Zeitschrift EE

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2002-02: Solare Kühlung

Solare Kühlung

Zur Klimatisierung einer zweigeschossigen Produktionshalle mit je 800 m² Grundfläche der Firma H.C. Mayer GmbH in Althengstett wurde die europaweit erste, gewerblich genutzte Sorptionsklimaanlage mit einem Luftkollektorfeld von ca. 100 m² errichtet.

Planung einer Sorptionsklimaanlage mit Solarluftkollektoren

Von Ursula Eicker und Martin Huber*

Diese Anlage soll einerseits durch die Demonstration ihrer Leistungsfähigkeit der Information potentieller Interessenten dienen, und andererseits den beteiligten Projektpartnern erstmals die Chance eröffnen, umfangreiche Erkenntnisse im Umgang mit dieser neuen Technologie im praktischen Bereich zu sammeln.
Derzeit bestehen noch keine Betriebserfahrungen mit gewerblich genutzten, solarunter-stützten Sorptionsanlagen, speziell in Verbindung mit kostengünstigen Luftkollektoren. Fehlende belegbare Kenntnisse bezüglich der Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit sowie Komponenteneignung für den Solarbetrieb im gewerblichen Einsatz führen im Bereich der Planung und Ausführung zu Unsicherheiten und damit zur Gefahr von Überdimensionierung bzw. Sicherheitszuschlägen. Die fehlenden stichhaltigen Daten haben einerseits überhöhte Investitionskosten zur Folge und führen andererseits bei potentiellen Betreibern zu geringer Akzeptanz für die solargestützte Sorptionstechnologie.
Die Anlage wird von der Fachhochschule Stuttgart, Hochschule für Technik planerisch mitbetreut und messtechnisch erfasst. Die so gewonnenen Kenntnisse und Messdaten sollen als Grundlage für die Planung, Realisierung und Weiterverbreitung der solargestützten Sorptionstechnik genutzt werden. Für weitere Vorhaben im industriellen Bereich und im Bereich der Verwaltungsbauklimatisierung werden mit der Realisierung dieses Projektes stichhaltige Daten und Erfahrungswerte verfügbar. Weiter soll durch die Veröffentlichung der Ergebnisse in den entsprechenden Medien zur Verbreitung der solarunterstützten Sorptionstechnik beigetragen werden. Nicht zuletzt entsteht eine Anlage, die einem potentiellen Kundenkreis vorgeführt und deren Leistungsfähigkeit vor Ort demonstriert werden kann.

Technische Systembeschreibung

Um die bei der Grundlagenermittlung berechnete anfallende Wärmelast von 60 kW abzuführen, ist ein Luftvolumenstrom von 18.000 m3/h erforderlich. Dieser ist festgelegt durch die Temperaturdifferenz zwischen der einströmenden Zuluft (ca. 18 °C) und der vorhandenen Raumluft (ca. 28 °C). Die Ansaugung dieser Frischluft befindet sich auf der Nordseite des Gebäudes.
Um den Außenluftvolumenstrom von 18.000 m³/h von 32 °C im Auslegungsfall auf die Zulufttemperatur von 18 °C zu kühlen, ist eine Kälteleistung von 90 kW erforderlich. Bei einer für Desiccant-Cooling-Systeme (DEC-Systeme) typischen Leistungszahl von 0,9 entspricht dies einer thermischen Antriebsleistung der DEC-Anlage von 100 kW.

Abbildung 1:Schaltschema der Sorptionsklimaanlage mit 100 m² Solarluftkollektoren für die Klimatisierung einer zweigeschossigen Produktionshalle

Die zweite Außenluftansaugung befindet sich auf dem Dach der Halle und ist primär für die Regeneration des Sorptionsrades vorgesehen. Der hierfür erforderliche Volumenstrom beträgt etwa 11.000 m³/h. Aufgrund der schlechten Raumluftqualität in der Produktionshalle wurde auf die sonst übliche Nutzung der Raumabluft zur Regeneration verzichtet, um das Sorptionsrad nicht zu schädigen. Im Winter dient die Außenluftansaugung auf dem Dach dem Luftheizsystem, das eine angrenzende bestehende Halle und das Obergeschoss der neuen Halle mit Warmluft versorgt.
Als Wärmequelle für sommerliche Regeneration und Winterheizbetrieb ist einerseits die Abwärme der Kompressionskältemaschinen aus der Produktionshalle vorhanden, die über einen LuftWasserwärmetauscher (45 kWthermisch) an die Außenluft übertragen wird. Die vorhandenen Kältemaschinen dienen der Kühlung der Produktionsmaschinen und mussten auf Wunsch des Bauherren in der Produktionshalle aufgestellt werden. Weiter kann bei ausreichender solarer Strahlung die so vorerwärmte Außenluft noch durch die 100 m² große Luftkollektoranlage (60 kWthermisch) weiter erwärmt werden, so dass in diesem Fall die Außenluft um 29 K erwärmt werden kann.
Um für den Sommerfall auch bei geringer solarer Strahlung eine vollständige Regeneration zu gewährleisten, ist als Backup ein zusätzliches Heizregister vorhanden. Dieses ist an die vorhandene konventionelle Heizanlage angeschlossen. Die solare Luftheizung für den Winterbetrieb ist so ausgelegt, dass primär die angrenzende Althalle beheizt wird, da hier kein anderes Heizsystem vorhanden ist.
Wird in der Althalle keine Wärme angefordert, so wird die konventionelle Heizung im Obergeschoss der neuen Produktionshalle durch die solare Wärme unterstützt. Aus Kostengründen wurde nur ein sehr einfaches Luftverteilsystem installiert, das für eine mögliche Nutzungsänderung der Räume ausbaufähig ist.
Problematisch bei der Planung der Anlage war besonders die Entwicklung der Regelstrategie, da die Einbindung der Abwärme der vorhandenen Kältemaschinen sich nicht mit einer Standardlösung realisieren ließ. Ein reibungsloser Produktionsbetrieb erforderte eine kontinuierliche Abnahme der Wärme um dadurch die optimale Kühlung der Produktionsmaschinen zu gewährleisten. Die Kälteaggregate für die Maschinenkühlung besitzen zwar die Möglichkeit über eingebaute Ventilatoren die anfallende Abwärme an den Raum abzugeben, jedoch ist das Zusammenspiel zwischen den beiden Möglichkeiten der Wärmeabgabe nicht problemlos. Außerdem ist die Wärmeabgabe an den Raum nur im Winterfall sinnvoll, da im Sommer sonst erheblich größere interne Wärmelasten anfallen, die wiederum durch die Klimaanlage abgeführt werden müssten.
Das durch die Fachhochschule Stuttgart durchgeführte Monitoring umfasst sämtliche klimatechnischen Daten der Anlage. Zusätzlich zu diesen Daten werden alle Stell- und Regelsignale der DDC (Direkte Digitale Regelung) im gleichen Messintervall aufgezeichnet, so dass eine vollständige Überwachung aller Betriebszustände für die Auswertung gewährleistet ist. Mittels dieser Daten und anhand damit durchführbarer Simulationsrechnungen kann die Regelung der Anlage ständig angepasst und für zukünftige Projekte optimiert werden. Ziel soll es sein, den Regelungsaufwand auf ein sinnvolles Mindestmaß zu reduzieren, da die Kosten einer Regelung bei DEC-Anlagen einen großen Anteil an den Gesamtkosten betragen. Dabei soll eine energetisch optimale Ausnutzung der Anlage jedoch nie in den Hintergrund treten.

Energetische und wirtschaftliche Daten

Da eine Auswertung der Messdaten über einen längeren ungestörten Betriebszeitraum zur Zeit stattfindet, können hier nur die zu erwartenden Energiekenndaten der Anlage beschrieben werden. Die Ergebnisse wurden anhand von Simulationsrechnungen im Rahmen einer Diplomarbeit an der Fachhochschule Stuttgart ermittelt.
Mit Hilfe einer selbstentwickelten Simulationsumgebung wurde die DEC-Anlage nachgebildet und anhand eines Wetterdatensatzes die Kühlperiode zwischen April und Oktober simuliert. Die Ergebnisse beziehen sich alle auf die erwähnten Auslegungsdaten. Insgesamt ergaben sich Betriebszeiten von 700 h, in der eine aktive Kühlung stattfinden muss. Darunter sind sowohl die Zeiten reiner Verdunstungskühlung mittels der vorhandenen Befeuchter, als auch der komplette DEC-Prozess zu verstehen.

Art der Kühlung Betriebsstunden Antriebsenergie [kWh]
Befeuchtung
111
953
Sorption
530
41.117
Sorption und Nachheizung
63
6.756
Summe
704
48.826

Tabelle 1: Simulierte Betriebsstunden und Antriebsenergie bei unterschiedlichen Kühlungsarten für die Periode von April bis Oktober

Es zeigt sich, dass nur während 10 Prozent der Kühlbetriebsstunden ein Nachheizen der Regenerationsluft durch das Backup-System notwendig ist (siehe Tabelle 1). Die überwiegende Zeit wird zur Kühlung der Sorptionsprozess stattfinden, wobei die erforderliche Regenerationstemperatur ausschließlich durch die vorhandenen Wärmequellen und die Luftkollektoranlage erzeugt wird. Der notwendige Primärenergieeinsatz beschränkt sich dabei auf die elektrische Antriebsenergie für Ventilatoren, Pumpen und Antriebsmotoren. Die aufgeführte Antriebsenergie beinhaltet sämtliche elektrische und thermische Energien, die für den Kühlbetrieb notwendig sind.
Während der Betriebszeit innerhalb einer Kühlperiode produziert die Anlage Kühleenergie von 51.000 kWh. Mit den in Tabelle 1 angegebenen 48.826 kWh, die für die Antriebsenergie aufgebracht werden müssen, ergibt sich somit ein Gesamtwirkungsgrad (COP) von 1,0 für diese Anlage. Dieser Wirkungsgrad bezieht sich auf die gesamte zugeführte Energie während des Kühlprozesses.
Um die Anlage mit konventionellen Systemen zur Klimatisierung zu vergleichen, muss die zugeführte Energie genauer betrachtet werden. Dazu ist es notwendig diese Energie in ihre thermischen und elektrischen Anteile aufzuschlüsseln (siehe Abbildung 2). Die thermische Antriebsenergie aus der Solaranlage und der Abwärme beträgt 33.360 kWh oder fast 70% der gesamten benötigten Antriebsenergie. Die elektrische Antriebsenergie für sämtliche Komponenten beträgt 11.940 kWh. Somit ergibt sich ein rein auf die elektrische Energie bezogener Wirkungsgrad von 4,2. Bei einem durchschnittlichen Bereitstellungswirkungsgrad für Stromerzeugung von 35% werden demzufolge 34.115 kWh Primärenergie erforderlich um 51.000 kWh Kühleenergie zu erzeugen.

Abbildung 2: Aufschlüsselung der Antriebsenergie für die Klimatisierung in thermische und elektrische Anteile

Um den Primärenergienutzungsgrad der Anlage zu bestimmen muss zu der für die elektrische Antriebsenergie benötigten Primärenergie noch der Primärenergieeinsatz für die Nachheizung im Regenerationsfall berücksichtigt werden. Innerhalb der Kühlperiode müssen zusätzlich 3.524 kWh für den Einsatz der Nachheizung bereitgestellt werden. Bei einem Wirkungsgrad der Heizungsanlage von 0,85 entspricht dies einer Primärenergie von 4.150 kWh. Insgesamt sind demzufolge 38.265 kWh an Primärenergie für die Kühlung der Produktionshalle erforderlich.
Dementsprechend ergibt sich ein Primärenergienutzungsgrad von 1,3. Verglichen mit einem typischen Primärenergienutzungsgrad von 0,6 für Kompressionskältemaschinen zeigt dies deutlich den umweltgerechten Umgang mit Energie beim Einsatz der DEC-Technik.
Zusätzlich wurde im Rahmen der Diplomarbeit untersucht, wie stark sich eine Verdopplung der Kollektorfläche auf die Reduzierung der Nachheizenergie auswirkt. Es zeigte sich, dass durch diese Maßnahme nur eine geringe Einsparung zu erreichen ist und somit die dadurch erheblich ansteigenden Investitionskosten für die Kollektoranlage nicht vertretbar wären. Die geringe Einsparung ist dadurch begründet, dass in Zeiten, in denen eine Nachheizung stattfindet, meist kein oder nur ein geringes Angebot an solarer Strahlung vorhanden ist und somit eine Vergrößerung der Kollektorfläche sich nicht merklich auswirkt.
Da bei der DEC-Anlage in Althengstett ein Anteil der Energie für Erwärmung der Regenerationsluft durch Nutzung vorhandener Abwärmequellen bereitgestellt wird, ist die Fläche der installierten Kollektoranlage ausreichend.
Die Gesamtkosten für die ausgeführte Anlage mit 100 m² Luftkollektoren und einem Volumenstrom von 18.000 m³/h belaufen sich auf 188.000 EURO. Dabei ist zu erkennen, dass die Kosten für das DEC-Gerät den Hauptanteil ausmachen und ca. 60% der Gesamtkosten betragen (siehe Abbildung 3). Diese 60% lassen sich in gleiche Anteile für die DEC-Komponenten, die Regelung und den Gerätebau aufteilen. Mögliche Einsparpotenziale solcher Anlagen sind demnach insbesondere bei den Kosten für Komponenten und Regelung gegeben.

Abbildung 3: Aufteilung der Kosten für die Sorptionsklimaanlage mit 100 m² Solarluftkollektoren

Die Finanzierung des Projekts wurde im Rahmen des Förderprogramms der Deutsche Bundesstiftung Umwelt DBU mit einem Anteil von 50% der Investitionskosten gefördert. Die laufenden Messungen an der Anlage und die Optimierung der Regelung werden voraussichtlich Ende 2002 abgeschlossen sein.

 

*) Dipl.-Ing. (FH) Martin Huber ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Solartechnik und
Prof. Dr.
Ursula Eicker ist Professorin für Licht- und Solartechnik und Solarenergienutzung an der Fachhochschule Stuttgart - Hochschule für Technik, Fachbereich Bauphysik. Weiters Leiterin des Joseph-von-Egle-Instituts für angewandte Forschung, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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