Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

2009-01

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1:Schrepfersmühle in Baunach aus dem Jahr 1706 nach der Restaurierung 1993-1995 [2] (Quelle: AEE INTEC)

Fragen zur Energieeffizienz machen auch vor bauzeitlich bzw. historisch wertvollen oder unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden nicht halt. Obgleich nach Energieeinsparverordnung Baudenkmäler einzeln oder im Ensemble von den Anforderungen der EnEV [1] ausgenommen werden können – gerade der private Nutzer einer denkmalgeschützten Immobilie kann ein solches Gebäude nur dann wirtschaftlich betreiben (und damit der Gesellschaft das Denkmal als kulturellen Bestandteil zur Verfügung stellen), wenn neben dem Denkmalschutz auch energetische Aspekte während der Nutzung des Gebäudes also Klimaschutz und Energieeffizienz gleichzeitig Berücksichtigung finden.

Energieeffizienz bei denkmalgeschützten Baukonstruktionen
Impulse zum Umgang mit Fragen der Energieeffizienz bei bauzeitlich bzw. historisch wertvollen oder unter Denkmalschutz stehenden Baukonstruktionen

Von Frank Eßmann, Jürgen Gänßmantel, Gerd Geburtig und Anatol Worch*

Hier gilt es, die unterschiedlichen Aspekte der Denkmalpflege, der Erhaltung historischer Substanz und der energetischen Sanierung im Hinblick auf die Anforderungen der Energieeinsparverordnung in Einklang zu bringen. Der vorliegende Beitrag möchte wichtige Gesichtspunkte vorstellen und diskutieren, die im Zuge einer solchen Sanierung zu berücksichtigen sind.

Energetische Sanierung

In vielen täglich und intensiv geführten Diskussionen in der Praxis zu dieser Fragestellung wird deutlich, dass es nicht leicht ist, möglichst viele der verschiedenen aufgeführten Aspekte zu erfüllen:

  • Ist ein Denkmal ohne Energieausweis denkbar?
  • Energieeinsparverordnung – Gefahr für Bestandsgebäude oder eher Segen?
  • Welche Feuchteschutzaspekte müssen bei Dämmmaßnahmen berücksichtigt werden?
  • Was tun, wenn die Fassade nicht ihre Gesicht verlieren darf?
  • Sichere Systeme für die Innendämmung – wo ist das Risiko?
  • Klimastabilität und Energieeffizienz in historischen Gebäuden?

Planungsleitsätze

Daher möchte die regionale Gruppe der WTA in Deutschland Impulse für den Umgang mit bauzeitlich bzw. historisch wertvoller oder unter Denkmalschutz stehender Baukonstruktionen im Rahmen von Maßnahmen zur Verbesserung der Gebäudeenergieeffizienz geben.

Ökologie, Ökonomie und Baudenkmalpflege sind kein Widerspruch. Die ökologische Bewertung eines Gebäudes darf nicht ausschließlich auf den aktuellen Verbrauch bzw. den klimaneutral bewerteten CO2-Ausstoß reduziert werden. In einem vollständigen und umfassenden Ansatz sind nach den Richtlinien des Instituts Bauen und Umwelt e.V. ebenso zu berücksichtigen:

  • Bedarfshinterfragung
  • Schonung von Naturräumen durch flächensparendes Bauen
  • Verbrauchsminimierung bzgl. Energie und Betriebsmitteln
  • Lange Nutzung von Gebäudeteilen und Gesamtgebäude
  • Einsatz wieder verwendbarer, recyclingfähiger Bauprodukte
  • Kurze Transportwege bei Bau und Betrieb
  • Gute Rückbaufähigkeit

Durch die Nutzung der stoffgebundenen Energieinhalte bestehender Gebäude im Zusammenhang mit optimierter, nicht maximierter Dämmschichtdicke wird ein bedeutender ökologischer Effekt erzielt. Unter Berücksichtigung der hohen energetischen Aufwendungen zur Erstellung eines Gebäudes ist auch aus ökologischer Sicht eine Weiternutzung von Bestandsgebäuden der sinnvolle Weg. Aus diesem Grund bekommt die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden eine hohe Bedeutung.

Energetische Beratung notwendig

Ein Baudenkmal, wie in Abbildung 1 dargestellt, stellt besondere Ansprüche bei der Planung und Ausführung einer energetischen Sanierung. Vor allem Belange der Denkmalpflege, der Erhaltung der historischen Substanz und nicht zuletzt gestalterische Aspekte müssen berücksichtigt werden. Jedoch gilt es in vielen Fällen, den hygienischen Mindestwärmeschutz überhaupt zu erreichen, um zumindest ansatzweise heute üblichen und erwarteten Wohnkomfort gerecht zu werden. Hier ist daher stets eine detaillierte energetische Beratung erforderlich. Diese kann der Energieausweis in der derzeitigen Form nicht leisten.
Der Bedarfsausweis mit dem integrativen Ansatz des Wärmebedarfs in Kombination mit der Haustechnik auf Basis der Energieeinsparverordnung ist ein Weg in die richtige Richtung, jedoch sind die zu treffenden Aussagen und Hinweise zur Sanierung für historische Gebäude zu pauschal. Die Erarbeitung einer genaueren Methodik für einen individuellen Ausweis für Baudenkmale ist wünschenswert.

Wärmeschutz nicht ohne Feuchteschutz

Die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden kann in vielen Fällen nur durch die Anbringung einer innenliegenden Dämmung erreicht werden. Neben dem Erhalt des Gebäudes in seiner historisch gewachsenen Gestalt spielen auch städtebauliche Aspekte und der Wunsch des Bauherrn nach der Sichtbarkeit der Fassade eine Rolle.
Eine Vernachlässigung der Auswirkungen der neu angebrachten thermischen Isolierung auf den sich einstellenden Feuchtehaushalt der bestehenden Konstruktion kann zu fatalen Bauschäden führen. Das Risiko eines erhöhten Tauwasserausfalls im Grenzbereich des alten Mauerwerks und der Innendämmung ist unbestritten. Die niedrigere Temperatur des Mauerwerks führt dazu, dass dieses langsamer abtrocknet, da die Wärmezufuhr von der Innenseite minimiert wird und die Austrocknung des Mauerwerks nach innen durch die zusätzlich eingebrachten Bauteilschichten beeinträchtigt wird. Größere Bereiche der Fassade, vor allem der schlagregenzugewandten Seite, können langfristig höhere Durchfeuchtungsgrade aufweisen. Dieser Effekt kann so ausgeprägt sein, dass die maximal mögliche Dämmstoffdicke von der beschriebenen Trocknungsverzögerung bestimmt werden kann (siehe Abbildung 2).
Als Quintessenz lässt sich bei dem geplanten Einsatz einer Innendämmung zur energetischen Sanierung festhalten, dass die mögliche Tauwasserbildung und das veränderte Austrocknungspotenzial der gedämmten Außenwand die beiden zentralen feuchtetechnischen Aspekte sind, die schon während der Planungsphase im Einzelfall durchdacht und deren Unbedenklichkeit gegebenenfalls nachgewiesen werden müssen. Prinzipiell ist eine feuchtetechnische Einzelfalllösung anzustreben und nicht ein pauschales „Fertigteilprinzip“.

Abbildung 2: Befeuchtung und Trocknung einer Fachwerkfassade ohne Dämmung und mit Innendämmung inklusive Dampfsperre [3]

Materialeinsatz

Der Materialeinsatz für eine energetische Verbesserung ist für den jeweiligen Einzelfall sorgfältig zu bestimmen. In jedem Fall ist unter Berücksichtigung der bestehenden Konstruktion zu entscheiden, welches Schutzprinzip verwirklicht werden soll: Steht der Schutz vor Wasser im Vordergrund oder erlaubt die Konstruktion, dass Tauwasser in der Dämmung entstehen darf und durch kapillaraktive Systeme von der zu schützenden historischen Substanz fern gehalten wird?
Die Entwicklung neuer Materialien mit bestimmten feuchtephysikalischen Eigenschaften, derer man sich bewusst bedient, wie feuchteadaptive Dampfbremsen oder kapillaraktive Dämmstoffe, macht die Wandlung beim Feuchteschutz hin zu einem Feuchtemanagement besonders deutlich. Das Ziel ist die bewusste Lenkung der stets vorhandenen und nur schwer vermeidbaren Feuchtetransporte durch Bauteile. Diffusionsdichte Konstruktionen können die Bildung von Tauwasser verhindern, benötigen aber eine besonders hohe Sorgfalt bei der Erstellung und auch während der Nutzung, da Beschädigungen schnell zu einem Schadensfall führen können. Generell sollte eher diffusionsoffen gebaut werden, da solche Lösungen weniger schadensanfällig sind.

Abbildung 3: Beispiel für eine angebrachte Innendämmung, mineralischer Schaum auf Ziegelmauerwerk (Quelle: Ingenieurbüro Gänßmantel, Schömberg)

Mit dem Einsatz hygrothermischer Berechnungsverfahren können die feuchtephysikalischen Auswirkungen und das komplexe Zusammenwirken einzelner Materialeigenschaften optimiert werden. Auf diese Weise ist es möglich, einen für den jeweiligen Einzelfall optimierten Sanierungsvorschlag zu erarbeiten und im Vorfeld zu überprüfen.

Dämmstärke

Wieviel Dämmung zusätzlich möglich ist, kann nicht pauschal angegeben werden. Die Vielfalt bestehender Konstruktionen mit ihren verschiedenen Materialkombinationen und örtlichen Begebenheiten macht auch hier wieder eine Einzelfallentscheidung unumgänglich.

Abbildung 4: Temperaturverteilung, Wärmestromdichte und Wärmebrückenkoeffizient einer einbindenden Betondecke in eine homogene Außenwand

Neben den oben angesprochenen feuchtephysikalischen Wechselwirkungen wie das veränderte Austrocknungsverhalten begrenzen auch die stets vorhandenen Wärmebrücken die sinnvollen Dämmstoffdicken für eine energetische Sanierung (siehe Abbildung 4). Die sich einstellenden Energieverluste an den Wärmebrücken lassen sich nicht vollständig vermeiden, sodass hier eine weitere Erhöhung der Dämmstoffdicke nicht zu einer weiteren Minimierung der Wärmeverluste führt [4].
Zusätzlich ergeben sich durch punktuelle Temperaturabsenkungen besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Vermeidung von Tauwasserbildung z.B. bei Holzbalkendecken. Mit dem Einsatz thermischer und hygrothermischer Berechnungen ist das vertretbare Dämmniveau für das zu sanierende Gebäude zu ermitteln.

Abbildung 5: Gelungene Kombination zwischen Denkmalschutz und Nutzung regenerativer Energiequellen (Quelle: tha-Ingenieurbüro Eßmann, Mölln)

Denkmalgerechte Lösungen

Denkmalgerechte Lösungen für energieeffiziente Nutzungen sind mit intelligenten Systemen beim Anlagenbetrieb zu erreichen. Für die Nutzung bzw. Anwendung neuer haustechnischer Anlagen ist ein interdisziplinäres Vorgehen unerlässlich. Durch den Einsatz einer geregelten Lüftungsanlage ist die innere Feuchtebelastung des Gebäudes und der darin enthaltenen Ausstattung beherrschbar, so dass Schädigungen durch mangelhaftes Lüftungsverhalten begrenzt werden können. Auch hierfür bedarf es der engen Abstimmung zwischen technischer Gebäudeausrüstung und Denkmalpflege. In Abbildung 5 ist eine Kombination aus Nutzung regenerativer Energiequellen und Denkmalpflege unter der Berücksichtigung der Minimierung der Gebrauchskosten gezeigt.
Bei hohen denkmalpflegerischen Anforderungen wie beispielsweise bei feuchteempfindlichen Wandmalereien in genutzten Räumen ermöglicht die intelligente Steuerung der Raumheizung sowie der Lüftungsanlage, dass die kunsthistorisch bedeutsamen Gegenstände nicht geschädigt werden [5]. Hier steht jedoch nicht das energetische Einsparpotenzial sondern die Klimakonstanz aus konservatorischen Gründen im Vordergrund.

Zusammenfassung

Die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden kann in vielen Fällen nur durch die Anbringung einer innenliegenden Dämmung erreicht werden. Die bestehenden Risiken sind bekannt und können durch die intelligente Planung und den bewussten Einsatz von Baumaterialien beherrscht werden. Die Konzeption einer Innendämmung setzt sich zusammen aus dem komplexen Zusammenspiel zwischen der vorhandenen Konstruktion, dem Dämmstoff, gegebenenfalls zusätzlich erforderlichen Schichten (z.B. Dampfbremsen), der raumseitigen Bekleidung und dem Gesamtsystem des Bestandsgebäudes. In vielen Fällen können computergestützte Simulationsrechnungen einen tiefen Einblick in die beschriebenen Zusammenhänge und die Auswirkungen der geplanten Sanierungsmaßnahmen bieten. Nur bei der Beachtung aller Komponenten ist eine fachgerechte Planung und Ausführung einer energetischen Sanierung möglich.
Stets ist zu bedenken, dass es sich bei der energetischen Sanierung von Baudenkmälern um eine Einzelfallentscheidung handeln muss. Die Situationen im Bestand sind so mannigfaltig, dass es lediglich möglich ist, Handlungsstrategien und Vorgehensweisen für die Planung anzugeben. Feste normierte Standardlösungen würden bei historischen Gebäude zu erheblichen Problemen führen. Die aktuellen Merkblätter der WTA z. B. der Reihe „Fachwerkinstandsetzung nach WTA“ Nummern 8-1, 8-5 und 8-10 oder das Merkblatt E-6-4 „Innendämmung nach WTA: Planungsleitfaden“ sind im Sinne der hier vorgestellten Leitsätze erstellt.

Literatur

  • [1] Verordnung über energieeinsparenden Wärmeschutz und energieeinsparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung - EnEV) vom 24.07. 2007 in Kraft seit 01.10.2007
  • [2] Worch, E.: Schrepfersmühle in Baunach, Heimat Bamberger Land, 13. Jahrgang, Heft 1/2001 Seiten 3-7
  • [3] Sedlbauer, K., Krus, M.: Möglichkeiten der Innendämmung beim Fachwerkbau, Vortrag gehalten auf der Fachtagung "Innendämmung - eine bauphysikalische Herausforderung". 21. April 2005 in Münster. Kooperationsveranstaltung Handwerkskammer Bildungszentrum Münster / Kompetenzzentrum Bau und Energie und Fraunhofer IBP, publica.fraunhofer.de
  • [4] Feist, W: Protokollband Nr.32, Faktor 4 auch bei sensiblen Altbauten, Passivhauskomponenten + Innendämmung, Passivhaus Institut, Darmstadt 2005
  • [5] Garrecht, H., Wolfrum, K.: Klimastabilität und Energieeffizienz in historischen Gebäuden, Protokoll zum 1. WTA-Sachverständigentag der regionalen Gruppe WTA-D „EnEV 2007 und Bestand“, Weimar 2007

*) Die Autoren dieses Vortrages gehören dem Vorstand der regionalen Gruppe der Wissenschaftlich-Technischen Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e.V. (WTA) an, www.wta.de
Dipl.-Ing. Frank Eßmann leitet das Ingenieurbüro tha für thermische, hygrische und akustische Bauphysik in Mölln.
Dipl.-Ing. (FH)
Jürgen Gänßmantel bietet in seinem Ingenieurbüro Dienstleistungen für nachhaltiges Bauen, Schömberg.
Dr.-Ing.
Gerd Geburtig führt die Planungsgruppe Geburtig mit Niederlassungen in Weimar und Ribnitz-Damgarten
Dr.-Ing.
Anatol Worch ist Wissenschaftlich Angestellter beim Materialprüfungsamt Nordrhein-Westfalen. [^]

Top of page