Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

Solare Prozesswärme für Wäschereien

Thermische Solaranlagen können in vielen Industrie- und Gewerbebetrieben einen erheblichen Teil des Wärmebedarfs decken. Unter günstigen Rahmenbedingungen lassen sich mit staatlicher Förderung in Mitteleuropa Wärmegestehungskosten von 4 bis 6 Eurocent/kWh erreichen. Zur Planung nachhaltiger Anlagen ist branchenspezifisches Know-how entscheidend, weil mögliche Effizienzmaßnahmen und Zukunftsszenarien individuell berücksichtigt werden müssen.  

Von Stefan Heß

Gemeinsames Projekt von Solarthermie- und Wäschereibranche

In Deutschland wird seit August 2012 die Nutzung von Solarwärme in Industrie und Gewerbe mit 50 % der Netto-Investitionskosten gefördert (www.bafa.de). Diese Förderung gilt für Anlagen zwischen 20 m². Dabei müssen mehr als 50 % der solar erzeugten Wärme als Prozesswärme genutzt werden. Gefördert werden auch Anlagenhersteller, die im Rahmen von Contracting die erzeugte Solarwärme verkaufen. In den vergangenen eineinhalb Jahren gingen beim deutschen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle 98 Förderanträge für Prozesswärme-Solaranlagen ein. Davon wurden 85 bewilligt und 13 abgelehnt (Stand 20.02.2014). Den Schwerpunkt der Förderanträge bildeten bisher kleinere und mittlere Anlagen im gewerblichen Bereich.

Im Projekt „Solare Prozesswärme für Wäschereien“ (SoProW) arbeiten seit Januar 2013 Partner aus Solarthermie-Industrie, Wäschereibranche, Forschung und Softwareentwicklung zusammen. Ziel ist es, nachhaltige Lösungen für eine optimierte und standardisierte solarthermische Unterstützung von Wäscherei-Prozessen zu erarbeiten. Das Projekt wird vom Fraunhofer ISE koordiniert und soll bis Juni 2016 abgeschlossen werden. Am Ende des Projekts wird ein gemeinsam erstelltes Branchenkonzept mit Planungshilfen stehen. Die Projektergebnisse fließen auch in die IEA-Task 49 »Solar Process Heat for Production and Advanced Applications« ein (www.task49.iea-shc.org).

Abbildung 1: Taktwaschanlage mit interner Wärmerückgewinnung. Bild: Fraunhofer ISE, Wäscherei Laguna

Abbildung 2: Solarthermische Großanlage der Wäscherei Lavans BV, Helmond, mit 300 m² Vakuumröhren-Kollektoren. Bild: Roy Bergmann, Lavans BV

Anlagenbeispiele

Unabhängig von SoProW wurden bereits vereinzelt solarthermische Anlagen für Wäschereibetriebe installiert, von denen zwei hier kurz vorgestellt werden.

Die Wäscherei Lavans in Hellmond, Niederlande bearbeitet mit insgesamt ca. 200 Mitarbeitern ca. 100 t Wäsche pro Woche. Im Jahr 2011 stellte der Betrieb erfolgreich von Dampf auf dezentrale Wärmeversorgung um und beheizt nun Mangeln und Waschstraßen direkt mit Gas. Im Zuge dessen wurde auch die in Abb. 2 gezeigte Vakuumröhren-Kollektoranlage installiert, die über einen 10 m3 Pufferspeicher (max. 95 °C) den Wasch-Warmwasserspeicher lädt. Die Anlage ist auf eine Deckung von 40 % des Warmwasserbedarfs ausgelegt. Lavans gibt an, dass die durchgeführten Maßnahmen insgesamt zu einer Reduktion des Brennstoffverbrauchs um 60 % geführt haben.

In der Wäscherei Laguna in Marburg an der Lahn (Deutschland) bearbeiten 45 Mitarbeiter ca. 8 t Wäsche pro Woche. Im Jahr 2010 wurde von der Firma Wagner & Co. Solartechnik eine 57 m2 große Anlage mit Hochleistungs-Flachkollektoren und insgesamt 3,3 m3 Speichervolumen installiert (max. 120 °C, 3 bar). Die Anlage erwärmt das Wasch-Warmwasser (von 20 auf bis zu 60 °C), das Kessel-Zusatzwasser (von 20 auf 90 °C) und auch das Kessel-Speisewasser (von 90 auf 110 °C). Ein vom Fraunhofer ISE durchgeführtes sechzehn-monatiges Monitoring ergab einen jährlichen solaren Deckungsgrad von 30 % am Wärmebedarf des Waschwassers und 40 % am Kessel-Zusatzwasser. Die Entladung an das Kessel-Speisewasser war lediglich zum Test der Hochtemperatur-Kollektoren in Betrieb. Anlässlich der Planung der Solaranlage wurden die Lastspitzen erheblich reduziert, so dass einer der beiden vorhandenen Gaskessel, der bislang oft im Standby betrieben worden war, stillgelegt werden konnte.

Abbildung 3: Speicherkaskade der Wäscherei Laguna mit drei Druckwasserspeichern (links) und dem Schüttspeicher für die Waschmaschinen (rechts). Bild: Fraunhofer ISE

Auswahl der Wäschereibranche

Die Wäschereibranche eignet sich aus verschiedenen Gründen für das Projekt. Die Kosten für Energie machen hier mit ca. 10 % einen vergleichsweise hohen Anteil aus. Wärme macht mit 88 % den überwiegenden Teil dieses Verbrauchs aus. Im Mittel liegt der Wärmebedarf gegenwärtig bei 1,3 kWh/kg Trockenwäsche, wobei es große Schwankungen zwischen den einzelnen Betrieben gibt. Für die Entwicklung solarthermischer Systemlösungen sind Wäschereien deshalb interessant, weil sie eine Vielzahl potentieller Solarwärme-Integrationsstellen auf Prozess- und Versorgungsebene bieten. Diese unterscheiden sich stark in Verfahren, Druckniveaus und Wärmeträgermedien. Je nach Einbindungsstelle kann die Wärme bei Temperaturen zwischen 20 °C und 200 °C bereitgestellt werden, so dass Systemlösungen mit stationären und nachgeführte Kollektoren möglich sind. Das Potential für Prozessoptimierung und Wärmerückgewinnung ist bei Wäschereien oft hoch. In der Praxis müssen also häufig integrale, kombinierte Lösungen aus Energieeffizienz und Solarthermie umgesetzt werden. Zu den genannten Punkten kommt, dass die Branche in einer klaren Verbandsstruktur organisiert ist und überwiegend aus mittelständischen Betrieben mit kurzen Entscheidungswegen besteht.  

Screenings, Fallstudien und Leuchtturmprojekte

Unter Federführung des Hohenstein Institut für Textilinnovation gGmbH (HIT) wird in SoProW zunächst die Wäschereibranche hinsichtlich des technischen und wirtschaftlichen Potenzials für Solarwärme untersucht. Hierfür wurden im Rahmen eines Screenings Energie- und Betriebsdaten von 20 Wäschereien erfasst und ausgewertet. Daraus werden von HIT und ISE gemeinsam zehn vielversprechende Betriebe für detaillierte Fallstudien ausgewählt. Bei einem Vor-Ort-Termin unter Beteiligung eines Experten für Energieeffizienz in Wäschereien wird dann jeweils eine kostenlose Effizienz- und Solarthermie-Beratung durchgeführt. Auf dieser Basis sollen die drei an SoProW beteiligten Solarfirmen Industrial Solar GmbH, s-power Entwicklungs- & Vertriebs GmbH und Wagner & Co Solartechnik GmbH jeweils ein Leuchtturmprojekt vorplanen und so die entwickelten Hilfsmittel validieren. Bei den drei gewählten Betrieben wird die Limon GmbH die tatsächlichen thermischen Lastprofile vielversprechender Integrationsstellen messen um eine möglichst genaue Planungsgrundlage sicherzustellen.

Weiterentwicklung der Simulationssoftware T*SOL und ColSim

Zur Entwicklung von an Wäschereien angepassten System- und Regelungskonzepten erarbeitet das Fraunhofer ISE neue Komponenten- und Systemmodelle für die am ISE entwickelte Simulationsplattform ColSim. Zusammen mit dem Partner Dr. Valentin Energiesoftware GmbH werden branchenübergreifende Standard-Integrationskonzepte entwickelt, die in die Software T*SOL implementiert werden. In T*SOL wird es zukünftig möglich sein, einen Solar-Pufferspeicher parallel an verschiedene Prozesswärme-Verbraucher sowie an Raumheizung und Trinkwarmwasser zu entladen. Die Integration der Solarwärme kann dabei direkt, über Plattenwärmeübertrager oder für hohe Massenströme über Vorwärmspeicher erfolgen, die optional fossil nachgeheizt werden können. Eine weitere wesentliche Neuerung in T*SOL wird ein System mit nachgeführten fokussierenden Kollektoren zur solaren Dampferzeugung sein. Die Eingabe mehrerer unterschiedlich ausgerichteter Kollektorfelder wird möglich.  

Direkte Dampferzeugung mit Fresnel-Kollektoren

Zur solaren Unterstützung industrieller Wärmenetze entwickelt die Firma Industrial Solar GmbH in SoProW Hybridsysteme für verschiedene Kesseltypen. Im ersten Schritt wurde dazu das bestehende Fresnel-Kollektor-Testfeld in Freiburg Hochdorf so umgerüstet, dass auch bei stark schwankender Direkt-Normalstrahlung eine optimale Direkt-Dampferzeugung möglich ist. Dies wird für verschiedene Bedarfsprofile validiert. Im Sommer 2014 wird das automatische An- und Abfahren des direktverdampfenden Kollektorfelds und die kontinuierliche Erzeugung stabiler Dampfparameter (6 – 16 barü) dann messtechnisch vom Fraunhofer ISE begleitet. Im Zuge dessen wird mit Hilfe einer Messung der Dampffeuchte durch das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf e.V. die Qualität des erzeugten Sattdampfs nachgewiesen.  

Zwischenergebnisse

Im ersten Projektjahr wurde auf Basis eines von HIT erstellten Branchenberichts, von bereits 18 ausgefüllten Screening-Fragebogen und drei durchgeführten Fallstudien von den Projektpartnern eine durchschnittliche Wäscherei definiert und vom Fraunhofer ISE stofflich und energetisch bilanziert. Damit lassen sich erste Aussagen über zur Solarwärme-Integration geeignete Prozesse und sinnvolle Effizienzmaßnahmen machen.

In Abb. 4 ist allgemein der Ablauf der industriellen Wäschebearbeitung dargestellt. Im Mittel werden ca. 90 % der Wäschemenge in kontinuierlichen Taktwaschanlagen behandelt, nur ca. 10 % in Waschschleudermaschinen (Batch-Betrieb). Auf der sog. „reinen Seite“ werden im Schnitt 48 % der Wäschemenge in den Mangeln (quasi-kontinuierlich), 32 % in den Trocknern (Batch) und 20 % in den Finishern getrocknet (Batch). Die jeweiligen Anteile am thermischen Energieverbrauch hängen stark von den umgesetzten Effizienzmaßnahmen ab.

Abbildung 4: Ablauf der gewerblichen Wäschepflege nach Wäschearten (BBK = Berufsbekleidung). Bild: Hohenstein Institut für Textilinnovation

Unter Anderem sollten folgende Effizienzmaßnahmen geprüft werden:

  • Dampferzeuger: Regelungsoptimierung, Economiser, Vorwärmung Kessel-Zusatzwasser über Rauchgaskondensator (Brennwerttechnik) und/oder Brüden-Kondensator

  • Dampfnetz: Isolierung von Rohrleitungen, Prüfung der Kondensat-Ableiter, geschlossene Kondensat-Rückführung (unter Druck), Nachverdampfung zur Erzeugung von Niederdruck-Dampf

  • Taktwaschanlage: Vorwärmung durch Abwasser und Mangel-Abluft, Reduzierung der Bearbeitungstemperatur

  • Wasch-Schleudermaschinen: Vorwärmung durch Abwasser, Reduzierung der Bearbeitungstemperatur

  • Trockner: Dezentrale Beheizung und Gegenstrom-Wärmetauscher zur Vorwärmung der Trocknungsluft mit der Abluft   

Nach Umsetzung dieser Effizienzmaßnahmen erscheinen folgende Integrationsstellen für Solarwärme besonders interessant:

  • Waschwasser für Wasch-Schleudermaschinen (ca. 25 auf ca. 70 °C)

  • Waschwasser für Taktwaschanlage (ca. 40 auf ca. 60 °C)

  • Kessel-Zusatzwasser (ca. 70 auf ca. 100 °C)

  • Direkte solare Dampferzeugung (Dampftemperaturen zwischen 140 und 200 °C)

 Auf Prozessebene wird bei den Wasch-Schleudermaschinen aufgrund ihres Batch-Betriebes oft nur die Abwasser-Wärmerückgewinnung umgesetzt, so dass ein sehr attraktives Temperaturniveau verbleibt. Bei der Taktwaschanlage kann meist in erheblichem Umfang Abwärme genutzt werden; aufgrund des hohen Wasser- und Energiebedarfs kann aber trotzdem eine geeignete, kontinuierliche Solar-Wärmesenke verbleiben. Auf Versorgungsebene verbleibt in sehr effizienten Betrieben beim Kessel-Zusatzwasser teils nur noch ein relativ geringer Wärmebedarf auf für stationäre Kollektoren vergleichsweise hohem Temperaturniveau. Je nach Standort ist dort die Dampferzeugung mit fokussierenden, nachgeführten Kollektoren zu prüfen. Wenn das Dampfnetz generell nicht zur Disposition steht, bietet diese Einbindungsart die höchste Zukunftssicherheit, weil sich Änderungen an einzelnen Prozessen kaum auf den Solarertrag auswirken.

Abbildung 5: Gewerbliche Wasch-Schleudermaschine mit Anschlüssen für Dampf, Warmwasser und Kaltwasser. Bild: Fraunhofer ISE 

Das Projekt »SoProW« wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags gefördert.

Autorenbeschreibung

Dipl.-Ing. (FH) Stefan Heß ist Projektleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Schwerpunkt solarthermische Prozesswärmekollektor- und Systementwicklung am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg, Deutschland (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Top of page