Zeitschrift EE

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2005-02: Energieeffiziente Klimatisierung

Passives Kühlen

Betrachtet man die Zahlen zum Stromverbrauch in Österreich, so ist in den letzten 15 Jahren eine deutliche Steigerung im Bereich der Klimatisierung zu erkennen. Lag der Stromverbrauch für die Kälteerzeugung im Jahre 1990 noch bei 2,1 GWh/a, wurde dieser Betrag bis 1996 um das Zehn-fache, auf 21,1 GWh/a erhöht. Für das Jahr 2010 wird noch einmal ein Anstieg um das Zehnfache auf 208,3 GWh/a prognostiziert (EERAC, 99).

Überhitzungsproblematik im Bürobestand

Von Ernst Blümel und Christian Fink*

Eine immer zentralere Rolle spielt bei diesen Verbrauchen der Sektor "Büro- und Verwaltungsgebäude", und hier im speziellen der Gebäudebestand. Höhere Installationsdichten von EDV- und Bürogeräten - trotz immer steigender Energieeffizienz dieser Geräte - und hohe Solarlasten durch unzureichende Verschattungskonzepte führen zu zwei problematischen Szenarien. Entweder liegen die Raumtemperaturen deutlich oberhalb der behaglichen Grenzwerte und somit sinkt die Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeiter, oder man begegnet den Übertemperaturen mit dem Einbau konventioneller, energie- und betriebskostenintensiver Klimageräte.

Nationales Forschungsprojekt

Ausgehend von diesen Umständen wurde von der AEE INTEC in Kooperation mit dem Institut für Wärmetechnik an der TU-Graz das Projekt "COOLSAN - Nachhaltige Sanierungskonzepte für den Bürobestand" definiert und vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) innerhalb der Programmlinie "Haus der Zukunft" beauftragt. Dieses Projekt verfolgt das Ziel, mit nachhaltigen Sanierungskonzepten ein behagliches Raumklima bei gleichzeitig geringstem Energiebedarf und unter Nutzung von Umweltenergien zu schaffen.
Zur Erreichung der definierten Ziele wurde in der erste Phase des Projektes eine umfassende Dokumentation 15 bestehender Bürogebäude mit Problemen beim sommerlichen Betrieb (Überhitzung in den Büroräumen bzw. erhöhte Stromkosten durch den Betrieb von Klimageräten) durchgeführt. In der zweiten Phase wurden zwei dieser 15 Objekte ausgewählt und anhand dieser nachhaltige Kühlkonzepte ausgearbeitet und mittels dynamischer Gebäudesimulation das Potenzial von Lastreduktionsmaßnahmen sowie der Einsatz von Umweltenergien als Kältequelle analysiert und bewertet.

Abbildung 1: Überhöhte Raumtemperaturen und hohe Stromkosten durch Klimatisierung - ein wesentliches Thema im Bestand von Bürogebäuden

Ergebnisse aus den Gebäudeanalysen

In der Projektphase 1 wurden 15 bestehende Büro- und Verwaltungsgebäude (insgesamt ca. 70.000 m² Büronutzfläche) hinsichtlich der vorherrschenden Behaglichkeit und des vorherrschenden Energieverbrauchs in den Sommermonaten dokumentiert. Wesentliches Ziel dabei war es, durch die Analyse der technischen (Bauphysik, Verschattungssystem, installiertes Beleuchtungs- bzw. EDV-System, etc.) und nutzerabhängigen Rahmenbedingungen (Aktivierungszeiten der Verschattung, der Beleuchtung, etc.) auftretende Wärmelasten und ihre wesentlichen Einflussparameter im Gebäudebestand zu ermitteln und zu bewerten. Abbildung 2 zeigt hierzu die Gegenüberstellung der aus der Dokumentation und Analyse der 15 Objekte ermittelten maximalen Wärmelasten.

Abbildung 2: Kühllast der erhobenen Objekte Kuehllast.xls

Die Bandbreite reicht von knapp 35 W/m² bis 80 W/m² Bürofläche. Dabei machen die solaren Lasten zum überwiegenden Teil mehr als 50% der Gesamtlast aus. Zum einen liegt der Grund dafür an den zum Teil hohen Verglasungsflächen der dokumentierten Objekte (das Verhältnis AFenster/ABürofläche beträgt bis zu 0,5, Abbildung 3), zum anderen an den unzureichenden Verschattungssystemen (z. B. innenliegende Markisen). Bei den internen Lasten liegen die Lasten durch EDV-Ausstattung und durch die Personenbelegung im Mittel mit je rund 20% der Gesamtlast auf ähnlichem Niveau. Die Beleuchtung macht aufgrund der reduzierten Nutzung in den Sommermonaten zusammen mit der Lüftung den geringsten Anteil der Kühllast aus (10% der Gesamtkühllast).

Abbildung 3: Großzügige Verglasungsflächen gepaart mit unzureichenden Verschattungssystemen und ungünstigem Nutzerverhalten führen dazu, dass die durchschnittlichen solaren Lasten mehr als 50% der Gesamtkühllast ausmachen

Zusätzlich zur spezifischen Kühllast wurde der Wärmeeintrag bezogen auf einen Tag (Wh/m²d) betrachtet. Dieser berücksichtigt im wesentlichen das Tagesprofil der einzelnen Lasten - somit auch nutzerspezifische Parameter, wie beispielsweise die Aktivierung der Verschattung oder der Beleuchtung - und lässt zusätzlich auch erste Rückschlüsse über den möglichen Einsatz passiver Kühlkonzepte zu. Die gesamte Bandbreite der Wärmeeinträge bewegt sich zwischen 300 Wh/m²d und 1000 Wh/m²d. Umgerechnet in Wärmelasten (Bezugszeit acht Stunden) ergibt das einen Mittelwert von 40 W/m² bis 125 W/m² Bürofläche, der über die gesamte Arbeitszeit konstant abgeführt werden muss, um Überhitzungen zu vermeiden.
Die grundsätzliche Aufteilung der Gesamtkühlenergie auf ihre einzelnen Einflussbereiche ist mit 50% Solar, 20% Personen, 20% EDV und 10% Beleuchtung plus Lüftung analog zu jener der maximalen Kühllast.
Neben den grundsätzlichen Lastspezifikationen, bestätigte die Gebäudedokumentation sehr deutlich, dass überhöhte Raumtemperaturen im Bürobestand den größten Unzufriedenheitsfaktor für die Angestellten bei der sommerlichen Nutzung der Büroräume darstellt. Die damit verbundene Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Büropersonals stellt gleichzeitig wesentliche wirtschaftliche Einbußen für das Unternehmen dar. Abbildung 4 zeigt den gemessenen Raumtemperaturverlauf über 14 Tage im Vorarlberger Landhaus in Bregenz.

Abbildung 4: Raumtemperaturverlauf über 14 Tage im Vorarlberger Landhaus in Bregenz

Zusätzlich zur Überhitzungsproblematik, von der naturgemäß die Büronutzer am stärksten betroffen sind, konnte die Gebäudedokumentation auch einen deutlichen Trend im Primärenergieverbrauch aufzeigen. Abbildung 5 zeigt dazu die Entwicklung des spezifischen Stromverbrauchs der dokumentierten Gebäude im Zeitraum von 1992 bis 2002. Aus dem Verlauf ist herauszulesen, dass sich die Stromverbräuche über 10 Jahre in einem Bereich von 50% bis zu fast 100% erhöht haben. Die Ursachen dafür können unterschiedlich sein. Einen der größten Einflüsse hat, trotz immer energieeffizienterer Geräte, der vermehrte EDV-Einsatz (höhere Installationsdichten) in Verbindung mit längeren Laufzeiten. Der zweite wesentliche Punkt ist der Umstand, dass es unumgänglich wird, zumindest Teilbereiche von Bürogebäuden zu klimatisieren (z. B. Serverräume, Besprechungszimmer, etc.). Hier wird in der Regel auf primärenergieintensive Splitgeräte zurückgegriffen.

Abbildung 5: Entwicklung des Stromverbrauchs in den 15 dokumentierten Gebäuden von 1992 bis 2002

Nachhaltige Sanierungskonzepte

In Projektphase 2 wurden aus den 15 dokumentierten Gebäuden zwei Objekte (Landhaus Bregenz / Abbildung 6 und Oberlandesgericht Linz / Abbildung 7) ausgewählt, um an diesen verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der sommerlichen Situation in den Büroräumen analysieren und bewerten zu können. Basis für die Auswahl der Gebäude waren primär der Grad des Sanierungsbedarfs, das mögliche Umsetzungspotenzial von nachhaltigen Kühlkonzepten sowie die Möglichkeit der Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf andere Sanierungsobjekte. Bei den beiden vorliegenden Objekten gilt es Raumtemperaturen von bis zu 34 °C und mehreren hundert Stunden über 26 °C Raumtemperatur entgegenzuwirken.
Aufgrund der hohen Flexibilität bei der Definition der Randbedingungen und der Möglichkeit auch Systeme zur Energieabgabe, -verteilung und -bereitstellung zu berücksichtigen (z.B: Bauteilkühlung über ein wassergeführtes System mit Erdsonden als Kältequelle), wurde die Simulationssoftware TRNSYS für alle Vergleichs- und Optimierungsrechnungen herangezogen.

Abbildung 6: Nordwest-Ansicht des Vorarlberger Landhauses in Bregenz

Abbildung 7: Südwest-Ansicht des Oberlandes-gericht Linz. Gegenstand der Untersuchung waren die beiden obersten Geschoße

Neben der Problematik der oft sehr großzügigen Verglasungsflächen, ist leider häufig der Nutzer selbst für höhere solare Wärmelasten verantwortlich als sie tatsächlich sein müssten. Die zu späte Aktivierung der Verschattung ist ein wesentlicher Grund dafür. Optimiert man diesen Parameter, d.h. geht man von einem "bewusst-aktiven" Nutzerverhalten bzw. von einer Tageslichtregelung aus, so sind beim Kühlenergiebedarf Reduktionen von 70% und mehr möglich. Nimmt man die Raumtemperatur als Vergleichsparameter, so können durch diese Maßnahme die Spitzentemperaturen in Büroräumen um rund 4 K gesenkt werden. Bei allen übrigen Maßnahmen (EDV, Beleuchtung, Speichermasse) liegen die Kühlenergie-Einsparungen je nach Ausgangssituation zwischen jeweils 10% bis 30% bzw. ist eine Raumtemperaturabsenkung von bis zu 3 K möglich. Abbildung 8 zeigt dazu beispielhaft einen Auszug aus den Sensitivitätsanalysen für verschiedene Verschattungsvarianten. Dargestellt sind die Ergebnisse in Form der Überschreitungshäufigkeit der operativen Raumtemperatur (=empfundene Raumtemperatur; diese ist vereinfacht aus dem Mittelwert von Raumluft- und Wandoberflächentemperatur zu ermitteln). Der gelb markierte Bereich stellt den bei sitzender Tätigkeit als behaglich definierten Temperaturbereich dar. Die Summe aller Bürostunden für den betrachteten Zeitraum von Mai bis September eines Jahres beträgt hier 1200 Stunden. Die operative Raumtemperatur von 19 °C wird zu allen Bürostunden überschritten. Die Überschreitungshäufigkeit beträgt somit 1200 Stunden (=100% der betrachteten Bürostunden). Analog zu dieser Vorgehensweise kann für alle dargestellten operativen Raumtemperaturen die Behaglichkeitsüberschreitung ermittelt werden.

Abbildung 8: Kumulierte Überschreitungshäufigkeiten der operativen Raumtemperatur bei verschiedenen Verschattungsvarianten

Die Summe aller innerhalb dieser Sensitivitätsanalysen gewonnenen Erkenntnisse hat gezeigt, dass bei guten baulichen Voraussetzungen bereits durch Lastreduktionsmaßnahmen die Raumtemperaturen zu einem sehr großen Teil auf ein behagliches Temperaturniveau gebracht werden können. In Kombination mit einer effizienten Nachtlüftung kann in vielen Fällen sogar komplett auf ein aktives Kühlsystem verzichtet werden.
Die im letzten Abschnitt des Projektes durchgeführten Analysen von Kühlkonzepten zeigten, dass bei im Vorfeld durchgeführten Kühllastreduktionsmaßnahmen sowohl über luft- als auch über wassergeführte Kühlsysteme wirtschaftliche Lösungen erzielbar sind. Abbildung 9 zeigt dazu beispielhaft einen Auszug aus der Sensitivitätsanalyse luftgeführter Kühlkonzepte. Bei der Basisvariante handelt es sich um ein kühllastoptimiertes Gebäude (~ 30 W/m² Bürofläche). Basis für die Variante "optimierte Lüftkühlung" ist die in Tabelle 1 beschriebene Regelstrategie.

Abbildung 9: Überschreitungshäufigkeit der operativen Raumlufttemperatur zur Bürozeit bei einem optimierten Luftkühlkonzept (Regelstrategie, siehe Tabelle 1)

Tabelle 1: Regelkriterien für die optimierte Kühlstrategie mittels Lüftungsanlage

Optimierte Luftkühlung T_Raum > 21 °C T_Raum < 21 °C
Bürozeiten (8:00 - 17:00 Uhr) 2-facher Luftwechsel
Tzul = 20 °C
Hygienischer Luftwechsel
Tzul = 20 °C
Außerhalb der Bürozeiten
(17:00 -7:00 Uhr)
Wenn T_Raum > T_Außen, dann
3-facher Nachtluftwechsel

Wenn T_Raum < T_Außen, dann
Lüftung aus

Als zusammenfassende Erkenntnisse aus den Sensitivitätsanalysen von Kühlkonzepten können folgende Aussagen getroffen werden:

  • Die Voraussetzung für das Kühlen mit Umweltenergien ist ein kühllastoptimiertes Gebäude (Zielwert: ~ 30 W/m² Bürofläche);
  • Ein kühllastoptimiertes Gebäude (inklusive Nachtlüftung) kann mit Zulufttemperaturen von 20 °C und einem rund 2-fachen Luftwechsel ausreichend gekühlt werden;
  • Werden bei einem kühllastoptimierten Gebäude wassergeführte Systeme eingesetzt, so kann die Vorlauftemperatur bei rund 22 °C liegen um ein behagliches Raumklima zu erzielen;
  • Werden bei der Nutzung von nachhaltigen Kältequellen (Erdreich, Grundwasser, Nachtluft, etc.) die Kühlsysteme (Erdsonde, Kühlturm, Nachtkühlung, etc.) fachgerecht dimensioniert, so erreichen alle Systeme Vorlauftemperaturen (nicht höher als 22°C) um eine ausreichende Kühlung des kühllastoptimierten Gebäudes zu gewährleisten.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Arbeiten innerhalb des Projekts COOLSAN haben sehr deutlich den hohen Sanierungsbedarf (stetig steigender Strombedarf bzw. Raumtemperaturen von 32 °C und mehr) und das große Optimierungspotenzial durch nachhaltige Sanierungskonzepte beim sommerlichen Betrieb von Büro- und Verwaltungsgebäuden aufgezeigt. Dass akuter Handlungsbedarf besteht, bestätigen zusätzlich das allgemein hohe Interesse an den Projektergebnissen sowie das große Engagement der im Projekt beteiligten Gebäudebetreiber.
Im nächsten Schritt sollen, basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen, bei den beiden im Detail untersuchten Objekten konkrete Sanierungsmaßnahmen eingeleitet und noch in diesem Jahr gestartet werden bzw. soll für weitere Sanierungsfälle eine Übertragung der Ergebnisse stattfinden.


Der vollständige Endbericht der Projekts COOLSAN steht unter www.hausderzukunft.at als Download zur Verfügung.

Literatur:

/1/ EU-Projekt (SAVE) "Energy Efficiency of Room Air-Conditioners", Coordinator: Jerome Adnot, Final Report May 1999

 

*) Dipl.-Ing. Ernst Blümel und Ing. Christian Fink sind Mitarbeiter der AEE INTEC, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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