Zeitschrift EE

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2010-01

Solarthermie

(Quelle:Fa. Paar, Graz)

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich dazu verpflichtet, den Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch in Europa bis 2020 auf 20 % zu erhöhen. Um dieses Ziel erreichen zu können, wird im Bereich der Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien ein bedeutender Beitrag geleistet werden müssen, da auf die Wärme- und Kälteerzeugung 49% des Gesamtenergiebedarfs in Europa entfallen.

Potenzial der Solarthermie in Europa

Von Werner Weiss und Peter Biermayr *

Da es nur drei erneuerbare Energiequellen gibt, die direkt zur Wärmeerzeugung eingesetzt werden (Biomasse, Geothermie und Solarthermie), ist es wichtig zu klären, wie diese unterschiedlichen Technologien dazu beitragen können, das Erneuerbare Energien Ziel zu erreichen. Für die Erzeugung von Niedertemperaturwärme werden dabei hauptsächlich Solarthermieanlagen benötigt: Die Nutzung von Tiefengeothermie ist nur in wenigen Orten in Europa möglich und Oberflächengeothermie wird als Energieeffizienztechnologie betrachtet. Biomasse wird auch für die Herstellung von Kraftstoffen, die Stromerzeugung, sowie für Mittel- und Hochtemperaturanwendungen benötigt.
Damit die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten fundierte Informationen darüber erhalten, welchen Beitrag die Solarthermie zur Erreichung des 20% Erneuerbare Energien Ziels leisten kann und welches Potenzial diese Technologie insgesamt hat, wurden im Rahmen einer Studie, für den Verband der Europäischen Solarindustrie (ESTIF) umfassende Untersuchungen an fünf repräsentativen Ländern durch¬geführt und die Ergebnisse auf die EU-27 hochgerechnet. Untersucht wurden für unterschiedliche Anwendungen sowohl das technische als auch das wirtschaftliche Potenzial der Solarthermie.
Um zu bestimmen, wie die Solarthermie zur Deckung des Wärmebedarfs der ausgewählten Referenzländer beitragen kann, wurde ein Modell zur Berechnung des zukünftigen Bedarfs entwickelt, welches auch Energiesparmaßnahmen berücksichtigt. Auf der Grundlage dieses Modells wurde der zukünftige Wärme- und Kältebedarf für die Jahre 2020, 2030 und 2050 ermittelt.
Die solaren Beiträge werden in drei Szenarien dargestellt und berücksichtigen folgende Bereiche:

  • Raumheizung in Wohngebäuden
  • Warmwasserbereitung im Haushaltssektor
  • Raumheizung im Dienstleistungssektor
  • industrielle Niedertemperaturwärme (bis zu 250 °C)
  • Kühlung und Klimatisierung in Haushalts- und Dienstleistungssektor

Folgende drei Szenarien wurden untersucht: Referenz-Szenario (Business as Usual – BAU), das Szenario der Forci¬erten Marktentwicklung (Advanced Market Deployment – AMD), einschließlich finanzieller und politischer Förder¬mechanismen wie Finanzanreizen und Bauverpflichtungen, moderater Energiesparmaßnahmen und erhöhte Forsc¬hungsarbeit, und ein Szenario, bei dem Forschung und Entwicklung sowie die politischen Maßnahmen vollständig umgesetzt sind (Full R&D and Policy – RDP), einschließlich umfangreicher finanzieller und politischer Fördermechanis¬men, Energiesparmaßnahmen und Forschungsaktivitäten.

Abbildung 1: Entwicklung des solarthermischen Potenzials in den EU-27 Ländern unter Annahme von drei Szenarien

Beitrag der Solarthermie zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien auf 20 % in der Europäischen Union

Unter der Annahme, dass der gesamte Endenergiebedarf infolge von Effizienz- und Einsparmaßnahmen bis 2020 um 9 % sinkt (verglichen mit den Werten von 2006), dann würde die Solarthermie im RDP-Szenario zu 6,3 % dazu beitragen, dass der Anteil erneuerbarer Energien in der Europäischen Union auf 20 % steigt. Im weniger ehrgeizigen AMD-Szenario würde sich der Beitrag dieser Energieform auf 2,4 % belaufen.
Bezogen auf die Forderung nach einem um 11,5 % erhöhten Einsatz erneuerbarer Energien in den 27 EU-Mit¬gliedstaaten bis 2020 (2005 betrug der Anteil erneuerbarer Energien 8,5 %), würde der Beitrag der Solarthermie im RDP-Szenario 12 % betragen, im AMD-Szenario 4,5 % und im BAU-Szenario 2,9 %.

Abbildung 2: Gesamtbedarf der EU-27 Länder an Wärme und Kälte und Beitrag der Solarthermie im jeweiligen Bereich unter Annahme des RDP-Szenarios

Um die Ziele des RDP-Szenarios erreichen zu können, muss der europäische Solarthermiemarkt bis 2020 jedes Jahr durchschnittlich um 26 % wachsen . Um die Ziele des AMD-Szenarios zu erreichen, muss die durchschnittliche Wachstumsrate pro Jahr 15 % betragen, im BAU-Szenario müsste sie bei 7 % liegen. Bis 2020 würde die Gesamtkollektorfläche dann auf eine Größe anwachsen, die sich in einem Bereich zwischen 97 Millionen m² (BAU) und 388 Millionen m² (RDP) bewegt. Die Kollektorflächen beziehen sich hierbei auf eine installierte Gesamtleistung von 67,9 GWth bzw. 271,6 GWth.

Auswirkungen auf die Wirtschaft

Im RDP-Szenario gäbe es erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigung von ArbeitnehmerInnen. Bis 2020 würden in der Solarthermiebranche insgesamt 470.000 Vollzeitarbeitsplätze entstehen. Diese Zahl bezieht sich ausschließlich auf den Binnenmarkt der Europäischen Union.
Um die Ziele des RDP-Szenarios für 2020 zu erreichen, sind im Bereich der Solarthermie Investitionen in einer Größenordnung von 214 Milliarden Euro notwendig. Dies umfasst die Produktion, die technische Planung, den Verkauf und die Installation von Solarthermieanlagen in den Jahren 2006 bis 2020.

Abbildung 3: Arbeitsplätze in der Solarthermiebranche im RDP-Szenario
(die Zahlen setzen eine durchschnittliche Produktivitätssteigerung um 4 % pro Jahr voraus)

Beitrag der Solarthermie zur Energieversorgung und Verringerung des CO2-Ausstoßes

Der Solarertrag, der sich 2020 aus dem RDP-Szenario ergibt, beträgt 155 TWh, was vergleichbar ist mit 22 Millionen Tonnen Öläquivalent. Bezieht man sich auf Öläquivalent, beläuft sich der jährliche Beitrag von Solarthermieanlagen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes auf 69 Millionen Tonnen.

Abbildung 4: Beitrag von Solarthermieanlagen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes im jeweiligen Jahr im RDP-Szenario

Langfristige Nutzung

2050 wird sich der Beitrag solarthermischer Anlagen zum Bedarf an Niedertemperaturwärme je nach Szenario und politischen Rahmenbedingungen zwischen 47 % (RDP-Szenario) und 8 % (BAU-Szenario) bewegen. Der Solarertrag beläuft sich im RDP-Szenario entsprechend auf 1552 TWh und im BAU-Szenario auf 391 TWh.
Die Kollektorfläche, die pro Einwohner in den 27 Mitgliedstaaten der EU benötigt wird, um diese Ziele zu erreichen, liegt zwischen 2 m2 (BAU) und 8 m² (RDP). Daraus ergibt sich eine gesamte Kollektorfläche, die sich zwischen 970 Millionen m² (BAU) und 3,88 Milliarden m² (RDP) bewegt.
Soll die Solarthermie langfristig zum Wärme- und Kältebedarf in den EU-Staaten beitragen, müssen in Zentral- und Nordeuropa hauptsächlich Anlagen für die Raumheizung (SolarCombi) eingesetzt werden und im Mittelmeerraum Anlagen für die Raumheizung, die Warmwasserbereitung und die Klimatisierung (SolarCombi+).
Liegt das Augenmerk ausschließlich auf Solarthermieanlagen für die häusliche Warmwasserbereitung, wird der langfristige Beitrag solarthermischer Energie zum Endenergiebedarf geringer ausfallen, da das gesamte Potenzial für diese Anwendungen bis 2030 ausgeschöpft sein wird und sich der Markt vorwiegend nur noch auf den Austausch alter Anlagen beschränken würde.
Ein weiterer bedeutender Bereich, der über ein enormes Potenzial verfügt, ist die Erzeugung von Niedertemperatur-Prozesswärme für industrielle Zwecke.
Die gesamte Studie zum Potenzial der Solarthermie in Europa ist auf folgenden Internetseiten zu finden: www.aee-intec.at und www.estif.org.

*) Ing. Werner Weiss ist Geschäftsführer der AEE INTEC; Dr. Peter Biermayr ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Energy Economics Group an der Technische Universität Wien [^]

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