Zeitschrift EE

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2004-03: Solaranlagen im Geschoßwohnbau

Sanierung und Gebäudebestand

In Graz entsteht auf den Dächern einer Wohnhaussiedlung am Berliner Ring mit 2600 m² Kollektorfläche die derzeit größte Solaranlage Österreichs.

Solaranlage Berliner Ring in Graz

Von Christian Holter, Karin Schweyer und Ernst Meißner*

Dieses Projekt wurde aus energetischen, wirtschaftlichen und umweltrelevanten Überlegungen in Angriff genommen. Die thermische Solaranlage versorgt das lokale Nahwärmenetz und im Endausbau wird die Überschussenergie in das Fernwärmenetz der Energie Graz eingespeist. Das Gesamtprojekt ist in mehrere Bauabschnitte unterteilt. Der erste Bauabschnitt mit einer Kollektorfläche von 480 m² wurde bereits im März 2004 in Betrieb genommen. Die für das Gesamtprojekt erforderlichen Investitionen werden, da es sich um ein Contracting-Projekt handelt, vom Anlagenbetreiber der Firma nahwaerme.at Energiecontracting GmbH übernommen. Das auf Solartechnik spezialisierte Unternehmen S.O.L.I.D. GmbH setzt dieses Projekt technisch um.

Siedlungsstruktur

Beim Berliner Ring handelt es sich um eine Wohnsiedlung in Graz-Ragnitz, bestehend aus insgesamt 25 Objektgruppen mit 756 Wohnungen. Die Warmwasserbereitung und Beheizung dieser Siedlung erfolgte bis zum Winter 2002/2003 mittels Öl, der Gesamtverbrauch belief sich auf ca. 1.000.000 Liter Heizöl-leicht pro Jahr. Im Sommer 2003 erfolgte im Rahmen der Beauftragung der WDS (Wärmedirektservice der Energie Graz) mit der Wärmelieferung für diese Objekte eine Anbindung der Wohnsiedlung Berliner Ring an das Fernwärmenetz der Energie Graz.

Endausbau

Im Endausbau wird die Solaranlage eine Kollektorfläche von 2600 m² umfassen und jährlich rund 988 MWh Wärme an das Nahwärmenetz liefern. Die Montage der Solarkollektoren erfolgt auf den Dächern einzelner Häuser bzw. Häusergruppen. Die Solarenergie wird einerseits in das Hausnetz der mit Solaranlagen ausgestatteten Häuser für die Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung und andererseits, bei einem Überschuss an Solarwärme, in das lokale Nahwärmenetz eingespeist. Nach Realisierung von etwa 1000 m² Solarfläche wird zur Speicherung der Solarwärme ein Pufferspeicher in das lokale Nahwärmenetz eingebunden und/oder die Überschussenergie in das Fernwärmenetz der Energie Graz eingespeist.
Verglichen mit den CO2-Emissionen, welche bei Verwendung eines Ölkessels mit 70% Gesamtwirkungsgrad entstehen, bedeutet dies die Einsparung von ca. 375 Tonnen CO2 pro Jahr! Das stellt über die Signalwirkung hinaus einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Klimabündnisziele und zur nachhaltigen Verbesserung der Luftqualität dar.

Finanzierung des Projekts

Die Anlage wird von der Firma nahwaerme.at Energiecontracting GmbH finanziert und vom Solartechnikunternehmen S.O.L.I.D. GmbH unter Verwendung der Solarkollektoren der Firma ÖkoTech GmbH realisiert. Die Betriebsführung der Solaranlage erfolgt durch die Firma nahwaerme.at, die ebenfalls sämtliche dabei anfallende Kosten trägt. Das Projekt wird von der Kommunalkredit Austria AG, dem Land Steiermark und der Stadt Graz gefördert. Mit dieser Solaranlage bestätigt die Stadt Graz durch die tatkräftige Unterstützung bei der Umsetzung der beiden größten Solaranlagen Österreichs ihre Vorreiterrolle als Solarstadt.

Solarbonus

Die Bewohner profitieren von der Solaranlage direkt: Jene Solarwärme, welche von den Hausbewohner direkt im Haus ohne Lieferung über das Nahwärmenetz genutzt wird, ist auch um 10% günstiger als die Fernwärme, weiters werden dafür keine Umwelt- und Energieabgaben verrechnet!

Abbildung 1: Auf den Dächern des Mehrfamilienhauses Berliner Ring in Graz werden 2600 m² thermische Sonnenkollektoren installiert

SOLAR statt STROM

In einigen Häusern des Berliner Rings wird Warmwasser derzeit elektrisch mit Boilern in den Wohnungen bereitgestellt, auch insgesamt ist die dezentrale elektrische Warmwasserbereitung mittels Elektroboiler in Österreich weit verbreitet. So werden in Graz ca. 133 GWh Strom pro Jahr, das entspricht ca. einem Drittel des gesamten Stromverbrauchs der Haushalte (Quelle: kommunales Energiekonzept Graz-Stromanwendungen) für die Warmwasserbereitung verwendet. Für Österreich liegt dieser Wert bei etwa 4-6 TWh.
Der weiter stark steigende Strombedarf in Österreich kann durch die Bereitstellung von Ökostrom nur teilweise kompensiert werden. Daher sind Stromspartechnologien zu forcieren, wobei das Ersetzen von elektrischer Widerstandsheizung durch thermische - und dabei bevorzugt solare - Systeme ein sehr offensichtliches Potential bietet.

Technische Lösung

In mehreren tausend Wohnungen erfolgt die Warmwasserbereitung mittlerweile mit so genannten "Wohnungsstationen". Dabei wird das Heizungsmedium über ein Zweileitersystem bis in die einzelnen Wohnungen verteilt und erwärmt dort das Brauchwasser mit einem Plattenwärmetauscher im Durchlaufsystem.
Technisch bedeutet diese Umrüstung auf eine thermische Warmwasserbereitung auch einen Eingriff in das Heizungssystem unabhängig von einer zusätzlichen Wärmequelle (z.B. Solaranlage), da die Regelung auf neue Betriebsbedingungen eingestellt werden muss und teilweise am Heizungsverteilsystem Adaptierungen erforderlich sind.
Die Vorteile dieses Systems zeigten sich bei vielen Projekten bereits im Praxisbetrieb. Die sehr konstanten niederen Rücklauftemperaturen (ca. 30-35°C), die mit solchen Anlagen erzielt werden können, bieten eine gute Ausgangsbasis für den Einsatz von Solarenergie eventuell in Kombination mit Nah- und Fernwärme. Die Solaranlage kann am jeweiligen Gebäude angebracht und über einen Pufferspeicher in das Heizungssystem eingebunden werden. Wenn das Gebäude nicht für die Installation einer Solaranlage geeignet ist kann diese an einem anderen Ort errichtet werden und über das Fernwärmenetz das Gebäude versorgen.
Als Vorteile dieses Systems sind besonders die Reduktion der Wärmeverluste durch den Wegfall von dezentralen E-Boilern und die äußerst hygienische Variante der Brauchwasserbereitung im Durchlauf (heißes Wasser wird direkt vor der Nutzung erwärmt, lange Stehzeiten im warmen Bereich werden gänzlich vermieden) hervorzuheben. Ebenso ist auch das Problem der Verkalkung deutlich verbessert, da in einem thermischen System durch die Begrenzung der Vorlauftemperatur die Verkalkung im Wärmetauscher reduziert wird.
In einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung spielt der Aspekt der Re-Investition eine entscheidende Rolle. Bei der Auswertung bestehender Anlagen wurde beobachtet, dass Elektroboiler alle 6 - 10 Jahre zu tauschen sind, daraus resultieren etwa € 70-80 an jährlichen Re-Investitionskosten. Bei den Vorbereitungsarbeiten zu dem hier vorgestellten Projekt hat sich gezeigt, dass der Nutzer durch die Tarifeinsparung und den Wegfall der Re-Investitionen bei Elektroboilern deutliche wirtschaftliche Vorteile hat.

Abbildung 2: Die fassadenintegrierte Kollektoranlage zur Warmwasserbereitung mit 101m² Kollektorfläche und 5m³ Pufferspeicher in Gratkorn/Fresnitz wurde 1999/2000 erbaut (Quelle: SOLID)

Konkreter Projektansatz in der Stadt Graz

Unter der Projektleitung von SOLID wurde ein Gemeinschaftsprojekt ins Leben gerufen bei dem bei zwei bis drei Musterprojekten die Umstellung von elektrischen (dezentrale E-Boiler) auf thermische Warmwasserbereitungsanlagen (Wohnungsstationen) detailliert projektiert wird. Insbesondere werden dabei auch die organisatorisch-strukturellen Grundlagen für eine Umsetzung geschaffen.

SOLAR statt STROM, Projektpartner:

  • Amt für Umweltschutz der Stadt Graz
  • Energiebeauftragter des Landes Steiermark
  • GWS (Gemeinnützige Alpenländische Gesellschaft für

Wohnungsbau und Siedlungswesen mbH)

  • Neue Heimat Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsges. GmbH
  • TB RFG Engineering GmbH
  • Energie Graz GmbH - Abteilung Fernwärme

Zuerst werden bezüglich der technischen Ausstattung sowie der rechtlichen und organisatorischen Aspekte geeignete Musterprojekte ausgewählt. Für diese wird eine detaillierte Planung und Wirtschaftlichkeitsrechnung erstellt. Anschließend wird zusammen mit den Bauträgern die Form der Realisierung der geplanten Maßnahmen festgelegt, dazu zählen die Möglichkeiten des Contracting genauso wie eine Realisierung im Zuge einer Sanierung der Wohnungen.
Die Finanzierung der baulichen Umsetzung dieser Maßnahmen soll entweder über ein Contractingmodell oder über Eigenmittel der Bauträger selbst erfolgen. Ziel ist dabei, dass aus wirtschaftlicher Sicht sich für alle Beteiligten Einsparungen gegenüber der Warmwasserbereitung mit Strom ergeben.

 

*) Dr. Christian Holter ist Geschäftsführer, Dipl.- Ing. Karin Schweyer ist Mitarbeiterin und Dipl.- Ing. Ernst Meißner ist Mitarbeiter der Firma S.O.L.I.D. GmbH in Graz, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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