Zeitschrift EE

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2009-02

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: Grund- und Hauptschule nach der Sanierung (Quelle:Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft GmbH & Co. KG, Stuttgart)

Der Gemeinderat Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe beschloss 2001 die stufenweise nachhaltige Sanierung aller Gebäude im Schul- und Sportzentrum unter anderem der Grund- und Hauptschule und die Realisierung eines solaren Nahwärmesystems mit Langzeitwärmespeicher für das gesamte Schulzentrum, als weltweit erstes System dieser Art im Gebäudebestand.[1]

Sommersonne heizt im Winter
Nachhaltige Sanierung einer Grund- und Hauptschule mit Integration in eine solare Nahwärme mit Langzeitwärmespeicher

Von Christian Kley, Markus Pfeil und Holger Koch*

Die Gemeinde Eggenstein-Leopoldshafen mit ca. 15.000 Einwohnern befindet sich in der Nähe von Karlsruhe. Das am Ortsrand gelegene Schul- und Sportzentrum besitzt die typische Struktur und Architektur aus den 1960er Jahren. Größtes Gebäude ist eine Grund- und Hauptschule (nachfolgend „GHS“ abgekürzt) mit einer Bruttogeschoßfläche von 4.150 m² (Abbildung 1). Aus der im Gebäude befindlichen Heizzentrale wurden von Anfang an weitere Gebäude des Schulzentrums über ein Nahwärmenetz mit Wärme aus einem Gaskessel (defekt, Ausfall 2001/02) und zwei Ölkessel (Baujahr 1970, je 750 kW) versorgt. Die weiteren Gebäude des Schulzentrums, welche über die Nahwärme versorgt wurden, sind eine Wettkampfsporthalle (2.300 m² Bruttogeschoßfläche), ein Hallenbad (2.400 m² Bruttogeschoßfläche) sowie ein Feuerwehrhaus (1.600 m² Bruttogeschoßfläche). Bis zum Jahr 2001 waren Sanierungsmaßnahmen an sämtlichen Gebäuden zurückgehalten worden. Gleichzeitig wurde der Druck immer stärker, umfängliche Sanierungen anzugehen, um die Bausubstanz zu erhalten und um den sich mehrenden Reparaturen an der Gebäudetechnik entgegenzuwirken. Die Gebäudetechnik war in allen Gebäuden Erstausrüstung, so dass die technische Lebensdauer schon weit überschritten war. Im Jahr 2001 wurde der Neubau einer 3-Feld-Sporthalle beschlossen. Dieses Bauvorhaben war die Initialzündung für das Gesamtkonzept.

Bestandsanalyse der Schule

Die zweigeschossige GHS ist das älteste (Baujahr 1970) und mit 4.150 m² Bruttogeschossfläche das größte zu versorgende Gebäude. Das Atrium-Gebäude besteht aus zwei Hauptflügeln, dem Nordflügel, mit ausschließlich Klassenzimmern und dem Südflügel, in dem neben Klassenzimmern auch Bibliothek, Schulsekretariat sowie Lehrerzimmer und Hausmeisterzimmer untergebracht sind. Am vorderen Ende des Kellergeschosses im Südflügel befindet sich die Heizzentrale, von der das Nahwärmenetz versorgt wird. Außer wenigen Maßnahmen zum Bauerhalt wurde bislang keine Modernisierung an der thermischen Hülle getätigt. Entsprechend des Baualters und der damals üblichen Bauweisen, die eher auf Schadensverhütung durch Vermeidung von Tauwasser an Innenoberflächen hinzielten als auf Energieeinsparung, waren die Energieverbräuche sehr hoch. Heizkörper standen z. T. vor Verglasungen und somit im Strahlungsaustausch mit den Scheiben. Geometrische und konstruktive Wärmebrücken waren zuhauf zu verzeichnen. Die Fenster waren weder luft- noch schlagregendicht und die Wärmedurchgangskoeffizienten von Rahmen und Verglasung nicht mehr zeitgemäß. Bei den anderen Bauteilen war der gleiche wärmetechnische Zustand wie bei den Fenstern zu beklagen.

Abbildung 2: Schule vor / nach der Sanierung mit 1.000 m² Solardächer (Quelle: Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft GmbH & Co.KG, Stuttgart)

Bauphysikalische Modernisierung

Durch Simulation verschiedener Dämmszenarien wurde die optimale Dämmvariante für die jeweiligen Bauteile ermittelt. Hierbei wurde gezielt analysiert in wie weit die energetische Sanierung auf ein Passivhaus- oder Niedrigenergiestandard erfolgen sollte. Im Hinblick eines Optimums zwischen der nachhaltigen, ökonomischen und effizienten Qualität wurde ein Niedrigenergiestandard definiert. Über die Angabe der zu erreichenden neuen U-Werte, wurde darüber hinaus durch die Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft eine bauphysikalische Planung und eine bauphysikalische Qualitätssicherung durchgeführt. Wesentliche Merkmale der Planung waren: hoher Wärmedämmstandard zur Verringerung der Transmissionswärmeverluste; geringe Lüftungswärmeverluste durch hohe Luftdichtheit; Minimierung des Einflusses von Wärmebrücken.
Die empfohlenen Maßnahmen zur Baukonstruktion auf einen Blick sind: Ersatz der Fenster und Außentüren; Dämmung der Außenwände (auch die Außenwand gegen Erdreich, da sich Nutzräume im Untergeschoß befinden); Ersatz der Glassteinwand durch eine Lochfassade (40 % Fensterflächenanteil); Dämmung und Erneuerung der Dachabdichtungen.

Umgesetztes Sanierungskonzept

Die Sanierung der GHS erfolgte in dem Zeitraum September 2005 bis November 2006 und umfasste somit ca. 1 Jahr (Abbildung 2). Die Sanierung wurde in zwei Abschnitten im laufenden Schulbetrieb durchgeführt. Die Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft war dabei für Planung und Bauüberwachung der gesamten technischen Ausrüstung verantwortlich. Die augenscheinlichste Sanierungsmaßnahme an diesem Gebäude war die Änderung der Dachform. Die Flachdächer der Bestandsgebäude wurden mittels der Solardächer in Pultdächer umgewandelt (Abbildungen 3 und 4). Durch diese Maßnahme konnten 1.000 m² thermische Kollektoren von insgesamt 1.600 m² im solaren Nahwärmesystem installiert werden. Der unterhalb der Kollektoren entstandene Dachraum wurde als Aufstellungsort für Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung sowie zur Anbringung der Dachdämmung genutzt. Der Synergieeffekt der neuen Solardächer als Pultdächer umfasst neben dem Gewinn an Technikfläche und der obersten Dämmebene der thermischen Hülle darüber hinaus den Dachabschluss und die solare Wärmeerzeugung.

Abbildung 3: Nach Sanierung Solardächer als Pultdächer (Quelle: Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft GmbH & Co.KG, Stuttgart)

Abbildung 4: Installation der Solardächer auf der Schule

Die Klassenräume werden nun bedarfsabhängig be- und entlüftet, wobei zur Regelung der Lüftung CO2-Sensoren eingesetzt werden. Somit werden effiziente Lern- und Arbeitsbedingungen für die Schüler und Lehrer erreicht. Die CO2-Konzentration in den Klassenräumen wird gesenkt und so die Raumluftqualität verbessert. Dadurch wird die Konzentrationsfähigkeit und Produktivität der Nutzer gesteigert. Die empfohlenen Maßnahmen zur technischen Anlage auf einen Blick sind: Austausch der Heizkörper; Erneuerung des Heizwärmeverteilnetzes; Einbau einer Lüftung mit Wärmerückgewinnung; Ersatz bzw. Ergänzung der Trinkwarmwasserbereitung im Durchflussprinzip.

Energetische Qualität nach erfolgter Sanierung

Wärmetechnisch wird bei dem sanierten Gebäude der GHS der Standard der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2004 unterschritten. Alle Bauteile wurden nach EnEV bzw. nach einem höheren, in den Studien vorgegebenen Standard gedämmt. Nach der Sanierung sollte eine Reduzierung des Jahresheizenergiebedarfs von 832 MWh/a (Energiekennzahl 52,0 kWh/m³a) im Bestand auf 258 MWh/a (Energiekennzahl 16,1 kWh/m³a) erzielt werden. Dies entspricht einer Einsparung von ca. 69 %. Die angestrebte energetische Qualität wird durch einen gemessenen Jahresheizwärmeverbrauch von 257 MWh/a im Jahr 2007 bestätigt.

Gesamtenergiekonzept des Schul- und Sportzentrums

Das Gesamtenergiekonzept sieht vor, dass alle Gebäude mit einer Bruttogeschoßfläche von insgesamt 12.000 m² über ein Nahwärmenetz mit Langzeitwärmespeicher versorgt werden (Abbildung 5). Im ersten Ausbauschritt wurde der Ersatz der abgängigen Kesselanlage und des 300 m langen Nahwärmenetzes, welches undicht war, durchgeführt. Zeitgleich erfolgte der Bau der neuen Sporthalle mit einer Kollektorfläche von 600 m². Danach wurde die alte Sporthalle sowie im darauffolgenden Jahr die Grund- und Hauptschule saniert. Die Dachflächen der GHS stellen dem System weitere 1.000 m² Kollektorfläche zur Verfügung. Die solare Wärme wird zunächst in einen 30 m³ fassenden Pufferspeicher eingespeist. Von Dort wird die Wärme entweder direkt im Nahwärmenetz genutzt oder, besonders in den Sommermonaten, in den Langzeitwärmespeicher eingelagert.

Abbildung 5: Lageplan und Gesamtenergiekonzept des Schul- und Sportzentrums (Quelle: Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft GmbH & Co.KG, Stuttgart)

Zur Ausführung kam ein Kies/Wasser -Erdbecken-Wärmespeicher mit einem Speichervolumen von 4.500 m³(Abbildung 6). Der Speicher wird über zwei Brunnenanlagen im direkten Wasseraustausch be- und entladen. Der Speicher kann im Sommer bis zu einer Maximaltemperatur von 80 °C beladen werden. Die Entladung findet zunächst direkt und ab einer Speichertemperatur von ca. 35 °C mittels einer 60 kW Wärmepumpe statt. Diese kann den Wärmespeicher bis auf 10 °C entladen und so die Wärmekapazität des Speichers voll ausnutzen. Der solare Deckungsanteil liegt entsprechend dynamischer Simulationen zwischen 35 % und 40 %. Die Deckung des Restwärmebedarfs übernehmen zwei Gaskessel mit jeweils 600 kW Heizleistung als Spitzenlastwärmeerzeuger.

Abbildung 6: Langzeitwärmespeicher - Fertiggestellte obere Abdichtung vor Einbringung der Wärmedämmung (Schaumglasschotter) (Quelle: Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft GmbH & Co.KG, Stuttgart)

Energieeinsparung im Schul- und Sportzentrum

Ausgangssituation war ein Energieverbrauch sämtlicher unsanierter Gebäude sowie der neu errichteten 3-Feld Sporthalle von insgesamt 2.600 MWh/a. Legt man einen heutigen Gaspreis von 70 €/MWh zugrunde, so beträgt die jährliche Energiekosteneinsparung ca. 120.000,- €/a, bei einem solaren Deckungsanteil von 35 % und dem prognostizierten Energieverbrauch im Endausbau von nur noch 910 MWh/a. Durch die Wärmeschutzmaßnahmen bei allen Gebäuden und durch die aktive Solarenergienutzung werden im gesamten Schulzentrum 65 % Primärenergie eingespart. Damit werden jährlich 390 Tonnen CO2-Emissionen vermieden.[2]

Fazit und Ausblick

Durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Projektbeteiligter - Bauherr, Architekten, Energiedesignern, Landschaftsplanern, Gebäudetechnikern und Bauphysikern - und durch ein ganzheitliches konsequentes Vorgehens bei diesem Projekt, angefangen mit der Schwachstellenanalyse von Gebäudehülle und Anlagentechnik über die Erarbeitung der Sanierungsvorhaben und die Qualitätssicherung der Maßnahmen bei der baulichen Umsetzung konnten die gesteckten energetischen Sanierungsziele erreicht werden.
Die Gemeinde Eggenstein-Leopoldshafen hat sich bereits im Jahr 2001 für die Umsetzung dieser zukunftsweisenden Technologie entschieden. Die Entscheidung für ein großes Solarkonzept fiel dem Gemeinderat damals nicht leicht. Es waren nicht allein wirtschaftliche Gesichtspunkte, die für dieses System sprachen, es war vor allem die Chance, die idealen Randbedingungen (Nahwärmestruktur, unsanierte Gebäude, Platz für Speicher und Solaranlage) zu nutzen, um das erste solare Nahwärmesystem mit Langzeitwärmespeicherung im Bestand umzusetzen. Mit diesem Projekt entstand ein wichtiger Multiplikator, nicht nur für die typischen Schul- und Sportkomplexe aus den 1960er/1970er Jahren. Aus heutiger Sicht war die damalige Entscheidung der Gemeinde eine sehr weitsichtige. Es bleibt zu hoffen, dass viele Entscheidungsträger sich in der heutigen Zeit dank der guten Erfolge dieser Systeme und dem allgemeinen Klimaschutztrend leichter zu solchen Energiekonzepten entscheiden.

Danksagung

Das diesem Bericht zugrunde liegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und des Landes Baden-Württemberg gefördert. Die Autoren danken für die Unterstützung. Die Verantwortung für den Inhalt der Veröffentlichung liegt bei den Autoren.

Literatur

  • [1] Markus Pfeil, "Realisierung eines solaren Nahwärmesystems mit Langzeitwärmespeicher in einem Schul- und Sportzentrum der 1960er Jahre" in Tagungsband: 17. Symposium Thermische Solarenergie, 09.-11. Mai 2007, Kloster Banz, Bad Staffelstein
  • [2] Christian Kley, "Nachhaltige Sanierung einer Grund- und Hauptschule mit Integration in eine solare Nahwärme mit Langzeitwärmespeicher" in Tagungsband: 3. Internationales Anwenderforum Energetische Sanierung von Gebäuden, 26.-27. März 2009, Kloster Banz, Bad Staffelstein

*) Dipl.-Ing. Christian Kley ist Mitarbeiter der Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft, Beratende Ingenieure VBI in Stuttgart und Köln, kley[at]pk-i.de, www.pk-i.de
Dipl.-Ing.
Markus Pfeil ist geschäftsführender Gesellschafter der Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft, Beratende Ingenieure VBI in Stuttgart und Köln, pfeil[at]pk-i.de, www.pk-i.de
Dipl.-Ing.
Holger Koch ist geschäftsführender Gesellschafter der Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft, Beratende Ingenieure VBI in Stuttgart und Köln, koch[at]pk-i.de, www.pk-i.de [^]

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