Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

2005-02: Energieeffiziente Klimatisierung

Passives Kühlen

Ein komfortables Raumklima ist wichtig für unser Wohlbefinden und in der Regel überhaupt die Hauptfunktion unserer Gebäude.
Dabei kann Kühlen genauso wichtig sein wie Heizen. Gegen kalte Temperaturen können wir uns sogar besser schützen als gegen zu warme. Allerdings sind die Klimabedingungen in Mitteleuropa so, dass meist auf eine Gebäudekühlung verzichtet werden kann.

Geeignete Systeme für effizientes Kühlen

Von Mark Zimmermann*

Immer häufiger sind jedoch die Fälle, bei denen spezielle Maßnahmen erforderlich sind, um auch im Sommer ein komfortables Raumklima sicherzustellen. Die Ursache ist nicht allein die Klimaerwärmung, welche besonders und immer häufiger in Städten zu Wärmeinseln führt. Weitere Faktoren beeinflussen diese Entwicklung maßgebend.
In erster Linie sind es wohl die erhöhten Benutzeransprüche, die zu vermehrter Kühlung führen. Vor allem deshalb haben mobile Klimageräte stark wachsende Verkaufszahlen. Dass dies nicht unbedingt ein unnötiger Luxus ist, belegt eine schwedische Studie (D. Wyon). Sie zeigt, dass bei Raumtemperaturen von 23 °C die Leistungsfähigkeit am besten ist und bei höheren Temperaturen die geistige und vor allem die körperliche Leistungsfähigkeit abnehmen (siehe Abbildung 1). Komfortable Raumtemperaturen sind deshalb nicht einfach Luxus, sondern auch eine Voraussetzung für gute Arbeitsplätze. In energieeffizienten Neubau wird in Zukunft das Kühlen einen ähnlichen Stellenwert wie das Heizen einnehmen.

Abbildung 1: Sowohl bei zu tiefen wie bei zu hohen Temperaturen nimmt die Leistungsfähigkeit des Menschen rasch ab

 

Vorgehen bei der Systemwahl

Die Wahl eines Kühlsystems erfolgt primär aufgrund der benötigten Kühlleistung. Aus wirtschaftlichen Überlegungen wird man dafür das System auswählen, welches den geforderten Komfort zu möglichst geringen Kosten sicherstellt.
Mit dem nachfolgenden Entscheidungsbaum soll eine Orientierungshilfe gegeben werden, um die geeigneten Systeme bestimmen zu können. Dabei wurde versucht, für die jeweils gegebene Situation, die kostengünstigste Lösung bezüglich Investitions- und Betriebskosten aufzuzeigen.
Der Entscheidungsbaum in Abbildung 2 stellt natürlich eine Vereinfachung dar, von welcher die reale Situation abweichen kann. Die angegebenen Leistungen gelten primär für das deutsche Binnenklima 1 und 2 und das schweizerische Mittelland. Die Systemkosten werden in der Regel mit der Leistungsfähigkeit der Systeme zunehmen. Im Einzelfall ist es aber auch durchaus möglich, dass aufgrund spezieller baulicher Gegebenheiten die Kosten abweichen können.
Der Entscheidungsbaum soll dazu dienen, während dem Vorprojekt die verfügbaren Kühlstrategien zu evaluieren. Er führt durch drei Entscheidungsebenen: bauliche Voraussetzungen und Kühllast, verfügbare Kältesenken und Kälteverteilung / -abgabe.
Es ist sinnvoll, die baulichen Voraussetzungen als Erstes zu optimieren. Es ist leicht einzusehen, dass eine Gebäudekühlung nur dann sinnvoll ist, wenn die baulichen Anforderungen bezüglich sommerlichem Wärmeschutz erfüllt werden. Die ist auch eine Voraussetzung für den Bedarfsnachweis für eine Kühlung.
Im Vordergrund steht dabei die Reduktion der Wärmelast, aber auch die Trägheit des Gebäudes, welche die kurzfristige Erwärmung verhindert. Dies ist nicht nur eine Frage des Energieverbrauchs, sondern auch des Komforts. Der Komfort ist immer besser, je kleiner die benötigten Leistungen sind. Erst bei einem optimierten Gebäude ist es sinnvoll, die geeignete Kältesenke für die Kühlung zu wählen. Hier sind es vor allem die Wirtschaftlichkeit und die örtlichen Gegebenheiten (Grundwasser, Fundamentpfählung etc.), die zur Wahl eines Systems führen.
Als letztes erfolgt die Wahl des Kälteverteilsystems. Häufig wird vor allem hier die Leistungsfähigkeit des Systems bestimmt. Entscheidend ist vor allem, ob mit Luft oder mit wasserführenden Systemen dem Gebäude die Wärme entzogen wird.

Abbildung 2: Entscheidungsbaum für die Systemwahl
(Sechseck: Entscheidung; Rechteck: Empfohlene Systemwahl; Kap.: Hinweis auf Kapitel in [2])

Bauliche Voraussetzungen

Sommerlicher Wärmeschutz
Im Allgemeinen soll bei verschatteten Fenstern der Gesamtenergiedurchlassgrad für Solarstrahlung 15 % nicht übersteigen. Bei stark verglasten Gebäuden sollte er unter 10 % liegen. Bei der Wahl der Beschattungseinrichtung ist darauf zu achten, dass nicht nur ein guter Sonnenschutz, sondern auch eine gute Tageslichtnutzung möglich ist [3] [6]. Außenjalousien stellen den wirksamsten Sonnenschutz dar. Innenliegende Storen dienen primär dem Blendschutz. Abbildung 3 stellt die bilanzierten Fassaden einander gegenüber.
Damit bei gekühlten Räumen die Wärmespeicherfähigkeit der Baumasse ausgenützt werden kann, ist mindestens eine mittelschwere Bauweise mit einer speicherwirksamen Masse pro Raum von > 300 kg/m² anzustreben. Weiters ist auf ein geeignetes Beleuchtungskonzept zu achten. Hier bietet ein tageslichtgesteuertes Konzept mit intensiver Tageslichtnutzung große Vorteile. Die Nennbeleuchtungsstärken wurden gegenüber früheren Richtwerten eher reduziert.

Abbildung 3: Strahlungsbilanz am Fenster, links mit innen-liegender Jalousie, rechts mit außenliegender

Geringe Kühllast
Die externen und internen Lasten sind aufzuaddieren. Ergeben sich weniger als 150 Wh/(m²·d), so besteht eine geringe Wärmelast, die in der Regel durch ein geeignetes Lüftungskonzept zu bewältigen ist. Damit mit Nachtlüftung wirksam gekühlt werden kann, sollte die Nachttemperatur während mindestens 5 Std. unter 21 °C liegen.

Mittlere Kühllast
Wärmelasten zwischen 150 und 250 Wh/(m²·d) erfordern bereits besondere Maßnahmen zur Vermeidung der Übererwärmung. In diesem Bereich stehen hybride Kühlsysteme im Vordergrund.
Fällt die Nachttemperatur unter 16 °C, was bei Gebäudestandorten auf etwa 800 m ü.M. häufig der Fall ist, so können auch noch Wärmelasten bis zu 250 Wh/(m²·d) über die natürliche oder mechanische Lüftung abgeführt werden. Auch dort, wo problemlos die natürliche Nachtlüftung als Querlüftung realisiert werden kann, können höhere Wärmelasten abgeführt werden. Dies bedingt allerdings, dass auch eine große, auskühlbare Gebäudespeichermasse vorhanden ist. Dieses Konzept kann eine sehr gute Kühlleistung ergeben. Es ist jedoch stark benutzerabhängig und schlecht kontrollierbar.
Die Grundwassernutzung kann über ein offenes oder ein geschlossenes System erfolgen. In beiden Fällen ist eine Nutzung im Sommer und im Winter anzustreben. Offene Systeme sind vergleichbar mit Gewässern, mit einer Entnahme- und einer Rückspeisungsstelle. Geschlossene Systeme sind Erdsonden oder Luftansaug-Erdregister. Bei nächtlichen Außentemperaturen unter 20 °C können erhöhte Wärmelasten auch über Kühltürme gezielt abgeführt werden.

Hohe Kühllast
Wärmelasten von mehr als 250 Wh/(m²·d) sind relativ hoch. Sie erfordern in der Regel den Einsatz von Kältemaschinen. Nebst der Wärmelast pro Tag müssen auch die stündlichen Lastspitzen berücksichtigt werden. Dies erfordert in der Regel detaillierte Systemsimulationen.

Wichtige Kühltechniken

Nachtlüftung
Normalerweise ist im Bürogebäude eine natürliche Lüftung nur in den Morgenstunden (7.00 bis 11.00 Uhr) möglich. Bei geeigneten baulichen Maßnahmen (z. B. Jalousien) ist auch nachts ein gewisser Luftaustausch möglich. Tagsüber sollte nur die Grundlüftung zu Sicherstellung der Luftqualität gewährleistet werden. Die mechanische Nachtlüftung beruht auf dem gleichen Prinzip, wie die passive bzw. natürliche Nachtlüftung. Lediglich der gezielte Luftwechsel führt zu einer besser kontrollierbaren Auskühlung.

Luftansaug-Erdregister
Sie sind vor allem interessant, um im Winter die Zuluft zu erwärmen und im Sommer zu kühlen. Es ergeben sich interessante Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Systemen, insbesondere mit Quellluftsystemen, da die Zulufttemperatur selbstregelnd praktisch immer etwas unter der Raumlufttemperatur liegen wird.

Erdwärmesonden
Mit den stark gefallenen Kosten von Bohrungen sind die bis zu 100 m tief ins Erdreich dringenden Erdwärmesonden populär geworden. Besonders interessant sind auch hier kombinierte Anwendungen zum Kühlen und Heizen. Die Kühlung erfolgt normalerweise direkt über den geschlossenen Kreislauf, wogegen zum Heizen häufig auch Wärmepumpen eingesetzt werden [7].

Wärmepumpe
Kleine Wärmepumpen, welche dem Gebäude Wärme entziehen und mindestens teilweise diese Wärme auf höherem Temperaturniveau für andere Anwendungen (z. B. Warmwasser) bereitstellen, können sowohl finanziell wie auch energetisch äußerst interessant sein. Anlagen mit einer installierten Leistung von weniger als 5 W/m² (10 W/m² bei Sanierungen) werden deshalb behördlich in der Regel überall ohne weitere Bedingungen akzeptiert.

Schlussbemerkungen

Die internen Wärmelasten haben - bedingt durch die zunehmende Verbreitung von Informatikmitteln - vor allem im Dienstleistungsgebäuden zugenommen. Sie wurden in der Vergangenheit oft überschätzt und durch die energetische Verbesserung der EDV-Mittel konnte die Zunahme der internen Lasten stark gebremst werden. Trotzdem hat der Stromverbrauch der Büromatik langsam aber stetig zugenommen.
Nicht zuletzt dürfte aber auch falsches Benutzerverhalten für viele überwärmte Räume mitverantwortlich sein. Besonders bei energieeffizienten, hochisolierten Bauten können innere Wärmelasten nicht mehr so leicht abgeführt werden. Zwar schützt die Hülle im Sommer auch sehr gut vor eindringender Wärme, offene oder unbeschattete großzügige Fensterflächen lassen jedoch rasch zuviel Wärme hinein, die nicht mehr leicht abgeführt werden kann. Ebenso problematisch ist die Wärmeabgabe von Geräten und Beleuchtungen, die unnötig in Betrieb sind.
Die methodischen Grundlagen zur Systemwahl wurden im Rahmen einer Diplomarbeit der RWTH Aachen erarbeitet [1]. Sie bilden ein zentrales Entscheidungsinstrument, für welches im Handbuch der passiven Kühlung [2] weiterführende Planungsrichtlinien zusammengestellt wurden. Der vorliegende Beitrag stellt einen Auszug aus dem Handbuch dar. Eine umfassende Ausführung aller angeführten Kühlsysteme und der Entscheidungskriterien zur Systemwahl finden sich im "Handbuch der passiven Kühlung" [2].

Literatur

[1] I. Plato: Low Energy Cooling - Bearbeitung eines Verfahrens zur Auswahl des optimalen Raumkühlkonzepts während der Entwurfsphase, insbesondere zur Evaluation passiver und hybrider Systeme in Bürobauten, RWTH Aachen/EMPA Dübendorf, Juli 1995
[2] M. Zimmermann: Handbuch der passiven Kühlung, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2003, ISBN 3-8167-6267-0
[3] U. Steinemann et al: SIA Empfehlung V 382/2 "Kühlleistungsbedarf von Gebäuden", SIA, Ausgabe 1992 (in verlängerter Vernehmlassung), Zürich
[4] U. Steinemann et al: SIA Empfehlung V 382/3 "Bedarfsermittlung für lüftungstechnische Anlagen", SIA, Ausgabe 1992 (in verlängerter Vernehmlassung), Zürich
[5] SWKI Richtlinie 95-3 "Jährlicher Energiebedarf von lüftungstechnischen Anlagen", Schweiz. Verein von Wärme- und Klima-lngenieuren, Bern, 1997
[6] VDI 2078 "Berechnung der Kühllast klimatisierter Räume", Verein deutscher Ingenieure, Juli 1996, Beuth Verlag GmbH, 10772 Berlin
[7] SIA Dokumentation D 0179 Energie aus dem Untergrund - Erdreichspeicher für moderne Gebäudetechnik, SIA, 2003, ISBN3-908483-52-2

 

Bezugsnachweis "Handbuch der passiven Kühlung": Mark Zimmermann
2003, 136 S., zahlr. Grafiken, Fotos und Tab., Gebunden
ISBN 3-8167-6267-0 | Fraunhofer IRB Verlag
EUR 33,- [sFr 54,90] http://www.irbdirekt.de/irbbuch/

*) Mark Zimmermann ist Mitarbeiter der Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt am Zentrum für Energie und Nachhaltigkeit in Gebäuden in Dübendorf, Schweiz [^]

Top of page