Zeitschrift EE

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2003-01: Solare Architektur

Thermische Kollektoren

Augustin dach_ohne_sonnensch Bestehende Bauten sind eine große Menge vergegenständlichte Nutzenergie aus mechanischer Arbeit, Wärme, Licht und Schall. Nachhaltiger Umgang heißt, dass durch intelligente Verfahrensweise dieser vorhandene Energiebestand so wenig wie möglich transformiert werde, oder, dass dabei wenigstens die schonendste Weise zum Einsatz kommen sollte.

Solare Sanierung einer Stockwerksfabrik

Von Frank Augustin*

Das Gebäude A2, eine freistehende Stockwerksfabrik, wurde 1904 als Hauptlager der AEG errichtet und 1909 erweitert und fortan bis 1993 als Kabelfabrik genutzt. Das Baudenkmal wurde instandgesetzt, teilweise zurückgebaut, umgebaut, modernisiert, um als Teil des Gewerbe- und Dienstleistungszentrums Wilhelminenhof genutzt zu werden. Durch die kleinteilige Instandsetzung der Stahlbetondecken nach der Methode der "Experimentellen Statik" und nicht den völligen Austausch - wie in einem Gutachten zunächst verlangt - konnte die historische Substanz der Stahlbetondecken bewahrt und somit eine erhebliche Steigerung der Baukosten verhindert werden.

Diese Einsparung gibt zugleich das Maß der umweltschonenden Ressourcen-Einsparung durch die Nutzung des Bestandes an. Allein an diesem Bauteil beträgt sie, auch wenn der Vergleich nur schematisch illustrierend verstanden werden kann, etwa 60 Jahre Heizkosten für den modernisierten Bau.

Das Bauwerk wurde für veränderte Nutzung insbesondere wärmeschutztechnisch sowie die gesamte Haustechnik betreffend modernisiert. Die freistehende Stockwerksfabrik auf Privatgelände besteht aus zwei unterschiedlich hohen Kompartimenten.

Zur Stärkung der Baumassenwirkung des Gebäuderiegels aber auch zur Integration der Teilbauten A2 und A2E wurde das vorhandene Dach über dem Gebäude A2 durch ein Tonnendach ersetzt, in welches eine Solaranlage integriert worden ist, und das auf einer Zwischendecke weitere Nutzflächen bietet, was die Gesamtwirtschaftlichkeit der Maßnahme verbessert.

Haus als Vitrine - Temperierung / Architektur und Solarthermie

Nach Abschluss der Grundinstandsetzung erfolgte im 3. bis 5. Stockwerk ein nutzungsorientierter Innenausbau. Dabei wurden im wesentlichen die befensterten Raumzonen in Büros unterteilt und vorwiegend innenliegende Nebenraumzonen geschaffen.

Die Umwidmung vom Fabrikraum zum Büro war Anlass das "Haus als Vitrine" zu konzipieren. Mit Hypokausten innen vor den massiven Außenwandpfeilern und Pufferzonen zwischen Stahlsprossenfenstern und Vorsatzfenstern wurden nicht nur moderne Innenräume in einem Industriedenkmal realisiert, sondern ein Altbau mit einem Energiebedarf, der deutlich unterhalb dem bei vergleichbaren Neubauten üblichen Niveau liegt. Die architektonische Qualität des Äußeren, geprägt durch die Stahlsprossenfenster im nicht geputzten "Rohbau", konnte so gewahrt und genutzt werden.

Die Temperierung des Außenwandsockels durch den Dauerbetrieb von wärmeleitend an den erdberührenden Wänden montierten Sockelheizrohren nach dem System HYPOTHERMOS® bewirkt die radiale Wärmeübertragung analog zu Beobachtungen an zeitweilig sonnenbestrahlten Wandflächen mit thermodynamischen Effekten, deren Zusammenwirken den Aufwand für Sanierung, Installation, Instandhaltung und den Jahresheizwärmebedarf deutlich mindert. Im Ergebnis wird der Sockel selbst zum "Radiator-Konventor".

Der Energieverbrauch wurde auch für Kühlung und Lüftung durch die Nutzung der diaphanen Außenwand und der Bauwerksmasse als "Energiebrunnen" erheblich reduziert.

Wärmetechnische Maßnahmen

Als konventionelle Maßnahmen wurden also zusätzliche Wärmedämmung und Fugenabdichtung sowie die Schaffung von Puffern an der Außenhülle des Gebäudes realisiert. Die vorhandenen einfach verglasten Stahlsprossenfenster wurden ausgebaut und nach ihrer Instandsetzung wieder eingesetzt. Innen wurden isolierverglaste Schiebefenster mit einem u-Wert von 1,6 W/m²K vorgesetzt. Die dezentral verlegten Heizungsstränge, ungedämmt mit Kontakt an der Außenwand hinter ungedämmten Hypokaustenschalen zwischen den Fenstern verlegt, bilden eine warmstrahlende, die Feuchte der Außenwand vermindernde und somit den Dämmwert erhöhende "Vitrine" von hoher empfundener Behaglichkeit um die Aufenthaltsräume.

Die Dachschalen sind vollständig erneuert worden. Dabei sind mineralische Wärmedämmschichten eingebaut worden, so dass der U-Wert über alles unter 0,3 W/m²K liegt.

Das Gebäude hat ein Niedertemperaturheizungssystem. Die Heizungsanlage einschließlich Übergabestation von einem erdgasbetriebenen BHKW auf dem Gelände ist seit Herbst 1999 fertiggestellt und wurde auch als Winterbauheizung genutzt.

Thermische Solaranlage und thermische Bauwerksabdichtung

Die Montage der dachintegrierten thermischen Solaranlage (energie-solaire, Typ AS ) wurde im Mai 1999 mit dem Bau der Pufferspeicheranlage im Keller begonnen. Kurz darauf konnten die ca. 560 m² Absorberfläche auf dem Dach montiert werden. Seitdem die Anlage im Probebetrieb läuft, wird die Temperierungsschleife im Keller beheizt. Bis zur Inbetriebnahme der Solaranlage wurde die Schleife provisorisch über die Heizungsanlage betrieben. Somit wurde eine Austrocknung des Mauerwerks und eine Temperierung des Kellers bereits während der Bauphase erreicht.

Der Einsatz der Solartechnik zur Heizungsunterstützung und Warmwasserbereitung in Verbindung mit der Temperierung und zugleich thermischen Bauwerksabdichtung nach dem System HYPOTHERMOS® erbringt zusätzliche erhebliche Bau- und Betriebskosteneinsparungen.

Kühlung im Sommer

Die Montage des elektromechanischen Sonnenschutzes für die Glasflächen des Tonnendachs wurde im Herbst 1999 abgeschlossen. Von der Generierung elektrischen Stroms (auch als Betriebsstrom des Sonnenschutzes) mittels einer Photovoltaikanlage wurde wegen der bestehenden Energielieferverträge und der seinerzeit noch hohen Baukosten der Anlagen abgesehen.

Belüftungsanlage Tonnendach

Die unter dem Tonnendach befindlichen Räumlichkeiten werden im Sommer bei hohen Temperaturen zusätzlich mit Außenluft bzw. kühler Luft aus dem Kellerbereich belüftet. Es wurden vier separate Zuluftanlagen errichtet. Die Außenluft wird über Zuluftgitter in den Öffnungen der Kellerfenster auf der Nordwestseite des Gebäudes oberirdisch angesaugt. Die Luft wird in den aufgeständerten Fußboden verteilt und über Fußbodenauslässe bei Bedarf in die Räume geleitet.

Nachtkühlung

Die Aufdopplung der Fenster bildet einen Puffer zwischen Außen und Innen aus, der zu den unterschiedlichen Jahres- und Tageszeiten sowie Wetterverhältnissen genutzt wird. Wenn sich z. B. im Sommer die Büros tagsüber zu sehr erwärmen, werden die Schlitze in den Fensterbänken und die Oberlichter der Stahlsprossenfenster nachts zur Abführung der warmen Raumluft geöffnet.

Abbildung 1
Das Tonnendach kann mit einme elektromechanischen Sonnenschutz verschattet werden. Im oberen Teil des Bildes isst der Absorber erkennbar

 

Abbildung 2: Südost und Südwest
Südost- und Südwestfassade der solar sanierten Stockwerksfabrik

Zahlen und Werte finden Sie auch unter www-frank-augustin-architekt.de.

*) Dr.-Ing. Frank Augustin ist freischaffender Architekt in Berlin, www.frank-augustin-architekt.de [^]

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