Zeitschrift EE

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2013-02: 25 Jahre AEE-INTEC

Solarthermie - die unterschätzte Energiequelle in Entwicklungsländern

Titelbild

Abbildung 1: Jährliche Solarstrahlung auf die Horizontale (Quelle: Meteonorm 7.0)

Abbildung 2:  Beispiel einer Thermosiphonanlage in Mozambik (Quelle: AEE INTEC)

Warum thermische Solarenergie  vielfache Chancen für Entwicklung verspricht

Die Bewegung Sustainable Energy for All (SE4All) des UN-Generalsekretärs Ban Ki-Moon brachte seit dem namensgleichen UN-Jahr 2012 viel Schwung in den internationalen Diskurs zu Energie für Entwicklung. Bis 2030 sollen u.a. ein universeller Zugang zu modernen Energieträgern erreicht werden. Doch Solarthermie wird von vielen Geberländern und Entwicklungsländern unterschätzt und verkannt. Was kann Solarthermie für Entwicklung leisten? Wann wird sie endlich Mainstream?
Die UN werden ab Sommer 2013 ein eigenes Büro für SE4All in Wien unter Leitung des bisherigen UNIDO-Generaldirektors Yumkella einrichten und ab 2014 die Dekade für SE4All ausrufen. Zentrales Anliegen von SE4All ist, Menschen in Entwicklungsländern Zugang zu leistbaren, sicheren, verlässlichen, gesundheitlich unbedenklichen Energiedienstleistungen und Energieträgern zu ermöglichen, primär aus erneuerbaren und umweltfreundlichen Energiequellen. Auch wenn Energie bisher nicht als Ziel in den Millenium Development Goals (MDG) vorkam, ist sie nötig zur Erreichung aller acht genannten MDG-Ziele wie Ernährung, Wasserversorgung, Landwirtschaft, Bildung etc. In den international diskutierten Sustainable Development Goals (SDG), die ab 2015 wahrscheinlich mit den MDG verschmelzen werden, haben hingegen nachhaltige Energien einen zentralen Stellenwert, auch in Bezug auf sicheren Zugang zu Energie, gesundheitlich unbedenkliches Kochen, breiten Energiemix,  Gendergleichstellung und Umweltauswirkungen.

Der Energieallrounder Strom

Ungebrochen stark in Entwicklungsländern ist der Wunsch nach dem Energieallrounder Strom als der praktischsten und vielseitigsten Energieform. Allerdings ist Strom auch die aufwendigste Energieform hinsichtlich der nötigen Infrastruktur, Speicherfragen, Orientierung am fluktuierenden Bedarf, Finanzierung und Umsetzung in armutsgeprägten Regionen.
Der Diskurs zum Thema Energie bzw. Solarenergie in der Entwicklungszusammenarbeit ist häufig zu stromlastig: oft wird unter Solarenergie nur Solarstrom subsumiert. Solarwärme hingegen wird von multilateralen Institutionen wie der Weltbank, von vielen Donoren und Entwicklungsländern viel zu wenig Beachtung geschenkt. Das ungeheure Potenzial an Solarwärme bleibt nach wie vor in Studien oft unerwähnt, könnte aber den Stromsektor entlasten und Black-outs oder regelmäßige Abschaltungen ganzer Stadtteile oder Slums reduzieren.

Solarwärme – die unterschätzte Energiequelle

In sonnenreichen Ländern werden oft ungeheure Mengen an Warmwasser für Haushalte,  öffentliche Einrichtungen und gewerbliche Prozesse mit der subventionierten und knappen Energieform Strom erzeugt. Der Fokus liegt einseitig auf der Strom- und nicht auf der Wärmeerzeugung, wobei der enorme Bedarf an Wärme stark unterschätzt wird. So ist die  globale gesamte operative Kapazität von Solarthermie 2011 größer als die der Windkraft oder Photovoltaik [1]. Das Wissen um den Zusammenhang zwischen Strom und Wärme oder um den Einsatz von Solarwärme in Haushalten, Hotels, Schulen, Wäschereien, Spitälern, aber auch in gewerblichen Prozessen wie z.B. im Lebensmittelsektor fehlt weitgehend in den entwicklungsländern und bei den Geldgebern. In Industrie und Gewerbe weit verbreitet sind Anwendungen von Wärme unter 100°C, deren Kosten sich mit Solarthermielösungen meist nach wenigen Jahren amortisieren.
Selbst in der SE4All Initiative der UN oder im Programm zum Energiesektor ESMAP der Weltbank wird das Potenzial für Solarwärme seit Jahren stark unterschätzt. Und das obwohl Österreich als Geberland bereits wiederholt darauf aufmerksam gemacht hat. Die Länder in Sub-Sahara Afrika weisen im Vergleich zu Österreich mit meist über 2.000 kWh/m² eine etwa doppelt so große solare Einstrahlung auf (Abbildung 1), sind aber im internationalen Vergleich der 2010 installierten Kapazität aller Solarthermieanlagen per capita weit abgeschlagen: Namibia auf Platz 38 und Südafrika auf Platz 42, während Österreich Platz 3 einnimmt [1].

Österreichisches Solarthermie Know-How

Vor diesem Hintergrund tragen Experten der AEE INTEC seit über zwölf Jahren im Auftrag der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) zur Verbreitung von Solarthermie in Südosteuropa, Zentralamerika und im südlichen Afrika bei. Die Austrian Development Agency (ADA), die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, beauftragte 2008 AEE INTEC mit dem Programm SOLtrain (Abbildung 3): gemeinsam mit fünf Partnern (drei Universitäten, Solarenergieverband und Solartechnikfirmen) in Südafrika, Namibia, Mosambik und Simbabwe wurden Kapazitäten zu Solarthermie aufgebaut, bestehende Anlagen analysiert und verbessert und neue in Schulen, Spitälern oder Waisenheimen errichtet. Kürzlich startete die SOLtrain Phase II (2012-2015) mit einer Förderung von knapp 1 Mio € durch die OEZA, die erstmals zusätzlich 0,4 Mio € seitens des OPEC „Fund for international development“ generieren konnte. Ziel ist die Einrichtung von  Kompetenzzentren in den beteiligten Ländern, die Ausbildungsprogramme wie Installationskurse oder universitäre Masterprogramme  durchführen. Nationale Technologieplattformen für Solarthermie werden zudem unter Einbeziehung aller relevanten Stakeholder Strategien und Umsetzungspläne für Solarthermie erarbeiten.
Betrachtet man die 2010 neu installierte Kapazität an verglasten und somit effizienteren Solarthermieanlagen per capita von Solar Heat Worldwide, (Abbildung 2) so ergibt sich das Bild, dass die besten Länder in dieser Statistik in Sub-Sahara Afrika SOLtrain-Partnerländer sind: Namibia auf Platz 26, Südafrika auf Platz 39 und Simbabwe auf Platz 49. Zu diesem Ergebnis hat AEE INTEC einen entscheidenden Beitrag  geleistet.


Abbildung 3:
2010 neu installierte Kollektorleistung pro 1000 Einwohnern  (Quelle: Solar Heat Worldwide [1])

Chancen, Unabhängigkeit und Wertschöpfung für Entwicklung

Die Kooperation zwischen der ADA und AEE INTEC zum Kapazitätsaufbau für Solarthermie ist eine Win-Win Situation für afrikanische Entwicklungsländer:

  • Solarwärme wird direkt und lokal genutzt
  • Die Amortisation der im Vergleich zu Diesel etwas höheren Investitionskosten erfolgt in wenigen Jahren
  • Überlastete Stromnetze werden durch Umstieg auf Warmwasser durch Solarthermie entlastet und Stromreserven aufgebaut
  • Solarthermie ermöglicht den Regierungen der Partnerländer mehr Budgetsouveränität durch weniger Abhängigkeit von fossilen Energieimporten
  • Solarthermie ermöglicht einen hohen Anteil an lokaler Wertschöpfung
  • Herstellung der Komponenten ist vor Ort möglich
  • Schaffung von lokalen Kapazitäten für Planung, Bau und Wartung von Anlagen
  • Professionisten wie Installateure, Monteure, Schweißer u.a. werden zu Solarteuren weitergebildet
  • Verstärkte Kooperation mit bestehenden Bildungsinstitutionen

Das Solarthermie Know-how aus Österreich in Anpassung an die lokalen Gegebenheiten stärkt die Eigenverantwortung und letztlich den Handlungsspielraum von Gemeinden, lokalen Akteuren und Regierungen in Entwicklungsländern.

Literatur

  1. Werner Weiss, Franz Mauthner: Solar Heat Worldwide, Markets and Contribution to the Energy Supply, IEA Solar Heating & Cooling Programme, May 2012


* Mag. Hannes Bauer ist Experte für Nachhaltige Energien in der Austrian Development Agency www.entwicklung.at

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