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2004-04: Windenergie zwischen Euphorie und Widerstand

Windenergienutzung in Österreich

Österreichs jüngere Ökostromgeschichte ist geprägt von einer energiepolitischen "Stop and Go-Politik": Jahre mit attraktiven Rahmenbedingungen wechselten in relativ kurzen Intervallen mit Phasen bescheidener Unterstützung.

Windkraft zwischen Boom und Blockade

Von Windfried Dimmel*

Österreichs jüngere Ökostromgeschichte ist geprägt von einer energiepolitischen "Stop and Go-Politik": Jahre mit attraktiven Rahmenbedingungen wechselten in relativ kurzen Intervallen mit Phasen bescheidener Unterstützung.
Nach einem Jahr mit Rekord-Zuwachsraten bei neu installierter Windkraftleistung scheint die heimische Politik wieder die Angst vor der eigenen Courage befallen zu haben. Ein Tritt auf die energiepolitische Bremse zeichnet sich ab: Deutliche Verschlechterungen für die Windstromproduktion in Österreich könnte die Novelle zum Ökostromgesetz bringen, auf die sich Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und Umweltminister Josef Pröll am 6.Oktober 2004 geeinigt haben.
Während andere Ökoenergien "mit einem blauen Auge" davon gekommen sind, gilt die Windkraft als Hauptverlierer der beabsichtigten Gesetzesnovelle. In die Einspeiseverträge von bestehenden Windkraftwerken wird zwar nicht eingegriffen, Projekte, die nach dem nächsten Jahreswechsel bewilligt werden, müssten aber mit massiv verschlechterten Rahmenbedingungen zurechtkommen. Anlagen, die ab 1.Jänner 2005 bewilligt werden, müssen sich einem umstrittenen Ausschreibemodell stellen. In mehreren Staaten Europas wurden solche Modelle bereits umgesetzt - überall ist der Windkraft-Ausbau danach zum Erliegen gekommen, fürchtet Mag. Stefan Hantsch von der Interessengemeinschaft Windkraft Österreich. Auch ist der Fördertopf aus dem die per Ausschreibung ermittelten Projekte gespeist werden sollen, dürftig gefüllt. Hantsch: "Das eingeplante Volumen lässt theoretisch die Neu-Installation von maximal 35 Megawatt Leistung zu. Im Vorjahr gingen fast achtmal so viel neu ans Netz. Praktisch werden zu den angedachten neuen Rahmenbedingungen kaum noch Windkraftanlagen installiert werden." Auch der Tarif für die neuen Maschinen soll von derzeit 7,8 Cent pro Kilowattstunde auf unter 6,9 Cent sinken. In jedem Folgejahr verringert sich dieses Vergütungsniveau um weitere 2,5%. Außerdem wird der Zeitraum, in dem diese Tarife ausbezahlt werden, reduziert: von bisher 13 auf 10 Jahre plus einem elften Jahr mit 75% und einem zwölften Jahr mit 50% gefördertem Tarif.

Folgen der Gesetzesnovelle

Für den Fall, dass die vorliegende Novelle tatsächlich beschlossen wird, käme der Ausbau der Windstromproduktion in Österreich fast zum Erliegen. "Wir haben unsere aktuellen Projekte auf Wirtschaftlichkeit mit den neuen Tarifen gerechnet und sind zu einem ernüchternden Ergebnis gekommen: Selbst unsere windgünstigsten Standorte in Ost- Österreich wären an der Grenze einer vernünftigen Rentabilität. Wird das Gesetz so beschlossen, dann konzentrieren wir unsere Aktivitäten auf neue Märkte. Früher oder später wird die Knebelung unserer Branche in Österreich dann wieder aufgeschnürt", hofft Andreas Dangl, Vorstandsvorsitzender der WEB, Windenergie AG, Österreichs größtem privaten Windstromproduzenten. Ironischer Nachsatz: "Windkraftanlagen sind auf 20 Jahre und mehr typisiert. Unsere Politiker und Regierungen haben deutlich kürzere Ablaufdaten. Man darf also hoffen, dass das letzte Wort in Sachen Ökostromgesetz noch nicht gesprochen ist". Der Schritt ins Ausland könnte nun einer ganzen Reihe von heimischen Windstromproduzenten bevorstehen. Die meisten der größeren und mittleren Windkraftbetreiber sondieren bereits seit geraumer Zeit Standorte in Nachbarstaaten. Tschechien, Ungarn und die Slowakei zählen zu den Top-Hoffnungsmärkten heimischer Betreiber.
Aus ökologischer Sicht völlig inakzeptabel würde die vorliegende Gesetzesnovelle in einem anderen Bereich. Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung werden bisher schon im Ökostromgesetz behandelt. Bisher war vorgesehen, dass deren Förderung (Kraft-Wärme-Koppelungszuschlag in Höhe von 1,3 Cent/kWh) 2008 beziehungsweise 2010 auslaufen soll. Laut Gesetzesnovelle soll dieser Zuschlag nun aber verlängert werden. Politischer Hintergrund ist, dass die Novelle im Parlament die Zustimmung der SPÖ braucht, und in Wien werden neue Gaskraftwerke mit 2000 MW Leistung geplant. In der SPÖ regen sich zu diesem politischen Deal sowohl zustimmende als auch kritische Stimmen. Wird dieser Ansatz tatsächlich in Gesetzesform gegossen, dann werden 65 Mio Euro pro Jahr für KWK-Förderungen ausgegeben während nur 17 Mio. Euro für zusätzliche Ökostromanlagen zur Verfügung stünden.
Welche Meinung innerhalb der größten Oppositionsfraktion obsiegt, lässt sich derzeit schwer voraussagen. Widerstände gegen die Novelle werden von politisch maßgeblicher Stelle aus von einigen Bundesländern artikuliert. Ob die Regierungsvorlage daher tatsächlich in der aktuell vorliegenden Fassung das Parlament passiert, wird sich zeigen.

Abbildung 1: Windkraftanlagen, die ab 1.Jänner 2005 bewilligt werden, müssen sich einem umstrittenen Ausschreibemodell stellen

Kernpunkte der Ökostrom Novelle

Windkraft-Projekte werden als einzige Ökoenergiekraftwerke in Zukunft einer Ausschreibung unterzogen. Bei den anderen Ökoenergieformen wird nach dem first come-first serve Prinzip begrenzt. Nur die "besten" Windprojekte haben ab 2005 Anspruch auf den geförderten Windstromtarif. Die Kriterien dieser Ausschreibung sind höchst fragwürdig. Das Volumen in dem Windkraft-Fördertopf reicht theoretisch für maximal 35 neu installierte Megawatt Leistung jährlich - also rund 18 neue Windkraftwerke. 6,9 Cent pro Kilowattstunde ist der neue Höchstpreis für Windstrom - statt bisher 7,8 Cent pro kW/h. Dieser Tarif ist auf 10 Jahre statt bisher 13 Jahre zu hundert Prozent garantiert, im elften Jahr zu 75%, im zwölften Jahr zu 50%.

  • Degression: jedes Jahr sinkt das Tarifniveau für neu installierte Anlagen ab 2006 um 2,5%
  • Sicherheitsleistung: 5% des gewünschten Einspeisetarifvolumens; circa 14.000 Euro pro Windrad.
Stimmungsbarometer Windkraft

Windstrom wird in Österreich klar befürwortet, vor Ort gibt es aber vereinzelt heftigen Widerstand.
Geht es nach der veröffentlichten Meinung in Regionen, wo Windkraftprojekte auf organisierten Widerstand treffen, dann sind Windstromproduzenten seit kurzem mit heftigem "Gegenwind" konfrontiert. Repräsentative Meinungsumfragen ergeben ein anderes Bild.
Gefragt, welche Kraftwerke in Zukunft in Österreich ausgebaut werden sollen, gibt es eine klare Antwort: 90 Prozent befürworten die Errichtung weiterer Windkraftwerke (siehe Abbildung 2). Übertroffen werden diese Zustimmungsraten einer IMAS-Telefonumfrage im Auftrag von Greenpeace, World Wide Fund for Nature (WWF) und IG Windkraft nur mehr von der Sympathie für Sonnenenergie (97%) und Kleinwasserkraft (96%). Die Errichtung neuer Biomasse Kraftwerke bejahen 84% der Befragten, 63% sprachen sich für Großwasserkraftwerke aus. Für neue kalorische Kraftwerke waren nur 22% der Befragten. Am wenigsten Zustimmung erntete Atomenergie mit 5% der 500 per Telefonumfrage interviewten Personen.
Positiv für Windstromproduzenten sind auch einige Detailergebnisse dieser Umfrage. Die Mehrzahl der Befragten war bereit, sich den aktiven Klimaschutz etwas kosten zu lassen: 54% wollten ein Ansteigen der eigenen Stromrechnung um 5% in Kauf nehmen, damit Ökostromanlagen gefördert werden. Einnahmen in dieser Höhe würden ausreichen, den Ökostrom-Anteils von derzeit zwei auf 10% zu erhöhen.

Windparkdichte

Keine Rückschlüsse lassen sich zwischen öffentlichem Meinungsklima und regionaler Windparkdichte ziehen. So ist in Niederösterreich mit 88% die Zustimmung in etwa gleich hoch wie in Oberösterreich oder Wien, wo deutlich weniger Windmühlen installiert sind. Spitzenreiter bei der Akzeptanz ist mit 96% das Burgenland mit mehr als 150 Windkraftanlagen. Die geringste Zustimmung gab es mit 84% in den Bundesländern Tirol, Vorarlberg und Salzburg wo es bis dato keine Windkraftanlagen gibt.

Zustimmung zu Windkraftprojekten

Mehrheitliche Zustimmung zu Windkraftprojekten gibt es auch in Kleinregionen, in denen bereits Windparks installiert sind: das Institut für Grundlagenforschung IGF erhob im Juni und September das Meinungsklima in Anrainergemeinden von Windparks im nördlichen Weinviertel. 18 Windkraftanlagen in drei Parks sind hier zwischen eineinhalb und fünf Jahre in Betrieb. In der Anrainergemeinde Poysdorf äußerten sich mehr als 65% für zusätzliche Windkraftwerke in der eigenen Gemeinde, in der Nachbargemeinde Zistersdorf waren es mehr als 62%.
Trotzdem ist Windkraft vielerorts zum umfehdeten Thema geworden. Vor allem die weithin sichtbare Veränderung des Landschaftsbildes entzweit die Meinungen. Die bewilligungsrechtliche Voraussetzung von entsprechenden Flächenwidmungen macht die kommunale Ebene zur vielfach entscheidenden Arena um die "Lufthoheit über den Stammtischen". Die kommendes Jahr in Niederösterreich anstehenden Gemeinderatswahlen dürften ein übriges dazu beigetragen haben, dass sich viele Gemeinderäte dazu durchgerungen haben, über Windkraftprojekte nicht selbst zu entscheiden, sondern die Entscheidungsfindung dem Wahlvolk zu überantworten: In zehn Volksbefragungen entschied sich das Wahlvolk an der Urne fünfmal für und ebenso oft gegen ein Windparkprojekt auf eigenem Gemeindegebiet. Die vorangegangenen Debatten zwischen Projektwerbern und mehr oder minder gut organisierten Windkraftgegnern gestalteten sich in den meisten Fällen eher emotional denn rational. Vielfach wurden regelrechte Wahlkämpfe geführt mit Plakaten, Homepages, Email-Kampagnen und Pressekonferenzen. Regionale Medien und das kommunikative Geschick auf beiden Seiten waren meist entscheidend für den Ausgang der Debatte.

Windkraft in Österreich - ein aktueller Statusbericht

318 Windkraftanlagen mit 415 MW installierter Nennleistung waren in Österreich mit Jahresende 2003 am Netz (siehe Abbildung 5). Gegenüber den 164 Anlagen vom Jahresende 2002 verdoppelte sich nahezu die Anzahl der heimischen Windkraftwerke. Noch deutlicher wird die Wachstumsdynamik des Vorjahres bei der installierten Nennleistung. Sie verdreifachte sich von 139 auf 415 Megawatt.
Mit 218,9 MW verzeichnete das Burgenland die höchste installierte Nennleistung bei Windkraftwerken, gefolgt von Niederösterreich mit 156,3 MW. Im Burgenland waren 133 und in Niederösterreich 146 Windkraftwerke installiert. Deutlich weniger Wind wird in den übrigen Bundesländern geerntet: 13 Windenergieanlagen in der Steiermark bringen 20,6 MW ans Netz. Auf 14,4 MW bringt man es in Oberösterreich mit 17 Windkraftanlagen. In Wien arbeiteten mit Jahreswechsel acht Windkraftwerke mit 4,4 MW Nennleistung, in Kärnten ist es eine Windenergieanlage mit einem halben Megawatt Leistung.
In einem Jahr mit durchschnittlichen Windverhältnissen erzeugt dieser österreichische Windkraftwerkspark rund 830 Millionen kWh. Das ist eine Strommenge, die in etwa dem Jahresverbrauch von 237.000 Haushalten entspricht. Der Anteil der Windkraft am gesamten Inlandsverbrauch belief sich im Vorjahr auf 0,56%. Für 2004 wird - aufgrund der Neuinstallationen 2003 - mit einer Steigerung auf 1,6% gerechnet.
Weniger Neuinstallationen als im Vorjahr wurden in den ersten acht Monaten 2004 verzeichnet. Bis Jahresende sollten aber noch einige Projekte bewilligt und bautechnisch in Angriff genommen werden. Zwischenstand mit Ende August 2004: 339 Windkraftanlagen mit insgesamt 453 MW waren österreichweit installiert.

Umweltbilanz Windkraft

830 Millionen Kilowattstunden Windstrom können derzeit in einem durchschnittlichen Windjahr mit dem installierten Windkraftpark produziert werden. Würde man diese Strommenge mit den Energieträgern des aktuellen österreichischen Energiemixes produzieren, dann bräuchte man dafür 74,2 Mio m3 Erdgas, 69,92 Mio. Liter Heizöl und 91.150 Tonnen Kohle. 830 Mio kWh Windstrom ersparen der Umwelt Ausstoß von 609.718 Tonnen CO2 jährlich.

Windkraft-Entwicklung in Österreich von 1994 bis 2003 (Quelle IG Wind)

Literatur

Windenergie: Ja ! - Aber?

Windstromherstellung findet nicht nur Befürworter. Gerade in den vergangenen Monaten sind Windkraftwerke immer wieder zum öffentlichen Thema geworden: Landschaftsbild, Vogelschutz, Schall und Förderzuschläge sind nur einige der Themen, die eine 16 Seiten starke Broschüre der Interessengemeinschaft Windkraft kurz und kompetent erläutert. Die Info-Broschüre klärt die häufigsten Fragen rund um die Windsromproduktion und kann gratis bei der IGW bezogen werden: 02742/ 21955 oder per Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

*) Winfried Dimmel ist Leiter der Abteilung für MArketing und Öffentlichkeitsarbeit der WEB Windenergie AG, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.windkraft.at [^]

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