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2000-03: Europas solare Zukunft

Thema

Das "European-Large-Scale-Solar-Heating-Network" ist ein Netzwerk bestehend aus 35 europäischen Instituten, Firmen und Betreibern mit langjähriger Erfahrung in den Bereichen Konzeptentwicklung, Planung, Realisierung sowie Betrieb und Überwachung von solaren Großanlagen.

Europäisches Netzwerk für Großanlagen

Von Alexander Thür und Jan Olof Dalenbäk*

Dieses Netzwerk ist gegenüber allen interessierten Teilnehmern offen, um einen möglichst großen Pool von Experten zu entwickeln, die sich mit solaren Großanlagen beschäftigen. Um dieses Netzwerk aufzubauen und in Gang zu bringen wurde es über zwei Jahre (Okt. 1997 bis Nov 1999) von der EU als THERMIE-B Projekt (Project No. DIS/1164/97) wesentlich finanziell unterstützt.
Hauptziel dieses Netzwerkes ist es, durch intensiven Informationsaustausch aller Projektbeteiligten die Entwicklung von solaren Großanlagen zu beschleunigen. In den letzten 15 Jahren wurden unterschiedlichste Projekte und Systemtechniken entwickelt, geplant und teilweise auch realisiert. Die Erfahrungen aus diesen Projekten sollen möglichst rasch und effizient weitergegeben werden, um neue Projekte so kostengünstig und effizient wie möglich realisieren zu können. Neben dem Erfahrungsaustausch auf technischer Ebene gilt es auch Erfahrungen in der Vorbereitungsphase bezüglich der Überwindung organisatorischer und rechtlicher Hürden eines solchen Projektes auszutauschen.

Überblick

Rund 50 Solare Großanlagen mit Kollektorflächen über 500 m² wurden bisher in Europa realisiert, davon sind in Schweden mit 18 Anlagen gut ein Drittel aller Anlagen in Betrieb. Während in Europa insgesamt ca. 8 Mio. m² Kollektorfläche mit ca. 4.000 MW thermischer Leistung installiert sind, beträgt der Anteil der Anlagen über 500 m² ca. 40 MW thermischer Leistung. Fast alle Anlagen sind in Nahwärmenetze für Wohnsiedlungen eingebunden. Einige wenige wurden im Bereich Industrie, Spitäler und öffentliche Gebäude realisiert. 2/3 der Anlagen wurden, besonders in Schweden, Dänemark und Österreich, in bestehende Strukturen integriert. Rund 30 Prozent der Anlagen, hauptsächlich in Schweden und Österreich, wurden an mit Biomasse betriebene Nahwärmenetze angekoppelt. Während die meisten Anlagen dafür ausgelegt sind, den Warmwasserbedarf im Sommer bis zu 90% zu decken, wurden 11 Anlagen mit einem Saisonspeicher (7 Wasserspeicher bzw. 3 Erdspeicher) realisiert, um auch einen deutlichen Anteil am Heizenergiebedarf decken zu können.

Abbildung 1: Solare Großanlagen in Europa mit Kollektorflächen über 500 m² bis Oktober 1999. Die meisten Anlagen sind in Nahwärmenetze für Wohnsiedlungen eingebunden.

Die größte Anlage mit inzwischen 9.000 m² Kollektorfläche befindet sich auf der Insel Erö in Dänemark, der Endausbau soll 22.000 m² Kollektorfläche betragen. Diese Solaranlage ist über einen 2.100 m³ Wasserspeicher in das Nahwärmenetz der Stadt Marstal eingebunden (siehe dazu den Beitrag von Leo Holm in dieser Ausgabe der "erneuerbare energie").

Schweden

Die erste europäische Großanlage mit einer Kollektorfläche von 4.320 m² wurde in Lyckebo, Schweden im Jahr 1983 von den Stadtwerken Uppsala Energi AB errichtet. Die Solaranlage wurde in Kombination mit einem Saisonspeicher realisiert, der eine Nutzung der sommerlichen Solarenergie zur teilweisen Deckung des Heizenergiebedarfes ermöglicht. Ähnlich wie weitere schwedische Großanlagen in Falkenberg (5.500 m²) und Nykvarn (7.500 m²) wurden diese riesigen Kollektorfelder am Boden montiert und stellen sozusagen ein Energiefeld dar. Als Zusatzheizung werden in der Regel Biomassekessel für die Basislast kombiniert mit Gas- oder Ölkessel als Backupkessel im Sommer bzw. als Spitzenlastkessel im Winter eingesetzt.

Abbildung 2: Solare Großanlage mit 4.320 m² Kollektorfläche und Saisonspeicher in Lyckebo, Schweden. Die Anlage wurde 1983 gebaut und war die erste mit dieser Größe in Europa.

Zunehmend wurden in Schweden in den letzten Jahren auch die Kollektorfelder in großem Maßstab in die Dächer integriert, dies speziell bei Neubauten von ganzen Wohnsiedlungen. Die Vorteile sind geringerer Flächenverbrauch, kürzere Leitungen sowie wesentlich geringere Kosten. So wurde in Onsala eine sehr moderne Niedrigenergiehaussiedlung mit 36 Wohneinheiten bzw. 2.500 m² beheizter Nutzfläche realisiert. Eine Solaranlage mit 220 m² Kollektorfläche deckt 20% des gesamten Energiebedarfes für Heizung und Warmwasser. Die Restenergie wird durch einen Pelletskessel bzw. einen Spitzenlast-Ölkessel gedeckt. Die abgerechneten Kosten (1995) für das Solarsystem betrugen 23 Euro pro m² beheizter Nutzfläche bzw. 2% der gesamten Investitionskosten für die gesamte Siedlung.

Ein sehr ehrgeiziges Vorhaben plant die südschwedische Energieversorger Kungälv Energi mit einem 10.000 m² Kollektorfeld welches am Boden aufgestellt wird. Die Solaranlage soll mit einem Jahresertrag von 4 GWh/a das bestehende Nahwärmenetz unterstützen, welches von einem Hackschnitzelkessel versorgt wird und einen Gesamtjahresbedarf von rund 100 GWh/a hat.

Dänemark

In Dänemark wurde die erste Großsolaranlage 1987 in Saltum mit einem 1.000 m² Kollektorfeld am Boden montiert. Die zweite Anlage in Ry mit 3.025 m² Kollektorfläche wurde direkt ohne Kurzzeitspeicher an das Nahwärmenetz angekoppelt, was durch den Jahresdeckungsrad von unter 4% eine sehr kostengünstige Anlage ermöglichte (Abbildung 3).

Abbildung 3. Anlage in Ry mit 3.025 m² Kollektorfläche und direkter Einkoppelung ins Nahwärmenetz. Zweite solare Großanlage in Dänemark.

In Marstal auf der Insel Ærø wurde 1995 das bisher größte Projekt gestartet. Die erste Ausbaustufe mit 8.064 m² Kollektorfläche und einem 2.100 m³ Wasserspeicher ging im November 1996 ans Netz. In einer zweiten Stufe wurde 1999 das Kollektorfeld auf 9.040 m² erweitert und ein Erdspeicher mit 3.500 m³ als Testspeicher gebaut. Der Solarkreis wird mit einer speziell entwickelten Regelstrategie im Matched Flow Betrieb gefahren, mit dem Ziel im Solarvorlauf immer möglichst genau die Sollvorlauftemperatur des Netzes zu erhalten. Damit ergeben sich in der Praxis Massenströme von 8 bis 80 kg/h*m². Diese Anlage liefert rund 3,5 GWh/a bei einem Deckungsgrad von ca. 15%. Die Restenergie wird in Marstal durch spezielle Ölkessel mit aufwendiger Abgasreinigungstechnologie erzeugt, die mit Altöl befeuert werden. Der geplante Endausbau der Kollektorfläche ist 22.000 m².
1999 wurde in Ærøskøbing, ebenfalls auf der Insel Ærø,eine Solaranlage mit 3.090 m² Kollektorfläche (Endausbau: 4.900 m²) und einem 1.100 m³ Wasserspeicher sowie - erstmals in Dänemark - kombiniert mit einem mit Stroh befeuerten Kessel realisiert. Der Deckungsgrad beträgt rund 17% des Jahresenergieverbrauches.

Deutschland

In Deutschland wurde 1993 von der Regierung das Programm "Solarthermie 2000" gestartet, welches die Realisierung von Demonstrationsanlagen im Großanlagenbau ermöglichte. Im Gegensatz zu Dänemark und Schweden wurden in Deutschland die Kollektorflächen durchwegs auf die Dächer von neugebauten Wohnsiedlungen gebaut. In Friedrichshafen (4.350 m² Kollektorfläche und 12.000 m³ Speicher), Hamburg (3.000 m² Kollektorfläche und 4.500 m³ Speicher) und fünf weiteren Projekten sind die Anlagen so konzipiert, dass ein solarer Deckungsgrad von rund 50% erreicht wird. D.h. auch der Heizenergiebedarf soll zu einem großen Teil solar gedeckt werden. Dementsprechend wurden die Speicher von der Größe her als Saisonspeicher ausgelegt. Die Zusatzheizung erfolgt typischerweise mit einem Gaskessel. Um das Risiko einer Undichtheit auf ein Minimum zu reduzieren, wurden die Speicher in Friedrichshafen und Hamburg mit Edelstahlblech ausgelegt, mit dem Ergebnis, dass die Speicher auch wirklich auf Anhieb dicht waren.

 

Abbildung 4: Grundschule in Neckarsulm-Amorbach, Deutschland. Kollektor-Fertigdachelemente werden im Werk gefertigt und mit dem Kran auf das Haus gelegt.

In Neckarsulm wurde 1998 in Deutschland erstmals ein Erdspeicher mit 25.000 m³ Speichervolumen (geplanter Endausbau) und 4.600 m² Kollektorfläche realisiert. Ziel der Erdspeichertechnologie ist es, die Speicherkosten gegenüber dem Wasserspeicher drastisch zu senken. Zurzeit wird dieser Erdspeicher in Neckarsulm intensiv vermessen, um die simulierten Kennwerte wie Speicherverluste, erreichte Temperaturen, Übertragungsleistung des Wärmetauschers und die Energiebilanz zu verifizieren.
In Rostock wurde im Herbst 1999 ein "Aquifer-Speicher" in Betrieb genommen. Ein unterirdisches, abgeschlossenes Grundwasservorkommen wird hierbei als Speicher genutzt. Dieser Speicher wird von 1.000 m² Kollektorfläche beladen bzw. über eine Wärmepumpe wieder entladen. Diese Lösung wurde vor allem auch deshalb gewählt, weil die maximale Speichertemperatur 50°C nicht übersteigen soll, um die Installationen vor Verkalkung durch das Grundwasser zu schützen. Auch diese Anlage wird in den nächsten Jahren genau analysiert und messtechnisch erfasst, um die Effizienz des Systems verifizieren zu können.

Niederlande

In den Niederlanden gibt es einzelne Großanlagenprojekte. Das momentane Ziel ist es aber, Anlagen in der Größe von 50 bis 200 m² Kollektorfläche in großer Anzahl im Mehrfamilienhausbereich zu realisieren, um eine Systementwicklung zu forcieren und damit die Systempreise markant zu drücken.
Auf Grund von gesetzlichen Vorschriften, welche die Verwendung von Wärmeträgermedien in Solaranlagen verbieten, wurden in den Niederlanden die Drainback Systeme entwickelt. Was im Kleinformat, bei in den Niederlanden sehr typischen Einfamilienhaussolaranlagen zur Warmwasserbereitung mit Kollektorgrößen von 2 bis 4 m² Kollektorfläche, relativ leicht beherrschbar ist, wird bei Großanlagen eine komplexe Sache. Das Projekt Breda in Van Melle ist ein solches Drainback System mit einer Kollektorfläche von 2.400 m² und einem Lastausgleichspeicher mit 95 m³. Mit dem Bau wurde 1997 begonnen; detaillierte Erfahrungen von diesem Projekt liegen aber noch nicht vor.
Da es in den Niederlanden sehr viele Grundwasservorkommen gibt, die sich als Energiespeicher eignen, ist die Kombination Solaranlage-Aquifer-Speicher und Wärmepumpe ein Konzept, welches in mehreren Projekten verfolgt wird. In Arnhem soll das Projekt Flexergy im Jahr 2000 gestartet werden. Eine Kollektorfläche von 2.300 m² liefert die Solarenergie in den Aquifer-Speicher und heizt diesen auf ca. 30°C auf. Eine Wärmepumpe hebt die Temperatur auf das Solltemperaturniveau an. Unterschiedliche Konzepte für Detaillösungen - zentrale Wärmepumpe und ein Hochtemperaturnetz oder ein Niedertemperaturnetz mit dezentralen Wärmepumpen in jeder Wohneinheit - wurden untersucht und verglichen. Die Entscheidung, welches System realisiert wird, steht aber noch aus.

Österreich

Solare Großanlagen in Österreich gibt es hauptsächlich in Kombination mit Biomassenahwärmenetzen. An ca. 20 Standorten wurden Kollektorflächen von 300 bis 1250 m² auf den Dächern der Heizzentralen bzw. Hackschnitzellager montiert und über Lastausgleichspeicher von 34 bis 140 m³ an das jeweilige Nahwärmenetz gekoppelt. Abbildung 5 zeigt ein solarunterstütztes Biomassenahwärmenetz in Eibiswald mit 1240 m² Kollektorfläche und ca. 4000 m Netzlänge. Die Anlagen sind so dimensioniert, dass in den Sommermonaten Juni, Juli, August der Warmwasserbedarf zu 90% gedeckt wird. Dies ergibt typischerweise einen Jahresdeckungsgrad von rund 10% bei solaren Erträgen von über 400 kWh pro m² Kollektorfläche und Jahr.

Abbildung 5: Solarunterstütztes Biomassenahwärmenetz in Eibiswald, Österreich. 1.240 m² Bruttokollektorfläche, 105 m³ Energiespeicher, ca. 4.000 m Netzlänge.

Auf Grund hervorragender Förderbedingungen werden in Salzburg derzeit gut 2/3 aller Mehrfamilienhausneubauten mit zentralen Solaranlagen zur Warmwasserbereitung und einige auch mit Heizungseinbindung realisiert. Die Solarsiedlung in Gneis Moos bei Salzburg (Abbildung 6) ist ein erfolgreiches Beispiel.

 

Abbildung 6: Anlage in Gneis-Moos bei Salzburg mit 410 m² Kollektorfläche und 100 m³ Speicher. Die Restenergie wird von einem Gaskessel bereitgestellt.

Die 61 Wohneinheiten werden aus einem zentralen 100 m³ Wasserspeicher versorgt, der wiederum von einer Solaranlage mit 410 m² Kollektorfläche beladen wird. Ein Gaskessel liefert die Restenergie. Diese Anlage wird im Rahmen eines EU-Thermie Projektes von der Arbeitsgemeinschaft ERNEUERBARE ENERGIE betreut, die Daten messtechnisch erfasst und ausgewertet. Diese Solaranlage soll 35% des Gesamtenergiebedarfes decken. Im Sinne einer C2-neutralen Wärmeversorgung sind bereits einige Projekte mit Solaranlagen ähnlicher Größenordnung kombiniert mit Pelletskesseln geplant bzw. bereits in Bau. Auch in der Steiermark konnten solche C2-neutralen Siedlungen bereits in Größenordnungen von 20 bis 40 Wohneinheiten erfolgreich auf Contracting-Basis realisiert werden.
Ein ebenfalls sehr interessantes Projekt wurde 1999 in Innsbruck realisiert. Die Passivhaus-Siedlung "Wohnen am Lohbach" besteht aus 6 Häusern mit insgesamt 98 Wohneinheiten. Sie hat eine Solaranlage mit 1.080 m² Kollektorfläche, die insgesamt ca. 200 m³ Wasserspeicher erwärmt. Mit dieser Energie wird im Winter die kalte Zuluft vorgewärmt, was eine Reduktion der Nachheizenergie bedeutet. Sie dient auch zur Verhinderung der Vereisung der Wärmetauscher von Wärmerückgewinnung bzw. der Kleinstwärmepumpen. Im Sommer ist damit natürlich eine 100%ige solare Deckung des Warmwasserbedarfs sichergestellt.

Homepage und Informationsbroschüre

Im Rahmen dieses Projektes wurde federführend von Dr. Jan-Olof Dalenbäk eine Homepage (http://www.hvac.chalmers.se/cshp/)eingerichtet, in der Anlagen mit Kollektorflächen größer als 500 m² mit zugehörigen Kontaktadressen und Hintergrundinformationen aufgelistet sind. Eine Informationsbrochüre sowie auch die Zusammenfassungen der zwei Workshops können als pdf-files heruntergeladen werden.

 

*) Dipl.-Ing. Alexander Thür ist Mitarbeiter der AEE-Arbietsgemeinschaft ERNEUERBARE ENERGIE in Gleisdorf, Österreich, http://www.aee.at
Dr.
Jan Dalenböck ist Mitarbeiter der CIT Energy Management AC, Göteborg, Schweden. e-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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