Zeitschrift EE

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2012-02

Solarthermie

Abbildung 1: 52 Einfamilienhäuser werden in Okotoks, Kanada durch ein solares Nahwärmenetz zu 90% mit Raumwärme und Warmwasser versorgt (Quelle: Natural Resources Canada)

In Kanada beträgt der Energieverbrauch für Heizung und Warmwasser 80 % des Endenergieverbrauchs des Wohnbausektors; gleichzeitig leben die meisten Menschen in Regionen mit jährlichen Globalstrahlungssummen von mehr als 1470 kWh/m². Dieses Solarstrahlungsangebot ist signifikant höher, als in manchen europäischen Ländern, die derzeit starke Solarthermiemärkte haben.

Drake Landing - Solares Heizen unter rauhen Klimabedingungen in Kanada

Von Doug McClenahan und Bruce Sibbitt *

Als eine der Hürden für die Anwendung von solaren Heiztechnologien in großem Maßstab wurde bisher der relative Mangel an Solarstrahlung während der Herbst- und Winterzeit angesehen, wenn der Raumwärmebedarf hoch ist. Die in letzter Zeit erzielten Fortschritte bei der Entwicklung solarer Langzeitspeicher in Europa gekoppelt mit der Kostenreduktion bei Solarkollektoren in Kanada eröffnen nun aber die Möglichkeit , große Anteile fossiler Energieträger zur Bereitstellung von Raumwärme im Wohnungsbau durch Solarenergie zu ersetzen. Vielversprechende Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie führten zur Realisierung des ersten solaren Nahwärmenetzes mit Langzeitwärmespeicherung in Nordamerika. Dies ist zugleich auch die erste Anlage weltweit mit einer solaren Deckung des Wärmebedarfs der von mehr als 90 %.

Das Drake Landing Projekt

Die „Drake Landing Solar Community“ in Okotoks, Alberta, Kanada nützt ein solarthermisches System in Kombination mit einem Bohrlochspeicher, um 52 energieeffiziente Einfamilienhäuser über ein Nahwärmenetz mit Raumwärme zu versorgen. Abbildung 5 zeigt die Anlage an einem Wintertag. Einige Systeme ähnlicher Größe und Bauform wurden in Europa bereits errichtet, diese Anlage ist aber die erste mit mehr als 90 % solarem Deckungsgrad und die erste, die in einem kalten Klima mit 5200 Heizgradtagen arbeitet.

Das Kollektorsystem

Das solarthermische System besteht aus 800 einfach verglasten Flachkollektoren mit einer Gesamtfläche von 2293 m², die in vier Reihen auf den Garagen hinter den Häusern montiert wurden. Die Solarkollektoren generieren an einem typischen Sommertag 1,6 MW thermische Leistung. Frostschutzmittel – eine Mischung aus Wasser und nicht toxischem Glykol – wird durch die Solarkollektoren gepumpt und durch die Sonne aufgeheizt. Das zentrale Kollektorfeld für die Raumwärmebereitstellung ist durch eine unterirdische Fernwärmeleitung mit der Heizzentrale der Gemeinschaftsanlage verbunden.
Zusätzlich zum zentralen Kollektorsystem sind auf jedem Haus unabhängige Solarsysteme zur Warmwasserbereitung installiert, die so ausgelegt sind,dass sie mehr als 50 % des jährlichen Warmwasserbedarfes bereitstellen. Die in den Wintermonaten fehlende Solarenergie wird mittels eines hocheffizienten gasbetriebenen Zusatzheizsystems bereitgestellt.

Abbildung 2: Prinzipschaltbild des solaren Nahwärmesystems (Quelle: CanmetEnergy, Kanada)

Neben zwei Kurzzeit-Wärmespeichern mit einem Gesamtvolumen von 240 m³ ist in der Heizzentrale fast die gesamte technische Ausrüstung für das Nahwärmenetz untergebracht (Pumpen, Steuerungen, zusätzliche Gaskessel, etc.). Die Kurzzeitwärmespeicher dienen als Puffer zwischen dem Kollektorkreis, dem Nahwärmekreis und dem saisonalen Bohrlochspeicher, indem sie Wärme je nach Bedarf aufnehmen und abgeben. Die Kurzzeitwärmespeicher sind für den einwandfreien Betrieb des Systems entscheidend, da sie Wärme viel schneller aufnehmen und abgeben können als der saisonale Bohrlochspeicher, der wiederum eine viel größere Kapazität besitzt. Während Perioden mit starker sommerlicher Sonneneinstrahlung kann das Feld mit den Bohrlöchern die Energie nicht so rasch aufnehmen wie sie über die Kollektoren bereitgestellt wird; deshalb wird die Wärme vorübergehend in den Kurzzeittanks gespeichert und in der Nacht an den saisonalen Bohrlochspeicher abgegeben. Im Winter ist die Situation umgekehrt, wenn die Wärme aus dem Langzeitspeicher nicht schnell genug abgegeben werden kann, um Lastspitzen vor allem in den frühen Morgenstunden abzudecken.Im Kollektorkreis und dem Nahwärmekreis werden drehzahlgeregelte Pumpen eingesetzt, um den elektrischen Energieverbrauch für einen weiten Bereich von thermischen Leistungsanforderungen zu minimieren.
Ein auf dem Dach der Heizzentrale montierter Stagnationskühler steht zur Verfügung, der die Energie abführt, wenn die Rücklauftemperaturen des Kollektorkreises so hoch werden, dass die Gefahr besteht, dass Dampf in den Wärmetauscher des Kollektorkreises gelangt. Diese Situation könnte bei Stromunterbrechungen auftreten oder bei einer langen Serie von Tagen mit hohem Solarertrag. Zusätzlich wurde ein automatisches Notstromsystem installiert, das Batterien und Wechselrichter nutzt, um im Falle einer Stromunterbrechung bei sonnigem Wetter empfindliche technische Geräte zu versorgen. Die Batterien werden durch ein Photovoltaikfeld geladen, das auch den elektrischen Energieverbrauch des Systems reduziert,sobald die Ladungsanforderungen erfüllt sind.

Saisonaler Bohrlochspeicher

Ein Feld mit Bohrlöchern wird verwendet, um die im Frühling, Sommer und Herbst durch die Solarkollektoren bereitgestellte Wärme für den Winter zu speichern. Solar erwärmtes Wasser wird durch eine Serie von U-Rohren ins Zentrum des Bohrlochfeldes gepumpt. Wärme wird an das umgebende Erdreich abgegeben, dessen Temperatur am Ende des Sommers 80°C erreicht. Die Bohrlöcher wurden unter einem nahegelegenen Park errichtet und unter der Humusschicht mit einer Dämmung versehen. 144 Bohrlöcher, jedes 35 Meter tief, wurden in 24 parallelen Kreisen mit je 6 Bohrlöchern in Serie angeschlossen (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Bohrlochspeicher (links) und U-Rohr-Wärmetauscher (rechts) (Quelle: CanmetEnergy, Kanada)

Die Regelstrategie

Die Regelung ist so programmiert, dass der Kollektorkreis zu arbeiten beginnt und aufrechterhalten wird, sobald ausreichend einfallende Solarenergie zur Verfügung steht. Zu Beginn jeden Tages wird der Kollektorkreis soweit aufgewärmt, bis das Wärmeträgermedium heiß genug ist, um über einen Plattenwärmetauscher Wärme vom Wärmeträgermedium in den Kurzzeitspeicher übertragen. Wenn Heizenergie benötigt wird, wird Energie aus dem Kurzzeitspeicher durch einen zweiten Plattenwärmetauscher auf den Nahwärmeheizkreis übertragen. Steht zu wenig Energie im Kurzzeitspeicher zur Verfügung, so wird Energie aus dem saisonalen Bohrlochspeicher in den Kurzzeitspeicher übertragen. Reicht die Temperatur des gespeicherten Wassers nicht aus, um die Heizlast abzudecken, so wird die Temperatur des Nahwärmeheizkreises durch Gaskessel auf die erforderliche Temperatur angehoben. Falls mehr Energie im Kurzzeitspeicher zur Verfügung steht, als kurzfristig für Raumheizung benötigt wird, so zirkuliert Wasser vom Kurzzeitspeicher durch den Bohrlochspeicher, um die Wärme für die spätere Verwendung zu speichern.

Abbildung 4: Gewichtete mittlere Temperatur im Bohrlochspeicher (Quelle: CanmetEnergy, Kanada)

Im Sommer, wenn die Anforderungen an die Raumwärmeversorgung gering sind, wird praktisch die gesamte Solarenergie an den Bohrlochspeicher übertragen. Im Winter, wenn die Heizlast die durch das Solarkollektorfeld erzielte Energiemenge übersteigt, wird dem Bohrlochspeicher Wärme entzogen. In der Zwischensaison muss den Häusern Wärme zur Verfügung gestellt werden und es muss auch ausreichend Kapazität im Kurzzeitspeicher vorhanden sein, um große Mengen an Solarenergie aufzunehmen. Die Regelung für das Beladen und Entladen der Kurzzeitspeicher muss den voraussichtlichen Heizwärmebedarf und die Einspeisung von Solarwärme über den Tagesverlauf ausgleichen. Die errechnete Kurzzeit-Wärmemenge basiert auf der Tageszeit sowie der aktuellen Außentemperatur und wird als „benötigte Ladung“ bezeichnet. Diese wird mit dem Ladezustand des Kurzzeitspeichers verglichen und dann der aktuellen Nahwärmekreis-Soll-Temperatur und den Temperaturen des Pufferspeichers gegenübergestellt.
Thermische Schichtung ist sowohl für den Bohrlochspeicher als auch für den Kurzzeitspeicher wichtig, um Wasser hoher Temperatur für die Raumheizung zur Verfügung zu haben, während gleichzeitig der Rücklauf mit relativ niedriger Temperatur für den Kollektorkreis bereitgestellt werden soll. Sowohl im Primärkreis als auch Sekundärkreislauf werden drehzahlgeregelte Pumpen eingesetzt. Das Regelungssystem wurde so ausgelegt, dass der Durchfluss so variiert werden kann, dass 15K Temperaturerhöhung im Primärkreis (Glykolkreis)erzielt werden und die Pumpe auf der Sekundärseite (Wasserseite)denselben Massenfluss erzielt. Diese Strategie verbessert die Schichtung im Kurzzeitspeicher und reduziert gleichzeitig den elektrischen Stromverbrauch der Pumpen. Die durch den Nahwärmekreis bereitgestellte Wassertemperatur wird linear von 37°C bei -2,5°C Außentemperatur auf mehr als 55°C bei einer Außentemperatur von -40°C verändert. Variable Wasserdurchflussraten werden auch im Nahwärmekreis angewendet, um einen weiten Bereich von Heizlasten abzudecken und gleichzeitig die effiziente Nutzung von Solarwärme über einen weiten Bereich von Temperaturen sowohl der Quelle als auch der Last zu ermöglichen und den Pumpenstromverbrauch zu begrenzen.

Abbildung 5: Die Anlage an einem Wintertag (Quelle: CanmetEnergy, Kanada)

Messergebnisse

Die Solaranlage wurde Ende Juni 2007 in Betrieb genommen und ihre Betriebseigenschaften wurden seither mittels des automatisierten Steuerungs- und Datenerfassungssystems aufgezeichnet und ausgewertet.
Der jährliche Kollektorwirkungsgrad bzw. Primärkreiswirkungsgrad war über den Zeitraum relativ konstant und lag bei ungefähr 33 %, basierend auf der Gesamtkollektorfläche und der Solarenergie, die am Wärmetauscher in der Heizzentrale gemessen wurde. Bezogen auf die Aperturfläche lag der über vier Jahre gemittelte Kollektorwirkungsgrad bei 35 %. Im ersten Betriebsjahr wurde ein Großteil der Solarenergie in den Bohrlochspeicher eingebracht (2610 von 4470 GJ). Obwohl der Bohrlochspeicher nur 152 GJ (6 %) der aufgenommenen Energie später im Jahr als Heizenergie zur Verfügung stellte, wurde ein wesentlicher solarer Beitrag (1520 GJ) aus dem Kurzzeitspeicher bereitgestellt. Zusammengenommen bedeutet dies, dass eine Wärmemenge von 1670 GJan solarer Wärme bereitgestellt wurde. Die Gesamtwärmemenge des Nahwärmenetzes betrug 3040 GJ, somit betrug der solare Anteil im ersten Jahr 55 %. In jedem der folgenden Jahre stieg der aus dem Bohrlochspeicher gelieferte Anteil und erreichte im vierten Jahr 54 % der aufgenommenen Wärmemenge, sodass der solare Anteil am gesamten Heizwärmebedarf auf 60 % im zweiten Jahr, 80 % im dritten Jahr und 86 % im vierten Jahr stieg.

Abbildung 6: solare Anteile an der Energieversorgung (Quelle: CanmetEnergy, Kanada)

Ein Teil der Verbesserung des Ergebnisses ist auf Modifizierungen des Systems und der Regelung zurückzuführen, die implementiert wurden, um dem System zu ermöglichen, der Auslegung gemäß zu arbeiten. Im ersten Betriebsjahr wurde festgestellt, dass das Wasser mit den höchsten Temperaturen im Kurzzeitspeicher dem Nahwärmekreis oder dem Bohrlochspeicher nicht zur Verfügung gestellt werden konnte. Die Speicher wurden genauer untersucht und danach wurden Diffusoreinlässe entwickelt und gebaut. Die Speicher wurden entleert und die neuen Diffusoreinlässe montiert und das Speichersystem Ende März bis Anfang April 2009 wieder in Betrieb genommen. Auch wurden zu Beginn des Betriebes, bevor alle 52 Häuser fertiggestellt waren, die Solltemperaturen des Nahwärmekreises angehoben, um den Nutzerkomfort in den Häusern am Ende einer Straße sicher zu erreichen. Diese beiden Korrekturen trugen zu einer beachtlichen Verbesserung des Ergebnisses in der zweiten Hälfte des dritten Betriebsjahres bei.

Ausblick

Die Drake Landing Solar Community weist den Weg für zukünftige solare Großanlagen, da konventionelle Energiepreise steigen werden und zugleich solare Systeme, wie in diesem Projekt eindrucksvoll nachgewiesen, eine zunehmend erschwingliche Option für NutzerInnen und Bauträger gleichermaßen darstellen. Auch werden sich die positiven Auswirkungen auf die Umwelt durch eine breitere Anwendung von Solarenergie vervielfachen.

*) Doug McClenahan und Bruce Sibbitt sind Mitarbeiter von CanmetENERGY, Ottawa, Kanada [^]

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