Zeitschrift EE

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2002-02: Solare Kühlung

Solare Kühlung

Ein komfortables Raumklima ist wichtig für das Wohlbefinden der Menschen und stellt in der Regel die Hauptfunktion unserer Gebäude dar. Dabei kann Kühlen genauso wichtig sein wie Heizen.

Heizen und Kühlen mit luftdurchströmten Erdreichwärmetauschern

Von Christian Fink und Ernst Blümel*

Im Schatten von zahlreichen konventionellen Technologien zur Wärme- bzw. Kälteversorgung von Gebäuden stehen hier zweifelsohne luftdurchströmte Erdreichwärmetauscher (L-EWT). Dabei bieten L-EWT bei entsprechenden Rahmen-bedingungen für die Außenluftkonditionierung (sowohl für den Heiz- als auch für den Kühlfall) in Gebäuden eine gute, energiesparende Alternative.
L-EWT nutzen die saisonale thermische Speicherfähigkeit des Erdreiches zur Konditionierung der Zuluft von Gebäuden. Dabei wird die Luft über im Erdreich verlegte Rohre angesaugt und entsprechend der Temperaturdifferenz zwischen der Umgebungsluft und dem Erdreich im Winterbetrieb erwärmt und im Sommerbetrieb abgekühlt. Abbildung 1 zeigt die sich durch die Speicherfähigkeit des Erdreichs einstellende Dämpfung sowie die Phasenverschiebung im Jahresverlauf von Erdtemperaturen in unterschiedlicher Tiefe. Deutlich wird, dass mit zunehmender Tiefe eine größere, nutzbare Temperaturdifferenz zwischen Außen- und Erdreichtemperatur erreicht werden kann.

Einsatzmöglichkeiten

Einerseits können L-EWT als alleinige Komponente zur Konditionierung der Zuluft sowie andererseits als Vorstufe eines Wärme- bzw. Kälteversorgungssystems Verwendung finden. Grundsätzlich sehr gut eignet sich der Einsatz von L-EWT in Systemen, in denen generell Luft als Wärmeträger verwendet wird (Lüftungsanlagen, Luft-Luft, bzw. Luft-Wasser Wärmepumpen, Luftheizungen, etc.).
In der Praxis finden L-EWT häufig zur Vereisungsvermeidung auf der Fortluftseite von Wärmerückgewinnungsaggregaten Verwendung. Dieser Anwendungsfall reicht von Anlagen im Einfamilienhaus (Niedrigenergie- und Passivhäuser) bis hin zu Geschosswohnbauten.
Der zweite große Anwendungsbereich für L-EWT liegt in der Kühlung (monovalent oder bivalent) von Gebäuden. Vor allem im Büro- und Verwaltungsbau ist in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg der auftretenden Kühllasten zu erkennen. In diesem Bereich haben im wesentlichen die internen Lasten - bedingt durch den verstärkten Einsatz von EDV und Bürogeräten - stark zugenommen. Dies kann sogar soweit führen, dass die Betriebskosten für die Kühlung im Sommer (mit konventionellen Kältemaschinen) höher sind als für die Heizung im Winter. Eine alternative Kühlungsmöglichkeit mit wesentlich geringerem Einsatz an Primärenergie stellen L-EWT dar.

Abbildung 1: Mittlerer Jahrestemperaturverlauf der Außenluft, Erdoberfläche und dem Erdreich in verschiedenen Tiefen für den Bodentypen "Kies - trocken", Standort Graz

Planungshilfsmittel

Ein sinnvoller Betrieb eines L-EWT hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab, die in der Planung und Ausführung berücksichtigt werden müssen. Neben energetischen Aspekten (Einsatzbereich, Volumenstrom, Geometrie bzw. Material des L-EWT, Zusammensetzung des Erdreiches, etc.) sind dies auch Aspekte zur Lufthygiene sowie erzielbare Wärme- und Kältepreise. Da diese Zusammenhänge äußerst komplex sind, erfordert dies für die Planung von L-EWT fundierte Auslegungswerkzeuge.
Da kaum fundierte Auslegungswerkzeuge für L-EWT existieren, wurde 1999 das EU-Projekt "Planning Tool for Earth-to-Air Heat Exchangers" (im CRAFT-JOULE Programm) von der AEE INTEC in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Freiburg, Deutschland) initiiert. Als Projektergebnis stehen für die 13 am Projekt beteiligten Unternehmen (Architekten und technische Büros aus Österreich und Deutschland) Plannungstools in Form eines umfassenden Handbuches und eines validierten Simulationsprogrammes zur Verfügung.
Die Anwendung dieser Planungstools erfolgt typischerweise in zwei Stufen. Zunächst wird eine Vorauslegung nach den Tabellen und Nomogrammen aus dem Planungshandbuch durchgeführt. Dies führt zu (qualitativen) Aussagen über den Einfluss von Volumenstrom, Verlegetiefe, Temperaturleitfähigkeit des Erdreichs, Rohrdurchmesser, Rohrlänge, Rohranzahl und Achsabstand auf die Jahresarbeitszahl oder den Jahresertrag.
In weiterer Folge wird eine Simulation von unterschiedlicher Varianten mit dem Simulationsprogramm auf der Basis eines Kapazitätenmodells durchgeführt. Jahresgänge der Außentemperaturen sowie der Temperaturen an der Erdoberfläche verschiedener Regionen Österreichs sind Bestandteil des Programms. Nach Definition von weiteren Basisdaten (Verlegegeometrie, Grundwassertiefe, Abstand zum Gebäude, etc.) können jährliche Verläufe der Luftaustrittstemperatur, der Leistung sowie Energiebilanzen bei kontinuierlichem oder intermittierendem Betrieb ermittelt werden. Über eine Parametervariation für unterschiedliche Anlagenkonfigurationen kann die Sensitivität einzelner Parameter auf die Wärmeübertragung bestimmt werden, was gerade im Hinblick auf unsichere Parameter (z.B. die Stoffwerte oder Ermüdungserscheinungen des Erdreichs) wichtig ist.

Energetische Einflussgrößen

Das Funktionsprinzip von L-EWT ist grundsätzlich einfach. Trotzdem existieren zahlreiche Parameter, die einen wesentlichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von L-EWT besitzen. Neben Größen, die unmittelbar den Energieertrag des L-EWT beeinflussen (Volumenstrom, Rohrlänge, Rohrdurchmesser, Rohrmaterial, Erdreichzusammensetzung, Verlegetiefe, etc.), sind das noch zahlreiche indirekte Einflussgrößen (Druckverluste verursacht durch den L-EWT, Auswirkungen des L-EWT auf die Lufthygiene, Investitionskosten des L-EWT, etc.), die auch in der Planung bzw. Ausführung berücksichtigt werden müssen.
Um den Einfluss der wesentlichen energetischen Größen zu verdeutlichen, wurde anhand eines definierten L-EWT eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt.
Jede der betrachteten Einflussgrößen wurde einzeln verändert und die Auswirkungen auf die Energieerträge untersucht. Die hierzu erforderlichen Berechnungen wurden mit dem im CRAFT-JOULE Projekt erstellten dynamischen Simulationsprogramm durchgeführt. Aus Abbildung 2 kann gelesen werden, in welchem Ausmaß sich die Veränderung einer Einflussgröße (in Prozent) auf den Energieertrag (ebenfalls in Prozent) auswirkt. Dabei wurde der Energieertrag als Summe aus Heizenergie- und Kühlenergie definiert und die Ergebnisse des Referenzsystems mit 100% definiert.

Abbildung 2: Prozentuelle Änderung des Gesamtenergieertrages für Heiz- und Kühlbetrieb des definierten Referenz-L-EWT in Abhängigkeit einzelner Einflussgrößen. Referenzsystem: frei verlegtes Einzelrohr, 500 m³/h Dauerbetrieb, PVC, DN 200, Länge=50 m, Tiefe=2 m, feuchte Erde, Graz

Die größte Sensitivität zeigt der Parameter Volumenstrom. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass für einen sinnvollen Betrieb des L-EWT auch der entstehende Druckverlust von entscheidender Bedeutung ist. Weitere Größen mit entscheidender Sensitivität sind die EWT-Länge, die Verlegetiefe sowie die Zusammensetzung des Erdreichs. Als Parameter mit eher geringem Einfluss auf die Energieerträge des definierten L-EWT zeigen sich der Querschnitt sowie das Rohrmaterial.

Realisierte Projekte und Messergebnisse

Vom Konsortium des CRAFT-JOULE Projektes (15 Projektpartner in Österreich und Deutschland) wurden 25 L-EWT in verschiedenen Anwendungsfällen umgesetzt und zum Teil messtechnisch untersucht. Zwei der in Österreich umgesetzten Projekte werden von der AEE INTEC messtechnisch sehr detailliert überwacht und der Betrieb begleitet.

Stadtsaal Gleisdorf

Aufgrund der im Objekt benötigten Kühlleistungen, verursacht durch interne Gewinne (Personenbelegung, Beleuchtung, etc.) und passiver Gewinne über die Süd-Westfassade, wurde für den Stadtsaal Gleisdorf ein L-EWT als passives Kühlungselement eingeplant. Im vorliegenden Projekt wird der L-EWT als Vorstufe (Spitzenkühlleistungen von 57 kW sind möglich) für eine Klimaanlage genutzt. Durch den L-EWT kann die Kühlgrundlast gedeckt und somit das Klimatisierungsgerät entsprechend kleiner dimensioniert werden. Beheizung als auch Kühlung erfolgt über die zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, wobei der maximale Gesamtmassenstrom rund 20.000 m³/h beträgt. Der L-EWT erfüllt bei diesem Objekt im wesentlichen zwei Aufgaben: Vereisungsvermeidung auf der Fortluftseite der Wärmerückgewinnung im Winterbetrieb und Kühlung der Zuluft im Sommer zur Unterstützung des Klimatisierungsgerätes.
Durch den Einsatz des L-EWT zur Kühlung des Stadtsaales, konnte bei diesem Projekt neben enormen Einsparungen an Betriebskosten auch eine Reduktion der Investitionskosten für die Kältemaschine erzielt werden. Das Konzept zur Be- und Entlüftung bzw. zur Kühlung ist neben den Systemmesspunkten in Abbildung 3 dargestellt.

Abbildung 3: Schnittdarstellung des Gleisdorfer Stadtsaales inkl. Be- und Entlüftungskonzept, Kühlkonzept sowie sämtlichen Systemmesspunkten (Bildquelle: TB Herbst, Gleisdorf)

Die Dimensionen des L-EWT wurden im Hinblick auf die Abdeckung der Kühlgrundlast festgelegt. Der Erdreichwärmetauscher besteht aus acht parallelen und jeweils 80 m langen PVC-Rohren. Die Rohre mit einer Nennweite von 400 mm sind im Mittel in einer Erdreichtiefe von 2 m verlegt. Die Luftzuführung zu den Rohren erfolgt über vier Ansaugtürme, d.h. für je zwei Rohre ein Ansaugturm. Zusätzlich sind noch zwei Ansaugtürme direkt am Gebäude errichtet (siehe Titelbild dieses Artikels), sodass der L-EWT über einen Bypass umgangen werden kann, wenn dies die Witterungsbedingungen verlangen (vor allem in der Übergangszeit).
Die messtechnische Untersuchung (beauftragt von der Wissenschaftsabteilung des Landes Steiermark und unterstützt vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) zum Betriebsverhalten ist derzeit noch im Gang und wird mit Ende des Sommers 2002 abgeschlossen. Die Arbeitsschwerpunkte liegen einerseits in der Analyse des Erdreichverhaltens bei Wärme- bzw. Kälteentzug sowie andererseits in der quantitativen Beurteilung von unterschiedlichen Regelstrategien auf das Betriebsverhalten. Erste Messergebnisse sind in Abbildung 4 dargestellt.

Abbildung 4: Gemessene Ein- und Austrittstemperaturen und der Volumenstrom des L-EWT im Stadtsaal Gleisdorf von 14.08.2001 bis 20.08.2001

Deutlich ist zu erkennen, dass in der Woche vom 14. bis 20.August 2001, bei Außentemperaturen um die 30 °C die Austrittstemperaturen aus dem L-EWT bei ausgezeichneten 20-22 °C liegen. Um dem Erdreich Regenerationszeiten zu ermöglichen sowie Antriebsenergie für den Ventilator einzusparen, wird das Lüftungssystem alternierend betrieben.

Weizer Energie- und Innovationszentrum

Das 1999 errichtete Büro- und Verwaltungsgebäude "Weizer Energie- und Innovationszentrum" (W.E.I.Z.) mit 2.000 m² Nutzfläche erfüllt mit einem spezifischen Heizenergieverbrauch von 15 kWh/m² Nutzfläche und Jahr das Passivhauskriterium (siehe Abbildung 5). Dementsprechend wurde auch das Energiekonzept für Beheizung und Kühlung festgelegt. Sowohl Beheizung als auch Kühlung erfolgt über die zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Für den hygienischen Luftwechsel wurde ein Gesamtvolumenstrom von 3.200 m³/h ermittelt.

Abbildung 5: Süd-Ostansicht des Büro- und Verwaltungsgebäudes Weizer Energie- und Innovationszentrum W.E.I.Z.

Der zentralen Lüftungsanlage ist ein, unter dem Keller verlegter, L-EWT in Registerform vorgeschaltet. Die mittlere Verlegetiefe beträgt rund 3,5 m. Der L-EWT besteht aus 15 parallelen PVC-Rohren, DN 200 und einer Rohrlänge von jeweils 28 m (siehe Abbildung 6). Die zwei Sammelschächte aus Beton weisen eine Länge von 10 m auf und sind begehbar. Die eingesetzten Ventilatoren besitzen in bezug auf den Heizbetrieb eine entsprechende Leistungsreserve, sodass bei extremen Außentemperaturen im Sommer der Gesamtvolumenstrom auf etwa 5.000 m³/h erhöht werden kann. Der L-EWT stellt in diesem Projekt ein monovalentes Kühlsystem dar.
Zusätzlich zur Deckung der sommerlichen Kühllasten wird der L-EWT auch zur Vorwärmung der Zuluft in der Heizperiode, im speziellen zur Vereisungsvermeidung auf der Fortluftseite des Wärmerückgewinnungsaggregates, verwendet. Dabei bleibt aber zu berücksichtigen, dass der L-EWT in der Heizperiode nur zu den Bürozeiten beaufschlagt und außerhalb der Bürozeiten im Umluftbetrieb mit minimalem Frischluftanteil betrieben wird.

Abbildung 6: Verlegung der 15 parallelen PVC-Rohre unter der Fundamentplatte des Gebäudes
(Bildquelle: W.E.I.Z.)

Am L-EWT in Weiz durchgeführte Messungen (Messperiode Jänner 2000 bis Dezember 2000) zeigten Kühlleistungen bis zu 17 kW (siehe Abbildung 7). Beispielsweise konnten am 21.08.2000 parallel zu Außentemperaturen von über 30 °C über einen Zeitraum von mehr als fünf Stunden 15 kW Kühlleistung durch den L-EWT bereitgestellt werden. In Kombination mit der Nutzung der Nachtkälte (Massenspülung mit kühler Außenluft) übernimmt der L-EWT die Deckung der gesamten Kühllast im Sommer. Als besonders wichtig stellte sich für den Erdreichwärmetauscher in Weiz die nächtliche Regeneration des Erdreichs während der Nachtkühlung mit kalter Außenluft heraus.

Abbildung 7: Gemessener Temperatur- und Leistungsverlauf am 21.08.2000 (Volumenstrom: 4.500 m³/h). Die Austrittstemperatur aus dem Erdreichwärmetauscher steigt bei Umgebungstemperaturen von über 30 °C nicht über 22,5 °C

Zusammenfassung und Ausblick

Die Planungs- und Auslegungssicherheit von L-EWT konnte mit Hilfe des abgeschlossenen CRAFT-JOULE Projektes einerseits durch die Erstellung von Planungstools und andererseits durch fundierte Messergebnisse erheblich verbessert werden. Dieser Umstand ermöglicht eine breitere Umsetzung von effizienten L-EWT.
L-EWT bilden grundsätzlich eine sinnvolle energiesparende Ergänzung - oder auch alleinige Alternative - zu konventionellen Heizungs- und Klimasystemen. Neben ökologischen Aspekten können bei frühzeitiger und integraler Planung aber auch ökonomisch konkurrenzfähige Systemlösungen umgesetzt werden. Als besonders sinnvoll stellte sich bei Kühlanwendungen die Kombination von L-EWT mit Nachtlüftungskonzepten heraus, welche die Nachtkälte zur Entladung von erwärmten Massen (thermische Bauteilaktivierung) nutzen. Die kombinierte Nutzung von Erd- und Nachtkälte lässt kleinere L-EWT zu, was die Investitionskosten reduziert und somit die Wirtschaftlichkeit erhöht.

*) Ing. Christian Fink und
Dipl.-Ing.
Ernst Blümel sind Mitarbeiter der AEE INTEC in Gleisdorf, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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