Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

2002-03: Passivhäuser

Planung und Qualitätssicherung

Energetische Qualitätssicherung (QS) bei Passivhäusern heißt, darauf aufzupassen, ob ein Passivhaus in seiner Planung und später in seiner Bauausführung tatsächlich all die Eigenschaften hat, die zum Erreichen des angestrebten niedrigen Heizenergieverbrauchs nötig sind.

Qalitätssicherung bei Planung und Bauausführung von Passivhäusern

Von Klaus Michael*

Ein Auftrag zur externen QS für Planung und Bauausführung eines Passivhauses kann unterschiedliche Veranlassungen haben. Auftraggeber kann der Investor aus eigenem Interesse sein, weil er die Qualität, von der er selbst nichts versteht, durch einen unabhängigen Partner überwacht haben will, oder es ist ein bei Passivhäusern noch wenig erfahrener Planer oder Bauträger, der sein eigenes Know-how ergänzen und sein erstes Passivhaus-Projekt erfolgreich realisieren will. Oft sind es auch Kommunen beim Grundstücksverkauf oder Fördermittelgeber, die unabhängig und fachkundig geprüft haben wollen, ob ihre Anforderungen von Dritten eingehalten werden. Beratungs- und Prüfaufgaben können dabei zusammenfallen.
Inhaltlich sind dabei meist dieselben Punkte zu bearbeiten, die sich etwa in folgende Arbeitsschritte gliedern:

Qualitätssicherung der Bauplanung

Anfangs ist die Lage, die tatsächliche Ausrichtung und die Besonnung oder Beschattung aller Fenster zu klären, da die solaren Gewinne beim Passivhaus eine große Rolle spielen. Nordpfeile sind oft phantasievoll gestaltet aber ungenau, tatsächlich zu erwartende Verschattungen werden häufig gar nicht geprüft.
Als zweites ist der genaue Verlauf der thermisch trennenden Gebäudehülle und die thermischen Zonierung im Haus zu klären. Die Übergänge zu unbeheiztem Keller, Anbau oder Dach müssen genau durchdacht werden, um eine durchgehende Dämmhülle und wärmebrückenfreie Übergänge zu erhalten.
Als drittes sind die genauen wärmetechnischen Eigenschaften (U- und g-Werte) aller vorkommenden Bauteile der wärmedämmenden Hülle zu prüfen. Die meisten Bauten haben mehr verschiedenartige Bauteile, als man auf Anhieb denkt.
Bei der Konstruktion muss man die Vollständigkeit und Plausibilität der Luftdichtheits-Planung durchgehen. Verlauf, Materialien und Anschlüsse aller luftdichtenden Schichten müssen rund um das Haus durchdacht sein, wenn man sich nicht erst am Bau über die Ausführungsprobleme wundern will.
Ebenfalls müssen Wärmebrücken-Problempunkte rings um die thermische Gebäudehülle durchgeprüft werden. Oft ist hier auch planerische Hilfestellung erwünscht.
Wir erarbeiten bei der Qualitätssicherung auch immer eine operativen Energiebilanz mit der Software PHPP (Passivhaus-Projektierungspaket). Dies ist zwar mühselig und ich verstehe, warum sich manche Architekten davor lieber drücken. Man muss da aber durch und je früher man in der Planung weiß, wo man energetisch liegt, desto besser. Wärmeschutz und Details nur nach Gefühl zu planen, ist weder sicher noch kostengünstig.
Wir prüfen dann auch die Planung der Lüftungsanlage und der Restheizung darauf hin, ob neben einer hygienisch ausreichenden und hinreichend regelbaren Luftverteilung auch de Wärmeverteilung im Haus funktionieren wird. Oft erarbeiten wir die ganze Lüftungskonzeption. Aber auch dies soll eigentlich der Planer selbst tun, um die damit verbundenen Schwierigkeiten kennen zu lernen und seine Häuser haustechnikfreundlich planen zu können.
Nicht zuletzt sind alle in der QS auftretenden Unklarheiten mit dem Investor oder Planer abzuklären, bis das Passivhaus "aufgeht". Dann erst zertifizieren wir eine Planung.

Abbildung 1: Passivhaus-Kindertagesstätte in Münster. Die energetische Qualitätssicherung erfolgte durch einen externen Dienstleister im Auftrag des kommunalen Investors

Qualitätssicherung der Bauausführung

Grundlage für die QS der Bauausführung ist eine abgeschlossene, hinreichend präzise und detaillierte Planung. Dazu gehören eindeutig bemaßte Ausführungspläne, präzise Bauteilbeschreibungen mit Detailskizzen der Regelaufbauten und Anschlüsse sowie eindeutigen Materialangaben aller Baustoffe, Dämmstoffe, Sonderbauteile, Montagehilfsmittel und Verbindungsmittel. Nur anhand einer solchen Volldeklaration lässt sich vor Ort prüfen, ob das Angelieferte bzw. Gebaute mit dem Geplanten übereinstimmt.
Logistisch braucht der Qualitätssicherer einen Bauzeitenplan, der regelmäßig aktualisiert wird und eine komplette Liste mit Namen, Telefon, Handy- und Faxnummern von Investor, Architekt, Fachplaner, Statiker, Büro und Bauleiter der ausführenden Firmen. Nur mit einer solchen Liste in der Tasche lassen sich Rückfragen bei Unklarheiten der Bauausführung hinreichend rasch aufklären.
Die praktische Arbeit der energetischen QS der Bauausführung besteht aus regelmäßigen Ortsterminen auf der Baustelle und möglichst sofortiger Aufklärung eventueller Probleme. Je nach Objektgröße haben wir 5-15 Ortstermine auf Passivhaus-Baustellen einschließlich der Luftdichtheitsmessung.
Anfangs geht es um die Fundamentierung, den unterseitigen Wärmeschutz und die wärmebrückenfreie Montage des massiven Stahl- oder Holz-Rohbaus. In der Mitte der Bauzeit steht der richtige Einbau der Dämmschichten, Türen und Fenster im Vordergrund. Später folgen Leichtbau- und Luftdichtheitsprobleme. Im letzten Drittel spielen Installationen und Lüftungstechnik eine große Rolle. Zwischendrin messen wir zu einem geeigneten Zeitpunkt die Luftdichtheit. Kurz vor Übergabe helfen wir oft noch, die Lüftungsanlage richtig einzuregulieren.
In der frühen Rohbauphase kommen oft Fehler an der thermischen Trennschicht zwischen kaltem Fundament oder Keller und aufstehenden warmen Bauteilen vor. Je nachdem, ob mit oder ohne Keller und bei Kellern mit oder ohne innenliegendem Kellertreppenabgang gebaut wird, gibt es hier viele wärmebrückenträchtige Bauteilanschlüsse. Abweichend von der Planung "wie üblich" montierte Stützen, Wandauflager, Treppenpodeste, Treppenläufe oder Deckenanschlüsse können hier Wärmebrücken entstehen lassen, an die vorher nicht gedacht wurde und die aus zweidimensionalen Plänen nur schwer erkennbar waren.
Bei den Außenwänden können Materialabweichungen bei Steinen, Mörteln, Holzanteilen und Dämmstoffqualitäten vorkommen. Eine sofortige Prüfung des Lieferscheins, der Produktaufkleber oder Fertigteile bei Anlieferung ist daher sinnvoll. Falsche Paletten abtransportieren zu lassen, ist einfacher, als falsche Mauern abzureißen.
Wärmebrücken in der Rohbauphase von Massivbauten entstehen vor allem durch falsch ausgeführte Anschlüsse kalter an warme Bauteile. Wenn Rohbaupläne nur statische Konstruktionszeichnungen sind und keine farbige Markierung des Verlaufs der thermischen Trennschichten in jeder Schnittebene enthalten, sind Wärmebrückenfehler beim Betonbau fast vorprogrammiert. Woher soll ein Bau-Hilfsarbeiter ahnen, wo in geometrisch komplizierten Bauteilen später einmal thermische Trennschichten entlang verlaufen. In Ausführungsplänen sollten daher Aussparungen, Schlitze, Spalte oder Sonderbauteile wie Isokörbe oder andere Iso-Bauelemente deutlich farbig hervorgehoben und mit sehr präziser Positions- und Materialangabe versehen sein.
Beim Einbau von Fenstern und Türen ist der beim Normalbau übliche Pfusch bei der Verfüllung und der äußeren wie inneren Abdichtung der Bauteilfugen auch bei Niedrigenergie- und Passivhäusern zu beobachten. Beim Massivbau ist das Hauptproblem, dass die rauhen Rohoberflächen von Mauerwerk und Mörtelfugen im Brüstungs- und Laibungsbereich sich für keine Abdichtungstechnik anbieten. Für eine einwandfreie Anarbeitung der luftdichtenden Verbindung ist im Regelfall zunächst ein Vorputz bzw. Fugenglattstrich als Montageuntergrund aufzubringen. Dieser Aufwand wird oft gescheut.

Abbildung 2: Expo-Bebauung Kronsberg. Die energetische Qualitätssicherung von 2.500 Wohneinheiten erfolgte durch mehrere externe Dienstleister, die durch die Stadt Hannover koordiniert wurden.

Bei der Fensteranlieferung prüfen wir sofort die Glas- und Rahmenqualität. Die derzeit erst wenigen Hersteller passivhaustauglicher Spezialfenster können sich heute noch nicht viele Fehler leisten. Im Massenfenstermarkt werden dagegen nicht selten andere Qualitäten geliefert, als in der Energiebilanz eingeplant sind.
Beim Innenputz ist vor allem auf das vollflächige Aufbringen zu achten. Ganz häufig ist Putzern nicht bewusst, dass Putz neben der dekorativen auch eine luftdichtende Aufgabe hat, die er nur bei vollflächiger Aufbringung erfüllt. Putzschichten müssen von Oberkante Rohfußboden bis Unterkante Rohdecke gehen ungeachtet der Höhe des Bodenaufbaus, einer evtl. abgehängten Decke oder von innenseitig geplanten Vorwandkonstruktionen. LD-Putz muss auch z.B. hinter Badewanne, Duschwannen, Vorwandinstallationen und anderen nicht luftdichten Innenverkleidungen, Rohrleitungen, wandnahen Balken und anderen Hindernissen aufgebracht werden, sofern dort nicht andere luftdichtende Schichten eingebaut werden. Die Qualitätskontrolle arbeitet hier am effektivsten, wenn sie die Putzer schon zu Beginn ihrer Arbeit auf diese Aspekte anspricht und wenn sie schon im Vorfeld der Putzarbeiten Putzhindernisse (z.B. störend verlegte Leitungen oder Sanitärkonsolen) zu vermeiden sucht.
Bei der Montage einer Außendämmung mit Wärmedämmverbundsystem (WDVS) ist auf die korrekte Verklebung der Dämmplatten zu achten. WDVS-Platten dürfen nicht mit Kleberbatzen, sondern müssen mit umlaufenden Kleberwülsten versehen werden, sodass sich hinter ihnen geschlossene Luftkammern bilden und keine Hinterlüftung der Dämmung möglich ist. Zentimeterbreit aufklaffende Fugen an Bauteilanschlüssen dürfen nicht mit Mörtel sondern müssen mit Dämmstoff verfüllt werden.
Bei der Verlegung luftdichtender Folien oder Pappen und deren Verklebung durch Klebebänder oder Kartuschenkleber sollte neben der Eignung der Verbindungsmittel die Bau- und Materialfeuchte geprüft werden. Viele Kleber haften nicht auf feuchtem Untergrund und eine erst spätere Abtrocknung des Untergrundes hilft auch nicht mehr. Baupappen dürfen nach dem Einbau nicht mehr beregnet werden, sollten also erst nach dem Fenstereinbau eingebaut werden und nicht auf nassem Holz verarbeitet werden. Folien oder Pappen sollten auch immer so verlegt werden, dass all ihre Stöße über Latten oder Balken liegen, da sonst oft kein stabiler Untergrund für das Anpressen der Klebebänder vorhanden ist und diese nicht ihre nötige Dauerklebkraft erreichen können. 30 % Verschnitt bei der PE-Folie ist billiger als drei Rollen mehr Klebeband oder eine halbe Wand nacharbeiten.
Bei der QS der Installationsarbeiten ist auf möglichst wenig Verletzungen luftdichtender Schichten zu drängen. Wenn immer derjenige Löcher wieder dauerhaft und verantwortlich verschließen muss, der sie aufreißt, wird vorsichtiger und bewusster gearbeitet, als wenn jeder Installateur nur an seine möglichst geradlinige Verlegewege denkt.

Abbildung 3: Gewerbebau in Harsewinkel, Deutschland. Energetische Qualitätssicherung durch integrale Planung des Investors

Bei der Lüftungsanlage schauen wir darauf, dass schwer reinigbare Luftkanäle nicht schon während der Bauzeit stark verschmutzt werden und dass später nicht mehr zugängliche Leitungsstücke so installiert werden, dass sie reinigungsfähig sind.
Zur QS der Bauausführung gehört dann auch die Vorbereitung und Durchführung von Luftdichtheitsmessungen. Wichtig ist, dass ein für die Luftdichtemessung geeigneter Bauzwischenzustand hergestellt wird, bei dem die luftdichtenden Schichten möglichst alle noch zugänglich und kontrollierbar, zugleich das Gebäude aber messfähig dicht ist und die LD-Schichten nachher nicht wieder beschädigt werden.
Die Einregulierung der Lüftungsanlage kann auch zur Qualitätskontrolle gehören. Wird diese vom Installateur vorgenommen, sollte man dabei sein. Viele Installateure haben leider noch keine hinreichend guten und praktischen Messgeräte, sodass eine Zusammenarbeit mit dem Installateur hilfreich ist.
Energetische Qualitätssicherung von Passivhäusern ist konfliktreich und arbeitsintensiv
In der Planungsphase stören oft die Eitelkeiten und Fehleinschätzungen den sachlichen Fortschritt. In der Bauzeit liegen kurz vor Baufertigstellung bei vielen Investoren alle Nerven bereits blank und das Aufzeigen evtl. neuer Probleme wird nur noch wenig freudig aufgenommen. Aber auch der Stress von Planern und Bauleute ist nach einer Weile wieder vorbei. Manchmal erfährt man nach Jahren dann hintenherum, dass der Kunde den Beitrag des Qualitätssicherers doch sehr hilfreich fand. Und wenn der Kunde sich dann sogar stolz mit jenen Qualitäten seines Passivhauses rühmt, die er vorher nur ausgesprochen widerwillig akzeptierte, darf man schmunzeln und hoffen, dass er seine Erkenntnis vielen Folgebauherren weitergeben möge.
Qualitätssicherung von Passivhäusern, und darauf will ich hierbei nur mit aller Deutlichkeit verweisen - ist also keinesfalls nur das rechnerische Nachaddieren von fertig vorgelegten Energiebilanzen. Es ist vielmehr eine sehr intensive Auseinandersetzung mit dem energetischen Konzept und den Detaillösungen eines Hauses. Eine externe energetische QS könnte einmal völlig entfallen, wenn der Ehrgeiz zur energetischen und ökologischen Optimierung Gemeingut in der Baubranche wäre. Bis dahin haben wir aber noch viel zu tun.

 

*) Dipl.-Pol. Klaus Michael ist Inhaber des Detmolder Niedrieg-Energie-Instituts und hat seit 1990 etwa 480 Niedrigenergiehäuser und 20 Passivhäuser mit zusammen über 1500 Wohneinheiten in Planung und Bauausführung begleitet. Er ist Mitglied des Öko-Instituts, der AG Solar NRW und Vorsitzender der RAL-Gütegemeischaft Niedrigenergie-Häuser [^]

Top of page