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2002-04: Ökostrom

Ökostrom

Das neue Ökostromgesetz1 schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits wurden in ihm die Vorgaben der EU-Richtlinie 2001/77/EG zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt in nationales Recht umgesetzt.

Was bringt das neue Ökostromgesetz?

Von Herbert Lechner*

Andererseits wurden die bisher im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) enthaltenen Regelungen für Ökostrom, Kleinwasserkraft und Kraft-Wärme-Kopplung in das Ökostromgesetz übergeleitet und in wesentlichen Punkten weiterentwickelt. Die folgende Darstellung konzentriert sich auf die Eckpunkte der ab 1.1.2003 gültigen Rahmenbedingungen für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern ohne Wasserkraft. Der Zertifikatshandel für die Kleinwasserkraft (bis 10 MW) wird mit 31.12.2002 wieder abgeschafft. Auch die Förderung der Kleinwasserkraft erfolgt künftig mittels Einspeisevergütung.
Im Interesse des Klima- und Umweltschutzes - verlangt das Ökostromgesetz

  • bis zum Jahr 2010 - entsprechend dem Referenzwert in der EU-Richtlinie - 78,1% des österreichischen Bruttostromverbrauchs mittels Stromerzeugung auf Basis Erneuerbarer zu decken,
  • die Mittel zur Förderung von erneuerbaren Energieträgern effizient einzusetzen,
  • technologiepolitische Schwerpunktsetzungen vorzunehmen,
  • Investitionssicherheit für bestehende und zukünftige Anlagen zu gewährleisten und
  • einen bundesweiten Ausgleich der Lasten der Förderung von Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern zu schaffen.

Für die Ökostromerzeugung gelten weiterhin die bereits im ElWOG vorgesehenen Ziele (lediglich eine Umstellung des Bezugszeitraums auf ein Kalenderjahr erfolgte). Sie hat ab 1. Jänner 2004 etwa 2%, ab 1. Jänner 2006 etwa 3% und ab 1. Jänner 2008 mindestens 4% der gesamten jährlichen Stromabgabe aller Netzbetreiber Österreichs an die an öffentliche Netze angeschlossenen Endverbraucher zu betragen.
Die Einspeisevergütungen sind vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit so zu gestalten, dass eine kontinuierliche Steigerung der Ökostromerzeugung bzw. die Zielerreichung garantiert ist. Der Zielvorgabe für das Jahr 2008 von 4% entspricht eine Produktion von etwa 2.200 GWh, nach Abzug der bereits derzeit bestehenden Ökostromerzeugung verbleiben etwa 1.700 GWh, die durch neu zu errichtende Kapazitäten abzudecken sind. Bei einem Kraftwerksmix, der im wesentlichen aus Biomasse und Wind bestehen wird, bedeutet dies den Zubau von rund 500 MWel, was Investitionen von mindestens 1 Mrd. - auslösen wird.
Diesen Ökostromanlagen ist ein Tarif zu gewähren, der sich an den durchschnittlichen Produktionskosten von kosteneffizienten Anlagen orientiert und - entsprechend der Forderung nach Investitionssicherheit - über einen Mindestzeitraum von 10 Jahren zu zahlen ist.

Ökobilanzgruppenverantwortliche als Drehscheibe

Die Abnahmepflicht für Ökostrom "wandert" von den Verteilnetzbetreibern zu den Ökobilanzgruppenverantwortlichen (Öko-BGV). Konsequenterweise entfallen für die Verteilnetzbetreiber daher Abnahmepflicht, Ökostrom-Zielverpflichtungen und allfällige Ausgleichszahlungen bei Zielverfehlung. Als Öko-BGV werden die Regelzonenführer eingesetzt (d. h. Verbund APG, TIWAG und VKW). Eine Beschränkung auf "heimische" feste und flüssige Biomasse wie im ElWOG 2000 ist nicht mehr vorgesehen. Strom aus Ablauge, Tiermehl und Klärschlamm bleibt aber weiterhin von der Abnahme- und Vergütungspflicht ausgenommen.
Die Öko-BGV geben den übernommenen Ökostrom an die Stromhändler - im Verhältnis ihres jeweiligen Marktanteils am Endverbrauch - weiter. Dafür haben die Stromhändler einen "Verrechnungspreis" von 4,5 ct/kWh zu zahlen. Da der Marktpreis für elektrische Energie derzeit bei 2,4 - 2,5 ct/kWh liegt, beinhaltet der Verrechnungspreis eine Förderkomponente, welche die Stromhändler in ihren Kalkulationen unterzubringen haben.
Der Aufwand der Öko-BGV setzt sich aus der Zahlung der Mindestpreise, den Kosten für Ausgleichsenergie und für ihre Administrations- und Finanzierungskosten zusammen. Zur Abdeckung dieses Aufwands stehen neben den Erlösen aus dem Verkauf an die Stromhändler (zum Verrechnungspreis) auch Mittel aus "Förderbeiträgen" zur Verfügung. Bei den "Förderbeiträgen" handelt es sich um Zuschläge zu den Systemnutzungstarifen, welche die Stromverbraucher zu bezahlen haben. Eine Differenzierung dieser Zuschläge nach Netzebenen ist maximal bis zum Faktor 1,5 zulässig (d. h. es kann festgelegt werden, dass Industriekunden pro kWh weniger als Haushalte zahlen). Die Zuschläge werden bundesweit einheitlich entsprechend dem Mittelbedarf der Öko-BGV (zur Begrenzung des Förderaufwands siehe unten) durch den Wirtschaftsminister festgelegt.
Eine Neuerung gegenüber dem ElWOG 2000 ist die "Deckelung" der durchschnittlichen Gesamtkostenbelastung für die Förderung von Ökostrom: Hier kommt für "sonstige Ökostromanlagen" (ohne Kleinwasserkraft) folgender Mechanismus zur Geltung:
Förderbeitrag plus Verrechnungspreis minus Marktpreis darf maximal 0,22 ct/kWh betragen (bezogen auf die Abgabe an Endverbraucher).
Für 2003 ergibt sich daraus ein maximal mögliches Fördervolumen von 110 Mio. -, wovon 25 Mio. - den Ländern zur Förderung neuer Technologien zu überweisen sind (der Länderanteil sinkt ab 2004 auf 15 Mio. - und beträgt ab 2005 jährlich 7 Mio. -). Sofern die Kosten der Öko-BGV für Ausgleichsenergie, Administration und Risikoabdeckung von Zahlungsausfällen der Stromhändler nicht "ausufern", ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass die "Deckelung" tatsächlich wirksam wird, da das Ökostromgesetz ab 1.1.2005 ohnedies die Möglichkeit vorsieht, diese Begrenzung anzuheben.

Der steinige Weg zu neuen Einspeisevergütungen

Derzeit laufen die Verhandlungen zur Festlegung der neuen Einspeisevergütungen2, wofür das Ökostromgesetz einen relativ komplexen Abstimmungsmechanismus vorsieht: Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat dazu das Einvernehmen mit den Bundesministerien für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie Justiz (Konsumentenschutz) herzustellen. Zusätzlich ist neben der Behandlung im Elektrizitätsbeirat die Zustimmung der Länder einzuholen (im Wege einer von der Landeshauptmännerkonferenz eingesetzten Arbeitsgruppe aus dem Kreis der Landeshauptmänner). Kommt die Einigung mit den Ländern nicht innerhalb von sechs Monaten zustande, kann die Einspeisevergütungsverordnung auch ohne Zustimmung der Länder erlassen werden.

Abbildung 1:


Da die derzeit diskutierten Vorschläge - auf der einen Seite das im Auftrag des BMWA erstellte Gutachten der E-Control, auf der anderen Seite die Forderungen der Länder - in den meisten Punkten noch weit auseinander liegen - kommt diesem Abstimmungsmechanismus eine nicht unbeträchtliche Rolle zu und es lässt sich derzeit noch nicht sagen, welche Einspeisevergütungen "at the end of the day" gelten werden.

Wohin wollen wir?

Ohne vorherigen Konsens über eine energie- und industriepolitische "Strategie" ist bzw. wird die Diskussion der verschiedenen Tarifvorschläge jedenfalls äußerst schwierig: Ist es doch evident, dass mit den festzulegenden Einspeisevergütungen wesentliche strukturelle Weichenstellungen eines künftigen Stromerzeugungssystems (Technologien, Brennstoffe) erfolgen. Das ("mindestens") 4%-Ziel ist eine Zwischenetappe auf einem Weg in Richtung nachhaltiger Elektrizitätsversorgung. Stärken und Chancen Österreichs im Bereich der Erneuerbaren sollten daher von Beginn an ausreichend Berücksichtigung finden.
Die effiziente Vergabe von Fördermitteln im Sinne des Ökostromgesetzes lässt sich weder auf das betriebswirtschaftliche Kostenminimum der Zielerreichung reduzieren noch als Freibrief für ein Fördersystem nach dem Motto "koste es, was es wolle" interpretieren. Dass volkswirtschaftliche Überlegungen mit einzubeziehen sind (z. B. dass Markt- und Exportpotenziale einzelner Technologien zu berücksichtigen sind), zeigt insbesondere die Forderung nach "technologiepolitischen Schwerpunktsetzungen".

Feste Biomasse

Das "Österreichische Energieforschungs- und -technologiekonzept" (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Juli 2002) enthält diesbezüglich klare Vorstellungen: Das Ziel der Erhaltung bzw. Erlangung der Technologieführerschaft in ausgewählten Bereichen der Bioenergie, der festen Biomasse bzw. nachwachsenden biogenen Rohstoffen (Verbrennung, Vergasung, Vergärung) steht in diesem Zusammenhang im Vordergrund. Weiters heißt es dazu: Im Bereich der Bioenergie steht die Entwicklung und Optimierung kostengünstiger, hocheffizienter und emissionsarmer Verfahren und Technologien zur thermischen und kombinierten thermisch-elektrischen Nutzung (KWK-Technologien) von nachwachsenden (biogenen) Rohstoffen (Produktion von Wärme/Kälte bzw. Wärme/Kälte und Vordergrund. Besonderes Augenmerk ist auf diejenigen Leistungsbereiche zu legen, die in Europa ein hohes Verbreitungspotenzial besitzen und damit auch den heimischen Wirtschaftsstandort stärken können. Ausgangspunkt ist dabei die vorhandene und weiter auszubauende Kompetenz im Bereich kleiner und mittelgroßer Anlagen. Hierunter wird eine thermische Nennleistung bis 15 MW bzw. eine elektrische Nennleistung bis max. 5 MW verstanden.

Zusammenfassung der wesentlichen Elemente des ab 1. 1. 2003 wirksamen Fördermechanismus für Ökostrom:

  • Anerkennung der förderfähigen Ökostromanlagen durch den Landeshauptmann
  • Abnahmeverpflichtung und Vergütung zu - durch den Wirtschaftsminister  festgelegten - bundesweit einheitlichen Mindestpreisen für Ökostrom durch die Ökobilanzgruppenverantwortlichen (Öko-BGV)
  • Einrichtung von Öko-Bilanzgruppen durch die Regelzonenführer (Verbund-APG, TIWAG, VKW)
  • Ökostrommindestziel als "politisches" Ziel und Orientierung für die Gestaltung der Einspeisevergütungen
  • "Zuteilung" der übernommenen Ökostrommengen durch die Öko-BGV an die Stromhändler (entsprechend ihrem Marktanteil am Endverbrauch) zum Verrechnungspreis
  • Finanzierung des Aufwands der Öko-BGVs aus den Erlösen der Verkäufe zum Verrechnungspreis und den Förderbeiträgen (Zuschlag zum Netztarif) der Endverbraucher
  • Mittelzuteilung für die Länder zur Förderung neuer Technologien (zusätzlich über die durch den Wirtschaftsminister verordneten Mindestpreise hinaus)
  • Beschränkung des jährlichen Fördervolumens für Ökostrom
    Monitoring der Zielerreichung durch E-Control GmbH und BMWA

1)Das neue Ökostromgesetz wurde vom Nationalrat noch knapp vor seiner Sommerpause am 10.7.2002.verabschiedet und am 23.8.2002 als BGBl. I Nr. 149/2002 kundgemacht

2) Neuanlagen, die bis Ende dieses Jahres eine Errichtungsbewilligung erhalten, können noch die derzeit gültigen - durch den jeweiligen Landeshauptmann verordneten - Einspeisevergütungen in Anspruch nehmen. Diese gelten dann entsprechend dem in dieser Verordnung vorgesehenen Zeitraum. Gibt es dazu keine Angaben, sind sie für mindestens 10 Jahre gültig.

*) Mag. Herbert Lechner ist in der Energieverwertungsagentur (E.V.A) Experte für den Bereich Energiewirtschaft Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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