Zeitschrift EE

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2005-03: Solare Prozesswärme

Thema

Betrachtet man den Energieverbrauch der Sektoren Industrie, Transport, Haushalte und den Dienstleistungssektor, so wird deutlich, dass in den OECD-Ländern die Industrie, knapp gefolgt vom Transport mit rund 30% den höchsten Anteil am Energieverbrauch aufweist. Bedingt durch die Tatsache, dass fossile Energie billig und scheinbae unbegrenzt zur Verfügung stand, wurden bisher in Gewerbe- und Industriebetrieben nur bescheidene Anstrengungen unternommen, fossile Energieträger durch erneuerbare zu ersetzen.

Solarwärme für industrielle Prozesse

Von Werner Weiß*

Die Nutzung der Sonnenenergie für gewerbliche und industrielle Produktionsprozesse sowie zur Beheizung von Produktionshallen blieb bisher auf wenige Anwendungen beschränkt. Die bis zum Ende des Jahres 2004 weltweit installierte Kollektorfläche von ca. 148 Millionen Quadratmetern, mit einer Leistung von rund 104 GWth wurde nahezu ausschließlich zur Warmwasserbereitung und Raumheizung im Wohn- und Beherbergungsbereich sowie für die Beheizung von Schwimmbädern eingesetzt /1/.
Um den Sektor Industrie für solarthermische Anwendungen zu erschließen, werden im Rahmen eines von der AEE INTEC geleiteten IEA Projektes (Task 33/IV) Potenzialstudien erstellt, Mitteltemperaturkollektoren entwickelt, sowie systemtechnische Lösungen zur Integration von Solarwärme in industrielle Prozesse untersucht. Darüber hinaus werden in Zusammenarbeit mit der Solarindustrie Demonstrationsprojekte realisiert.
Task 33/IV ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Solar Heating and Cooling Programm und dem SolarPACES Programm der Internationalen Energieagentur (IEA), an dem sich 16 Institute und 11 Firmen aus acht Ländern beteiligen. Die Beteiligung der österreichischen Experten wird vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie finanziell unterstützt.

Industrieller Niedertemperaturbedarf

Eine erste Aufgabe der Task 33/IV war es, das Potenzial für solare Prozesswärme zu untersuchen, die existierenden Anlagen zu dokumentieren und Anwendungsbereiche sowie Erfahrungen, die mit den Anlagen gemacht wurden, zu analysieren.
Die bisher für die drei Länder Spanien, Portugal und Österreich vorliegenden Potenzialstudien zeigen, dass der industrielle Wärmebedarf im Niedertemperaturbereich, der solarthermisch deckbar wäre, bei rund 26 PJ liegt (technisch umsetzbares Potenzial) /2/. Selbst wenn es nur gelingt, 10% dieses Potenzials in den kommenden Jahren zu erschließen, was nur 1,2% des industriellen Niedertemperaturbedarfs dieser drei Länder entspricht, dann wäre dafür die Installation einer Leistung von 1,4 GWth, entsprechend zwei Millionen Quadratmetern Kollektorfläche erforderlich.

Stand der Anwendung

Weltweit wurden im Rahmen der Task 33/IV mehr als 60 Anlagen mit einer installierten Leistung von 42 MWth, entsprechend 60.000 m² Kollektorfläche im Industrie- und Gewerbebereich dokumentiert /3/.
Wie aus Abbildung 1 ersichtlich ist, sind derzeit die wesentlichen Einsatzbereiche für solarthermische Anlagen in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, in der Textil- und Chemieindustrie sowie bei einfachen Waschprozessen wie z. B. Autowaschanlagen. Dies liegt vor allem an den Temperaturniveaus, die für die Prozesse dieser Branchen erforderlich sind. Die notwendigen Prozesstemperaturen liegen im Bereich von 30°C bis maximal 90°C, weshalb hauptsächlich Flachkollektoren eingesetzt werden, die bis zu diesem Temperaturbereich einen guten Wirkungsgrad aufweisen. Neben der Prozesswärmebereitstellung wird Solarwärme auch zur Beheizung von Produktionshallen genutzt.

Abbildung 1: Bisher dokumentierte thermische Solaranlagen in verschiedenen Sektoren /3/

Aus Tabelle 1 ist ersichtlich, dass in den dargestellten Branchen neben Niedertemperaturprozessen bis 80°C auch ein beachtliches Potenzial im mittleren Temperaturbereich bis ca. 250°C erschließbar wäre.

Tabelle 1: Prozesse mit dem größten Potenzial für solarthermische Anwendungen

Industriesektor Prozess Temperaturniveau [°C]
Lebensmittel und Getränke Trocknen 30 - 90
Waschen 40 – 80
Pasteurisieren 80 – 110
Kochen 95 – 105
Sterilisieren 140 – 150
Wärmebehandlung 40 – 60
Textilindustrie Waschen 40 –80
Bleichen 60 – 100
Färben 100 – 160
Chemieindustrie Kochen 95 – 105
Destillieren 110 – 300
Div. chem. Prozesse 120 - 180
Alle Sektoren Vorwärmung von Kesselwasser 30 – 100
Beheizung von Industriehallen 30 – 80

Entwicklung von Mitteltemperaturkollektoren

Da die derzeit verfügbaren Kollektoren entweder das erforderliche Temperaturniveau nicht mit entsprechendem Wirkungsgrad erreichen, oder wie im Fall der Parabolrinnenkollektoren sich die Optimierung bisher vor allem an den Erfordernissen von solarthermischen Kraftwerken orientierte, werden im Rahmen der Task 33/IV drei Kategorien von Mitteltemperaturkollektoren (Arbeitstemperatur von 80 bis 250°C) entwickelt:

  • Flachkollektoren mit Mehrfachverglasung mit Antireflex-Beschichtung
  • Stationäre CPC-Kollektoren und
  • kleine Parabolrinnenkollektoren
  • Linear konzentrierende Fresnelkollektoren

Eine ausführliche Darstellung des Entwicklungsstandes ist im Beitrag von Matthias Rommel in dieser Ausgabe der „erneuerbare energie“ zu finden.

Integration von Solarwärme in industrielle Prozesse

Da Solaranlagen für die Bereitstellung industrieller Prozesswärme sehr schnell eine Größenordnung von 500 bis 1000 m² Kollektorfläche erreichen, stellt dies eine neue Herausforderung an die Systemtechnik und insbesondere an das Stillstandsverhalten der Anlagen dar, da damit gerechnet werden muss, dass Anlagen über Wochenenden oder in Betriebsferien nicht genutzt werden.
Eine weitere Herausforderung ist die Integration von Solarwärme in industrielle Prozesse selbst. Bei der Nutzung von thermischer Solarenergie müssen das Temperaturniveau, die zur Verfügung gestellte Wärme, die Abhängigkeit der Solarenergie von tages- und jahreszeitlichen Schwankungen sowie das Wärmebedarfsprofil der industriellen Anwendung in Betracht gezogen werden.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurden mehr als 20 systemtechnische Konzepte entwickelt, die den unterschiedlichen Anforderungen der Wärmeträger (Luft, Wasser-Glykol, Druckwasser oder Dampf), den Temperaturniveaus und den zu versorgenden Prozesse entsprechen. Diese Konzepte werden nun in Demonstrationsanlagen umgesetzt und erprobt.
Die folgenden drei beispielhaften Anwendungen sollen einen Einblick in die Bandbreite der industriellen Anwendungen vermitteln.

Solare Trocknung

Die Trocknung von Papier, von Textilien nach Färbeprozessen, von Holz oder von Lebensmitteln kann durch unterschiedliche Trocknungsverfahren erreicht werden. Diese reichen von einfacher Lufttrocknung unter freiem Himmel bis hin zu komplexen mechanischen Verfahren (Pressen, Zentrifugieren, Vakuumtrocknung) oder thermischen Trocknungsmethoden. Vor allem im Bereich der thermischen Trocknungsverfahren gibt es ein enormes Potenzial für die Einkopplung von Solarwärme.
Neben dem geforderten Temperaturniveau und Medium sind bei der Nutzung von Solarenergie aber auch die geforderten Drücke, der Feuchtegehalt des Trockengutes sowie der Anlagenbetrieb von entscheidender Bedeutung. Je nach Anwendungsfall werden Trocknungsprozesse im sog. „Batch-Betrieb“ oder kontinuierlich betrieben. Trocknung im Batch-Betrieb erfolgt üblicherweise nur bei kleinen Produktionsmengen, wie beispielsweise im Lebensmittelbereich. Dieser kann bedingt durch Erntezeiten zudem auch starke saisonale Spitzen aufweisen.
Kontinuierliche Trocknungsverfahren mittels Trommel- oder Bandtrockner werden überwiegend in der Papier- und Textilindustrie eingesetzt, wo hohe Durchsatzleistungen und Geschwindigkeiten gefordert sind. Die Beheizung dieser Anlagen erfolgt üblicherweise über ein Dampfnetz.

Ein Anwendungsbereich, der für Einkopplung von Solarenergie ein großes Potenzial aufweist, ist die Lebensmittelindustrie, wo üblicherweise zur Trocknung Temperaturen zwischen 30 und 80°C erforderlich sind.
Beispielhaft wird hier eine Kaffeetrocknungsanlage vorgestellt, die im Rahmen eines IEA Projektes in Costa Rica errichtet wurde. Zahlreiche Anlagen mit ähnlichem Systemkonzept wurden in den USA, in Südamerika, in China und Indien für die Trocknung von Tee, Mais und Tabak von einer kanadischen Firma errichtet /5/.

Bei diesem einfachen Systemkonzept wird die im Luftkollektor erwärmte Luft zur Vorwärmung der Zuluft für den Biomassekessel genutzt. Da die Anlage ohne Speicher betrieben wird, betrug der Systempreis dieser Anlage inkl. Montagekosten nur rund 100 Euro pro Quadratmeter installierter Kollektorfläche.

Abbildung 2: Solare Kaffeetrocknung in Coopeldos, Costa Rica, Installierte Leistung: 595 kWth (850 m² Solar Wall Kollektor). Links: Kollektordach, rechts: Warmluftkanal vom Kollektor.

Waschprozesse kommen vor allem in der Lebensmittel- und Textilindustrie sowie im Transportsektor vor. Für die meisten dieser Reinigungsprozesse liegen die geforderten Temperaturen zwischen 40 and 90°C, daher bieten sie optimale Einsatzbereiche für konventionelle Flach- und Vakuumröhrenkollektoren. Das Systemkonzept für derartige Anwendungen kann ähnlich ausgeführt werden wie bei großen Anlagen zur Warmwasserbereitung im Wohnbereich. In den meisten Fällen wird das Wasser nach dem Reinigungsprozess nicht direkt wieder verwendet. Eine Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser sollte je nach Temperaturniveau, das noch zur Verfügung steht, in Erwägung gezogen werden.
Einsatzbereiche, wo enorme Warmwassermengen erforderlich sind, sind Flaschenwaschmaschinen in der Lebensmittelindustrie, Waschprozesse von Textilien und das Waschen von Transportbehältern (Tanks und Container) im Transportsektor.
Ein großes Potenzial wird darüber hinaus bei Molkereien gesehen. Für österreichische Molkereien wurden bisher sehr vielversprechende Vorstudien für diesen Sektor durchgeführt. Die Leistung der Solaranlagen in diesem Sektor liegen in einer Größenordnung von 1 bis 10 MWth, wie auch eine von mehreren bereits realisierten Anlagen aus Griechenland zeigt. Die Solaranlage auf der Molkerei Tyras in Trikala hat eine installierte Leistung von 730 kWth (1040 m²). Der durchschnittliche Jahresertrag der Anlage liegt bei 700 MWh bei einem solaren Anteil am Gesamtwärmebedarf von knapp 7%. Die Gesamtinvestitionen für die Solaranlage beliefen sich auf 172.500 Euro, was einem Systempreis von 166 Euro pro Quadratmeter installierter Kollektorfläche entspricht. Durch die Förderquote von 50%, wurde auch die von der Industrie geforderte kurze Amortisationszeit erzielt.

Abbildung 3: Die Solaranlage mit 1040 m² versorgt die Waschprozesse der Molkerei Tyras in Trikala, Griechenland

Destillation und chemische Prozesse

Um auch Prozesstemperaturen zwischen 120 und 250°C solarthermisch bereitstellen zu können, werden in mehreren Projekten Parabolrinnenkollektoren mit kleinen Abmessungen entwickelt und in Pilotanlagen erprobt. Der Wärmeträger in diesen Systemen ist entweder Druckwasser oder Dampf.
Eine erste Demonstrationsanlage für eine Anwendung im industriellen Mitteltemperaturbereich wurde im Jänner 2004 für den Pharmabetrieb „El NASR Pharmaceutical Chemicals“ in Ägypten errichtet und in Betrieb genommen.

Abbildung 4: 1,33 MWth (1900 m²) Parabolrinnen-Kollektoranlage für „El NASR Pharmaceutical Chemicals“ in Ägypten (Foto: Fichtner Solar GmbH)

Die Anlage besteht aus zwei hydraulischen Kreisen mit je 36 Parabolrinnenkollektoren. Mit einer Kollektorfläche von 1900 m² werden 1,3 Tonnen Sattdampf (173 °C und 8 bar) pro Stunde produziert. Der Sattdampf wird in das bestehende Dampfnetz des Pharmabetriebs eingespeist, das mit einem Druck von 7,5 bar betrieben wird.
Um die Leistungsunterschiede zu ermitteln, wurde ein Teil der Parabolrinnen (Kreis 1) an der Frontseite mit einer Glasabdeckung versehen, der zweite Kreis hat keine Glasabdeckung. Die Anlage wurde von der Firma Fichtner Solar GmbH aus Deutschland geplant und über den African Development Fund finanziert.

Tabelle 2: Prozessbeschreibung und Anlagenschema der Demonstrationsbeispiele

Literatur:
/1/ Weiss, W. et.al: Solar Heating Worldwide, Markets and contribution to the energy supply, IEA Solar Heating and Cooling Programme, Internal paper 2005
/2/ Müller, T. et.al.: PROMISE – Produzieren mit Sonnenenergie, Projekt im Rahmen der Programmlinien „Fabrik der Zukunft“ des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, Endbericht, Gleisdorf, 2004
/3/ Schweiger, H.: Task 33/IV Industry Newsletter 1, 2004
/4/ Weiss, W., Schweiger, H., Battisti, R.: Market potential and system designs for industrial solar heat applications, Proceedings, estec Conference, Freiburg, 2005
/5/ Lorriman, D.: Annual report – IEA SHC Task 29, 2005

Weitere Informationen:
www.iea-ship.org

*) Ing. Werner Weiß ist Geschäftsführer der AEE INTEC, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.aee-intec.at [^]

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