Zeitschrift EE

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2005-01: Nachhaltige Energieversorgung - Neue Wege in der Entwicklungszusammenarbeit

Solarenergie

Extreme Klimabedingungen auf dem Hochland der Anden machen der indianischen Bevölke-rung vom Stamm der Quechua das Leben schwer.

Sonnenenergienutzung auf dem argentinischen Altiplano

Von Christoph Müller und Klemens Schwarzer*

Das Altiplano erstreckt sich auf einer mittleren Höhe von 3000 m von Chile und Argentinien über Bolivien bis Peru. Bis auf eine kurze Regenzeit herrscht eine außerordentliche Trockenheit. Im Winter fallen die Temperaturen nachts auf -20 °C ab. Die mittlere Sonneneinstrahlung gehört mit 6-7 kWh/m²d weltweit zu den höchsten. Mit Hilfe von Geräten zur Solarenergienutzung lassen sich viele energieintensive Grundbedürfnisse, wie Kochen, Heizen und Warmwasser weitgehend decken und der Anbau von Nahrungsmitteln verbessern.
Seit mehr als acht Jahren unterstützen deutsche Vereine, wie Solar Global e.V. die lokalen Initiativen ECOANDINA und PIRCA in der Entwicklung und Verbreitung angepasster Technologien. Die Zusammenarbeit erfolgt durch finanzielles Engagement, die Durchführung von Handwerker-Kursen sowie die Entwicklung von Prototypen. Ziel ist es, einfache Solartechniken zur Anwendung zu bringen, die nur einen Know-How-Transfer aber keinen Produkttransfer benötigen. Dadurch sollen sowohl die ökonomischen, ökologischen und gesundheitlichen Lebensbedingungen der Menschen in der Projektregion verbessert werden. Im Jahr 2003 konnte mit Unterstützung des Bundesministeriums für Zusammenarbeit (BMZ) erstmals ein umfassendes Spektrum von Solaranlagen für die verschiedenen Anwendungsbereiche in zwei Dörfern des Altiplano installiert werden. Im Einzelnen umfasste das Projekt:

  • Solare Luftheizungen mit Warmwassersystem für zwei Kindergärten
  • Vier solare Großkocher für staatlich unterstützte Essensäle
  • Kleine, konzentrierende, solare Familienkocher
  • Solare Backöfen für Dorfbäckereien
  • Solare Warmwasserversorgung für ein Gemeinschaftsbad
  • Solarpumpen und Tröpfchenbewässerung für 5 ha

Solare Familienkocher

Solare Familienkocher werden seit der Durchführung eines Workshops im Jahr 1998 von der Kooperative PIRCA hergestellt und über ein Kreditsystem erfolgreich verkauft. Auf diese Weise sichern sich die fünf PIRCA Mitarbeiter ein bescheidenes Einkommen. Eine im Jahr 1998 durchgeführte Akzeptanzstudie zeigte, dass bis zu 70% des dörflichen Holzbedarfs durch die Kocher eingespart werden können. Trotz eines Preises von 700 Pesos, was zwei Monatslöhnen entspricht, werden immer mehr Kocher von der Kooperative PIRCA an private Nutzer verkauft. Die gute Akzeptanz ist sicherlich auch durch die sehr guten Einstrahlungswerte auf dem Altiplano bedingt.

Solare Gebäudeheizung

Die zwei Gebäudeheizungen wurden in den Kindergärten von Cusi Cusi und Cienaga zur Beheizung von 60 m² und 120 m² Grundfläche installiert. Durch einen Luft-Wasser-Wärmetauscher können mit dem System zudem täglich 300 Liter Warmwasser mit 60 °C bereitgestellt werden. Aus finanziellen Gründen sind öffentliche Gebäude in der Puna bisher gänzlich unbeheizt. Begünstigt durch die idealen Einstrahlungsverhältnisse ist es jedoch möglich die Beheizung regenerativ mit dem kleinsten möglichen Aufwand aufrecht zu halten. Dazu muss die tagsüber eingefangene Sonnenenergie gleichmäßig über den Tag verteilt werden. Die benötigte Wärme wird durch einen einfach verglasten, solaren Lufterwärmer auf dem Dach der Gebäude gewonnen. Die Warmluft wird über einen PV-betriebenen Ventilator in einen Kiesbettspeicher transportiert, der im Fußboden integriert ist. Dieser erfüllt neben der Wärmespeicherung die Funktion einer Fußbodenheizung, da er die Wärme direkt an den Raum abgibt. Die Raumtemperatur wird durch die solare Luftheizung im Jahresmittel um 12 °C angehoben. Im Winter liegt die mittlere Raumtemperatur statt bei 5 °C im unbeheizten Gebäude nun bei etwa 15 °C. Mit dem System konnte ein solarer Deckungsgrad von beinahe 90% erreicht werden, wobei sich die Materialkosten nur auf ca. 3000 Euro belaufen.
Durch die Beheizung werden die Lern- und Entwicklungsbedingungen der Vorschulkinder verbessert. Zwar lässt sich keine quantitative Aussage treffen, der gesundheitliche Einfluss des Aufenthalts in den unbeheizten Räumen ist jedoch offensichtlich. Gemäß einer Studie des bolivianischen Gesundheitsministeriums sterben im benachbarten Bolivien jährlich 11.000 Kinder unter fünf Jahren an den Folgen einer Atemwegserkrankung.

Abbildung 1: Funktionsschema der Heizungsanlage des neuen Kindergartens mit Warmluftkollektor

Solare Warmwasserbereitung

Zwei öffentlich zugängliche Warmwassersysteme wurden eingerichtet. In Cienaga haben die Dorfbewohner ein öffentliches Gemeinschaftsbadehaus erbaut, das dem von der ECOAN-DINA entwickelten Konzept des Baño Solar Andino (solares Andenbadehaus) folgt. Die traditionelle Bauweise des Daches bietet bessere Wärmedämmung gegenüber den moderneren Wellblechdächern. Das warme Wasser für die vier Duschkabinen wird von 4 m² einfachen Solarkollektoren bereitgestellt und in einem doppelwandigen 300 Liter Edelstahltank gespeichert.

Solare Gemeinschaftsküchen

Die vier solaren Gemeinschaftsküchen wurden in unmittelbarer Nähe der Kindergärten errichtet, wo je nach Standort, für 30 bis 40 Kinder und Mütter gekocht wird. Als Hauptmahlzeit wird das Mittagessen zubereitet, das meist aus einem Eintopfgericht und einer Suppe besteht. Die Zubereitung des Mittagessens beginnt bereits zwischen 8 und 9 Uhr. Da es sich bei den solaren Großküchen um konzentrierende Systeme handelt, sind sie aufgrund der geringen Trägheit schon mit den ersten Sonnenstrahlen betriebsbereit.
Von den Dorfbewohnern in Misa Rumi, Cienaga und Cusi Cusi wurden Küchenhäuser mit ca. 15 m² Grundfläche errichtet und mit einem durch das Projekt bezahlten Fix-Fokus-Spiegel (Scheffler-Spiegel) ausgerüstet. Jeder Spiegel liefert an der Kochstelle eine maximale Leistung von 3 kW. Das erlaubt den Nutzern die Verwendung von Töpfen mit bis zu 80 Litern Inhalt. Aufgrund der guten Einstrahlungsbedingungen und der hohen Leistung der Kocher lässt sich eine sehr gute Akzeptanz durch die Benutzer feststellen.

Abbildung 2: Kindergartenküche in Cienaga und Köchin mit 40 Litern Eintopf (Giso)

Aussicht

Es ist geplant, die bereits bewährten Solartechniken auch über den chilenischen, bolivianischen und peruanischen Teil des Altiplano zu verbreiten. Um weitere Finanzierungen vom BMZ zu erhalten muss jedoch ein Eigenanteil aufgebracht werden, den die Projektpartner derzeit nicht aufbringen können. Es werden dringend Spenden gesucht, um das Projekt 2005 fortführen zu können. (Bankverbindung: Solar Global e.V., Stichwort "Solarprojekt Altiplano", Kreissparkasse Düren, BLZ 39550110, Kto.Nr:390 28 06)

*) Dipl.-Ing. Christoph Müller ist Projektingenieur am Solar-Institut Jülich mit den Schwerpunkten Solarthermische Meerwasserentsalzung, Solare Gebäudeheizung und Entwicklungstechnologien, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Prof. Dr.- Ing.
Klemens Schwarzer ist Vorstand am Solar-Institut Jülich. Lehrgebiete Fachhochschule Aachen, Abteilung. Jülich: technische Thermodynamik, Entwicklungsländertechnologien, Energietechnik, Kraft-wärme-(Kälte-)-Kopplung. Homepage des SIJ: http://www.sij.fh-aachen.de/. [^]

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