Zeitschrift EE

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2008-02: Sommerkomfort im Büro- und Verwaltungsbau

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: BOB Balanced Building in Aachen. Architektur: Hahn Helten Architekten (Aachen), Energiekonzept: VIKA Ingenieur GmbH (Aachen) (Quelle: Jörg Hempel, Aachen und VIKA Ingenieur GmbH Aachen)

Niedrigenergiegebäude mit einem energieoptimierten Gesamtkonzept aus Architektur, Bauphysik und Gebäudetechnik weisen einen geringen Heiz- und Kühlbedarf auf und können somit bei vergleichbarem Arbeitsplatzkomfort auf eine Vollklimatisierung und den Einsatz von Kältemaschinen zu Gunsten von Umweltenergie aus dem Erdreich, Grundwasser oder der Außenluft verzichten.

Heizen und Kühlen mit Thermoaktiven Bauteilsystemen und Umweltenergie

Von Doreen Kalz, Jens Pfafferott und Sebastian Herkel*

Diesem Trend folgend rücken thermoaktive Bauteilsysteme (TABS) in die engere Auswahl von Architekten und Ingenieuren, welche die Gebäudestruktur und die Speicherfähigkeit der Bauteile aktiv in das Energiemanagement des Gebäudes mit einbeziehen.
Bei den hier vorgestellten Nichtwohngebäuden aus dem Förderprogramm EnOB „Energieoptimiertes Bauen“ des BMWi sind thermoaktive Bauteilsysteme (Betonkern-, Kapillarrohrmatten- und Fußbodentemperierung) in Kombination mit natürlichen Wärmequellen bzw. -senken zentraler Bestandteil des Energieversorgungskonzeptes sowohl im Heiz- als auch im Kühlfall. Mit diesen Konzepten lässt sich ein hohes Einsparpotential an Primärenergie erschließen – Zielwert für den Primärenergiebedarf der EnOB Gebäude für Heizung, Kühlung, Lüftung und Beleuchtung liegt unter 100 kWh/(m²a) und ist damit bis um einen Faktor 3 geringer als im heute typischen Nichtwohnungsbau. Alle Demonstrationsgebäude werden in einer zweijährigen Monitoringphase in hoher Messwertauflösung hinsichtlich der operativen Raumtemperaturen und des Energiebezugs für Heizen, Kühlen und Lüftung vermessen. Die dargestellten Gebäude weisen unterschiedliche architektonische und planerische Ansätze auf, allen gemein ist aber der Verzicht auf eine flächendeckende Klimatisierung zu Gunsten der Nutzung von TABS und Umweltenergie.
Prinzipiell kann die Energiebereitstellung für die TABS auf alle Arten erfolgen, mit denen Heiz- und Kühlenergie üblicherweise in Gebäuden bereitgestellt wird. Doch der Vorteil von thermoaktiven Bauteilsystemen ist, dass man aufgrund der großen Wärme bzw. Kälte übertragenden Fläche bereits mit sehr kleinen Temperaturdifferenzen zwischen Decken- und Raumtemperatur effektiv heizen oder kühlen kann. In der Planung werden die Kühlwassertemperaturen auf einen Temperaturbereich von 18 bis 22°C und die Heizwassertemperaturen auf maximal 27 bis 29°C begrenzt. Also kann gut mit Umweltenergie geheizt und gekühlt werden. Im Winter wird das natürlich vorhandene Temperaturniveau der Umweltenergie durch eine Wärmepumpe noch geringfügig und damit wirtschaftlich günstig erhöht. Im Sommer wird das Erdreich bzw. das Grundwasser direkt als natürliche Wärmesenke zur Kühlung der Gebäude genutzt, sodass lediglich die Energie zur Verteilung der Kühlenergie, nicht aber zu deren Erzeugung, aufgewendet werden muss.

Abbildung 2: Blick auf die Geschoßdecke BOB Aachen (Quelle: Vika Ingenieur GmbH)

Wärmequelle und Wärmesenke

Die annähernd konstanten Temperaturen des tiefen Erdreichs (bis 100 m) können energetisch und betriebstechnisch besonders günstig genutzt werden für die (direkte) geothermische Kühlung/Heizung durch z.B. Erdwärmesonden oder Energiepfähle. Bei Erdwärmesonden handelt es sich in der Regel um zwei bis drei Doppelrohre aus Kunststoff mit 32 mm Durchmesser, die in ein 30 bis 100 m tiefes Bohrloch eingelassen werden. Durch dieses System wird Wasser gepumpt, welches je nach Jahreszeit Wärme an das Erdreich abgibt, oder Wärme aufnimmt. Energiepfähle sind Gründungspfähle eines Gebäudes, die bis 20 m in den Boden reichen und als Erdwärmesonden genutzt werden. Sowohl Erdwärmesonden als auch Energiepfähle nutzen die saisonale Wärmespeicherfähigkeit des Erdreichs oder Wärmeströme des Grundwassers.
Die jahreszeitlichen Temperaturschwankungen sind bis in Tiefen von 5 m messbar, darunter herrschen annähernd konstante Temperaturen. Bei einer entsprechenden Auslegung können Erdwärmesonden/Energiepfähle nicht nur im Sommer zur Kühlung, sondern im Winter auch als Wärmequelle genutzt werden, immer in der Kombination mit einer Wärmepumpe. Die wechselseitige Nutzung des Erdreichs als Speichermedium für den Heiz- und Kühlbetrieb unterstützt eine schnelle Regeneration des Erdspeichers, denn im Sommer wird Wärme in das Erdreich eingespeichert, welche im Winter dem Erdreich wieder entzogen wird. Damit wird die Effizienz des Gesamtsystems gegenüber einer nur einseitigen Nutzung (entweder Heizen oder Kühlen) gesteigert und eine langfristige Temperaturänderung im Erdboden vermieden.

Nutzung von Grundwasser

Auch Grundwasser mit seiner ganzjährigen Temperatur von 8 bis 12°C bietet als Wärmequelle bzw. -senke gute Bedingungen. Für die Nutzung wird bis in die wasserführenden Schichten gebohrt. Über eine Tauchpumpe wird einem Förderbrunnen Grundwasser entnommen, welches über einen Wärmetauscher Wärme bzw. Kälte an die TABS abgibt und über einen Schluckbrunnen wieder zurückgeführt wird. Grundwasser als Wärmequelle/-senke kann ganzjährig ohne zeitliche Einschränkung genutzt werden. Die Leistungsfähigkeit hängt primär von der Menge des zur Verfügung stehenden Grundwassers ab.
Die jährlich aus dem Erdreich bereitgestellte Energie der Demonstrationsgebäude liegt zwischen 90 und 265 MWh/a (Erdsonden) bzw. 118 bis 416 MWh/a (Grundwasser). Die spezifische Wärme- bzw. Kälteleistung liegt bei den Erdsonden in einer breiten Spanne zwischen 12 und 100 kWh/a pro laufender Meter. Bezogen auf die installierte Fläche der thermoaktiven Bauteilsysteme liegt die jährliche Kühlenergie zwischen 21 und 45 kWh/m²TABSa, bei einer spezifischen Kühlleistung zwischen 30 und 60 W/m²TABS.
Die Energieeffizienz der Geothermieanlagen wird durch den Hilfsstrombedarf bestimmt und ist damit in erster Linie von der elektrischen Leistungsaufnahme der Primärpumpe abhängig. Die installierte Pumpenleistung ist sehr unterschiedlich, wobei zwischen einem geschlossenen System (Erdsonden, Energiepfähle) mit 68 bis 150 Wh/m³Fluid und einem offenen System (Grundwasserbrunnen) mit 100 bis 200 Wh/m³ Fluid unterschieden werden muss. Der jährliche Energiebezug der Primärpumpen liegt zwischen 1 und 5 kWhel/m²a bezogen auf die gekühlte / beheizte Fläche. Bei den Grundwasseranlagen ist die Förderhöhe entscheidend, der Wärmetauscher sollte daher möglichst nah am Brunnenkopf installiert werden, um die geodätische Höhe zu verringern. Die Jahresarbeitszahlen der natürlichen Wärmequellen und –senken liegen für den Heiz- und Kühlfall bei 8 bis 10 kWhtherm/kWhel bzw. 2,7 bis 3,3 kWhtherm/kWhprim bezogen auf den Primärenergieeinsatz.

Thermischer Komfort

Der Verzicht auf aktives Kühlen im Sommer zu Gunsten der Kühlung mit Umweltenergie ist nur möglich, wenn Bürogebäude über einen sehr guten Wärme- und Sonnenschutz, reduzierte interne Lasten, eine ausreichende thermische Gebäudespeicherkapazität und eine luftdichte Gebäudehülle in Verbindung mit einer Grundlüftung verfügen.
Detaillierte Auswertungen zu den Gebäuden zeigen, dass durch Kühlung mit thermoaktiven Bauteilsystemen (im Speziellen Betonkernaktivierung) die geforderten Raumtemperaturen unter Berücksichtigung des Nutzerverhaltens (fast) immer eingehalten werden können. Auch im Winter kann die Betonkerntemperierung den thermischen Komfort ohne zusätzliche statische Heizflächen in diesen Gebäuden gewährleisten. Betrachtet man die mittlere operative Raumtemperatur zeigt sich, dass die Komfortkriterien für 90 % zufriedene Nutzer nur sehr selten und an einzelnen Stunden überschritten werden. Auch während höheren Außentemperaturen bewegt sich die mittlere Raumtemperatur in den geforderten Grenzen – eine mittlere Raumtemperatur von 27°C wird nie überschritten. Das Erdreich und das Grundwasser sind von der Außentemperatur weitgehend unabhängige Wärmesenken, die es ermöglichen, Gebäude auch bei höheren Außentemperaturen effektiv zu kühlen.

End- und Primärenergiebezug

Die meisten der untersuchten Demonstrationsgebäude unterschreiten bzw. erreichen den durch das Förderprogramm festgelegten Zielwert für den Primärenergiebezug von 100 kWhprim/m²a für die technische Gebäudeausrüstung und Beleuchtung. Neben der Beleuchtung und Lüftung entfallen 15 bis 29 % des Gesamtprimärenergieverbrauchs der Gebäude auf das Wärm-/ bzw. Kälteverteilsystem, d.h. die Pumpen im Primärkreis (Pumpe im Förderbrunnen und Pumpe des Erdwärmesondenfeldes) und im Sekundärkreis (Hauptverteil- und Umwälzpumpen). Bewertet man den Hilfsenergieaufwand gesondert im Primär- und Sekundärkreis lässt sich feststellen, dass der Energieaufwand des Primärkreises der Wärmesenke- bzw. –quelle annähernd so groß ist wie für den sekundären Verteilkreis. Dies weist deutlich auf ein großes Optimierungspotenzial in der Auslegung und Regelung der Wärme-/ Kälteverteilung der TABS-Systeme. Der Hilfsenergieeinsatz der Pumpen kann reduziert werden, wenn die Wärmesenke im Direktbetrieb genutzt wird.
Die Energieeffizienz der Systeme ist definiert durch die Jahresarbeitszahl (JAZ) und bestimmt sich aus dem Verhältnis von Wärme- bzw. Kälteabgabe und dafür benötigten elektrische Energie:

  • Im Kühlfall sind Jahresarbeitszahlen zwischen 10 und 18 kWhtherm/kWhel möglich. Wird zudem die Zuluftkonditionierung vom Betrieb der thermoaktiven Bauteilsysteme (vorrangig nachts) getrennt, kann das Erdwärmesondenfeld deutlich kleiner und damit kostengünstiger ausgelegt werden.
  • Im Heizfall nutzen die Gebäude die natürlichen Wärmesenken in Kombination mit einer Wärmepumpe mit Leistungszahlen zwischen 4,0 und 5,7 kWhtherm/kWhel. Wird in der Bewertung der Effizienz des Heizbetriebs zur elektrischen Leistungsaufnahme der Wärmepumpe auch noch der Energiebezug der Primär- und Speicherladepumpe herangezogen, ergeben sich Jahresarbeitszahlen zwischen 3,0 und 4,9 kWhtherm/kWhel.

Tabelle 1: Energiekonzept der EnOB Demonstrationsgebäude. Farbig hinterlegte Felder bedeuten, dass dieses Konzept angewendet wurde

Abbildung 3: Energie der Wärmequelle und –senke, Hilfsenergiebezug der Primärpumpe und Jahresarbeitszahl JAZ bei ausgewählten Demonstrationsgebäuden in verschiedenen Jahren.

Abbildung 4: Rohrregister zwischen oberer und unterer Bewehrung (Quelle: solares bauen GmbH)

Literatur

  • [1] Kalz, D. und Pfafferott. J. (2007): BINE Themeninfo: Thermoaktive Bauteilsysteme (TABS), FIZ Karlsruhe GmbH Bonn, ISSN 1610-8302.
  • [2] EnBau:Monitor: www.enbau_monitor.de
  • [3]Pfafferott, J., Herkel, S., Kalz, D. and Zeuschner, A. (2006): Comparison of low-energy office buildings in summer using different thermal comfort criteria. Proceeding, Windsor Conference on Comfort and Energy Use in Buildings, Windsor, UK.
  • [4] Voss, K., Löhnert, G., Herkel, S., Wagner, A. and Wambsganß, M. (2006): Bürogebäudemit Zukunft – Konzepte, Analysen, Erfahrungen, Solarpraxis Berlin, 2nd edition, ISBN-10: 3-934595-59-6.
  • [5] Voss, K., Herkel, S., Löhnert, G., Pfafferott, J. and Wagner, A. (2006): Energy Efficient Office Buildings with Passive Cooling – Results from a Research and Demonstration Programme. EPIC 2006 AIVC, 4th European Conference on Energy Performance & Indoor Climate in Buildings, Lyon France, p. 159-164.

*) Dipl.-Ing. Doreen Kalz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und beschäftigt sich mit thermoaktiven Bauteilsystemen.
Dr.-Ing. Jens Pfafferott ist Projektleiter „Energieeffiziente Kühlung“ am Institut.
Dipl.-Ing.
Sebastian Herkel ist Leiter der Gruppe für Solares Bauen im Geschäftsfeld Gebäude und technische Gebäudeausrüstung am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. http://www.ise.fraunhofer.de/ [^]

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