Zeitschrift EE

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2000-02: Solar-Luftsysteme

Realisierte Beispiele

In der Innenstadt von München wurde ein Mehrfamilienhaus, bestehend aus aus drei Gebäudeteilen errichtet. Der östliche Gebäudeabschnitt umfaßt 24 Wohnungen, der südliche 48 Wohnungen. Beide Gebäude sind siebengeschossig. Der westliche Gebäudeabschnitt ist viergeschossig ausgeführt, er enthält in den unteren beiden Geschossen einen Kindergarten und im dritten und vierten Obergeschoß sind weitere 6 Wohnungen untergebracht.

Solare Luftsysteme im Mehrfamilienwohnhaus

Von Johann Rieß und Hans Erhorn*

Der Bau ist durch eine architektonisch kompakte Bauweise sowie einen hohen Dämmstandard charakterisiert. Zum Schutz der Wohnungen vor Verkehrslärm der nahegelegenen Straße wurde eine Lärmschutzwand aus Glas vor den südorientierten Balkonen errichtet. Im 5. und 6. Obergeschoß des Gebäudes befinden sich Maisonette-Wohnungen. Zur Reduzierung der Heizenergie sind drei dieser Wohnungen mit solaren Luftsystemen, vier mit einem transparenten Wärmedämmsystem und eine mit einem wassergeführten Solarsystem ausgestattet.
Im folgenden werden nur die 3 Wohnungen mit den solaren Luftsystemen betrachtet. Die beheizte Wohnfläche jeder Wohnung beträgt 77 m². Die Lage der Wohnungen ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung1: Grundriss des 5. Obergeschosses des Mehrfamilienwohnhauses; die drei Wohnungen mit solaren Luftsystemen sind eingezeichnet.

Der Gebäudeschnitt in Abbildung 2 zeigt die verglasten Balkone der unteren 5 Geschosse. Die verglaste Fläche vor den Balkonen schützt die dahinterliegenden Wohnungen vor dem Verkehrslärm der mehrspurigen Straßen, die auf der Ost- und Westseite direkt am Gebäude vorbeiführen. Darüberhinaus entsteht durch die Verglasung ein Pufferraum, der die Wärmeverluste reduziert. In Abbildung 4 sind die Luftkollektoren dargestellt, die neben den Fenstern vor der Außenwand des 6. Obergeschosses angebracht sind.

Abbildung 2: Gebäudeschnitt des Mehrfamilienwohnhauses.

Das Gebäude ist kompakt ausgeführt. Das A/V-Verhältnis beträgt 0.36 m-1. Der Wärmeschutz der Hüllfläche liegt knapp 40% über den gesetzlichen Anforderungen der zum Planungszeitraum gültigen Wärmeschutzverordnung (WSVO) [1]. In Tabelle 1 sind die Wärmedurchgangskoeffizienten der Hüllflächenbauteile zusammengestellt.
Die Wohnungen werden mit Radiatoren beheizt, die von einem Gasbrennwertkessel, der zentral im Heizraum aufgestellt ist, versorgt werden. Für die Brauchwassererwärmung sind Solarkollektoren auf dem Gebäudetrakt 2/3 installiert worden. Falls das Solarangebot nicht ausreicht, erfolgt die Nacherwärmung mittels Brennwertkessel. Die durch das Solarsystem A beheizte Wohnung wird über die Fenster natürlich belüftet. Den zwei anderen Wohnungen kann die im Luftkollektor vorgewärmte Außenluft mechanisch zugeführt werden. Bei geringer Solarstrahlung werden diese Wohnungen ebenfalls über die Fenster belüftet.

Abbildung 3: Südansicht des 6. Obergeschosses des Mehrfamilienwohnhauses mit den Luftkollektoren.

Bauteil k-Wert [W/m²K]
Außenwand 0,27
Kellerdecke 0,28
Dach 0,2
Außenfenster 1,0
Fenster zu Pufferraum 1,5
Fenster des Pufferraums 3,0


Tabelle 1: Wärmedurchgangskoeffizienten der Hüllflächenbauteile

Das Solarsystem

Die drei betrachteten Wohnungen sind mit verschiedenen solaren Luftsystemen ausgestattet.

System A
In diesem System bildet der solare Luftkollektor einen geschlossenen Kreislauf mit dem Speicher. Die Luftkollektoren sind im 6. Obergeschoß vor der südlichen Außenwand des Schlafzimmers installiert (siehe Abbildung 3).

 

Abbildung 4: Isometrie des Solarsystems A

Da der Wohnraum, dem die Solarenergie zugeführt werden soll, im 5. Obergeschoß liegt, wurde als Energiespeicher die innenliegende Wohnungstrennwand gewählt. Um zu verhindern, dass die Speicherwand sich bereits zu Zeiten entlädt, während noch keine Heizenergie im Wohnraum benötigt wird, erfolgt die Entladung in aktiver Weise. Hierzu wurde im Abstand von 16 cm vor die Speicherwand eine gedämmte Vorsatzschale gestellt, die unten und oben schlitzartige Öffnungen aufweist. Unterhalb der oberen Öffnung ist ein Konvektor installiert. Wird im Wohnraum Heizwärme benötigt, öffnet sich gleichzeitig das Thermostatventil am Radiator und die untere Klappe in der Vorsatzschale. Aufgrund der Erwärmung des Konvektors steigt die Luft zwischen Speicherwand und Vorsatzschale nach oben und tritt durch die obere Öffnung in den Wohnraum. Gleichzeitig strömt kalte Raumluft durch die untere Öffnung nach und entlädt während des Aufsteigens die Speicherwand und erwärmt sich dabei.

System B
Bei diesem solaren Luftsystem wird die Zuluft im Luftkollektor vorgewärmt. Wie bei System A stehen die Luftkollektoren im 6. Obergeschoss vor der Schlafzimmeraußenwand. Die Zuluft wird direkt in die Aufenthaltsräume eingeblasen. Die Einblasung erfolgt, wenn die gewünschte Raumlufttemperatur unterschritten ist und gleichzeitig die Lufttemperatur im Kollektor ca. 5 K höher liegt. Damit keine unbehaglich hohen Raumlufttemperaturen auftreten, schaltet die Regelung den Ventilator bei einer vorgegebenen Raumlufttemperatur von beispielsweise 23 °C ab. Die Abluft kann über eine Klappe im Bad, die auf Druckerhöhung anspricht, nach außen abströmen. Die Wohnung ist mit Radiatoren ausgestattet, die die Räume beheizen, wenn kein ausreichendes Solarangebot vorliegt.

Abbildung 5: Isometrie des Solarsystems B

System C
Das solare Luftsystem C stellt eine Kombination der Systeme A und B dar. Bei Solarangebot und gleichzeitigem Wärmebedarf der Wohnung wird zuerst die erwärmte Zuluft in die Aufenthaltsräume eingeblasen. Ist der Wärmebedarf gedeckt, erfolgt die Beladung und Entladung der Speicherwand in der gleichen Weise wie bei System A. Die Betriebsweise wird auf Speicherbetrieb umgestellt, indem die Zuluftklappe am Kollektor und am Zuluftrohr geschlossen wird. Bei der Speicherbeladung bilden der Kollektor und die Speicherwand ein geschlossenes System.

 

Abbildung 6: Isometrie des Solarsystems C

Der Kollektor

Die Systeme A, B und C sind jeweils mit zwei Luftkollektoren ausgestattet, dessen Kollektorfläche zusammen 6,6 m² beträgt. Eine Kollektoreinheit hat eine Breite von 1,32 m, eine Höhe von 2,50 m und eine Tiefe von 0,18 m. Der Kollektor ist mit einer eisenarmen 4 mm dicken Einscheibenverglasung abgedeckt. Die Rückseite ist mit 80 mm Mineralfaser gedämmt. Zur Vermeidung der außenliegenden Verrohrung erfolgt die Luftführung absorberintegriert. Der Absorber ist profiliert; die Profilgröße beträgt 50 mm/40 mm.

Luftvolumendurchsatz/Kollektorfläche :
System A: 20 m³/m²h
System B: 40 m³/m²h
System C: 20 m³/m²h (Modus System A)
40 m³/m²h (Modus System B)

Speicher

Die im Luftkollektor absorbierte Sonnenenergie wird bei den Systemen A und C in einer Betonwand abgespeichert. Als Speicher dient die 20 cm dicke Wohnungstrennwand im 5. Obergeschoß. In der Wand, die eine Länge von 3,55 m und eine Höhe von 2,55 m aufweist, befinden sich in der Wandmitte im Abstand von 0,28 m 11 senkrechte Wickelfalzrohre mit einem Durchmesser von 80 mm. Vor der Speicherwand ist oben und unten ein quadratischer Verteilerkanal angebracht, der jeweils mit den senkrechten Röhren, die sich in der Betonwand befinden, verbunden ist. Die Luft strömt in einem geschlossenen Kreislauf vom Kollektor in den oberen Verteilerkanal und von dort aus gleichmäßig durch die Röhren in den unteren Kanal und dann zurück in den Kollektor.

Speicherkapazität: 1,0 kWh/K
Kapazität/Kollektorfläche: 0,15 kWh/Km²

Verteilung

Bei den geschlossenen Speicherkreisen A und C ist jeweils im Zu- und Abluftstrom ein Ventilator installiert. Das System B hat zwei Zuluftleitungen, in denen jeweils auch ein Ventilator eingebaut ist. Aus Gründen der Geräuschentwicklung sind die Ventilatoren außerhalb des Wohnraumes in einem separaten Gehäuse, das neben den Kollektoren montiert ist, untergebracht. Die Gehäuseabdeckung ist mit Photovoltaikelementen belegt, die die Ventilatoren mit 24 Volt Gleichstrom versorgen. Ein weiterer Netzanschluß ist nicht vorhanden.

Regelung

Die Regelung der Speicherbeladung erfolgt über eine Temperaturdifferenzschaltung. Wenn die Lufttemperatur im Kollektor 10 K über der Speichertemperatur liegt, wird der Ventilator eingeschaltet. Die Leistung des Ventilators hängt direkt vom Solarangebot ab. Dies hat den Vorteil, dass bei geringer Solarstrahlung der Massenstrom kleiner und damit im Vergleich zu einem gleichbleibenden Förderstrom die Luft mit einem höheren Temperaturniveau in den Speicher gelangt.

Messergebnis

Das Gebäude wurde Ende 1996 fertiggestellt und bezogen. Neben sechs Wohnungen im Gebäudeblock 2/3 im 5. und 6. Obergeschoß, die mit solaren Systemen ausgestattet sind, werden weitere fünf meßtechnisch erfaßt. Die Meßergebnisse der drei Systeme A, B und C sind in Tabelle 2 zusammengestellt.

System
Messperiode: 1. November 1996 bis 31. Mai 1997
Solarsystem
Input [kwh]
Output [kwh]
total
total
pro m²
Wohnfläche
pro m²
Kollektorfläche
A
3252
654
8,5
99,1
B
3252
923
12,0
139,8
C
3252
790
10,2
119,7

Tabelle 2: Zusammenstellung der Kollektoreingangs- und Ausgangsenergien.

Während der Messperiode vom 1. November 1996 bis 31. Mai 1997 traf die Strahlungsenergie von 3552 kWh auf die 6,6 m² große Kollektorfläche. Hiervon konnten bei System A 654 kWh in die Speicherwand eingeladen werden. Dies sind 20 % der auf den Kollektor auftreffenden Strahlungsenergie.
Bei System B und C konnten die Meßergebnisse wegen Ausfall einiger Meßfühler nicht durchgehend erfaßt werden. Die Werte für die fehlenden Perioden wurden unter Zugrundelegung der vorliegenden Meßdaten berechnet. Für das System B ergibt dies 923 kWh und für das System C 790 kWh. Dies sind 28 % bzw. 24 % der aufgetroffenen Strahlung. Um Überhitzungen zu vermeiden, ist die Regelung bei System B so eingestellt, dass der Ventilator bei Raumlufttemperaturen über 23 °C abschaltet.
Es ist zu beachten, dass bei einer Solareinstrahlung von 1000 W/m² der Wohnung B die Luftmenge von ca. 250 m³/h zugeführt wird. Der dadurch verursachte Luftwechsel von 1,4 h-1 liegt deutlich über dem hygienisch notwendigen. Die vorgewärmte Zuluft führt daher auch zu höheren Lüftungsverlusten. Die in der Tabelle aufgeführte Energiemenge von 923 kWh/a trägt daher nicht voll zur Reduzierung von Heizwärme bei.
Bei System C wird zuerst die Zuluft vorgewärmt; hat dann die Raumluft den Wert von 23 °C erreicht, so schaltet die Regelung auf den geschlossenen Kreis zwischen Kollektor und Speicherwand um. Der Energieanteil, der direkt über Zuluftvorwärmung an den Raum übertragen wird, ist abhängig von der Raumlufttemperatur, die die Bewohner eingestellt haben. Je höher diese ist, je kleiner ist der Energiebeitrag über Zuluftvorwärmung.
In Tabelle 3 sind die Meßwerte der Tabelle 2 auf die gesamte Heizperiode hochgerechnet worden. Es wurden dazu die Strahlungswerte einer Meßstation außerhalb Münchens herangezogen.

System
Extrapolierte Messperiode 1. September 1996 bis 31. Mai 1997
Solarsystem
Input [kwh]
Output [kwh]
total
total
pro m²
Wohnfläche
pro m²
Kollektorfläche
A
4233
840
10,9
127,3
B
4233
1197
15,5
181,3
C
4233
1019
13,2
154,4

Tabelle 3: Zusammenstellung der Kollektoreingangs- und Ausgangsenergien; hochgerechnet auf die gesamte Heizperiode 1996/97 aus den Meßdaten 1. November 1996 bis 31. Mai 1997.

Die von der Radiatorheizung an die drei Wohnungen abgegebenen Heizwärmen sind in Tabelle 4 zusammengestellt. Für die gesamte Heizperiode wurden die Verbräuche anhand der Gradtagzahlen hochgerechnet.

Wohnung
Meßperiode:
1. November 1996 bis 31. Mai 1997
Extrapolierte Meßperiode
1. September 1996 bis 31. Mai 1997
Heizwärmeverbrauch Heizwärmeverbrauch

kWh/a

kWh/m²a
kWh/a kWh/m²a
A 3511 45,6 4143 53.9
B 2398 31,1 2830 36.8
C 4009 52,1 4731 61.4

Tabelle 4: Zusammenstellung der Heizwärmeverbräuche

In den Wohnungen lag während der Meßperiode eine relativ hohe Raumlufttemperatur vor. Sie lag in den Wohnungen A und C bei ca. 22, 5 °C (im Mittel) und in Wohnung B bei 21,8 °C.

Zusammenfassung

Die wichtigsten Resultate der ersten Meßperiode können für die luftgeführten Energiegewinnsysteme folgendermaßen zusammengefaßt werden:

  • Durch die installierten Solarsysteme können in der Heizperiode zwischen 10 und 15 kWh/m²a Heizwärme eingespart werden.
  • Während Zeiten, in denen der Energiebeitrag durch Zuluftvorwärmung vollständig genutzt werden kann, ist die Betriebsweise der direkten Zuluftvorwärmung effektiver als der geschlossene Kreis über die Speicherwand. Die Verluste des Kollektors sind kleiner, da die Außenluft ein niedrigeres Temperaturniveau aufweist als die Rückluft des Speichers. Die Zuluftvorwärmung über Luftkollektoren bewirkt einen höheren Luftwechsel als hygienisch notwendig ist. Dadurch werden auch die Lüftungsverluste erhöht.
  • Der energetische Beitrag der Zuluftvorwärmung über Luftkollektoren ist von der eingestellten Raumlufttemperatur abhängig. Ist diese bereits relativ hoch (z.B. 21 °C), so kann durch Zuluftvorwärmung nur noch ein kleiner Energiebeitrag gewonnen werden, da die Regelung die Zuluftventilatoren bei ca. 23 °C abschaltet, um Überhitzungen zu vermeiden.
  • Die Gleichstromventilatoren, die den Strom aus Photovoltaikmodulen beziehen, haben neben dem Vorteil, dass kein Strom aus dem Netz notwendig ist, die ideale Eigenschaft, dass die geförderte Luftmenge von der Intensität der Solarstrahlung abhängt. Bei kleinerem Solarangebot kann somit ein höheres Temperaturniveau der Zuluft erreicht werden.
  • Da die Ventilatoren außerhalb der Wohnung direkt am Kollektorausgang installiert sind, ist innerhalb der Wohnung kein Strömungsgeräusch hörbar.
  • Das Gesamtsystem ist noch zu teuer. Eine Wirtschaftlichkeit kann derzeit noch nicht nachgewiesen werden.

Literatur
[1] Bundesregierung: Verordnung über einen energiesparenden Wärmeschutz (Wärmeschutzverordnung - WSVO), Bundesgesetzblatt (1982), Teil I, H. 7, S. 209 bis 219.
[2] GWG, Gemeinnützige Wohnstätten- und Siedlungsgesellschaft et al. (Hrsg.): Geförderter Wohnungsbau in München. Niedrigenergiehaus Baumgartner-/Ganghoferstraße.

 

*) Dipl.-Ing. Hans Erhorn ist Leiter der Abteilung Wärmetechnik im Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart.
Dipl.-Ing.
Johann Rieß ist Gruppenleiter für Bausysteme und seit 1995 stellv. Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik in Stuttgart. [^]

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