Zeitschrift EE

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2007-02: Hochwertige Sanierung von Gebäuden

Nachhaltige Gebäude

Baudenkmale zu erhalten bedingt eine funktionelle verbunden mit einer baukonstruktiven Ertüchtigung. Darüber hinaus tragen die energetische Verbesserung der Gebäudehülle und der Einsatz neuer Technologien und erneuerbarer Energiequellen zur Emissionsminderung und zum Erhalt umweltgeschädigter Baudenkmale bei. Die Bewahrung und Pflege von Bau-denkmalen dient der Ressourcensparung im Sinne des Umweltschutzes..

Denkmal und Energie
- Praxisorientierte Forschung an der Technischen Universität Dresden

Von Susanne Rexroth*

Die beiden Zielvorgaben - Erhalt der Baudenkmale bei gleichzeitiger Senkung des Energieverbrauchs und Verbesserung des Raumkomforts - lassen sich in der Praxis häufig nur schwer vereinen. Denkmalschützer und Planer geraten in eine Konfliktsituation, vor allem, wenn neuartige Technologien, Systeme oder Komponenten angewendet werden sollen.

Problemstellung und Forschungsansätze

Baudenkmale sind komplexe Gebäude mit einer hohen Anzahl von Planungsfaktoren und Schnittstellen. Die heterogenen Interessen und komplexen Strukturen bei den Entscheidungsträgern fordern eine integrale, interdisziplinäre planerische Auseinandersetzung. Das Forschungsprojektkonsortium im Projekt „Denkmal und Energie“ besteht deshalb aus Partnern verschiedener Fachdisziplinen, so dass alle Akteure und Entscheidungsträger am Projektverlauf und dessen Ergebnissen angemessen beteiligt sind. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und der Energiefonds Berlin der e.on fördern das Projekt.
Im Vordergrund stehen die Bewertung von Maßnahmen und Technologien zur Verbesserung der Energieeffizienz von Baudenkmalen. Sie erfolgen am Beispiel von abgeschlossenen Bauprojekten (so genannte Beispielprojekte), in Form einer Intensivevaluation von Referenzprojekten, die sich durch ihre Beispielhaftigkeit auszeichnen, und an zwei Demonstrationsprojekten aus dem Schul- und Wohnungsbau in der Planungs- und Ausführungsphase.

Abbildung 1: Blick in das Foyer

Energetische Optimierung

Die Probleme der Nutzbarkeit eines Baudenkmals aus denkmalpflegerischer Sicht liegen im Grundkonflikt zwischen aktuellen Funktionen, die häufig eine energetische Sanierung bedin-gen, und tradierter Bedeutung des Gebäudes. Neben Kriterien der Denkmalpflege bestim-men auch Kriterien der Bauphysik, Baukonstruktion, Gebäudetechnik und Ökologie die Zweckmäßigkeit der Eingriffe.
Die zweihundertjährige Geschichte der Denkmalpflege zeigt, dass die Erhaltungsmethoden nicht einem einzigen, dauerhaften Grundsatz unterworfen waren, sondern meist durch das jeweilige Zeitverständnis oder durch historische Ereignisse beeinflusst wurden. Es kommt also darauf an, die historischen Gebäude in das moderne Leben einzubinden, was sinnvoll nur möglich ist, wenn man Denkmälern eine angemessene funktionale und ideelle “Aufgabe” im Kontext der heutigen Betätigungen und Anforderungen des Menschen zuweist (Neubelebung) und sie umsichtig an die Erfordernisse unserer Zeit anpasst (Sanierung).
Wesentlich für die Bewertung von Veränderungen aus denkmalpflegerischer Sicht sind dabei die Fragen nach den Denkmaleigenschaften, der Unversehrtheit des baulichen Bestandes und der Reversibilität der Maßnahmen am Baudenkmal. Weiteres Augenmerk muss auf das Verhältnis zwischen dem Baudenkmal und seiner Umgebung sowie auf die verträgliche Nutzung für die Zukunft und auf das Verhältnis der Öffentlichkeit zum Baudenkmal nach der Durchführung der Maßnahme gerichtet werden.
Veränderungen am Baudenkmal zu genehmigen oder abzulehnen ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Übertragbar sind jedoch die Problemstellungen und Lösungsansätze.
So weisen beispielsweise Wohnungssiedlungsbauten der Klassischen Moderne baukon-struktive Typisierungen und damit verbundene bautechnische Schwachstellen auf. Ähnliches gilt für die Bauweise von Wohnungsbauten der Nachkriegsmoderne. Auch bestimmte Nutzungsanforderungen lassen sich übertragen. Dies gilt für die Fortnutzung von Baudenkmalen als Schulen (raumklimatische Belastungen) oder Museen wie zum Beispiel das Zeughaus in Berlin, heute Deutsches Historisches Museum (Abbildung 2) mit spezifisch hohen Anforderungen an das Raumklima.

Abbildung 2: Ehemaliges Zeughaus, heute Deutsches Historisches Museum Berlin.
(Foto: Brenne Architekten Berlin)

Nutzungsbedingte Anforderungen an das Baudenkmal

Historische Museumsbauten aus Barocker oder Wilhelminischer Zeit, zumeist museal genutzte Schlösser und Herrenhäuser, erscheinen veraltet und ohne ausreichendes Potenzial für ein zukunftsfähiges Museum. Da es sich bei diesen Gebäuden fast immer um Baudenkmäler handelt, ist der Handlungsspielraum beim Umbau eingeschränkt. Die wertvolle historische Bausubstanz verbietet massive Eingriffe. Gerade die hohen gebäudetechnischen Nutzungsanforderungen, die ein zeitgemäßer Museumsbetrieb mit sich bringt, im besonderen die Bereitstellung der Technik zur Klimatisierung, zur Sicherung des Ausstellungsgutes, für die Beheizung, Belichtung und Lichtführung, den Brandschutz oder für den behindertengerechten Ausbau, bereiten erhebliche Probleme und verlangen gebäudebezogene Sonderlösungen.

Beispielprojekt Deutsches Historisches Museum Berlin

Von 1695 bis 1706 als preußisches Waffenarsenal und Kriegsmagazin erbaut, erfuhr das ehemalige Zeughaus, heute Deutsches Historischen Museus (DHM) nach Gründung des Deutschen Reiches 1871 durch Kaiser Wilhelm I einen gravierenden Umbau mit einer Glasüberdachung des Innenhofes und einer kuppelbekrönten Ruhmeshalle im Obergeschoß des Nordflügels. Nach der enormen Kriegszerstörung, bei der nur die Außenwände des Zeughauses erhalten blieben, ging die zweite Veränderung mit dem Wiederaufbau durch die DDR in den Jahren 1949 bis 1965 einher. Die Fassaden wurden zwar restauriert, jedoch erhielt das Innere eine völlig neue Konstruktion und Gebäudestruktur. Als Museum für Deutsche Geschichte war das Gebäude bis 1990 in Betrieb, ehe es dann nach der Wiedervereinigung vom DHM übernommen wurde.
Die Qualitäten des Altbaus für eine museale Nutzung liegen in seiner quadratischen Grundform mit einem zentralen Innenhof und weiten Ausstellungsflächen, bedingt durch die dreischiffigen Gebäudeflügel mit einer Länge von 90 m. Die Nutzung als Museum für Deutsche Geschichte in der DDR hatte diese Qualitäten durch Zwischenwände und Verdunkelung der Fenster unkenntlich werden lassen. Konsequent sah das Konzept zur Nutzung des Gebäudes für die Dauerausstellung des DHM den Umbau des Hauses zu einem Tageslichtmuseum vor.

Interdisziplinäre Konzeptentwicklung

Das ursprüngliche Umbaukonzept sah vor, dass - neben einer zentralen Klimatisierung - alle Versorgungsleitungen durch abgehängte Decken und aufgeständerte Böden führen sollten. Dies hätte einschneidende Veränderungen im Raumeindruck und auch Konsequenzen für die Bausubstanz zur Folge gehabt.
Als die „Kunst des kleinstmöglichen Eingriffs“ beschreibt Winfried Brenne von Brenne Architekten Berlin seinen Entwurfs- und Planungsansatz beim Umbau des Zeughauses zu einem modernen Ausstellungsgebäude.
Zusammen mit den Klimaingenieuren von Transsolar in Stuttgart entwickelte er ein Klimakonzept, das eine neuartige, dezentrale Raumklimatisierung vorsah. Mit dieser Idee gingen sie siegreich aus einem Architektenwettbewerb hervor und erneuerten grundlegend die völlig unbefriedigende vorhandene Gebäudetechnik – allerdings unter Nutzung der Besonderheiten des Gebäudes, so dass daraus wenig sichtbare Spuren und damit wenig Veränderungen einhergingen. Das betrifft die Klimatisierung ebenso wie die hohen Anforderungen an die Sicherheits- und Brandschutztechnik.

Dezentrale Klimatisierung

Das Fassadenkonzept der Restaurierung des Zeughauses sah einen Erhalt der historischen Fenster vor. Für die Montage der Klimatechnik standen somit die Fensternischen mit Ausrichtung nach außen und zum Innenhof mit einer Breite von 2 m und einer möglichen Einbautiefe von 1,2 m zur Verfügung. Die direkte Frischluftzufuhr konnte auf kurzem Wege über einen Mauerdurchbruch und isolierten Lüftungsschlitz bereitgestellt werden.
Die gesamte Technik wurde in einem ca. 50 cm hohen und die gesamte Nischenbreite einnehmenden Kasten untergebracht, welcher visuell in den Hintergrund tritt. Eine dem historischen Fenster nachgeordnete, raumseitige Verglasung übernimmt neben den Sicherheitsfunktionen für das Gebäude auch einen Anteil des Strömungskonzeptes der Klimatisierung. Sämtliche Zu- und Steuerungsleitungen konnten verdeckt in Wandschächten untergebracht werden (Abbildung 3). Jeweils ein Wandschacht versorgt zwei Fensterachsen.
Der Einbau an der Außen- und Hoffassade hat zur Folge, dass sich die 25 m Raumtiefe in zwei 12,5 m lange Bereiche teilen. Die Steuerung basiert auf einer Messdatenerfassung, die zentral mehrere Klimageräte regelt und somit einzelne Klimazonen ermöglicht.
Die entscheidende Neuerung dieses Konzeptes war die Umsetzung der gestellten Anforde-rungen zum Schutz der Exponate für Räume mit großer Deckenhöhe und Raumtiefe. Bei den Klimageräten handelt es sich um die Kombination bestehender Einzelkomponenten zu einem neuartigen System, das durch ein neues Strömungskonzept mit Quell- und Umluftströmungen und einer intelligenten, auf Messwerten beruhenden Steuerung, komplettiert wurden.

Abbildung 3: Fensternische mit Kleinklimaanlage (Foto: Brenne Architekten Berlin)

In Simulationen und nachfolgenden Modellversuchen im Versuchslabor der LTG Aktiengesellschaft und vor Ort, konnte sichergestellt werden, dass in verschiedenen Betriebszuständen die geforderten klimatischen Bedingungen sowie die erforderlichen Heiz- und Kühlleistungen erbracht werden können.
Um sowohl die Anforderungen an eine konstante räumliche Temperatur- und Feuchteverteilung bei gleichzeitiger Außenluftzufuhr in die gesamte Raumtiefe zu gewährleisten, wurde ein Konzept aus kombinierter Quell- und Mischlüftung angewendet (Abbildung 4).

Abbildung 4: Simulierte Thermographie unterschiedlicher Betriebszustände

Bei der Quelllüftung wird die angesaugte Außenluft mit 2 - 3 °C Untertemperatur impulsarm in den Raum geblasen und schiebt sich bodennah nahezu turbulenzfrei in die Raumtiefe. Die Mischlüftung saugt Raumluft aus 4 m Höhe durch den zwischen historischem Fenster und neuer Glasebene entstehenden Ansaugschacht und gibt sie konditioniert über ein Lightshelf geführt in den Raum ab. Die Strömungsführung verhindert einen Kurzschluss zwischen der Ansaugung und Ausblasung. Die Fortluft wird über eine zentrale Anlage im Dachgeschoß abgeführt. Auf eine Wärmerückgewinnung wurde aus diesem Grund verzichtet.

Kosteneinsparung und Nutzflächengewinn

Das dezentrale Klimakonzept hat gegenüber den herkömmlichen Konzepten bedeutende Raumbedarfsvorteile. Die Nischenlösungen passen sich dezent in das Gesamtbild der Raumgestaltung ein. Die Unterbringung eines für Tageslichtmuseen notwendigen Sonnenschutzes war durch geringen Mehraufwand möglich. Die Versorgungsleitungen konnten in platzsparenden Versorgungsschächten verdeckt verlegt werden. Großflächige Luftverteilersysteme sind im Gegensatz zu einer zentralen Klimatisierungslösung nicht notwendig.
Eine Anlage zur zentralen Klimatisierung würde eine Fläche von ca. 250 – 300 m² zusammenhängend beanspruchen. Zusätzlich wären Lüftungsschächte nötig, die das gesamte Gebäude erschließen, sowie eine abgehängte Decke oder Zwischenböden.
Die vergleichende Kostenkalkulation auf Grundlage einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zeigt, dass in diesem Projekt die dezentrale Nischenlösung im Vergleich zur zentralen einen jährlichen Kostenvorteil von etwa 180.000 € ermöglicht.
Diese Tatsache, dass sowohl die Investitionskosten als auch die Unterhaltungs- und Betriebskosten für die gewählte innovative technische Gebäudeausrüstung nicht nur jedem Vergleich standhalten, sondern sich sogar günstig darstellen, ist wichtig für Bauherrn und Nutzer. Die Nutzfläche, die bei herkömmlichen Konzepten für die Gebäudetechnik abgetreten werden muss, konnte als zusätzliche Fläche zur Verfügung gestellt werden.

Fazit

Die heutigen Anforderungen an ein modernes Museum sind aufgrund ansteigender Besucherzahlen und die versicherungstechnischen Auflagen an das Klima in Museen zum Schutz der Exponate enorm gestiegen.
Während der Umgestaltung und Sanierung eines der ältesten Gebäude von Berlin, dem ehemaligen Zeughaus, wurde bis 2004 für das Deutsche Historische Museum auf 10.000 m² eine voll klimatisierte Museumsfläche realisiert. Der Einbau der Klimatechnik war unter Einhaltung aller Beschränkungen des Denkmalschutzes mit höchsten Anforderungen hinsichtlich der Konstanz der Luftzustandsgrößen in den mit über 6 m Raumhöhe und 25 m Raumtiefe sehr großen Ausstellungsräumen zu realisieren. Ein konventioneller Ansatz, die Klimatechnik in den Decken und Böden unterzubringen, hätten sich aufgrund der geschützten Substanz schwierig gestaltet.
Das Projekt ist ein gelungenes Beispiel, wie durch den Einsatz moderner Technik und innovativer Konzepte der Erhalt des Erscheinungsbildes und der Bausubstanz historischer Gebäude auch unter schwierigen Bedingungen realisiert werden kann. Neben den Kostenvorteilen bietet das System der dezentralen Klimatisierung einen reduzierten Energieverbrauch.

*) Dr.-Ing. Architektin Susanne Rexroth ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität Dresden, Institut für Baukonstruktion, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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