und konnte von Bädern in Wohnungen und Wohnhäusern noch nicht verdrängt werden.

Ökologisches Dampfbad in Marokko

Von Martin Regelsberger *

Die Bäder und das dort verwendete Warmwasser werden meist mit mehr oder weniger ineffizienten Holzkesseln geheizt. Allein für die Bäder der Stadt Casablanca werden 2500 Tonnen Holz pro Tag benötigt. Das schwach belastete Badewasser wird über Ortskanalisationen, mit dem restlichen Abwasser vermischt, meist ungereinigt an die Umwelt abgegeben.
Das Hammam Attaisir ist ein typischer Vertreter dieser Einrichtungen. Es ist eines von fünf Bädern in der ländlichen Kleinstadt El Attaouia. Die Stadt hat derzeit etwa 10.000 Einwohner und wächst mit um die 10% pro Jahr sehr rasch. Sie liegt in einer fruchtbaren Ebene, am Fuß des hohen Atlas, 80 km nordöstlich von Marrakech.
Das Hammam wird im Schnitt von etwa 400 Besuchern pro Tag genutzt. Vor Festtagen oder zu besonderen Anlässen, wie Hochzeiten, kann die Zahl auch auf 700 Personen ansteigen. Das Hammam hat einen Wasserverbrauch von etwa 60 m³ pro Tag, der über einen eigenen Brunnen aus dem Grundwasser, das auch die Ortswasserleitung versorgt, abgedeckt wird. 25 m³ davon wurden ursprünglich in einem sogenannten „verbesserten Holzkessel“ auf etwa 60 °C erwärmt. Der Holzkessel wird mit ungespaltenem Rundholz von 5 bis 20 cm Stärke und einer Länge bis zu einem Meter befeuert. Pro Jahr verbraucht das Hammam 400 Tonnen Holz. Die Abgase des Holzkessels erwärmen über einen Zwischenboden auch die warmen Räume des Bades.
Im von der AEE INTEC koordinierten Projekt Zer0-M (www.zer0-M.org) konnte ein Konzept entwickelt und an einem solchen Bad umgesetzt werden. Das Badewasser, ohne Toilettenabwässer, wird dabei getrennt gesammelt. Dieses sogenannte Grauwasser wird in einer Pflanzenkläranlage gereinigt und für die Bewässerung der Grünflächen des Ortes verwendet. Es wurde eine Pflanzenkläranlage gewählt, weil dieses System sehr robust in seiner Reinigungsleistung und sehr wartungsarm ist, und weil abgesehen von den Pumpen für den Transport des Grauwassers und der Verteilung des gereinigten Ablaufes keine Energie benötigt wird.
Die Pflanzenkläranlage ist eine zweistufige Anlage mit einer ersten, horizontal durchflossenen Bodenfilterstufe und einer zweiten Stufe, in der ein Sandfilter vertikal durchflossen wird. Die erste Stufe ist mit Schilf bepflanzt, die zweite mit Rosensträuchern. Die Anlage ist in zwei parallele Reinigungsstraßen geteilt, um bei eventuellen Wartungsarbeiten das Grauwasser über eine Straße leiten zu können. Insgesamt hat die Anlage eine Fläche von 160 m², die sich zu gleichen Teilen auf die beiden Stufen aufteilt. Pro Tag fallen im Schnitt rund 50 m³ Grauwasser an. Somit wird die Anlage mit 310 mm Grauwasser pro Tag beaufschlagt.
In Österreich wäre das sehr viel, hier sind bei Gesamtabwasser etwa 30 mm üblich, bei Grauwasser gibt es keine Erfahrungswerte. Im warmen Klima von Marokko sind die gut 300 mm pro Tag aber gut verträglich. Die Reinigungsleistung der Anlage ist ausgezeichnet, (siehe Abbildung) der Ablauf ist vollkommen klar, farb- und geruchlos. Bei dem geringen Flächenbedarf lassen sich entsprechende Reinigungsanlagen fast überall unterbringen.
Das vorgeschlagene System wurde im Rahmen des Projektes Zer0-M entwickelt und zuerst in einer Versuchsanlage beim Projektpartner, der Universität für Landwirtschaft und Veterinärmedizin in Rabat erprobt und optimiert. Die Ergebnisse der Anlage in Rabat, die 10 m³ Grauwasser pro Tag eines Sportklubs reinigt, waren sehr zufriedenstellend (El Hamouri 2008).
Das gereinigte Grauwasser wird zwischengespeichert und in einem von der Gemeinde eigens errichteten Verteilnetz in die Grünanlagen der Stadt geleitet, wo es zur Bewässerung verwendet wird. Die Gemeinde konnte, seit sie nicht mehr mit kostbarem Trinkwasser bewässert, die Fläche der Grünanlagen stark erhöhen und somit die Lebensqualität der Bewohner verbessern.
Neben dem Wassersystem sollte auch das Energiesystem verbessert werden. Auf den Holzkessel konnte auf keinen Fall, auch nicht vorrübergehend, komplett verzichtet werden, weil er zur Raumheizung benötigt wird. Ohne gröbere Umbauten an dem Bad konnte diese Heizung nicht geändert werden. So wurde beschlossen, den Kessel weiterzubetreiben, aber einen nennenswerten Teil des Holzbedarfs für die Erzeugung von Warmwasser durch Solarenergie zu ersetzen.

Abbildung 2: Kosten-Nutzen-Rechnung des Badumbaus

Modellrechnungen ergaben, dass mit knapp 400 m² Sonnenkollektorfläche und einem Warmwasserspeicher von 25 m³ 50% des Energiebedarfs abgedeckt werden konnten. Auf der Dachterrasse des Hammams wurden in 3 Feldern 375 m² Kollektoren aufgeständert. Damit werden 200 Tonnen Holz pro Jahr gespart.
Nutzen
In der Pilotanlage von Zer0-M konnte gezeigt werden, dass sich die vorgeschlagenen Maßnahmen für den Badbetreiber wirtschaftlich rechnet. Die Investitionskosten für das Grauwassersystem betrugen 97.500 Euro, jene für die solare Warmwasserheizung 127.000 Euro. an Betriebskosten für Personal und Energie (Pumpen) sind 14.000 Euro zu erwarten. Der Nutzen an neuem Wasser, an weniger Abwasser und geringerem Holzverbrauch beträgt pro Jahr 42.500 Euro. Der Umbau ist schon nach zehn Jahren wirtschaftlich (siehe Abbildung 2). Weitergehende Maßnahmen oder ihre Integration beim Neubau könnten die Wirtschaftlichkeit erhöhen. Dies ist aber nur eine Bewertung der direkt monetär entstehenden Vorteile.

Abbildung 3: Solaranlage zur Wassererwärmung, 375 m² in 3 Kollektorfeldern

Entweder für den Badbetreiber oder für die Gemeinde entsteht durch die Reinigung des Grauwassers „neues“ Wasser. Dieses kann als Betriebs- oder Bewässerungswasser, zum Beispiel für städtische Grünanlagen, verwendet werden. Gerade in Nordafrika ist der Druck auf die Ressource Wasser besonders hoch und deren effiziente Nutzung daher wichtig.
Durch die Substitution von Biomasse durch Sonnenenergie bei der Wassererwärmung wird Holz gespart. Marokko verliert schätzungsweise 20.000 ha Wald pro Jahr durch Übernutzung. Ein Bad braucht im Schnitt etwa 1 Tonne Holz pro Tag oder 350 Tonnen pro Jahr. Dieser Verbrauch kann bei bestehenden Bädern leicht auf die Hälfte gesenkt werden, bei Neubauten auf nahezu Null. Bei derzeit 5000 Bädern im Land hätte dies eine äußerst positive Wirkung auf die Waldbestände. Der Gesamtbedarf entspricht dem Holzzuwachs von ca. 600.000 ha Wald. Diese Fläche könnte auf 300.000 ha oder weniger gesenkt werden.
Die Bekämpfung des Waldverlustes ist einerseits für den Erhalt des Bodenspeichers und der Infiltrationsflächen für Regenwasser wichtig. Anderseits ist Wald auch entscheidend, um die Bodenerosion aus den Einzugsgebieten der großen Speicher und damit deren vorzeitige Verlandung einzudämmen. Dazu kamen in den letzten Jahrzehnten zunehmend verheerende Sturzfluten und Murenabgänge, die ebenfalls auf die Entwaldung zurückzuführen sind. Die breite Nutzung der Solarenergie wirkt sich also auch entscheidend auf den Wasserhaushalt des Landes aus und reduziert lokal Schäden durch Naturkatastrophen.
Daneben hat die Erhaltung der Wälder im mittleren und hohen Atlas natürlich auch einen rein ökologischen Wert. Unter anderem sind die Wälder Rückzugsgebiet für den bedrohten Berberaffen, von dem es in Marokko noch etwa 17.000 von insgesamt 23.000 Tieren gibt.
Das in El Attaouia angewandte System könnte somit, bei breiter Anwendung, einen substantiellen Beitrag zur Lösung ökologischer Probleme in Marokko, aber auch in den anderen Ländern des Maghreb und des Nahen Ostens, leisten. Es würden der marokkanische Waldbestand und die zunehmend knapper werdenden Wasserressourcen geschont. Auch ökonomisch hat sich das System als interessant erwiesen.
Deshalb wird derzeit mit der Afrikanischen Entwicklungsbank an einem Konzept gearbeitet, wie das positive Beispiel des Pilotprojekts rasch zu einer breiten Anwendung gebracht werden könnte. Das Konzept der Wiederverwendung von Wasser und des Einsatzes von erneuerbaren Energien, vor allem Solarenergie, sollen dabei soweit standardisiert werden, dass es breit angewandt werden kann. Damit sollen erhebliche Mengen Wasser und Brennholz eingespart werden. Es soll in Marokko die Kompetenz für die Errichtung und den Betrieb der Systeme entwickelt werden. Auch auf die Übertragbarkeit des Konzepts auf andere Länder und andere Sektoren, zum Beispiel die Gastronomie, wird geachtet werden.
Die Errichtung einer großen Anzahl solarer Großanlagen könnte auch der österreichischen Kollektorindustrie einen neuen Exportmarkt eröffnen.
Der Umbau des Hammams war eine gelungene Kooperation zwischen den Abteilungen für Solartechnik und Wasser und Abwasser der AEE INTEC.

Referenzen

  • El Hamouri B., Bey I., Ait Douch N., Ghazi N., and Regelsberger M. (2008). Greywater treatment and recycling for toilet flushing: comparison of low and high tech treatment approaches, Water Practice and Technology 3(2) 40-46, 2008

*) Dipl. Ing. Martin Regelsberger (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) ist Leiter der Abteilung für Wasser- und Abwassermanagement bei der AEE INTEC in Gleisdorf, www.aee-intec.at, www.zer0-m.org [^]

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