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Unproblematisches Stagnationsverhalten solarthermischer Großanlagen durch Systemteilentleerung

Von Christian Fink, Alexander Kaiser und Robert Hausner

Solarthermische Anlagen mit Kollektorflächen > 100 m² gewinnen im Bereich der nachhaltigen Generierung von Wärme in unterschiedlichsten Anwendungsbereichen sowohl national als auch international zunehmend an Bedeutung. Aus diesem Grund ist die Erreichung eines unproblematischen Stagnationsverhaltens von großem Interesse. Gerade bei der Minimierung der betriebsgebundenen Kosten (Wartungsarbeiten), der Maximierung der System- und Komponen­tenlebensdauer sowie der zuverlässigen Erfüllung von Ertragsgarantien ist ein unauffälliges Stagnationsverhalten ein entscheidender Aspekt.

Abbildung 1: Ansicht eines 25 m² großen Kollektorfeldes und des Entleerbehälters unmittelbar unter dem Kollektorfeld eines vollständig aufgebauten teilentleerenden Systems am Labor von AEE INTEC (Bildquelle: AEE INTEC)

Lösungsansatz für unproblematisches Stagnationsverhalten

Einen möglichen Lösungsansatz bietet das Prinzip der Systemteilentleerung. Im Wesentlichen basiert dieses Konzept bei Stillstand der Pumpe auf einer Entleerung des Kollektorfeldes in einen Behälter direkt unterhalb der Kollektoren. Bei diesem Vorgang kommt es zum Austausch der während des Betriebs im Behälter befindlichen Luft mit dem im Kollektor vorhandenen Wärmeträgermedium. Aufgrund der Schwerkraft fließt das Wärmeträgermedium über die Rücklaufleitung in den Behälter. Dadurch wird die im Behälter befindliche Systemluft verdrängt und die Kollektoren sowie die zwischen dem Behälter und den Kollektoren vorhandenen Leitungen über die Vorlaufleitung mit dieser Luft gefüllt. Ein wesentlicher Vorteil dieser Art des Drain-Backprinzips besteht darin, dass es sich um ein geschlossenes System handelt und somit kein kontinuierlicher Sauerstoffeintrag in das System erfolgt. Weiters sind sämtliche Bereiche unterhalb des Behälters stets mit Wärmeträgermedium gefüllt und es kann daher die Rohrführung für diesen Bereich flexibel gestaltet werden. Durch die Montage des Behälters direkt unterhalb der Kollektoren sind nur geringe Förderhöhen und daraus resultierend geringe Pumpenergien für den Füllvorgang der Kollektoren notwendig.

Entwicklung eines Gesamtkonzepts

Im Rahmen eines vom Klima- und Energiefonds innerhalb der Programmlinie „Neue Energien 2020“ finanzierten kooperativen Forschungsprojektes (Projektteam: AEE INTEC, Sunlumo, Ökotech, S.O.L.I.D.) galt es, unter der Leitung von AEE INTEC ein zuverlässiges Gesamtsystemkonzept für teilentleerende solarthermische Anlagen >100 m² zu entwickeln. Dazu konnten in einem ersten Arbeitsschritt die wesentlichen, systemrelevanten Einflussparameter wie folgt identifiziert werden:

  • Die Dimension des Fallrohres in Verbindung mit dem Füll- und Betriebsvolumenstrom und der Geometrie des Einströmrohres,
  • die Dimension und Geometrie des Entleerbehälters in Verbindung mit der jeweiligen Anlagenkonstellation und der Druckentwicklung in Folge von Restflüssigkeit in den Kollektoren im Stagnationszustand und
  • ein Angepasstes Regelungskonzept (Befüllvolumenstrom und Betriebsvolumenstrom).

Insbesondere die Charakterisierung der sich im Falle einer Systementleerung oder Systembefüllung einstellende Zweiphasenströmung (Fluid und Luft) in Abhängigkeit von der Fallrohrdimension, der Einlaufgeometrie, dem Volumenstrom, dem Wärmeträger und der Fluidtemperatur erwies sich als komplex. Anhand einer Vielzahl von experimentellen Untersuchungen wurden Zusammenhänge hergestellt, die einerseits die einfache Bestimmung des notwendigen Befüllvolumenstroms für die Entlüftung des Systems  und ein vollständig gefülltes Fallrohr, und andererseits die einfache Bestimmung des notwendigen Betriebsvolumenstroms, der diese Leitung gerade noch gefüllt hält, ermöglichen.  Dabei wird die Stromaufnahme der Primärkreispumpe durch Drehzahlregelung minimiert. Neben dem Fallrohrdurchmesser zeigten sich die Einlaufgeometrie des Fallrohres in den Entleerbehälter  und der Wärmeträger als weitere sensitive Größen.  Eine doppelte Umlenkung des Fallrohres um jeweils 90° erwies sich als günstig (Abb.2). Die Fluidtemperatur hingegen beeinflusste die Höhe der Volumenströme nur unwesentlich, zeigte aber einen Einfluss auf die Dauer von Füll- und Entleervorgängen. Die Befüll- und Entleerzeit war bei höheren Temperaturen deutlich kürzer.

Abbildung 2: Experimentell bestimmte Zusammenhänge zwischen notwendigem Befüllvolumenstrom, notwendigem Betriebsvolumenstrom und dem Fallrohrdurchmesser (die Einlaufrohre wurden mit einer doppelten 90° Umlenkung ausgeführt). Die durchgezogenen Linien gelten dabei für Wasser, die strichlierten Linien für eine Wasser-Frostschutzmischung mit 40% Glykolanteil.

Zur Bestimmung des Volumens des Entleerbehälters und der Druckentwicklung wurde ein Berechnungstool entwickelt, das die Aufnahme der Anlagenvolumina oberhalb des Behälters, die Flüssigkeitsdehnung in Folge eines Temperaturanstiegs im Betrieb sowie die Druckentwicklung in Folge von Verdampfung von Restflüssigkeitsmengen im Kollektor (Stagnationsfall) berücksichtigt.

Messtechnische Untersuchungen

Eine Validierung der oben genannten Erkenntnisse und Dimensionierungswerkzeuge erfolgte mittels detaillierter messtechnischer Untersuchungen an sechs verschiedenen 25 m² großen Flachkollektorfeldern. Dabei wurden Standardgroßflächenkollektoren mit zwei verschiedenen internen Hydrauliken und sechs verschiedenen Kollektorfeldhydrauliken im Labor von AEE INTEC untersucht. Ein zentraler Schwerpunkt lag dabei auf der Bestimmung des Einflusses der unterschiedlichen Hydrauliken auf den verbleibenden Restflüssigkeitsanteil im Kollektor und dem in Folge von Stagnation (Dampfbildung) entstehenden Druckanstieg im System. Deutlich wurde dabei, dass grundsätzlich sowohl die Hydraulik von Einzelkollektoren als auch die Feldhydraulik einen zentralen Einfluss auf das generelle Funktionsprinzip und die Restflüssigkeitsmenge haben. Die verwendeten Standard­kollektoren zeigten zwar ein grundsätzlich günstiges Entleerverhalten, interne Flüssigkeitssäcke (Sammler, Kollektorverbinder, durchhängende Absorberrohre, etc.) führten aber trotzdem zu Restflüssigkeitsmengen, die bei gegebener Dimensionierung des Entleerbehälters je nach Art der Kollektorfeldhydraulik eine Druckerhöhung um etwa 1,0 bis 1,9 bar im Stagnationsfall zur Folge hatten. Der normale Betriebsdruck lag dabei im Bereich von etwa 0,8 bis 1,5 bar auf Kollektorebene. Trotz der grundsätzlich sehr guten Ergebnisse, könnten konsequent für dieses Funktionsprinzip entwickelte Kollektoren mit optimiertem Entleerverhalten noch günstigere Resultate erzielen. Nicht zuletzt erscheint dieses Prinzip auch hinsichtlich des Potenzials, Frostschutzmittel durch reines Wasser zu ersetzen, sehr interessant und würde neben dem unproblematischen Stagnationsverhalten einen weiteren entscheidenden Vorteil bieten.

Reale Anlage im Test

Schließlich wurde basierend auf den erzielten Erkenntnissen eine reale Anlage zur Einspeisung in ein Mikronetz mit 100 m² Kollektorfläche nach dem Funktionsprinzip teilentleerender Systeme geplant und umgesetzt. Der Entleerbehälter wurde dabei mit 210 Litern festgelegt. Da die Anlage ein Gewerbegebiet mit Wärme versorgt, besteht im Sommer eine reduzierte Abnahme, wodurch immer wieder Stagnationszustände auftreten. Deshalb kann das Konzept eines teilentleerenden Systems in diesem Fall gut getestet werden. Die Anlage wurde von AEE INTEC im Sommer 2013 messtechnisch begleitet und detailliert analysiert. Die Resultate zeigten ein äußerst zufriedenstellendes Betriebsverhalten mit unproblematischen Füll- und Entleervorgängen und unproblematischem Stagnationsverhalten.

Abbildung 3: Ansicht der auf einem Flachdach montierten 100 m² großen Kollektorfläche (oben) und des zum Einsatz gelangten Hydraulik- und Messkonzepts (unten). (Bildquelle: AEE INTEC)

Die Ergebnisse des gegenständlichen Projektes haben gezeigt, dass das entwickelte Prinzip eines teilentleerenden Systems nicht nur bei Kleinanlagen, sondern auch bei großen solarthermischen Anlagen gut eingesetzt werden kann und zu einem unproblematischen Stagnationsverhalten mit geringer Systembelastung führt. Gleichzeitig konnten spezielle Dimensionierungsansätze für die kritischen Komponenten entwickelt, erprobt und validiert und viele systemrelevante Erkenntnisse generiert werden. Diese stehen der interessierten Öffentlichkeit nach Abschluss des Projektes (Ende 2013) in Form eines Leitfadens zur Verfügung.

Autoren

Prok. Ing. Christian Fink ist Leiter des Bereichs Solarthermische Komponenten und Systeme von AEE INTEC und leitet das gegenständliche Projekt.

DI (FH) Alexander Kaiser ist Mitarbeiter des Bereichs Solarthermische Komponenten und Systeme von AEE INTEC.

DI Robert Hausner ist Obmann von AEE INTEC.

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