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Schullüftung oder: Die Wahrheit über das schlechte Abschneiden von Österreichs SchülerInnen bei PISA?

von Gerhard Kopeinig und Armin Knotzer

Schulen stehen unter dem Einfluss von Politik und InteressensvertreterInnen. Kein Wunder, denn in einer Dienstleistungs-Volkwirtschaft wie Österreich ist Bildung hoch „Pensionserhaltungs“-relevant. Das muss sich natürlich auf die Art der Pädagogik und das Erscheinungs- bzw. Gestaltungsbild der Schulen auswirken – beides ist oft im Fokus der öffentlichen Diskussion. Aber wie steht es um die Bedingungen, unter denen die SchülerInnen und PädagogInnen in Schulgebäuden, also in ihrer „Arbeitsumwelt“, derzeit lernen und lehren müssen? - Ein Plädoyer für eine hohe Raumluftqualität in Schulen.

Abbildung 1: Ein mechanisches Lüftungsgerät (rechts oben) sollte Normalität in jedem Klassenzimmer sein. Quelle: AEE INTEC

Ausgangssituation

In Österreich stehen in kleinen Gemeinden Schulschließungen an, in größeren Gemeinden viele Schulsanierungen bei gleichzeitiger Reduktion der SchülerInnenzahlen, in größeren Städten eher Schulsanierungen, Schulaus- oder -neubauten, weil größere SchülerInnenzahlen in den Ballungszentren Tatsache sind (siehe Abbildung 2).

„Ob Ganztagesschule, Campusmodell oder Nachmittagsbetreuung, die Veränderung der Aufenthaltsdauer im Bildungsbau bedingt auch eine Veränderung des Raumangebotes – für Schüler und Lehrer.“[1] Diese zukünftigen Veränderungen in der Schulnutzung und im Raumangebot bilden gemeinsam mit den unterschiedlichen Schulbauplänen je nach SchülerInnenentwicklung die wichtigste Grundlage zur Erarbeitung vernünftiger Ziele für die Gebäude bzw. Lernumwelt der SchülerInnen und PädagogInnen. Sehr wichtig dabei ist die Gewährleistung hoher Luftqualität, denn schlechte Luftqualität in Schulgebäuden führt wie auch hohe Temperatur zu Konzentrations- und Leistungsschwäche, ja sogar zu gesundheitlichen Auswirkungen bei SchülerInnen und PädagogInnen.

Abbildung 2: SchülerInnenzahlen der letzten 25 und der nächsten 15 Jahre in der Steiermark gesamt, in Wien und die Entwicklung in Graz + Umland. Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Schulstatistik erstellt am 02.04.2012; Grafik: AEE INTEC

Wie lüften?

Will man in einer Schule die Luftqualität mit dem Öffnen von Fenstern gewährleisten, dann kann eine sogenannte Lüftungsampel dafür verwendet werden. Dabei dient die CO2-Konzentration, in ppm (parts per million) angegeben, als Indikator. In den Klassenzimmern ist jedoch sehr schnell erkennbar, dass die Lüftungsampel in kurzer Zeit auf „Rot“ umschaltet, üblicherweise tun das die Geräte ab 1.200 ppm CO2-Konzentration, ab etwa 1.500 ppm ist mit Beeinträchtigungen zu rechnen (siehe z.B. [2]). D.h. es müsste auch während des Unterreichts oft gelüftet werden.

Die natürliche Querlüftung über Fenster, Gänge und Lüftungsklappen funktioniert nur dann, wenn ausreichend Öffnungen mit großem Querschnitt vorgesehen werden (siehe dazu Abbildung 3). Der Aufwand hierfür ist nicht unbeträchtlich.

Damit ist für Schulen die einzig zielführende Methode, genügend Außenluft (landläufig "frische Luft") in die Klassen- und Konferenzzimmer zu bringen, die Verwendung einer mechanischen Lüftungsanlage, die aus energetischen Gründen mit Wärmerückgewinnung ausgestattet sein sollte.

Abbildung 3: Lüftungsklappen in der Decke des Gangbereichs im Dachgeschoß sind zwar gut, aber reichen meist nicht aus, die abgestandene oder heiße Luft (in der Nacht) über natürliche Lüftung abzuführen. Quelle: AEE INTEC

Lüftungsplanung, Auslegung und Erfahrungen

Bei Schulneubauten ist es neuerdings nahezu „Standard“, mechanische Lüftungsanlagen einzubauen. Dies wird unterstützt durch die energie- und hygienetechnischen Anforderungen der OIB-Richtlinien 2011 [3].

Die Angaben über die vorzusehende Luftmenge in Unterrichtsräumen gehen sehr weit auseinander. Gibt die ÖISS-Richtlinie [4] je nach Altersstufe 15 bis 20 m³/h je SchülerIn vor, so sprechen die Qualitätskriterien des Vereins komfortlüftung.at [5] von 19 bis 30 m³/h je SchülerIn. Um die IDA-Klasse II nach ÖNORM EN 13779 (hohe bis mittlere Raumluftqualität) zu erreichen, wären an die 30 m³/h je SchülerIn nötig. Bei so ausgelegten Lüftungsanlagen ist in nur temporär oder zeitweise gar nicht belegten Klassenzimmern, auch mit CO2-gesteuerter Lufteinbringung, der Luftwechsel in der Praxis für die Heizsaison zu hoch. Der Grundlüftungspegel, der aus hygienischen und bauphysikalischen Gründen gehalten werden muss, führt dann zu geringer Luftfeuchte, d.h. um die 20% relative Luftfeuchtigkeit oder sogar darunter. Die SchülerInnen und PädagogInnen klagen dann über trockenen Hals und trockene Augen. Nicht dass dies früher in Klassenzimmern mit undichten Fenstern nicht der Fall gewesen wäre, aber jetzt fällt es unangenehmer auf, da alles andere wie Heizung, Zugluft etc. optimiert wurde und höhere Temperaturen im Raum die relative Luftfeuchte weiter reduzieren.

Auch in Schulen braucht es jemanden, der schon von der Projektentwicklung an eingebunden ist und auch im Betrieb für die Lüftungsanlage zuständig ist (Schulwart, Facility Management). So geht kein Wissen verloren, Fakten für den Betrieb können schon vorab besser bedacht werden und die Vermittlung an PädagogInnen, SchülerInnen und Eltern geschieht dann auch von Anfang an. Die NutzerInnen auf den Planungs- und Ausführungsweg mitzunehmen und einzubinden ist besonders bei der Lüftung sehr wichtig.

Die Lüftungsanlagen müssen hauptsächlich den Menschen dienen. Eine "sanfte" Lufteinbringung in die Räume zu planen ist der Schlüssel zum Erfolg. Egal ob die Einbringung über Ventile oder Luftsäcke erfolgt, die eingebrachte Luft muss sich erst mit der im Raum vorhandenen vermengen - ohne Zugerscheinungen. Das ist nur mit tendenziell größeren Rohrdurchmessern und geringerer Luftgeschwindigkeit zu erreichen.

Damit im Zusammenhang steht auch die oft gestellte Frage der Art der Anlagen (dezentral od. zentral). Zentrale Anlagen ermöglichen eine hohe Flexibilität bei den einzubringenden Luftmengen, dazu eine „sanftere“ Lufteinbringung, genauere Einstellung der Lüftungsklappen und eine höhere Energieeffizienz. Dezentrale Anlagen können aber bei schwierigen Leitungsführungen im Bestand sinnvoll sein und eine spürbare Verbesserung der Luftqualität bringen. Bei beiden Varianten ist es sinnvoll, zusätzlich die Fenster öffnen zu können.

Bereits bei der Planung ist die Reinigungsmöglichkeit von lufttechnischen Anlagen mitzudenken und mitzuplanen. Dies gilt vor allem im Bereich der Wärmerückgewinnung und der Schalldämpfer. Diese Reinigung kann nahezu entfallen, wenn die bestmögliche Filtertechnologie eingesetzt und die Filter zweimal im Jahr gewechselt werden. Während der Errichtung der lufttechnischen Anlagen haben die HandwerkerInnen, die UnternehmensprojektleiterInnen der Haustechnikfirmen und die örtliche Bauaufsicht darauf zu achten, dass die lufttechnischen Komponenten aber auch die einfachen Rohrleitungen und -bögen nicht verstaubt auf der Baustelle oder der Witterung ausgesetzt im Freien liegen, sondern möglichst geschützt in einem eigenen Raum (ein Container oder ein dafür abgestellter Raum auf der Baustelle) gelagert werden. Denn wenn sauber gearbeitet und Verunreinigungen von Anfang an verhindert werden, ist die lufttechnische Anlage relativ wartungsarm.

Die Inbetriebnahme der Schullüftungsanlage erfolgt nicht an einem Tag. Die Erfahrung zeigt, dass es mindestens eine Wintersaison und eine Sommersaison dauert, bis die Feinjustierung der Einstellungen so erfolgt ist, dass es für die NutzerInnen und für die Energieeffizienz ideal ist.

Beispiele und Resümee

Bei der ersten Passivhaus-Schulsanierung von 2007 in der PTS/NMS Schwanenstadt in Oberösterreich wurden dezentrale Geräte verwendet, auch für einzelne Raumeinheiten wie Bibliothek oder Lehrküche. Diese insgesamt 44 dezentralen Geräte benötigen bei der Wartung 88 Filter pro Jahr, laufen aber inzwischen zur Zufriedenheit der NutzerInnen (Abbildung 4).

Abbildung 4: EDV-Raum in der NMS Schwanenstadt mit dezentralem Lüftungsgerät (linker oberer Bildbereich). Quelle: AEE INTEC

Bei der ersten Plusenergie-Schulsanierung in der VS und NMS Rainbach, auch in Oberösterreich, war die oberste Prämisse Zentralität des Lüftungssystems und „sanfte“ Lufteinbringung in die Klassenzimmer. Das Lüftungsgerät mit einem Maximalvolumenstrom von 17.500 m³/h und ein sehr langes, teilweise durch kalte Bereiche führendes, hochwärmegedämmtes Rohrnetz zeigen dort, was möglich ist. Der Wartungsaufwand ist dort eher bei der Brandschutzklappenkontrolle und späteren Reinigung des langen Rohrleitungsnetzes zu suchen (Abbildung 5).

Abbildung 5: Lüftungsrohr großer Dimension im Veranstaltungssaal als Teil der zentralen Be- und Entlüftungsanlage mit WRG der NMS Rainbach. Quelle: AEE INTEC

Beide Systemvarianten, so unterschiedlich sie auch sind, bewirken aber in der Praxis, nach einer wie schon erwähnten wichtigen Inbetriebnahmephase, merkbar hohe Luftqualität und ein Raumklima, bei dem ein besseres Abschneiden bei PISA physiologisch erst möglich wird.

Zur Erreichung gesunder Luftqualität und eines guten Sommerkomforts in Schulen empfiehlt es sich daher, mechanische Lüftungssysteme mit oder ohne natürlichen Nachtlüftungsmöglichkeiten zu nutzen (Abbildung 6). Natürliche Fenster-Lüftung alleine kann diese Qualitäten im mitteleuropäischen Klima nicht bieten.

Abbildung 6: Oberlichten und Lüftungsrohre nebeneinander - und damit natürliche Lüftung(smöglichkeit) und Beleuchtung sowie mechanische Lüftung als Standardausstattung in Schulen. Quelle: AEE INTEC

Die mechanische Lüftung muss auf individuelle Gegebenheiten des jeweiligen Schulgebäudes eingehen, und in Abhängigkeit der Klassenzimmerbelegung und -nutzung betrieben werden. Solange wir ein Schulsystem haben, das die Auseinandersetzung mit seiner direkten Umgebung (Schulgebäude, -technik und -garten etc.) wenig forciert, sollte die Technik hohe Raumluftqualitäten bereitstellen – nicht PISA, sondern unseren Kindern zuliebe.

Im Rahmen des Projektes „Renew School“ werden Technologien zur Erreichung hochwertiger Schulsanierungen forciert – www.renew-school.eu

Logos des Projektes Renew School

Literatur:

  1. Siehe Ankündigung der Veranstaltung „Neue Räume für die Bildung“ der Reihe Schule und Baukultur, im Rahmen des Kulturschwerpunktes „2014 | Jahr der Burgenländischen Baukultur“ in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Burgenland im B(R)G Neusiedl am See am 23.10.2014
  2. Philipp Hohenblum et al.: LUKI – LUft und Kinder, Einfluss der Innenraumluft auf die Gesundheit von Kindern in Ganztagsschulen; Langfassung Endbericht, hrsg. von Umweltbundesamt. Wien, 2008
  3. OIB – Österreichisches Institut für Bautechnik: OIB-Richtlinien 2011 http://www.oib.or.at/de/oib-richtlinien (aufgerufen am 13.02.1015)
  4. ÖISS (Hrsg.): Richtlinien für den Schulbau, Kap. 4. Bauphysik, Raumklima und Energieeffizienz, Stand Dezember 2009
  5. Komfortlüftung.at (Hrsg.): 61 Qualitätskriterien für Klassenzimmerlüftungen http://www.komfortlüftung.at/schulen-kindergaerten/61-qualitaetskriterien/ (aufgerufen am 13.02.2015). Ausgabe 2.6, Oktober 2014
  6. ÖNORM EN 13779: Lüftung von Nichtwohngebäuden – Allgemeine Grundlagen und Anforderungen für Lüftungs- und Klimaanlagen und Raumkühlsysteme, 1. Jänner 2008

Autorenbeschreibung

Arch. DI Gerhard Kopeinig ist Geschäftsführer der ARCH+MORE ZT GmbH

DI Armin Knotzer ist Mitarbeiter von AEE INTEC, Bereich Nachhaltige Gebäude (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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