Zeitschrift EE

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2008-01: Erneuerbare Wärme und Kälte 2030

Nachhaltige Gebäude


Abbildung 1: Mehrfamilienhaus Gasen vor und nach der thermischen Sanierung (Quelle: Walter Bierbauer)

Das Mehrfamilienwohnhaus im Randbereich des Gemeindezentrums von Gasen wurde 1966 nach dem damaligen Stand der Technik errichtet. Es wurden vor der Sanierung erhebliche wärmetechnische Mängel festgestellt, die sich in einer erhöhten Schimmelbildung und erheblichem Kondensatanfall zeigten. Durch die hochwertige Modernisierung konnte der Heizenergiebedarf um 77 % gesenkt werden.

Hochwertige thermische Sanierung eines Mehrfamilienhauses in Gasen

Von Karl Höfler und Erwin Kaltenegger *

Bestandserhebung

Für eine nachhaltige und hochwertige Sanierung ist eine umfangreiche Erhebung des Bestandes des Gebäudes eine wesentliche Voraussetzung. Die Bausubstanz wurde im Jahre 1966 errichtet. Die Außenwände des Erdgeschoßes sind aus 40 cm und die der Obergeschoße aus 30 cm Hochlochziegelmauerwerk errichtet. Das Dachgeschoß ist unausgebaut und mit einem Satteldach versehen. Der mittlere jährliche Energieverbrauch für Heizung und Warmwasser wurde an Hand der zur Verfügung gestellten Verbrauchsdaten ermittelt (Tabelle 1).

 
Heizung
Warmwasser
Energieverbrauch (absolut)
70.000 kWh/a
7.000 kWh/a
Energieverbrauch (spezifisch) = Energiekennzahl
157 kWh/m²a
15,70 kWh/m²a
Energiekosten
0,056 Euro/kWh
0,056 Euro/kWh/a
Energiekosten (gesamt)
3.920 Euro/a
392 Euro/a

Tabelle 1: Angaben Bestand

Bewertung der Gebäudehülle

Die wärmetechnische Bewertung der Gebäudehülle erfolgte mittels Berechnung der U-Werte der einzelnen Bauteile (Tabelle 2). Zur einfachen Darstellung der thermischen Schwachstellen des Gebäudes bzw. zur Lokalisierung möglicher versteckter Baumängel wurden Thermografieaufnahmen der einzelnen Außenwände durchgeführt (Abbildung 2).

Bauteil
U-Wert
[W/m²K]
vorher
U-Wert
[W/m²K]
nachher
Außenwand
0,85 - 1,23
0,20
Oberste Geschoßdecke
1,50
0,24
Außenfenster
1,90
0,80
Innenwand zu unbeheiztem Keller
1,12
0,20
Kellerdecke
1,15
0,21
Decke über Außenluft
1,48
0,20
Erdanliegende Wand
0,85 - 1,23

0,18

Tabelle 2: Übersicht - Thermische Qualität der Gebäudehülle

Abbildung 2: Thermografieaufnahmen vor und nach den durchgeführten Sanierungsmaßnahmen (Quelle: Grazer Energieagentur)

Ausgehend von dem aktuellen energetischen Zustand des Gebäudes werden dazu nachfolgend mögliche Modernisierungsmaßnahmen zur Reduktion des Energiebedarfs beschrieben.

Durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen

Die erdanliegende Wand wurde außen mit 16 cm Dämmung versehen. Die Maßnahme ist zwar aufwändig, da das Erdreich vor dem Mauerwerk entfernt werden muss, jedoch meist eine „Sowieso-Maßnahme“, da eine nachträgliche Feuchtigkeitsabdichtung von außen oft notwendig ist. Die Dämmung der Kellerinnenwand und -decke an der unbeheizten Seite mit zumindest 16 cm Dämmstoff ist technisch einfach umsetzbar.
Die Dämmung der Außenwände und Deckenuntersichten wurde mit 16 cm WDVS durchgeführt. Dabei wurden auch die Fensterlaibungen außen ausreichend gedämmt. Im Zusammenhang mit einer Außenwanddämmung wurde auch der Einbau neuer Fensterkonstruktionen mit Wärmeschutzverglasungen (U=0,80 W/m²K) und Außentüren veranlasst.
Die Dämmung der obersten Geschoßdecken an der Deckenoberseite wurde mit einer Dicke von 14 cm durchgeführt, da die Durchgangshöhe des Dachbodens teilweise keine höhere Dämmdicke zuließ. Sinnvoll und wirtschaftlich wären jedoch Dämmdicken mit ca. 24 – 30 cm gewesen.

Umstieg auf Fernwärme

Eine besonders energieeffiziente und umweltfreundliche Maßnahme besteht im Umstieg auf eine Fernwärmeheizung. Die Maßnahme kann grundsätzlich technisch einfach umgesetzt werden, da die Fernwärmeübergabestation nur geringen Platz benötigt und an das bestehende Wärmeabgabesystem angeschlossen werden kann.

Thermostatventile an Heizkörpern

Thermostatventile regeln die Wärmeabgabe der Heizkörper automatisch. Die Wärmeabgabe wird je nach Raumtemperatur geregelt, wodurch ein Überhitzen des Raumes vermieden wird. Beide Maßnahmen wurden bei diesem Projekt bereits realisiert.

Einbau von Lüftungsgeräten

Frische und saubere Luft ist unverzichtbar für ein gesundes und behagliches Wohnen. Die Installation einer Raumlüftung ist aus Komfort-, Hygiene- und energetischen Gründen meist sinnvoll. Sie bietet einen zusätzlichen Schall- und Pollenschutz und trägt zur Reduzierung der Schimmelpilzgefahr wesentlich bei. Der gewünschte Luftwechsel wird automatisch sichergestellt.

Abbildung 3: Einzelraum-Lüftungsgerät von Meltem (Quelle: Meltem)

Durch die Möglichkeit der Wärmerückgewinnung kann aus dem Abluftstrom Heizenergie eingespart werden. Die Lüftungsverluste werden dadurch wesentlich reduziert. Da nachträgliche Zentrallüftungskonzepte bei bestehenden Gebäuden einen hohen Installationsaufwand verursachen können, wurde hier eine dezentrale Lösung umgesetzt. Dabei werden Wandgeräte direkt an der Außenwand eingebaut. Lüftungsleitungen für den Transport der Luft sind somit nicht erforderlich.

Einsparungspotenziale

Als ein sehr gewichtiges Entscheidungskriterium wurden die künftig zu erwartenden Jahresheizkosten im Vergleich mit den Investitionskosten gesehen, wobei sich in diesem Fall in ca. 21 Jahren die gesamten energetisch relevanten Investitionen durch die Heizkosteneinsparungen amortisieren werden. Ab diesem Zeitpunkt kommt das Mehrfamilienhaus in die „Gewinnzone“.
Die konkrete Umsetzung der ökoeffizienten Gebäudemodernisierung im Mehrfamilienhaus Gasen zeigt, dass es sich dabei nicht um eine ferne Utopie, sondern um ein bereits heute realistisch umsetzbares Konzept handelt, welches Dank der Verfügbarkeit von Passivhauskomponenten sogar wirtschaftlich vernünftig und ratsam ist.
Es zeigte sich eindeutig, dass die effektiven thermischen Sanierungsmaßnahmen an der Außenwand, den Außenfenstern, an der obersten Geschoßdecke und in der Reduktion der Lüftungsverluste zu treffen sind. Somit konnte mit den beschriebenen Maßnahmen rechnerisch eine Energieeinsparung von 77% auf 36 kWh/m²a erzielt werden (siehe Abbildung 4). Die errechneten zukünftigen Energiekosten können dadurch wesentlich von 3.920 Euro/a auf 900 Euro/a reduziert werden.
Neben den erwarteten zukünftig niedrigen Betriebskosten ist eine wesentliche CO2-Reduktion zu erwarten und somit ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz gegeben (Abbildung 5).

Abbildung 4: Senkung des Energiebedarfs von 157 auf 36 kWh/m²a um 77%

Abbildung 5: Reduktion der CO2-Emissionen um 2500 kg pro Jahr

Bewertung der Maßnahmen

Bei der Umsetzung der umfassenden hochwertigen Modernisierung muss das erste Ziel sein, ein behagliches Raumklima für die Bewohner zu schaffen. Dies erfolgte einerseits durch die umfangreiche thermische Sanierung der Gebäudehülle und andererseits durch den Einbau einer mechanischen dezentralen Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Somit konnte der Energieverbrauch und die CO2-Belastung wesentlich reduziert werden.
Die MieterInnen wurden von Beginn an aktiv in das Projekt eingebunden. Dadurch wurde die Modernisierung von allen mitgetragen. Die BewohnerInnen nahmen die Sanierung extrem positiv auf und sind bis heute sehr zufrieden mit den Gesamtmaßnahmen.
Ein vorrangiges Ziel war es eine hohe Wohnqualität bei geringsten Betriebskosten und somit auch eine nachhaltige Steigerung des Gebäudewertes zu erreichen.

Abbildung 6: Lüftungsauslass im Wohnraum (Quelle: Walter Bierbauer)

*) Dr. Karl Höfler ist Leiter der Abteilung für Nachhaltige Gebäude bei der AEE INTEC in Gleisdorf, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Dipl.-Ing.
Erwin Kaltenegger ist Architekt in Passail und beschäftigt sich seit 15 Jahren mit nachhaltigem, energieoptimierten Bauen und Sanieren von Gebäuden, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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