Zeitschrift EE

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2012-04: Zukunftsfähige Kollektortechnologien

Hocheffizienter Flachkollektor mit Low-e-beschichteter Doppelverglasung

Abbildung 1:Versuchskollektor auf dem ISFH Solar Tracker während einer Leistungsmessung (Quelle Institut für Solarenergieforschung Hameln GmbH ISFH)

Um neue Anwendungsgebiete für die thermische Solarenergie zu erschließen, wie z. B. industrielle Prozesswärme, Kühlung oder Raumheizung mit hohem Deckungsanteil, werden Kollektoren mit einem hohen Wirkungsgrad bei Temperaturen von mehr als 80°C bzw. bei einer geringen Sonnenstrahlungsintensität benötigt. Heutige Flachkollektoren können bei Nutztemperaturen oberhalb von 80°C nur sehr geringe Jahreserträge liefern. Schlüssel zur Leistungssteigerung ist die Erhöhung der Dämmwirkung der transparenten Abdeckung. Am Institut für Solarenergieforschung Hameln GmbH (ISFH) wird der Ansatz verfolgt, hier eine gasgefüllte Isolierverglasung mit einer niedrigemittierenden Beschichtung (Low‑e Beschichtung) einzusetzen.

Von Sebastian Föste, Federico Giovannetti und Nicole Ehrmann *

Kollektoraufbau

Der Kollektor besteht aus einem herkömmlichen Flachkollektorgehäuse mit hochselektivem Absorber, in das anstelle einer Einfachglasscheibe eine Doppelverglasung mit einer Low-e Beschichtung auf Position 3 integriert ist (Abbildung 2). Diese im infraroten Wellenlängenbereich niedrigemittierende und im solaren Wellenlängenbereich transparente Beschichtung unterdrückt die Wärmestrahlungsverluste im Scheibenzwischenraum. Durch eine Edelgasfüllung werden gleichzeitig der Wärmetransport durch Konvektion und Leitung reduziert. Antireflexschichten auf den übrigen Glasoberflächen sorgen für geringe optische Verluste. Insgesamt stellt dieses Kollektorprinzip eine Kombination der beiden technologisch ausgereiften Produkte Flachkollektor und Isolierverglasung dar.

Abbildung 2: Prinzipdarstellung des Kollektoraufbaus

Entwicklung von niedrig emittierenden Beschichtungen

Low-e Schichten werden in Fensterverglasungen seit etwa 15 Jahren eingesetzt, um die Wärmeverluste zu reduzieren, jedoch mit abweichenden Anforderungen im Vergleich zu Kollektorverglasungen. Während es bei Fensterverglasungen auf Minimierung der Wärmeverluste bei hoher Transmission für den sichtbaren Anteil der Solarstrahlung ankommt, ist bei Kollektorverglasungen eine hohe Transmission für den gesamten solaren Wellenlängenbereich gefordert. Die Anforderungen an einen niedrigen Emissionsgrad hingegen sind geringer, da die übrigen Wärmeverlustpfade bei Kollektoren komplexer sind. Um diese Anforderungen zu erfüllen, wurde am ISFH ein Dreischichtsystem entwickelt, dessen Low-e Funktionsschicht auf einem sogenannten TCO-Material (transparent conductive oxide) basiert. Als TCO-Material wird Aluminium dotiertes Zinkoxid (AZO) gewählt, da es neben seinen guten optischen Eigenschaften zudem kostengünstig verfügbar ist. Die AZO-Funktionsschicht wird in dielektrische Schichten eingebettet, die Reflexionen verringern und als Schutzschichten dienen. Dieses Schichtsystem wurde zunächst auf laborrelevanten Flächen (10 x 10 cm²) durch die in der Industrie verbreitete Sputtertechnik hergestellt. Bei Verwendung eines eisenarmen Substrats wird eine solare Transmission von 85 % erreicht. Durch Aufbringen einer weiteren Antireflexbeschichtung auf der gegenüberliegenden Seite der Glasscheibe kann die solare Transmission auf 87,5 % gesteigert werden. Abbildung 3 zeigt die Transmissions- und Reflexionsspektren des am ISFH entwickelten Schichtsystems und des kommerziell verfügbaren K Glass™. Da K Glass™ für die Fensteranwendung und somit nur für eine geringe Emissivität und eine hohe Transmission im sichtbaren Wellenlängenbereich optimiert wurde, weist es eine recht niedrige solare Transmission von 71 % auf. Weitere Ursachen sind ein eisenhaltiges Substrat und fehlende Antireflexschichten. Die Reflexion des ISFH-Schichtsystems ist im infraroten Spektralbereich niedriger und damit die Emissivität mit 32 % etwas höher als die von K Glass™.

Abbildung 3: Vergleich der gemessenen Transmissions- und Reflexionsspektren von KGlass™ und dem am Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) hergestellten Schichtsystem

Eine wichtige Anforderung an das Low-e Schichtsystem für Kollektorverglasungen ist die Temperaturbeständigkeit, da Temperaturen bis 160°C an der Kollektorverglasung erreicht werden. Temperaturbelastungstests an beschichteten Proben bei dieser Temperatur ergaben keine Veränderungen der optischen Eigenschaften. Ferner wurde anhand von Kondenswassertests die Feuchtebeständigkeit nachgewiesen [1].

Zusammen mit dem Glashersteller Euroglas GmbH wird an der Umsetzung des entwickelten AZO-Schichtsystems in den industriellen Maßstab gearbeitet. Parallel dazu wird Indium dotiertes Zinnoxid (ITO) im industriellen Maßstab für die Kollektoranwendung entwickelt. ITO weist im Vergleich zu AZO höhere Materialkosten auf, kann aber bessere optischen Eigenschaften erreichen und ist beständiger gegenüber Umwelteinflüssen.

Langzeit-Gebrauchstauglichkeit der Isolierverglasung

Der Einsatz von Isolierverglasungen im Kollektor führt zu deutlich höheren Belastungen im Vergleich zu Fenstern. Wesentlich ist dabei die erhöhte Temperatur im Betrieb und in Stagnationsphasen. Temperaturen von 160°C an der Verglasung führen dazu, dass Alterungseffekte und thermomechanische Belastungen, die sich infolge eines Druckanstiegs im Gaszwischenraum einstellen, bei der Konstruktion und Materialwahl des gasdichten Randverbunds berücksichtigt werden müssen [2]. Um die konstruktiven Lösungen in Bezug auf ihre Langzeit-Gebrauchstauglichkeit zu prüfen, werden verschiedene Tests durchgeführt, um Temperatur-, UV- und Feuchtebelastung, wie auch thermomechanische Beanspruchung aufzubringen und deren Auswirkungen zu analysieren.

Die Temperaturbelastbarkeit von Isolierverglasungen im Kollektorformat wird an drei Prüflingen in einem selbstentwickelten Prüfstand untersucht. Die Belastung erfolgt zyklisch. Jeder Prüfling wird über 400 h jeweils bei unterschiedlichen maximalen Temperaturen im Randverbund von 130°C, 140°C bzw. 150°C belastet. Diese Temperaturen gehen z. T. über die im Kollektor erwartete maximale Randverbundtemperatur von 120°C bis 135°C hinaus. Durch Messung des Gasfüllgrads und der Stärke der Verglasung sowie einer visuellen Überprüfung konnten keine Degradationen festgestellt werden, die die Funktion beeinträchtigen.

Im Rahmen einer Langzeitbewitterung werden zwei Prüflingsverglasungen in stagnierenden Kollektoren auf dem ISFH-Testdach den realen klimatischen Bedingungen ausgesetzt. Eine Untersuchung der Verglasungen nach 13 Monaten Exposition zeigte keine Veränderungen, die die Leistungsfähigkeit der Verglasung beeinflussen. Dies wurde durch Leistungsmessungen in einem unbelasteten Referenzkollektorgehäuse, das nicht der Exposition ausgesetzt war, bestätigt. Die im Sonnensimulator gemessenen Wirkungsgradkennlinien, jeweils vor und nach der Exposition, zeigten nur marginale Abweichungen innerhalb der Messunsicherheit [3].

Leistungsfähigkeit

Neben den optischen Eigenschaften der Low-e Glasscheibe beeinflusst der konvektive Wärmetransport in den beiden gasgefüllten Zwischenräumen die Leistungsfähigkeit des Kollektors signifikant. Untersuchungen zu optimalen Abständen und dem Einfluss von Füllgasen im Scheibenzwischenraum sind ausführlich in [3, 4] dargestellt. Ein Abstand zwischen Absorber und Verglasung von ca. 25 mm erzeugt dabei die geringsten Wärmeverluste. Mit Argon als Füllgas im Scheibenzwischenraum liegt der optimale Scheibenabstand bei etwa 8 mm.

Da das entwickelte ISFH AZO-Schichtsystem zunächst nur im Labormaßstab produziert wird, können die zu erwartenden Kollektorwirkungsgradparameter mit der AZO-Beschichtung nicht aus Kollektormessungen gewonnen werden, sodass auf simulierte Werte zurückgegriffen werden muss. Dazu wurde ein Modell entwickelt, das den Solarstrahlungs- und Wärmetransport im Kollektor abbildet. Wesentliche Ausgangsgröße des Modells ist der Kollektorwirkungsgrad bei unterschiedlichen Betriebstemperaturen. Das Modell wurde anhand von Messergebnissen mit einem Versuchskollektor validiert [3].

In Abbildung 4 ist die zu erwartende Wirkungsgradkennlinie eines Flachkollektors mit dem ISFH-Low-e Schichtsystem auf Position 3 und weiteren Antireflexschichten (AR) auf den Positionen 1, 2 und 4 gemäß Abbildung 2 dargestellt. Zum Vergleich wird eine gemessene Wirkungsgradkennlinie mit nahezu gleichem Kollektoraufbau und K Glass™ anstelle der ISFH-Schicht gezeigt. Einziger Unterschied am Kollektor ist die verminderte Rückseitendämmstärke von 80 mm (ISFH) anstelle von 100 mm (K Glass™). Durch die hohe solare Transmission des ISFH-Schichtsystems kann der 0-Wert deutlich auf 0,78 gesteigert werden. Es ergeben sich jedoch etwas höhere Verlustkoeffizienten aufgrund der geringeren Dämmstärke und der höheren Emissivität des Schichtsystems.

Erste Messungen an Prototypkollektoren mit ITO auf Position 3 der Verglasung, das ähnliche optische Eigenschaften wie das ISFH-AZO erreicht, ergaben bereits vielversprechende Wirkungsgradkoeffizienten, auch ohne AR Beschichtung auf Position 4 und reduzierter Rückseitendämmstärke von 70 mm (Abbildung 4).

Abbildung 4: Simulierte Wirkungsgradkennlinie mit der ISFH Low-e Schicht (Pos.3) und drei Antireflexschichten (Pos.1, 2 u. 4) sowie eine Variante mit zwei Antireflexschichten (Pos. 1 u. 2) und zum Vergleich eine gemessene Wirkungsgradkennlinie mit einer ITO-Beschichtung auf Position 3 und 2 Antireflexschichten (Pos. 1 und 2) und eine gemessene Wirkungsgradkennlinie mit K GlassTM als Low-e Glasscheibe.
Erläuterungen: AZO Aluminiumdotiertes Zinnoxid, AR Antireflexschicht, ITO Indiumdotiertes Zinnoxid

Wirtschaftlichkeit

Mit Hilfe der beteiligten Industriepartner wurden die zu erwartenden Produktionskosten des hocheffizienten Flachkollektors (HFK) relativ zu den Standardprodukten einfachverglaster Flachkollektor (FK) und Vakuumröhrenkollektor (VRK) ermittelt.

Anhand von Ertragssimulationen für den Standort Zürich bei verschiedenen ganzjährig konstanten Eintrittstemperaturen wird die Leistungsfähigkeit der drei Kollektorbauarten bewertet. Abbildung 5 zeigt die Jahreserträge bei unterschiedlichen Kollektoreintrittstemperaturen. Bei 80°C kann der HFK im Vergleich zum einfachverglasten Flachkollektor einen um 85 % höheren Jahresertrag liefern. Werden die erzielten Erträge und die ermittelten Herstellkosten in Beziehung gesetzt, ergibt sich für den HFK ein Temperaturbereich von 70°C bis 110°C, in dem er wirtschaftlich gegenüber den beiden Standard-Industrieprodukten im Vorteil ist [3].

Abbildung 5: Zu erwartender Bruttowärmeertrag des HFK im Vergleich zu FK und VRK (jeweils Mittelwerte der drei Industriepartner), Standort Zürich, Ausrichtung Süd, Neigung 45°, Bezugsfläche Apertur

Zusammenfassung und Ausblick

Für das vorgestellte Kollektorkonzept wurde ein geeignetes Low-e Schichtsystem entwickelt, das sowohl die Anforderungen an die optischen Eigenschaften erfüllt, als auch eine ausreichende Beständigkeit zeigt. Gebrauchstauglichkeitstests an Isolierverglasungen bestätigten deren Langzeitbeständigkeit. Die Abstände im Kollektor wurden anhand experimenteller Untersuchungen optimiert, um die konvektiven Wärmeverluste zu minimieren. Anhand von Ertragssimulationen wurde für den hocheffizienten Flachkollektor ein wirtschaftlicher Betriebsbereich zwischen 70°C und 110°C ermittelt.

Derzeit wird an der Umsetzung dieses Konzepts bis hin zur Entwicklung von gebrauchstauglichen Prototypen gearbeitet, die in die industrielle Serienfertigung überführt werden können. Wesentliche Schwerpunkte dabei sind die Übertragung und Optimierung der entwickelten AZO-Beschichtung in die industrielle Fertigung und parallel die Weiterentwicklung von industriellen ITO-Beschichtungen. Außerdem soll die Gebrauchstauglichkeit mit Hilfe von Alterungstests an Musterkollektoren und an Kollektorkomponenten (Dämmung, Absorber, Verglasung) sichergestellt und Leistungsfähigkeitsprüfungen an eigenen Musterkollektoren und Industrieprototypen durchgeführt werden.

Nach heutigem Stand der Arbeiten wird davon ausgegangen, dass nach Projektende im Sommer 2013 ein Transfer der entwickelten Prototypen in die industrielle Serienfertigung erfolgen kann.

Danksagung

Die vorgestellten Arbeiten werden mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages gefördert (FKZ 0329280D und 0325973A). Ferner unterstützen folgende Industriepartner die Projektarbeiten: Bystronic Lenhardt GmbH, Euroglas GmbH, Kömmerling Chemische Fabrik GmbH, Solvis Energiesysteme GmbH & Co. KG, Vaillant GmbH. Die Autoren danken für die Unterstützung.

Literatur

Ehrmann, N.: Development of Selective Coating Systems for Solar-Thermal Flat-Plate Collectors. Dissertation, Leibniz Universität Hannover, Hannover, Mai 2012.

Föste, S.; John, S.; Rockendorf, G.: Verfahren zur Berechnung der temperaturbedingten mechanischen Belastung von Isolierverglasungen in Flachkollektoren. Tagungsband 19. Symposium Thermische Solarenergie, Bad Staffelstein, Mai 2009.

Föste, S.; Ehrmann, N.; Giovannetti, F.; Rockendorf; G.; Reineke-Koch, R.: Solarthermie2000plus: Grundlagen für selektiv beschichtete Hochleistungsverglasungen für Flachkollektoren. Projektabschlussbericht BMU, Förderkennzeichen 0329280 D, Emmerthal, 2011.

Föste, S.; Degenhardt, P.; Limprecht, F.; Rockendorf, G.: Wärmeverluste in Hochleistungsflachkollektoren mit selektiv beschichteten und gasgefüllten Isolierverglasungen. Tagungsband 20. Symposium Thermische Solarenergie, Bad Staffelstein, Mai 2010.

*) Dipl.-Ing. Sebastian Föste ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Solarthermie, Arbeitsgruppe Kollektoren, am Institut für Solarenergieforschung Hameln GmbH (ISFH) (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Dr. Federico Giovannetti ist Gruppenleiter der Arbeitsgruppe Kollektoren, Abteilung Solarthermie, am Institut für Solarenergieforschung Hameln GmbH (ISFH) (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Dr. Nicole Ehrmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Solarthermie, Arbeitsgruppe Thermische Materialien, am Institut für Solarenergieforschung Hameln GmbH (ISFH) (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) [^]

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