Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

Solare Potentiale im Städtebau

von Tobias Weiß, Sophie Grünwald, Kersten Hofbauer, Thomas Mach, Thomas Reiter, Beatrice Unterberger, Daiva Jakutyte-Walangitang

In Österreich ist die aktive Nutzung von Solarenergie im städtebaulichen Planungsprozess derzeit noch schwach verankert. Zwar wird Solarenergienutzung im ländlichen Raum, meist ohne städtebauliche Vorgaben, inzwischen immer mehr zur Normalität der Dachlandschaft. Im städtischen Bereich ist die Nutzung der solaren Technologien allerdings oft noch eher auf Einzelfälle beschränkt.

Solarenergie im urbanen Raum

Viele österreichische Städte wie Wien, Salzburg oder Graz haben sich zwar übergeordnete Ziele bezüglich der Nutzung von solarer Energie gesetzt, jedoch sind die methodischen Ansätze, Planungswerkzeuge und Richtlinien, die entsprechende Umsetzung dieser Ziele ermöglichen würden , derzeit nur fragmentiert vorhanden. In diesem Kontext muss umso mehr auch die Tatsache in Betracht gezogen werden, dass städtebauliche Raumschaffung ein komplexer Prozess ist, in dem viele Einflussfaktoren, Interessen und Planungsprinzipien berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden müssen.

Der Task 51 des Solar Heating and Cooling Programme (SHC) der Internationalen Energieagentur (IEA) „Solar Energy in Urban Planning“ befasst sich deshalb mit der passiven und aktiven Nutzung von Solarenergie, vordergründig nicht am Einzelgebäude sondern im städtischen Maßstab. Ziel des internationalen Forschungsprojekts ist es, nützliche Erkenntnisse aus weltumspannenden Erfahrungen in diesem Bereich zu gewinnen, um entsprechende Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Die Ergebnisse des Tasks sollen die StadtplanerInnen und ArchitektInnen nicht nur dabei unterstützen, solarenergetische Maßnahmen bestmöglich im Planungs- und Umsetzungsprozess zu berücksichtigen, sondern zum Beispiel auch neue Unterrichtsmethoden an den Universitäten entwickeln, die bereits begonnene Integration zwischen Energie- und Raumplanung vertiefen und ein frühzeitiges Bewusstsein für diese Thematik erschaffen.

Folgende Inhalte werden im IEA Task 51 bearbeitet:

  1. Erfassen von bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Barrieren für Solare Stadtplanung;
  2. Entwicklung von Prozessen, Werkzeugen und Methoden zur Unterstützung von langfristigen Integration von Solarenergie im urbanen Umfeld;
  3. Fallbeispiele und Testkonzepte;
  4. Ausarbeitung von Informations- und Unterrichtsmaterial.

Eine effektive Integration solarer Energie im städtischen Umfeld kann nur dann erfolgen, wenn einerseits neue Ansätze durch rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden und andererseits Energieplanungs-, Stadtplanungs- und Gestaltungsprozesse sinnvoll aufeinander abgestimmt sind. Die Vielzahl an beteiligten AkteurInnen und verschiedensten Planungsverfahren macht die Aufgabe der Integration von solarer Energieumwandlung in der Stadt zu einem herausfordernden Unterfangen und erfordert eine umfassende Betrachtung des Themas.

Abbildung 1: "Solare Hüllen" im Städtebau. Quelle: Tobias Weiß

Prozesse der Stadtplanung - Herausforderungen und Möglichkeiten

Handlungsrahmen

Im Stadtplanungsprozess wird in Österreich aktuell nur das Recht auf Licht in den jeweiligen Landesbauordnungen und vom OIB definiert, wobei Solaranlagen in der Stadtplanung keine Berücksichtigung finden.

Die Prämisse der frühestmöglichen Einbindung von Solarenergie in den Stadtentwicklungsprozess setzt die abteilungsübergreifende Beteiligung im Stadt(teil)entwicklungsprozess, sowie Flexibilität und Kooperation voraus. Die Bereitschaft zu solchen Kooperationen wird von der Verwaltung und den ausführenden Organen in der Regel bereitwillig unterstützt, jedoch vom Gesetz und den Regelwerken der Stadtentwicklung nicht bzw. nicht in ausreichendem Umfang mitgetragen. Solare Potenziale im Städtebau können zurzeit nur in untergeordneten Bereichen, wie dem Förderungswesen, Eigeninitiativen der Bauträger oder den kaum vorhandenen gesetzlichen Regelungen, die von Bundesland zu Bundesland variieren, erschlossen werden.

Unterstützung hierzu bietet der Solarkataster (u.a. Wien, Graz), der die Eignung der Dachflächen des Baubestandes aufgrund der Ausrichtung und Neigung angibt (siehe Abb.2). Technisch basieren diese Kataster auf Orthofotos und Laserscannerdaten, die über entsprechende Algorithmen zur Ausweisung geeigneter Dachflächen führen. Eine zentrale Anlaufstelle mit Verlinkung zu den „Solarpotenzialinfoseiten“ von bereits vermessenen Städten bzw. eine Plattform mit flächendeckenden, österreichweit einheitlichen Daten ist jedoch noch nicht verfügbar.

Die Stadtverwaltungen agieren ausschließlich in deren Ressortverantwortungen, wenn nicht durch politische Entscheidungen ganzheitliches Denken wie z.B. für solare Nahwärme für Mehrfamilienhäuser, Hotels, Seniorenwohnheimen oder Sportzentren vorgegeben wird. Um kostengünstige integrierte Systemlösungen zu entwickeln, muss eine Projektpartnerschaft des ausführenden Bauunternehmens, der PlanerInnen/ IngenieurInnen, der ArchitektInnen, der SolaranlagenbetreiberInnen und der VerwalterInnen zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt im Entwicklungsprozess Vorgaben und Entscheidungen aufeinander abstimmen.

Stadt ist ein langlebiger Gesamtorganismus, für den die Ausrichtung der Gebäudestrukturen sowie die Orientierung der Straßen und anderer öffentlicher Räume zu Sonne mitbedacht werden sollten. Entsprechende gesetzliche Systemansätze für die Stadt zu schaffen bedeutet Wohnen (Dichte), Energie (solar), Verkehr (Transport) und Infrastruktur ganzheitlich zu denken [1]. Die Versorgung mit regional bzw. lokal vorhandener Solarenergie sollte in die Siedlungs- und Entwicklungsstrukturen eingebunden werden. Dazu müssen die jeweiligen Standorte für die solare Energieumwandlung unter Berücksichtigung der Speicherung und Verteilung ermittelt und rechtzeitig gesichert werden. Zudem sollte der Deckungsanteil regional verfügbarer Energieträger erhoben und in den Planungsprozess einbezogen werden. Überlegungen zu Raumvorgaben sollten bereits bei der Sicherung der Baulandverfügbarkeit geprüft werden, um Ausschluss- und Eignungszonen zur Energieumwandlung festzulegen. Eine Stärkung des Einflusses von Solarenergie kann durch Vernetzung der Energiekonzepte mit Instrumenten der Wohnbauförderung und der Baugenehmigung erfolgen oder mittels Verordnung regenerativer kommunaler Energiekonzepte erreicht werden.

Abbildung 2: Ausschnitt aus dem Solarkataster der Stadt Wien, erstellt durch die MA 41, MA 22, MA39. Das "Sehr gut geeignet"/orange bedeutet mehr als 1.100kWh/m² Globalstrahlung, "Gut geeignet"/gelb zwischen 900-1.100 kWh/m². Solarkataster der Stadt Wien

Ungenutzte solare Potentiale

Die wichtigsten Instrumente der Stadtplanung stellen unter anderem Bebauungs- und Flächenwidmungspläne dar (siehe Abbildung 3). Die Potentiale für eine urbane Solarenergienutzung können also zu allererst auf diesen beiden hierarchisch geordneten Ebenen entwickelt werden.

Abbildung 3: Flächenwidmungsplan: Geeignete maximale Solardachfläche in Prozent je Widmung. Quelle: Tobias Weiß

Die Ebene des Flächenwidmungsplanes

Solare Potenziale in ausgewiesenen Stadtflächen mit ähnlichen baulichen und technischen Gegebenheiten sowie ähnlichen städtebaulichen Dichten und Widmungen lassen sich bereits auf der Ebene des Flächenwidmungsplanes zuordnen. Dieses theoretische solarurbane Flächenpotenzial wird idealerweise durch städtebauliche Gesichtspunkte (Baukultur/Denkmalpflege) und technisch/wirtschaftliche Aspekte ergänzt. So können hier bereits neben dezentralen Einzelanlagen auf Wohn- und Bürogebäuden übergeordnet Zielgebiete für stadträumliche Konzentrationen für Photovoltaik und solarthermischen Kollektoren u.a. in Industrie und Gewerbegebieten festgelegt werden [2].

Um den Energiebedarf in Städten mit erneuerbaren Energien decken zu können, braucht es Lösungen in großem und kleinem Maßstab. Im urbanen Bereich integrierte dezentrale Lösungen allein werden nur einen kleinen Teil des städtischen Energiebedarfs decken können. Ergänzend müssen auch hier im Umland Gebiete im Flächenwidmungsplan ausgewiesen werden, um Solarenergie im großen Stil mittels Großanlagen nutzbar machen zu können.

Die Ebene der Bebauungsplanung / des städtebaulichen Entwurfs

Wesentliche Kriterien zur Bewertung der städtischen Solarenergie- und Tageslichtpotenziale sind einerseits das solare Strahlungsangebot am Standort und das passive solare Potential der Baukörper. Andererseits spielt der Anteil der durchschnittlichen für aktive Solarenergie nutzbaren Dachflächen- und Fassadenflächenanteile auf die jeweilige Bezugseinheit (z.B. Grundstücksfläche oder Einwohner) eine wesentliche Rolle.

Folgende Kriterien sollten hier zusammenfassend bei der Bewertung städtebaulicher Entwürfe und übergeordnet bei der Erstellung von Bebauungsplänen berücksichtigt werden:

  • Alle Dach- und Fassadenflächen, die potenziell für aktive solarthermische-/ photovoltaische-Solarenergieanlagen genutzt werden könnten. Die Flächen sollten gleichzeitig nach städtebaulichen Kriterien und auf Eingriffsempfindlichkeit geprüft werden.
  • Die Orientierung der Baukörper/ Nutzungseinheiten und die daraus resultierende Besonnung der Fassadenflächen.

Kritisch ist hier anzumerken, dass eine überspitzte einseitige Sichtweise auf dieses Thema, z.B. in Form von rein südausgerichtetem Gebäudezeilen mit sehr großen Gebäudeabständen einerseits zu einer unnötig starken Zunahme des Flächenbedarfs führt. Die daraus resultierende kleinere städtebauliche Dichte hätte zahlreiche energietechnische Auswirkungen in der Versorgungsstruktur mit negativen Effekten auf den Energiebedarf.

Andererseits ist eine strikt eingehaltene Südausrichtung von Baukörpern auch hinsichtlich einer städtischen Raumbildung problematisch. Das umfangreiche Thema Städtebau lässt sich keinesfalls auf die Besonnung oder energetische Aspekte reduzieren [3].

Abbildung 4: Solarpotenzial und Tageslichtstunden. Quelle: Tobias Weiß, Demir Abdurrahman

Übergeordnete Ziele der Städte

Wien, Graz und Salzburg haben sich unter anderem für die nächsten Jahre übergeordnete Ziele bezüglich der Nutzung von solaren Technologien gesetzt [4].

Mit der Novelle der Bauordnung für Wien im Sommer 2014 wurde der neue "Wiener Solarstandard für Dienstleistungsgebäude" eingeführt. Damit wird der Einbau einer Photovoltaik-Anlage zur Stromerzeugung mit einer Mindestleistung von 1 kW Peak pro 100 m² Bruttogeschoßfläche verpflichtend vorgeschrieben [5].

Die Stadt Graz will laut kommunalem Energiekonzept 2020 den Ausbau von Fernwärme und Solarenergie massiv vorantreiben. Dabei soll in Graz als „Solarhauptstadt Österreichs“ bis 2020 ein m² solarthermische Kollektorfläche pro Einwohner erreicht werden [6].
Auch die Stadt Salzburg plant mit der Solaroffensive im Masterplan 2025 die Nutzung der vorhandenen Dachflächen zur Wärme- und Stromerzeugung erheblich auszubauen. Als ehrgeiziges Ziel sollen bei einem geeigneten Dachflächenpotenzial von etwa 700.000 m² in Salzburg 140.000 m² solarthermische Kollektoren (jährliche Zuwachsrate von ca. 10.000 m²) und 14.000 kWp Photovoltaik (jährliche Zuwachsrate von ca. 1.000 kWp) installiert werden [7].

Ausblick

Die Bemühungen der Stadtplanungsverantwortlichen, Quartiersentwicklungen auch im Hinblick auf das jeweilige solarenergetische Potential optimiert zu entwickeln, sind spürbar gestiegen. Aufgrund der Komplexität insbesondere in der solarenergetischen Vernetzung von unterschiedlichen Gebäuden und damit auch Interessen bedarf es jedoch noch intensiver Anstrengungen aller relevanten Player, um großmaßstäbliche Solarstrategien ohne Qualitätsverluste in eine gebaute, nachhaltig sinnvolle Wirklichkeit überzuführen. Erkenntnisse und Hürden von Stadtplanungsprozessen anhand von Best-Practice Beispielen zur Nutzung der Solarenergie in der Stadtplanung (Salzburg Lehen, Smart City Aspern, Smart City Reininghaus, Solar City Pichling) werden derzeit evaluiert und mit internationalen Projekten verglichen (Abbildung 5). Die optimierte Nutzung von Solarenergie in urbanen Gebieten ist somit nur ein Baustein auf dem Weg zu lebenswerten Städten - dieser ist jedoch unverzichtbar und dringend nötig. Das Projekt IEA Task 51 „Solar Energy in Urban Planning“ ist dabei eine wesentliche Aktivität innerhalb dieses Prozesses - insbesondere in der Unterstützung des nötigen internationalen Erfahrungsaustausches und der Wissensvermittlung. Die Synergien, die sich aus dem Task 51 ergeben, bilden einen wertvollen Beitrag sowie eine Plattform für einen kontinuierlichen Austausch. Diese Kooperation stellt sicher, dass einerseits das internationale Know-how als Inspiration für die Weiterentwicklung in Österreich dienen kann und anderseits österreichische Erfahrungen und Expertenwissen im internationalen IEA-Netzwerk präsent sind.

Abbildung 5: Solarpotenzial, Best Practice. Quelle: Tobias Weiß, Demir Abdurrahman

Literatur

  1. Anders S., (2011): Greenbuilding 09/12 – Die Stadt als System, S.09
  2. Everding D. (2007): Solarer Rahmenplan Berlin
  3. Vallentin R. (2011): Greenbuilding 06/11 - Solare Optimierungen im Städtebau – Eine fragwürdige Strategie? S.23
  4. online unter http://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/b008380a.pdf (10.2.2015)
  5. RIS , Landesrecht Wien: Gesamte Rechtsvorschrift für Bauordnung für Wien, Stand 2014
  6. KEK Graz 2020 , Aktionsgruppe 02
  7. Reithofer J. Josef 2012: ReithoferCity Salzburg - Energielösungen für die Zukunft, Stadt Salzburg Magistrat, Amt für Stadtplanung und Verkehr (www.stadt-salzburg.at /nachhaltigkeit)

Autorenbeschreibung

DI Tobias Weiß, FH Salzburg ist am Studiengang Smart Building der FH Salzburg GmbH tätig (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

DI Sophie Grünewald ist am Institut für Wärmetechnik der TU Graz tätig.

DI Kersten Hofbauer ist am Institut für Städtebau der TU Graz tätig

DI Dr.techn. Thomas Mach ist am Institut für Wärmetechnik der TU Graz tätig

DDI Dr.techn. Thomas Reiter ist am Studiengang Smart Building der FH Salzburg GmbH tätig.

DI Beatrice Unterberger ist bei bauXund forschung und beratung gmbH tätig.

DI (FH) Daiva Jakutyte-Walangitang MSc. ist am AIT - Austrian Institute of Technology GmbH, tätig.

Top of page