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2008-04: Nachhaltige Gebäude

 

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1:Passivhaussiedlung Dreherstrasse in Wien aus der Programmlinie „Haus der Zukunft“ (Quelle: AEE INTEC)

Das Projekt „Promotion of European Passive Houses“ zeigt erstmals die hohe Stellung, jedoch zögerliche Marktdurchdringung des Passivhauses in den west- und nordeuropäischen Ländern. Aufgrund langjähriger Erfahrungen in der praktischen Umsetzung von Passivhäusern im deutschsprachigen Raum steigt nicht nur in Österreich der Bedarf an einer Optimierung dieses hochwertigen Standards und dessen Weiterentwicklung für Nichtwohngebäude.

Das Passivhaus – ein europäischer Rund- und Ausblick

Von Elisabeth Koschar*

Das in der Ausgabe 1/06 der Zeitschrift erneuerbare energie bereits vorgestellte und von der Europäischen Kommission im Rahmen des „Intelligent Energy Europe“ Programms unterstützte Projekt „Promotion of European Passive Houses“ (PEP) zur Steigerung des Anteils von Passivhäusern in Europa wurde mit Ende 2007 erfolgreich abgeschlossen. Durch die Zusammenarbeit und Vernetzung der Aktivitäten von neun Fachinstitutionen aus mittel- und nordeuropäischen Ländern konnte der Passivhausstandard entweder in bereits bestehenden Märkten ausgebaut oder in neuen Märkten etabliert werden. Ein Passivhaus ist ein Gebäude, mit einem maximalen Heizwärmebedarf von 15 kWh/(m²a) und einem Primärenergiebedarf einschließlich Warmwasser und Haushaltstrom von unter 120 kWh/(m²a). Während das Passivhaus als Baustandard für den Wohnbau in deutschsprachigen Ländern bereits zur täglichen Baupraxis zählt, besteht diesbezüglich vor allem in den west- und nordeuropäischen Ländern ein enormer Aufholbedarf. Im Rahmen des Projektes PEP wurde eine breite Palette an sogenannten Infopackages zum Thema Passivhaus für unterschiedlichste Zielgruppen erarbeitet. Diese wurden von den Projektpartnern erstmals in die jeweiligen Landessprachen übersetzt und an die nationalen Rahmenbedingungen angepasst (siehe www.europeanpassivehouses.org).

Neue Passivhausplattformen

Als Ergebnis der Verbreitungsaktivitäten im Rahmen des Projekts können die Entstehung von nationalen Passivhausplattformen und –verbänden in Belgien, Dänemark oder den Niederlanden bzw. die Organisation der „Ersten Nordischen Passivhauskonferenz“ in Norwegen erwähnt werden. Weiters wurde die Verfügbarkeit von passivhaustauglichen Komponenten durch Importe aufgrund der steigenden Nachfrage stark verbessert oder sogar eigene Aktivitäten zur Produktion geeigneter Bauelemente in den einzelnen Ländern initiiert. Einige Unternehmen in Belgien, Irland oder Dänemark haben sich in den letzten Jahren auf die Errichtung von Passivhäusern, auf Wärmedämmungen oder Luftdichtheitsmessungen spezialisiert.

Umgesetzte Passivhäuser

Die Vorreiterrolle Österreichs zeigt sich auch in der Anzahl der errichteten Passivhäuser. Während in den österreichischen Bundesländern bis Ende 2007 bereits 2.820 Passivhäuser [2] errichtet wurden, werden in den west- und nordeuropäischen Projektpartnerländern gerade die ersten Objekte verwirklicht (siehe Abbildung 2). So berichteten zu Projektende Dänemark und Irland über je ein, Belgien und Norwegen über je zehn zertifizierte Passivhäuser. In Finnland, im Vereinigten Königreich und den Niederlanden sei die Fertigstellung der ersten 10 bis 200 Passivhäusern für 2008 geplant.

Abbildung 2: Marktdurchdringung des Passivhauses beim PEP-Projektstart im Jänner 2005 und zum Projektende im Dezember 2007 [1]

In allen Partnerländern liegt das größte Marktpotenzial im Neubau von Wohn-, Büro- und öffentlichen Gebäuden, doch legt man bereits jetzt besonderes Augenmerk auf mögliche Passivhaussanierungen.

Nordische Passivhaus-Definition

In sehr vielen europäischen Ländern gibt es keine vom Passivhaus-Institut Darmstadt (PHI) autorisierte Stelle, die das Zertifikat "Qualitätsgeprüftes Passivhaus" mit dem geschützten PHI-Zeichen vergeben dürfen. Hierzu kommt, dass die Passivhausanforderungen an Heiz- und Primärenergiebedarf, insbesondere in nordischen Regionen aufgrund des unvergleichbar kälteren Klimas nicht erfüllt werden können. In Kooperation mit dem PHI konnten die Projektpartner daher eine neue Passivhausdefinition vorschlagen, welche in den betroffenen Ländern adaptiert werden soll: „Für Objektstandorte nördlich des 60. Breitengrades ist es notwendig die Anforderungen auf nationaler Ebene anzupassen, um die ehrgeizige doch realistische Passivhauslösung verwirklichen zu können. Dennoch darf der spezifische Transmissions- und Lüftungswärmeverlust (gemäß EN ISO 13 789) je Quadratmeter Energiebezugsfläche von 0,5 kWh/(m²a) nicht überschritten werden.“ [1]

Zukunft des Passivhauses

Einheitlich kann für alle Partnerländer festgehalten werden, dass der Begriff „Passivhaus“ auf nationaler Ebene in freiwilligen Zertifizierungssystemen für nachhaltiges Bauen, in Aktionsprogrammen, Gesetzesentwürfen und Arbeitsgruppen erwähnt bzw. diskutiert wird, seine gesetzliche Verankerung im Schnitt allerdings erst ab 2015 vorstellbar wäre. Bis dahin bedarf es durchgehend an Aus- und Weiterbildung in allen Bereichen der passiven Bauweise, von der Beratung zur integrativen Planung, über Passivhausdetails, luftdichte Bauweise und Wärmebrückenkataloge, die bis hin zur Ausführungs- und Qualitätskontrolle.
Die Aufgabe in Österreich ist es nationale Erfahrungen aus den Bereichen Planung, Errichtung, Betrieb und Monitoring von Passivhausobjekten zu bündeln, zu analysieren und weiterzugeben. Hierfür wurden folgende Projekte ins Leben gerufen:

PH Office

Obwohl es noch keine offizielle Definition des „Passivhaus-Bürohauses“ gibt, wurden bereits zahlreiche Nichtwohngebäude im Passivhausstandard errichtet. So wurden in Österreich und Deutschland rund 75 Büro- und Verwaltungsbauten, 30 Schulen und Kindergärten sowie 26 sonstige Bauten in passiver Bauweise [3] verwirklicht.
Trotz korrekter Vorgehensweise der Bauherren, wurden bei diesen Passivhaus-Projektierungen die im Bürobau erheblichen energetischen und thermischen Einflussfaktoren, wie der Energiebedarf für die Geräteausstattung, die Beleuchtung sowie die Kühlung nicht berücksichtigt. Um diese Systemlücke in Zukunft füllen zu können, machte es sich das Team des Projektes „PH Office“ mit Unterstützung der Programmlinie „Haus der Zukunft“ zur Aufgabe eine fundierte Definition des Passivhausstandards für Bürogebäude zu entwickeln. Die Analysen und Erkenntnisse des Projektpartners AEE INTEC, welche sie seit Jahren im Zuge ihrer Monitoringtätigkeit von sämtlichen „Haus der Zukunft“-Bürogebäuden gewinnen konnte, werden die Basis für den neuen Passivhaus-Bürostandard bilden.

PH 2.0

Ein aus dem Forschungs- und Technologieprogramm „Neue Energien 2020“ des Klima- und Energiefonds unterstütztes Projekt trägt den Titel „Entwicklung von optimierten praxisorientierten Planungs- und Ausführungsunterlagen von Passivhäusern der 2. Generation (PH 2.0)“. Unter der Leitung der AEE INTEC zielt es auf die Weiterentwicklung und Optimierung des Passivhausstandards ab.
Zweifellos kann festgehalten werden, dass die praktische Umsetzung der gemäß Passivhausstandard festgelegten Anforderungen an Wärmedämmdicken, die Wärmebrückenreduktion, die Luftdichtheit und die Nutzung des passiven Energieeintrags den Zielvorgaben entspricht. Während der projektierte Heizwärmebedarf durchaus erreicht wird, weichen die Messergebnisse für End- und Primärenergiebedarf in den meisten Fällen weit von den projektierten Werten ab.
Daher sollen aufbauend auf teilweise bereits vorliegende Monitoringergebnisse der messtechnischen Begleituntersuchung von mehreren mehrgeschoßigen Passivhäusern unterschiedlicher Bautypen und Nutzungsarten umsetzungs- und praxisorientierte Richtlinien in Form eines „Handbuchs für Passivhäuser der neuen zweiten Generation“ mit innovativen Systemlösungen zur Optimierung der Energieeffizienz dargestellt werden. Dabei wird die großteils vorhandene Analyse des Nutzerverhaltens, der unterschiedlichen Bauweisen und gebäudetechnischen Komponenten unter dem wirtschaftlichen Kostendruck des Planungs- und Umsetzungsprozesses berücksichtigt. Die Definition der Qualitäts- und Behaglichkeitskriterien, sowie deren weitgehende zukünftige Umsetzung sollen einerseits die Zufriedenheit der Bewohner erhöhen und andererseits die Ressourcen- und Energieeffizienz solcher Gebäude sicherstellen.

PEP Office

Auch auf europäischer Ebene werden Anstrengungen unternommen die Mitgliedstaaten für den passiven Bürobau zu sensibilisieren. Aufgrund der Erfolge, die mit dem Projekt PEP in den Partnerländern erreicht werden konnten, plant das Projektteam den Start des Nachfolgeprojekts „PEP Office“ mit dem Schwerpunkt auf Bürogebäude. Die Problemstellung ist ähnlich wie noch einige Jahre zuvor im Wohngebäudebereich.
Europaweit mangelt es an Fachwissen über passive Bürogebäude. Erste passive Nicht-Wohngebäude wurden bisher lediglich im deutschsprachigen Raum umgesetzt. Im Unterschied zum Wohnbau kommen bei der Aufstellung der Energiebilanz im Bürobau Kühllasten durch höhere interne Lasten aufgrund von Beleuchtung, Elektrogeräte und eine ungleich dichtere Personenbelegung hinzu.
PEP Office zielt im Rahmen von nationalen und internationalen Workshops auf die Know-How-Verbreitung zum Thema passive Bürogebäude ab. Es beinhaltet die Ermittlung des EU-weiten Einsparpotenzials durch den Büroneubau im Passivhausstandard, die Definition von Passivhauskriterien für Bürogebäude und Kalkulationstools für Planer sowie die Erstellung von Infopackages und einer Internetplattform.

Schlussbemerkung

Die vorgestellten Projekte machen den enormen Handlungsbedarf auf dem Gebiet des passiven Bauens im gesamteuropäischen Raum deutlich.
Österreich kann auch hier wieder mit der Bündelung seiner Fachkompetenzen in Projekten der Programmlinie „Haus der Zukunft“ und mit Unterstützung des Klima- und Energiefonds seine Vorreiterrolle unter Beweis stellen und zu einer nachhaltigen Entwicklung im Energie- und Gebäudebereich in ganz Europa beitragen.

Abbildung 3: Lehm-Passiv-Bürohaus in Tattendorf aus der Programmlinie „Haus der Zukunft“ (Quelle: AEE INTEC)

Literatur

  • 1] „European Embedding of Passive Houses“, www.europeanpassivehouses.org, Mai 2008
  • [2] IG Passivhaus, „Objektentwicklung bis 2010“, www.igpassivhaus.at, 18. Februar 2008
  • [3] Objektdatenbank der IG Passivhaus, September 2008

*) Dipl.-Ing. Elisabeth Koschar ist Mitarbeiterin bei der AEE INTEC, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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