Zeitschrift EE

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2008-03: Neue Trends in der Solarthermie

Solarthermie

Abbildung 1: Sorptionsspeicher mit Silikagel gefüllt (Quelle: AEE INTEC)

Mehr als 60% des Primärenergiebedarfs wird für das Heizen und Kühlen aufgewendet. Dieser Bedarf kann durch bessere Wärmedämmung, effizientere energetische Prozesse und durch Ersatz von fossilen durch erneuerbare Energiequellen für das Heizen und Kühlen gesenkt werden.

Thermische Speicher mit hoher Energiedichte

Von Wim van Helden*

Die wichtigste erneuerbare Energiequelle für Wärme ist die thermische Solarenergie. Die Europäische Solar Thermie Technologie Plattform ESTTP publizierte zu diesem Thema ein Visionspapier. Gemäß dieser Vision kann die thermische Solarenergie bis zum Jahr 2030 Energie für Heizen und Kühlen in Gebäuden und in der Industrie in der Größenordnung von 20% zur Verfügung stellen.
Thermische Solarenergie wird von der Solaranlage naturgemäß nicht kontinuierlich zur Verfügung gestellt, sondern variiert über den Tagesverlauf. Der Bedarf an Wärme und Kälte ist ebenso nicht kontinuierlich. Durch den Einsatz thermischer Speicher wird der Zeitpunkt der Energiebereitstellung unabhängig gemacht vom Zeitpunkt des Energiebedarfs. Speicherung ist also eine unbedingt notwendige Maßnahme, um vernünftige Wirkungsgrade thermischer Systeme zu erreichen.
Doch Speicher werden nicht nur bei der Nutzung thermischer Solarenergie eingesetzt. Speicher verbessern Systemleistungen und Wirkungsgrade auch bei anderen Technologien: Solare Stromerzeugung mit konzentrierenden Systemen, Biomassenutzung, Wärmepumpen, Nah- und Fernwärme, Kraft-Wärme-Kopplungen und Müllverbrennungsanlagen. Alle diese Technologien haben spezifische Anforderungen an Leistung, Temperaturniveau und Ein- und Ausgangsleistung des Wärmespeichers. Dementsprechend gibt es eine große Zahl verschiedener Speichertypen und –systeme.
Die gängigste Technologie ist die Wärmespeicherung im Medium Wasser in Behältern, Schächten und unterirdischen Schichten. Die Größe des Speichers wird durch die Wärmekapazität von Wasser vorgegeben. Diese ist für die meisten Anwendungen ausreichend. Um Warmwasser zu speichern, das von Sonnenkollektoren erzeugt wurde, ist z.B. ein Speicher mit wenigen hundert Litern ausreichend, um mehr als 50% des Warmwasserbedarfs eines Einfamilienhauses zu decken. Will man mehr als 50% Deckung erreichen um auch im Winter den Haushalt mit erneuerbarer Wärme zu versorgen, muss der Speicher signifikant größer werden. Wenn genügend Fläche im oder um das Haus zur Verfügung steht, kann die Wärme in einem sehr großem Speicher oder im Erdreich gespeichert werden. Aufgrund des relativ niedrigen Temperaturniveaus sind in diesem Fall Wärmepumpen notwendig. Durch die notwendige Antriebsenergie für Wärmepumpen ist es allerdings viel schwieriger 100% erneuerbare Systeme zu errichten. Im Fall von Wohnanlagen mit geringem Platzangebot für Wärmespeicher können Speicher mit höherer Dichte als Wasser eine größere Deckung des Energiebedarfs mit erneuerbarer Energie bewirken.
Im Folgenden wird der Stand der Technik von Speichern hoher Energiedichte ausgeführt.

Speichertechnologien

Abbildung 2 zeigt eine schematische Unterteilung verschiedener Technologien zur Speicherung von thermischer Energie. Die vier Haupttechnologien sind: die sensible Wärmespeicherung, die latente Wärmespeicherung, Speicherung mittels Sorption und die chemische Wärmespeicherung. Von links in der Abbildung beginnend nimmt die Häufigkeit der Anwendung in der Praxis ab und die potenzielle Wärmekapazität zu.

Abbildung 2: Unterteilung verschiedener Technologien zur Speicherung von thermischer Energie

Das Material mit einer der höchsten Wärmekapazitäten ist Wasser. Es werden 4,2 Joule benötigt, um die Temperatur von einem Gramm Wasser um ein Kelvin zu erhöhen. Durch das Zusammenspiel der hohen Wärmekapazität, der leichten Verfügbarkeit und der geringen Kosten ist Wasser das am häufigsten eingesetzte Material zur Wärmespeicherung. Wie bereits oben beschrieben stellt sich nun die Aufgabe Systeme zu finden, die höhere Speicherdichten aufweisen. Typische Speicherdichten für Wasserspeicher liegen bei 250 MJ/m³ oder 70 kWh/m³.

Abbildung 3: Wärmespeicherung in einem 11 m³ Wassersack für niedrige Räume

Latente Wärmespeicherung

Bei der latenten Wärmespeicherung wird der Phasenübergang eines Materials genützt, zumeist der Schmelzvorgang. Typisch für die Anwendung eines latenten Wärmespeichers ist, dass die Wärmeübertragung in einem relativ kleinen Temperaturbereich stattfindet. Dafür benötigt der Phasenübergang selbst viel Energie. Deshalb ist die Speicherdichte dieser Systeme relativ hoch, allerdings ist die Anwendung beschränkt auf einen begrenzten Temperaturbereich.
Das Material eines Latentspeichers wird Phasenübergangsmaterial PCM (phase change material) genannt. Ein Phasenübergangsmaterial hat eine sehr hohe Wärmekapazität in einem sehr kleinen Temperaturbereich. Wenn die bereitgestellte erneuerbare Wärme in einem breiten Temperaturbereich gespeichert werden soll, wird die hohe Wärmekapazität der PCMs vermindert und der Vorteil latenter Speicher gegenüber Wasserspeichern wird reduziert. Mit den derzeit verfügbaren Phasenübergangsmaterialien erzielt ein thermische Speicher je nach Temperaturbereich nur 10 bis 20% höhere Speicherdichten als die üblichen Wasserspeicher. Es werden also bessere Materialien benötigt. Deswegen beschäftigen sich die aktuellen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu diesem Thema mehr und mehr mit der Suche nach neuen, verbesserten Materialien.

Sorptionsspeicher

Abbildung 4: Silicagel (Quelle: AEE INTEC)

Die Wärmespeicher mit der höchsten potenziellen Energiedichte sind Sorptionsspeicher und chemische Speicher.
Materialien zur Sorption von Wasser können sehr leicht große Mengen an Wasser aufnehmen. Die Wassermoleküle werden an der Oberfläche des Materials adsorbiert. Die Oberfläche dieser Materialien ist sehr groß, da sie eine offene, poröse Struktur haben. Je größer die Porösität ist, desto höher ist die Speicherkapazität des Sorptionsmaterials. Bekannte Materialien sind Silikagel und Zeolithe.
Die Adsorption von Wasser durch ein Sorptionsmaterial ist abhängig von der Temperatur und vom Druck. Durch Druckänderungen im System kann die Speichertemperatur geändert werden. Die meisten Adsorbentien benötigen Drücke unterhalb des athmosphärischen Drucks, um bei Raumtemperatur arbeiten zu können. Wenn das ganze System vakuumtauglich sein soll, erhöht dies den Preis für die Anlage deutlich. Daher wird an der Entwicklung von Materialien gearbeitet, die bei normalem Druck eine gute Adsorption von Wasser zeigen.

Thermochemische Speicher

Abbildung 5: Arbeitsprinzip von thermochemischen Speichern

Bei der thermochemischen Speicherung werden chemische Reaktionen genützt um Wärme in einem Material zu speichern. Das Arbeitsprinzip dieser Speicher ist in Abbildung 5 ersichtlich. Wenn dem Material Wärme zugeführt wird, wird es in zwei Komponenten zerlegt. Diese beiden Komponenten können für lange Zeit ohne Energieverlust gespeichert werden. Werden diese beiden wieder zusammengebracht, so findet die Umkehrreaktion statt und die Wärme wird wieder frei. Die Temperatur, die zur Trennung notwendig ist, ist abhängig von den molekularen Bindungskräften. Bei den meisten Materialien ist diese Temperatur relativ hoch und daher nicht geeignet für die Anwendung in thermischen Speichern. Die Suche konzentriert sich daher auf Materialien, die niedrige Reaktionstemperaturen haben. Eine Gruppe dieser Materialien sind die Hydrate. Bei diesen ist Wasser eine der beiden Komponenten. Die andere Komponente ist zumeist ein Salz, zum Beispiel Calciumchlorid oder Magnesiumsulfat (siehe auch Tabelle 1).

Tabelle 1: Ausgewählte Materialien für thermochemische Speicher

Material
Dissoziationsreaktion
GJ/m³ *
 
 
°C**
 
C <=>
B +
A
Magnesiumsulfat
MgSO4•7H2O
MgSO4
H2O
2,8
122

Eisenkarbonit

FeCO3
FeO
CO2
2,6
180
Eisenhydroxid
Fe(OH)3
FeO
H2O
2,2
150
Calciumsulfat
CaSO4 x 2H2O
CaSO4
H2O
1,4
89

* Material Dissoziationsreaktion
** Speicherdichte von C Phasensübergangstemperatur

Forschung und Entwicklung

Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich der kompakten thermischen Speicher wurden schwerpunktmäßig in zwei Programmen der Internationalen Energieagentur durchgeführt. Im Annex 17 des ECES-Programms (Energy Conservation through Energy Storage – Energieeinsparung durch Energiespeicherung) wurden Forschungsarbeiten zu Phasenübergangsmaterialien und chemischen Reaktionen durchgeführt. Im Task 32 des Programms für Solares Heizen und Kühlen (SHC) wurden hochentwickelte Speicher für solare Gebäude erforscht.
Am ITW in Stuttgart, Deutschland, wird eine Anlage für saisonale Speicherung solarer Wärme entwickelt. Die Speicherung basiert auf der Sorption von Wasser in prosösen Zeolithziegeln (Abbildung 6). Diese werden in einer Wärmetauscherbox platziert. Im Sommer wird der Zeolith durch die warme Luft getrocknet, die von thermischen Sonnenkollektoren erzeugt wird. Im Winter wird der Zeolith befeuchtet. Dieser Adsorptionsprozess wärmt die Luft, die durch den Wärmetauscher geleitet wird.

Abbildung 6: Poröser Zeolith wird im Monosorp System am ITW Stuttgart verwendet

Am EMPA Institut in der Schweiz wird ein Wärmespeicher basierend auf Sodiumhydroxid/Wasser entwickelt, der 2,6 GJ/m³ Wärme auf einem Temperaturniveau von 300°C speichern kann. Das Prinzip beruht auf der umkehrbaren Reaktion 2NaOH <=> Na2O + H2O
Diese Reaktion wurde um das Jahr 1920 herum in feuerlosen Dampflokomotiven verwendet.
Am Energieforschungszentrum der Niederlande (ECN, Energy Research Centre of the Netherlands) werden Salzhydrate und im Speziellen Magnesiumsulfat erforscht. Es wurde eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, um Materialien zu finden, welche die richtigen Eigenschaften für die Speicherung von Wärme unter 150°C besitzen. Die vielversprechendsten Materialien wurden in weiterer Folge hinsichtlich der Vorgänge bei der Wärmeaufnahmen und -abgabe untersucht. Abbildung 8 zeigt die charakteristischen Temperaturen, bei denen Magnesiumsulfat Wärme aufnimmt. Experimente ergeben eine Waermespeicherung des Materials von 2,1 GJ/m3.

Abbildung 7: Aufnahme mit einem Rasterelektronenmikroskop von Magnesiumsulfat MgSO4-7H2O

Abbildung 8: Hydriertes Magnesium wird langsam auf 300°C aufgeheizt und setzt Wasserdampf ab. Damit verliert es Masse.

Abbildung 9: Phasenübergangsmaterial Salzhydrat-Grafit (Quelle: IWT TU-Graz)

Ausblick

Sowohl im Annex 17, als auch im Task 32 kamen die Forscher zu der Erkenntnis, dass für die geforderten Speicher mit hoher Dichte noch neue Materialien entwickelt werden müssen. Daher wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe begründet, die im Jahr 2009 starten soll: der Task/Annex 42/24 mit dem Titel „Kompakte Wärmespeicher - Materialentwicklung für Systemintegration“. In dieser Arbeitsgruppe werden Experten aus der Materialforschung und Spezialisten von Wärmespeichern zusammenarbeiten. Im Rahmen des Task/Annex 42/24 wird eine große Anzahl von Einzelprojekten zusammengeführt, beginnend bei der Materialentwicklung von Zeolithen und Salzhydraten bis hin zur Errichtung von Pilotanlagen von Speichern.
Speicher mit hohen Energiedichten sind notwendig um zu erreichen, dass im Jahr 2030 der Energiebedarf im Wohnbereich zu 100% erneuerbar gedeckt werden kann. Aus diesem Grund müssen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in vielen Bereichen durchgeführt werden. Dies ist zu viel für ein Forschungsinstitut oder auch für ein Land. Regierungen, Forschungsinstitute, Industrie und andere Akteure müssen auf internationaler Ebene zusammenarbeiten.
In der strategischen Forschungsagenda der ESTTP wird eine Reihe von notwendigen Forschungsarbeiten aufgeführt. Der gemeinsame IEA Task ist nur einer von vielen notwendigen Schritten um die Entwicklung der kompakten Speicher auf die nächste Stufe zu heben.

Literatur

  • ESTTP Solar Heating and Cooling for a Sustainable Energy Future in Europe. Vision, Potential, Deployment Roadmap, Strategic Research Agenda, 2008. www.esttp.org
  • PREHEAT Heat Storage Technologies. Markets - Actors - Potentials. Work Package 4 report of the PREHEAT project. www.preheat.org
  • J.C. Hadorn (ed.) Thermal Energy Storage for Solar and Low Energy Buildings. State of the art by the IEA Solar Heating and Cooling Task 32. June 2005. ISBN84-8409-877-X
  • IEA task/annex 42/24 www.iea-shc.org/task42

*) Wim van Helden ist Bereichsleiter für solarthermische Systeme im Arbeitsprogramm „Energie in der gebauten Umwelt“ bei der ECN, Energy Research Centre of the Netherlands, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.ecn.nl/egon [^]

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